Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebzehntes Kapitel.
Eine Trinkgesellschaft

. Tritt man aus dem Cajonpaß in das Tal von San Bernardino ein und folgt der Straße, die gegen Süden abbiegt, so befindet man sich nach halbstündiger Wanderung zwischen einer Reihe von Blockhäusern und kleinen Gehöften, die zu weit voneinander liegen, um die Bezeichnung »Stadt« zu verdienen, und wieder zu nahe aneinander grenzen, um als bloßes reich besiedeltes Land betrachtet zu werden.

Der Name »Ansiedelung« ist wohl am entsprechendsten, wenigstens nach den Begriffen, die man auf dem amerikanischen Kontinent dem Worte »Settlement« beilegt. Denn aus einem Settlement kann ebensowohl ein Dorf, ein Flecken oder mehrere aneinander stoßende Dörfer, wie eine Weltstadt entstehen, je nachdem der Strom der Einwanderung sich nach dem einen oder dem andern Punkte hinwendet, vor allen Dingen aber, je nachdem die Bodengestaltung und die natürlichen Hilfsmittel die Kolonisation begünstigen.

Die Ansiedelung, von der hier die Rede ist, ist wohl von Anfang an nicht zu einer Stadt bestimmt gewesen, sondern mehr zu einer Art von Station, die von den Mormonen gegründet wurde, um den auf dem Wasserwege in Kalifornien eintreffenden Proselyten die Reise nach der großen Salzsee-Stadt zu erleichtern. –

Im Spätherbst des Jahres, in das unsere Erzählung fällt, war »San Bernardino«, der einzige Name, unter dem diese Ansiedelung in weiteren Kreisen bekannt ist, traurig und verödet, wenigstens verödet im Vergleich mit früheren Jahren, in denen die »Heiligen der letzten Tage« mit ihren doppelten, drei- und mehrfachen Familien Felder, Gärten, Hütten und Häuser reicher belebten, als dies gewöhnlich bei andern zivilisierten Völkern der Fall ist. –

Die Vereinigten Staaten, voller edler Entrüstung darüber, daß auf ihrem gesitteten Kontinent eine Religionssekte lebte, die der in ihrem Glaubensbekenntnis vorgeschriebenen Polygamie huldigte, anstatt das, nach den unumstößlichen Ansichten damals noch der meisten Amerikaner, von Gott eingesetzte System der Sklaverei weiter zu verbreiten, hatten den Mormonen den Krieg erklärt.

Infolgedessen war von Brigham Young, dem geistlichen und weltlichen Oberhaupt des Mormonenstaates, an alle noch außerhalb der Grenzen lebenden Glaubensgenossen der Befehl erteilt worden, sich schleunigst nach der heiligen Stadt zu begeben und dort nach besten Kräften mit zur Verteidigung ihrer Religion und ihrer Institutionen beizutragen.

Ohne Zögern wurde dem strengen Befehl Folge geleistet, und nicht nur mit Weib, Kind und Herden, sondern auch belastet mit Unmassen von Kriegsmaterial, eilten die Karawanen vom oberen Missouri, wie von San Bernardino, dem großen Salzsee zu.

Aus diesem Grunde war die Ansiedelung von San Bernardino ungewöhnlich vereinsamt und verlassen. Der Rauch mehrerer Schornsteine und kleine Herden von Mauleseln und Pferden, die auf den Feldern und in den Gärten weideten, besagten indessen, daß immer noch einige Bewohner zurückgeblieben waren, um einesteils erst im letzten Augenblick aufzubrechen, dann aber auch, um etwa noch eintreffenden Glaubensgenossen auf den Weg zu helfen und ihnen die Reise zu erleichtern oder auch Gelegenheit zu geben, sich erfahreneren Wüstenreisenden anzuschließen.

Die beste Klasse von Menschen war es durchgehends nicht, die noch so lange mit ihrem Aufbruch zögerte. Dagegen darf mit Recht behauptet werden, daß sich unter ihnen die verwegensten Mitglieder der ganzen Kolonie befanden; Leute, die in ihrem blinden Fanatismus allen Nichtmormonen oder sogenannten »Gentiles«, die sie durchwegs als ihre Feinde betrachteten, gefährlich werden konnten, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, und sich noch weniger ein Gewissen daraus machten, bei ihrem Abzuge sich noch dieses oder jenes Pferd oder Rind, vielleicht auch noch wertvollere Sachen, die scheinbar herrenlos waren, anzueignen und mit in die Wüste zu führen.

Es war ungefähr eine Woche nach des Majordomos Eintreffen auf der Rancho, und zwar in der kurzen Dämmerungsstunde, als die kleine Blockhütte, die am weitesten östlich, halb verborgen in einer Schluchtmündung lag, einen ganz andern Anblick bot, als die übrigen Gehöfte, die sich in südlicher Richtung zerstreut erhoben.

Diese Abweichung in der äußeren Erscheinung rührte von einer dichten Rauchsäule her, die lustig und massenhaft dem niedrigen Schornstein entstieg, während die Schornsteine der übrigen Wohnungen entweder gar kein Lebenszeichen von sich gaben, oder nur ganz schwache, kaum bemerkbare Rauchwölkchen wirbelnd emporsendeten.

Und so unansehnlich das kleine, windschiefe, von schweren, unbehauenen Balken hergestellte Gebäude sich auch ausnehmen mochte, so herrschte darin doch wirklicher Überfluß und bis zu einem gewissen Grade auch Frohsinn, der sich aber auf der andern Seite wieder mit übler Laune und außerdem noch weniger ansprechenden, sogar drohenden Leidenschaften paarte. Jedenfalls würde ein Fremder, der zufällig durch das kleine, trübe Fenster gespäht hätte, gezögert haben, einzutreten, trotzdem vielleicht sein erster Blick an einem Paar schwarzer, wunderbar schöner, glänzender Augen haften geblieben wäre.

Vor einem breiten, roh ausgemauerten Kamin, in dem ein mächtiges, mit zerbrochenen Stühlen, Tischen und andern brennbaren Hausgeräten genährtes Feuer seine Flammen bis in den Schornstein hinaufsandte, saß im Halbkreise eine Gesellschaft, deren Mitglieder zwar ursprünglich nicht dorthin zu gehören schienen, sich aber dort offenbar so heimisch fühlten, als wenn sie zwischen den vier nackten Wänden geboren worden wären.

siehe Bildunterschrift

Den Mittelpunkt bildete, wie einst bei einer andern Gelegenheit, Sennora Arabella, die engelgleiche Tänzerin.

Den Mittelpunkt bildete, wie einst bei einer andern Gelegenheit, Sennora Arabella, die engelgleiche Tänzerin, und zwar ebensowohl wegen ihrer dämonisch schönen Erscheinung und der fröhlichen Laune, von der sie förmlich übersprudelte, als auch wegen der Gewandtheit, mit der sie das Amt einer Wirtin versah und, mittels einer an einem langen Stabe befestigten Blechtasse, aus dem über dem Feuer hängenden Kessel die Tassen und Gläser der übrigen Gesellschaft mit siedendem Whiskypunsch füllte.

Sie saß auf der rechten Seite des Kamins, nahe dem Feuer, während ihr gegenüber Finney Platz genommen hatte, augenscheinlich in der Absicht, nicht zu weit von der streng duftenden Quelle entfernt zu sein, aus der er sich für die letzten Enttäuschungen und den vielfachen Verdruß zu entschädigen suchte.

Auf der linken Seite von Arabella, auf einem Holzblock, saß Ramiro, doch war er durch einen Zwischenraum von ungefähr zwei Fuß von ihr getrennt, der wieder von dem Affen eingenommen wurde. Die Tänzerin hatte das kluge Tier zu ihrem Beschützer gewählt, und einen eifersüchtigeren und wachsameren Beschützer hätte sie in der ganzen Gesellschaft nicht finden können; denn so teilnahmlos dieser auch dasaß und mit nachdenklichem Ausdruck seinen geliebten Strohhalm kaute, so brauchte sie doch nur ihre kleine Hand auf sein dickes, struppiges Haupt zu legen, um ihn zu veranlassen, der ganzen Gesellschaft, selbst dem ihm gegenübersitzenden Direktor, sein furchtbares Gebiß zu zeigen.

Etwas abseits, jedoch so, daß die Flammen des Kamins ihnen dabei leuchteten, lagen der Chinese und der Harlekin auf dem Erdboden und ließen die Würfel lustig rollen und das Geld von dem einen zu dem andern hinüberwandern.

Beide waren so vertieft in ihr Spiel, daß sie die Bemerkungen gar nicht vernahmen, die zuweilen über sie gemacht wurden und vorzugsweise den Chinesen betrafen, der, trotz seiner vorgeblich mangelnden Sprachkenntnis, den Wert der Würfel und des Geldes sehr genau berechnete, und trotz des blöden Ausdruckes seiner Augen jedesmal entdeckte und durch zornige Gebärden rügte, wenn der Harlekin ihn durch eine gewandte Handbewegung oder durch das absichtlich zu schnelle Zusammenraffen der Würfel zu übervorteilen suchte.

Außer diesen Personen gehörten noch zwei Mormonen, wild und verwegen dareinschauende Burschen von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, zu der Gesellschaft, und endlich noch zwei von den Desperados, die Finney auf seinem Raubzuge nach dem Tularetal begleitet und, bestochen durch seinen kühnen Charakter, sich inniger an ihn angeschlossen hatten.

In dem Augenblicke, in dem wir als unbeteiligte Zuschauer die Hütte betreten, war die Unterhaltung eben ins Stocken geraten. Man hatte nämlich ein Übereinkommen getroffen, die ganze Gesellschaft, der Chinese und der Affe nicht ausgenommen, solle sich den Mormonen zur Reise nach dem Salzsee anschließen, wo gesunde Köpfe und starke Arme sehr verlangt waren. Da es verlautete, daß infolge mehrerer kühnen Räubereien, die in der Umgebung von Pueblo de los Angeles ausgeführt worden waren, die Stadt- und Landbewohner eine Miliz zur Ergreifung und Verfolgung der Desperados auszurüsten beabsichtigten, so glaubten Toby Ring sowohl, wie die zu seiner Gesellschaft gehörigen Mitglieder, daß es wohl am geratensten für sie sein dürfte, die alten Schauplätze ihrer Tätigkeit aufzugeben und ihr Heil im Mormonenstaat, vielleicht auch selbst als Mormonen zu versuchen.

Ihre Abreise sollte bald stattfinden und wurde nur deshalb noch immer verschoben, weil man das Tal von San Bernardino nicht verlassen wollte, ohne vorher noch ein einträgliches Geschäft, oder vielmehr einen neuen Streich unternommen zu haben.

Nach Ramiros Angaben und der beiden Mormonen und der Desperados Überzeugung handelte es sich nur um die Entführung der Tochter des Rancheros Don Sanchez, die, vorgeblich mit Ramiro einverstanden, auf diese Weise die so lange verweigerte Zustimmung des Vaters zu ihrer Vereinigung zu erzwingen trachtete.

Mit dem eigentlichen Sachverhalt waren aber nur die Zwillinge und Arabella, und teilweise auch der Harlekin vertraut, das heißt, so weit Ramiro es für gut befunden hatte, sie zu seinen Vertrauten zu wählen, und da die beiden Einbrecher nicht bezweifelten, daß es ihnen gelingen würde, sich in dem Hause des Rancheros eine sehr annehmbare Beute zu sichern, so kam Ramiro ihnen nur entgegen, als er sie aufforderte, die Hauptrollen bei der gewaltsamen Entführung zu übernehmen.

Das gänzliche Mißlingen des Planes mit dem Briefe der Tänzerin hatte Ramiro weniger berührt, seit er sich an jenem Abend, als er an der Tür der beiden Sennoritas lauschte, davon überzeugt hatte, daß Inez ihn schon seit langer Zeit gründlich kenne und auch um seine schwarzen Pläne, betreffs des Majordomos, gewußt habe. Er hatte deshalb schon längst an die Ausführung eines letzten Gewaltstreiches gedacht, dagegen in seiner Unterredung mit El Muerte sorgfältig vermieden, zu erwähnen, daß auch er von Inez durchschaut worden sei und diese daher wohl keine allzu günstige Meinung von ihm hegen könne.

Die Freundschaft El Muertes war ihm jetzt von doppelter Wichtigkeit, weil er, bald nachdem Inez Arabellas Brief erhielt, die Rancho, vorgeblich zum Zweck einer Reise nach Mexiko zu seinen Verwandten, verlassen hatte.

Er bezog daher seine Nachrichten teils durch El Muerte selbst, teils durch den schurkischen Bootjack, welch letzterer, nach den Vorfällen im Tularetal und nachdem die Gerichtsbarkeit in Pueblo de los Angeles auf das Treiben der vermeintlichen spanischen Geschwister aufmerksam gemacht worden war, sich ebenfalls nicht mehr auf der Rancho sehen lassen durfte, aber doch Mittel und Wege fand, sich von allem, was dort vorging, genaue Kenntnis zu verschaffen.

Wie Ramiro nun seine Genossen zu täuschen suchte, so wurde er selbst wieder von diesen getäuscht, denn Toby Ring und Finney hüteten sich ebensowohl, zu verraten, daß sie bei dem vielfach besprochenen, mißglückten Raubanfall im Tularetal mit eine Hand im Spiele gehabt, wie sie ihn nicht ahnen ließen, daß sie sich nur ihrer vielversprechenden Nebenabsichten wegen zu der Entführung bereit zeigten.

Auch die Mormonen, obwohl von sehr zweifelhaftem Charakter, schienen keinen klaren Begriff davon zu haben, daß sie mit einigen der gefährlichsten Desperados eine engere Verbindung eingegangen waren oder hielten es nicht der Mühe für wert, nach der Vergangenheit von Leuten zu forschen, die für die Zwecke, denen sie dienen sollten, unter allen Umständen gut genug waren.

In seiner wilden Leidenschaft für Inez, die durch seine Eifersucht und den Haß, den er gegen den begünstigten Majordomo hegte, bis zum Wahnsinn gesteigert worden war, hatte Ramiro nicht vermocht, weit in die Zukunft zu denken oder sich mit Überlegung ein Bild davon zu entwerfen. Er wollte alles, selbst das Leben daran setzen, die Tochter des Rancheros in seine Gewalt zu bringen, und zwar jetzt nicht weniger, um sie dem verhaßten Nebenbuhler nicht anheimfallen zu lassen, was ohne seine Dazwischenkunft ja unzweifelhaft geschehen mußte, als auch, um in den Besitz der schönen und reichen Erbin zu gelangen.

Die Gesellschaft, in der er sich befand, und der Umstand, daß er sich schon seit länger als einer Woche in der Mormonenkolonie verborgen hielt, bewiesen zur Genüge, daß er in der Wahl seiner Mittel nicht schwierig war, wenn er nur seine Zwecke erreichte. Außerdem bezweifelte er nicht, daß Inez, wie ihr Vater, nach einer längeren Trennung voneinander, um den Preis der Wiedervereinigung gute Miene zum bösen Spiele machen und sich in das Unvermeidliche fügen würden. Keineswegs aber stand es bei ihm fest, die Mormonen, nach Ausführung der längst durchdachten Tat, nach dem Salzsee zu begleiten, wie er ihnen vorgespiegelt hatte. Ihm war nur darum zu tun, in Gewaltmärschen eine Strecke in die Wüste hineinzureisen, dort an einer passenden Stelle so lange zu harren, bis die erste Aufregung über das Verschwinden des Mädchens sich gelegt haben würde, dann aber, gegen Erstattung einer namhaften Geldsumme, sich von den Mormonen loszusagen und darauf mit einer kleinen Karawane die entgegengesetzte Richtung nach Sonora und von dort nach Mexiko einzuschlagen.

Die Reise nach dem Utahgebiet war deshalb nicht zu den Unmöglichkeiten gerechnet worden. Es sollten darüber eben nur die augenblicklichen Umstände endgültig entscheiden. Er wünschte sich von einer Genossenschaft zu trennen, die er eben nur als seine Werkzeuge, sonst aber als zu tief unter sich stehend betrachtete; fürchtete indessen dabei, seine geheimen Absichten zu verraten, ehe er sich und seine Beute nicht außer dem Bereich jeglicher Verfolgung wußte.

So hatten sich also vor dem Feuer in der Blockhütte Menschen zusammengefunden, von denen jeder, in der Verfolgung der eigenen Zwecke, die andern zu hintergehen trachtete. Nur die beiden finsteren Mormonen hegten wohl keine Hintergedanken, als sie sich bereit erklärten, die ganze Gesellschaft nach ihrer heiligen Stadt zu bringen, indem sie, erfüllt von blindem Fanatismus, ihrem jungen Staat durch Zuführung von streitbaren Männern, ihrer neuen Religion dagegen, durch Zuführung von, wenn auch nur mutmaßlichen Proselyten zu dienen glaubten. –

Die Pause, die in der allgemeinen Unterhaltung eingetreten war, und während der Toby Ring sowohl wie Ramiro mehrfach nach der Uhr sahen, wurde nach Verlauf von einigen Minuten auf eine für die ganze Gesellschaft ergötzliche Art durch den langzöpfigen Sohn des himmlischen Reiches unterbrochen.

Dieser, ein leidenschaftlicher Spieler, wie fast alle Chinesen, hatte nämlich entdeckt, daß der Harlekin einen Würfel, der eine niedrige Nummer zeigte, wie durch Zufall umstieß. Er vermochte seine Entrüstung über solch betrügerisches Verfahren nicht zurückzuhalten und legte sie deutlich an den Tag, indem er den Kopf heftig schüttelte und das ihm zunächst liegende Geld, zum Zeichen, daß er das Spiel als beendigt betrachte, in den weiten Ärmel seines Kaftans schob.

»Spiele weiter, du verdammte Pergamentrolle«, wütete der Harlekin, seine Faust drohend gegen den Chinesen erhebend.

Dieser aber schlug die Beine unter seinem kurzen Körper kreuzweise zusammen und fuhr fort, sein Haupt zu schütteln und die Achseln zu zucken.

»Spiele weiter!« wiederholte der Harlekin mit wachsendem Grimm, »oder ich hänge dich an deinem eigenen Zopf auf!«

Der Chinese lächelte, schüttelte verwundert sein Haupt und blickte zugleich mit einfältigem Ausdruck zu der Tänzerin hinüber.

Diese nun, da ihre Aufmerksamkeit in den letzten Minuten durch nichts anderes in Anspruch genommen war, hatte die Spieler zufällig beobachtet und augenscheinlich großes Gefallen an dem beginnenden Streit gefunden. Denn kaum gewahrte sie, daß der Harlekin eine drohende Stellung annahm, der Chinese aber, als ob er keine Ahnung von der Gefahr habe, in der seine Nase und seine Augen schwebten, gutmütig lächelte, so brach sie in ein so hellklingendes Lachen aus, daß alle sich verwundert nach der Veranlassung der plötzlichen Fröhlichkeit umschauten.

»Lehre den armen Burschen vorher deine Muttersprache, ehe du in solcher Weise mit ihm verführst!« rief sie mit vor Lachen fast erstickter Stimme aus, indem sie nachlässig den siedenden Punsch rührte und dann Finneys dargehaltenes Glas füllte, ihm dabei aber einen Teil des kochend heißen Inhaltes über die Hand goß, daß er brüllend vor Schmerz und Schreck das Glas fallen ließ.

Die Tänzerin hatte auf diese Art den Zorn von zwei ihrer Genossen gegen sich gekehrt, denn in demselben Augenblick, in dem der Harlekin ihr unter den heftigsten Flüchen versicherte, daß der Chinese nicht so blödsinnig sei, wie er aussehe, und ihr schließlich riet, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, war der Herkules aufgesprungen und zeigte ihr, schäumend vor tierischer Wut, seine beiden mächtigen Fäuste. »Weißt du, spanische Hexe, daß ich dich mit einem einzigen Druck meines kleinen Fingers zu Staub zermalmen kann?« rief er aus, dicht vor Arabella hintretend.

Auf diese schien eine derartige Drohung indessen gar keinen Eindruck zu machen, denn sie lachte nur noch unbändiger, wobei sie aber doch die Vorsicht gebrauchte, ihre kleine, dicht beringte Hand auf den Kopf des Affen zu legen, infolgedessen dieser sogleich den Strohhalm quer durch seinen Rachen zog und, sich zum Sprung anschickend, dem Herkules knurrend seine unverhältnismäßig großen Fangzähne wies.

»Esel seid Ihr,« rief die Tänzerin, nachdem sie sich einigermaßen wieder gefaßt hatte, »ja, Esel, wenn Ihr glaubt, ich sei imstande, Euch beiden zugleich zu antworten! Zuerst ist der Harlekin an der Reihe, und dann kommt der Herkules! Damit Euch aber die Zeit nicht lang wird,« fuhr sie zu Finney gewendet fort, indem sie das Glas von der Erde aufhob, dasselbe behutsam bis an den Rand füllte und ihm dann darreichte, »trinkt so lange, bis ich Euern Kameraden abgefertigt habe, und dann mögt Ihr mich zu Staub zermalmen, wenn es Euch Vergnügen macht!«

Die übrigen Mitglieder der Gesellschaft hatten mit nicht geringer Teilnahme diese Szene beobachtet. Aus den Zügen aller sprach eine unverkennbare Freude über das Benehmen der Tänzerin und sogar die finsteren Mormonen vermochten nicht, ein zufriedenes Lächeln zu unterdrücken, das ihnen die kurze Abfertigung des vierschrötigen Irländers durch das übermütige Mädchen entlockte.

Finney, der beim Anblick des dampfenden Getränkes Schmerz und Groll vergessen zu haben schien, nahm das Glas und verfügte sich brummend auf seinen alten Platz neben seinen, heute sehr wortkargen Freund Toby, worauf die engelgleiche Tänzerin sich mit ihrem holdseligsten Lächeln dem Harlekin zuwendete.

»Also um meine eigenen Angelegenheiten soll ich mich kümmern?« fragte sie, ihre Lippen höhnisch emporwerfend; »Carajo! ich werde nicht verfehlen, sobald die Angelegenheit zwischen uns zur Zufriedenheit abgewickelt ist. Ihr behauptet, der Chinese verstehe Euch, ich dagegen behaupte das Gegenteil, und will es beweisen. Gebt mir also zuerst Euer Glas her.« Der Harlekin leistete der Aufforderung schnell Folge, wobei er, wie im Vorgeschmack des kräftigen Trankes, mit der Spitze der Zunge über seinen Schnurrbart fuhr.

»Ihr habt mich verstanden, wie es scheint, Mille Carajo!« versetzte Sennora Arabella, dem Harlekin das volle Glas mit komischer Höflichkeit darreichend. »Sing-sang-sung, oder wie du immer heißen magst,« rief sie dann dem Chinesen zu, »ich kenne deinen Durst und deine Vorliebe für Whisky, reiche mir deinen Becher, auf daß ich ihn fülle!«

Der Chinese lächelte die Sennora blödsinnig an, machte aber keine Miene, ihrem Wunsche nachzukommen.

»Gentlemen und Sennors, hat Bing-bang-bung mich verstanden oder nicht?« fragte die Tänzerin darauf im Kreise, und als ihr von allen Seiten verneinend geantwortet wurde, fuhr sie fort: »Ihr seht, Freund Harlekin, wie recht ich hatte; beruhigt Euch also und lernt, wie man mit einem Halbwilden spricht!« Bei diesen Worten winkte sie den Chinesen zu sich heran, indem sie zugleich mit fragender Gebärde auf den Kessel deutete.

Der Chinese nickte zustimmend, und ein breites Lächeln zog über seine gelbe Physiognomie, als er das gefüllte Glas aus der Tänzerin Hand nahm und sich mit dem ihm eigentümlichen schlürfenden Schritt entfernte. Er war aber noch nicht aus dem Kreise herausgetreten, da traf ihn ein Fußtritt des ergrimmten Finney, so daß er stolperte und einen Teil seines Punsches vergoß.

»Hund von einem chinesischen Straßenfeger!« rief der Herkules aus. »Nimm das mit auf den Weg, damit du durch die gentlemanmäßige Behandlung, die dir zuteil geworden ist, nicht übermütig wirst; ein Chinese hat nie recht –«

Was er noch weiter sagen wollte, das erstarb ihm auf den Lippen, denn auf einen Wink der Sennora, die sich vor Lachen hintenüber geworfen hatte, war der Affe auf seine Schultern gesprungen, wo er sich mit allen vier Händen in seine verwirrten, orangegelben Haaren festkrallte und zugleich knurrend den weit geöffneten Rachen in nächste Nähe vor sein gerötetes Gesicht brachte.

Finney machte eine Bewegung, um das Tier in das Feuer zu schleudern, veranlaßte es dadurch aber nur, seinen aufgesperrten Rachen so quer über seine Wangen zu drücken, daß es nur des Zubeißens bedurft hätte, um das Fleisch von den Backenknochen samt der Nase wegzureißen.

Die Zuschauer lachten, Finney fluchte, vermied aber wohlweislich, sich zu rühren. Doch auch das Fluchen verstummte, als er fühlte, wie bei jedem Laut, den er von sich gab, das grimmige Tier drohender knurrte und seine Fangzähne fester in seine Wangen drückte.

»Du bist ein Esel«, flüsterte Toby seinem Gefährten zu, wobei er indessen schadenfroh lächelte; »du hast durch deine Dummheit schon viel verdorben, und wirst dich durch sie noch an den Galgen bringen.«

Toby sprach so leise, daß außer Finney niemand seine Worte verstand. Auf diesen aber schienen sie einen magischen Einfluß auszuüben, denn er beruhigte sich augenblicklich und erwartete geduldig, daß die Sennora den Affen zurückrufen werde.

»Eine reizende Stellung«, rief die Tänzerin aus, indem sie Toby mit unnachahmlicher Grazie einen Kuß zuwarf und ihr schönes, lockiges Haupt anmutig und mit dankendem Ausdruck für die ihr gespendeten Beifallsbezeugungen gegen die übrigen Mitglieder der Gesellschaft verneigte; »in der Tat eine reizende Stellung«, wiederholte sie. »Eine Stellung, aus der ich Euch nicht eher befreien werde, als bis Ihr versprochen habt, alle von mir gestellten Bedingungen, wenigstens drei Tage lang, genau zu befolgen!«

Finney, besorgt um seine Nase, nickte zustimmend; der Affe mochte die Bewegung aber für eine feindliche halten, denn sein Knurren verwandelte sich plötzlich in drohendes Schnauben, und seine Zähne drückten sich, indessen ohne die Haut zu ritzen, so tief ins Fleisch, daß der Herkules vor Schmerz stöhnend zusammenzuckte.

»Bei Gott, es ist genug jetzt!« riefen die beiden Mormonen fast einstimmig, die für die Augen des von ihnen angeworbenen »Gottesstreiters« zu fürchten begannen.

»Verlängert doch nicht seine Qual, indem Ihr mich beständig unterbrecht«, schmollte die engelgleiche Sennora, ihr Haupt mutwillig schüttelnd.

In demselben Augenblick erschallte ein leises Pochen an der Tür, der Affe sprang auf einen Ruf Arabellas an deren Seite zurück, wo er zum Lohn für seine Tapferkeit den Rest aus dem Glase der Tänzerin zu sich nehmen durfte.

Finney strich mürrisch, aber kleinlaut über den von seinem Freunde erhaltenen Verweis, die zerzausten Haare von der Stirn, die übrigen Mitglieder der Gesellschaft dagegen blickten neugierig nach der Tür hinüber, die von einem Mormonen geöffnet wurde und durch die El Muerte eintrat.

Kaum erkannte Ramiro, der so lange fast ganz teilnahmlos dagesessen und sich höchstens durch einzelne hingeworfene Worte an der Unterhaltung beteiligt hatte, den finstern Arriero, so nahm die Erregtheit, die auf seinen Zügen lag, noch zu, und etwas dichter an den Affen heranrückend, forderte er den alten Genossen auf, sich neben ihm niederzulassen.

El Muerte leistete, kaum vernehmbar grüßend, Folge, wies aber mit einer abwehrenden Handbewegung das gefüllte Glas zurück, das ihm Arabella bot, zündete sich dagegen eine von Ramiro dargereichte Zigarre an.

Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, und sogar Toby Ring und die Tänzerin, die sonst nicht so leicht eingeschüchtert werden konnten, harrten geduldig, bis es dem unheimlichen Gast gefallen würde, die Unterhaltung zu eröffnen.

»Ich erwartete Euch vor Stunden«, sagte Ramiro endlich, sich halb zu dem Arriero wendend, indem er, um seine Aufregung zu verbergen, einen Grashalm, der vor ihm auf der Erde lag, aufhob und dem sehr bedenklich dreinschauenden Affen darreichte.

»Hättet Ihr die Sonne gezwungen, früher ins Meer hinabzusinken, so würde ich früher bei Euch eingetroffen sein«, entgegnete der Arriero, einen forschenden Blick in dem Kreise herumsendend; »übrigens komme ich für das, was ich mitzuteilen habe, früh genug«, fügte er nachlässig hinzu.

»Es sind Leute, die ich für meine Zwecke gewonnen habe«, versetzte Ramiro, dem das Mißtrauen des Arrieros nicht entgangen war; »Leute, auf die wir uns verlassen dürfen, und die, um mit uns vereint zu wirken, von allen Verhältnissen in Kenntnis gesetzt werden müssen.«

El Muerte ließ abermals seine prüfenden Blicke über die einzelnen Gestalten gleiten, bis sie endlich an den Zügen der Tänzerin haften blieben. Alle Anwesenden waren ihm fremd, und wenn er wirklich dem einen oder dem andern in seinem Leben schon zufällig begegnet war, so hatte er ihn zu wenig beachtet, um ihn hier wiederzuerkennen.

»Was ich Euch mitzuteilen habe, Don Ramiro,« begann er nach einer längeren Pause, den Namen seines Genossen laut betonend, um an den Tag zu legen, wie wenig er sich um die andern kümmere, »das ist sehr unschuldiger Art. Das Stiergefecht findet übermorgen bei San Luis Rei statt, und alle Bewohner des Herrenhauses werden sich dorthin begeben. Don Sanchez ist schon heute abgereist, und mit ihm gingen, wegen des Ankaufes von Pferden, der schwarze Juan und der lange Amerikaner. Die beiden Sennoritas werden morgen erst in Begleitung des Majordomos aufbrechen.«

»Und niemand bleibt auf der Rancho zurück?« fragte Finney vorschnell, indem er, um die Antwort besser zu vernehmen, den Kopf weit vorreckte.

Toby stieß seinen Gefährten warnend an und strafte dessen Unvorsichtigkeit durch ein leise vor sich hin gemurmeltes Schimpfwort. El Muerte dagegen heftete seine Blicke so fest auf den Irländer, als wenn er ihn mit seinen tiefliegenden, stechenden Augen hätte durchbohren wollen.

»Was kümmert es Euch, ob jemand auf der Rancho zurückbleibt oder nicht?« fragte er endlich den sich verlegen hin und her windenden Herkules.

»Weil wir hofften, Don Ramiros Geliebte würde Mittel finden, alle, außer sich selbst, aus dem Hause zu entfernen, um uns, namentlich meinem braven Freunde hier, bessere Gelegenheit zu bieten, sie unbemerkt und sicher ihrem Auserwählten zuzuführen«, versetzte Toby Ring, der die Unvorsichtigkeit seines Freundes wieder gutzumachen suchte.

El Muerte betrachtete Toby eine Zeitlang mit demselben Ausdruck, mit dem er Finney angesehen hatte. Dann nickte er einige Male mit dem Kopfe und wandte sich wieder zu Finney.

»So leicht wird es Euch nicht gemacht werden,« sagte er höhnisch, »denn wahrscheinlich wird der hergelaufene Majordomo nicht gewillt sein, sie mit einer höflichen Verbeugung an Euch abzutreten. Im Übrigen bin ich nur hergekommen, um zu warnen und zu raten«, fuhr El Muerte fort, sich stolz emporrichtend. »Es möchte um die jetzige Zeit kaum geraten sein, gewalttätig aufzutreten, denn ich hörte davon, daß sich in Pueblo de los Angeles seit dem Raubanfall im Tularetal eine Miliz gebildet hat, die um jeden Preis das Land von den Desperados zu säubern beabsichtigt.«

Nach kurzer Pause, in der er seine Blicke prüfend über die einzelnen Gestalten gleiten ließ, begann El Muerte aufs neue: »Ich wiederhole also, die beiden Sennoritas brechen morgen in der Frühe auf, um gegen Abend in San Luis Rei zu sein, wo sie von ihrem Vater erwartet werden. Übermorgen, gleich nach Beendigung des Stiergefechts, werden sie aber schon wieder die Heimreise antreten und noch in derselben Nacht auf der Rancho eintreffen. Da Don Sanchez, Don Sidney und der schwarze Juan sich noch einige Tage länger in San Luis und der Umgegend aufhalten, so wird, außer dem Majordomo, sich kaum noch jemand in ihrer Begleitung befinden, um so mehr, da der schöne Mondschein einen nächtlichen Ritt begünstigt und die Straßen von dorther bis jetzt noch nicht unsicher gewesen sind. Der gute Wille der Sennora und ihre Sehnsucht nach Euch, Don Ramiro, werden das Unternehmen erleichtern, und den Majordomo zu beschwichtigen –«

»Ist meine Sache«, schaltete Finney ein, und wiederum erdröhnte seine Brust unter einem heftigen Faustschlag.

»Ihr scheint mir ganz der Mann dazu, den Deutschen so lange zu halten, bis die Sennora in Sicherheit ist«, sagte El Muerte, ohne den Herkules eines Blickes zu würdigen; »aber geht säuberlich mit ihm um, denn Blut darf nicht vergossen werden.«

»Auch nicht, wenn er sich geneigt zeigen sollte, mir die Kehle durchzuschneiden?« fragte Finney, selbstzufrieden lächelnd.

»Ist nicht meine Angelegenheit«, erwiderte El Muerte kurz. »Jeder ist, nach meiner Ansicht, sich selbst der Nächste. Wenn aber ein schmächtiger Knabe bei ihm sein sollte, so schont ihn; nehmt ihn mit als Diener der Sennora, aber fügt ihm kein Leid zu. Ja, nehmt ihn mit, weit fort, es ist besser für ihn, für mich und vielleicht auch für die herzenskranke Sennorita.« Indem El Muerte dies sagte, sank seine Stimme zu einem leisen Flüstern herab, und sein Gesicht wurde noch bleicher, während er finster seitwärts in die Flammen stierte. »Nein, fügt dem Knaben kein Leid zu«, fuhr er plötzlich wieder auf, und indem er emporschaute, zeigte seine Physiognomie einen solchen Ausdruck von Entsetzen und Wut, daß selbst Ramiro, der dergleichen Anfälle an ihm schon längst kannte, vor ihm zurückbebte, und sogar die kühne Tänzerin, der sonst jede Furcht fremd war, mechanisch die Hand auf den Kopf des Affen legte.

Alle verstummten. Niemand wagte das Schweigen, das so plötzlich eingetreten war, zu brechen; nur der Affe schaute knurrend und seine blendend weiße Zähne fletschend im Kreise umher, um denjenigen zu entdecken, gegen den die Tänzerin seinen Beistand verlangte.

»Dem Knaben darf kein Leid geschehen«, wiederholte El Muerte, dessen innere Aufregung sich noch immer nicht gelegt hatte. »Wäre es der Arriero, der Reiter, der den Majordomo im Tularetal warnte und die Raubanschläge der Desperados glücklicherweise vereitelte – doch der Arriero geht Euch nichts an. Was zwischen ihm und mir schwebt, kann auch nur zwischen uns allein abgemacht werden. Er ist ein Verräter, er trachtet mir nach dem Leben, er weiß alles –«. Und indem El Muerte so sprach, ergriff ihn wieder eine an Wahnsinn grenzende Wut. Seine Augen waren mit Blut unterlaufen, seine Hände zitterten und heftig knirschten seine Zähne aufeinander.

»Er ist mein böser Geist, der mich zu verderben trachtet!« rief er emporspringend aus, und ehe die über das seltsame Benehmen erstaunte Gesellschaft seine Absicht erriet, war er aus der Tür geschritten. Bald darauf vernahm man das dumpfe, allmählich schwindende Geräusch eines wild galoppierenden Pferdes.

Nachdem El Muerte sich entfernt hatte, schien auch der Druck, der so lange wie ein Alp auf allen Anwesenden lastete, gewichen zu sein.

Man ging zu den Beratungen betreffs der Entführung über, und es wurde beschlossen, daß die Mormonen noch in derselben Nacht aufbrechen und sich nach ihrem drei Tagereisen weit in der Wüste gelegenen Lager begeben sollten.

Dort sollten sie dann alles vorbereiten, um gleich nach dem Eintreffen des flüchtigen Ramiro mit seiner Beute ihre Reise nach dem Salzsee fortsetzen zu können. Die Zwillinge, und mit diesen Arabella und der Harlekin, sollten Ramiro natürlich begleiten, wogegen man es für ratsam hielt, den listigen und brauchbaren Bootjack mitzunehmen, sich aber des Chinesen, ohne ihm den schon seit langer Zeit fälligen Lohn auszuzahlen, auf irgendeine Art, ob nun im Guten oder Bösen, zu entledigen.

Dieser vernahm das über ihn ausgesprochene Urteil ruhig, und mit keiner Miene verriet er, daß er jedes Wort, das über ihn gewechselt worden war, verstanden und begriffen hatte.

Mitternacht war nahe, als die beiden Mormonen ihre Pferde sattelten und ihren Weg durch die mondbeleuchtete Landschaft nach dem Cajonpaß einschlugen.

Kaum hatten sie sich entfernt, so trennten auch die übrigen sich mit kräftigem Händedruck des Einverständnisses.

Die Tänzerin, der Affe, der Chinese, Ramiro und der wohlinstruierte Harlekin schlugen ihr Nachtlager vor dem Kaminfeuer auf, während die Zwillinge und die beiden Desperados sich nach einem nahen Stall begaben, wo sie sich gemächlich auf eine alte Strohschütte hinstreckten.

Allein es schien, als solle in dieser Nacht kein Schlaf in ihre Augen kommen, denn erst wenige Minuten waren verstrichen, als eine Bewegung unter den Pferden, die sich in der Einfriedigung vor dem Stall befanden, ihnen die Annäherung eines Menschen verriet.

Finney erhob sich und schritt der Tür zu; hier drang ein leises Zischen an seine Ohren, das er schnell in derselben Weise beantwortete, und im nächsten Augenblick sprang eine schwarze Gestalt unhörbar über die Einfriedigung und eilte hastigen Schrittes auf den Stall zu.

»Bootjack!« hatten die vier Genossen fast einstimmig ausgerufen, sobald das Zischen zu ihren Ohren gedrungen war, und schnell richteten sie sich auf, um den Grund des unerwarteten Erscheinens ihres gewandten Spions zu erfahren.

Nach der Eilfertigkeit zu schließen, mit der er in den Stall trat und sich erschöpft zu den Männern auf das Stroh warf, mußte er wichtige Nachrichten bringen; es wurde wenigstens von den Banditen so gedeutet, denn ohne ihn zu Worte kommen zu lassen, fragten sie ungeduldig, was ihn herführe.

»Ich müde und krank«, versetzte der Kahuilla, sich das Ansehen gebend, als ob er kaum noch imstande sei, ein Wort über die Lippen zu bringen; »ich krank und viel Schmerz an zerschossene Schulter; Schmerz machen Durst; ein Tropfen Whisky!« –

Finney, der sonst vor einer Berührung mit den Eingeborenen, wie vor giftigen Kröten zurückbebte, holte seine von ihm unzertrennliche Flasche hervor, und nachdem er selbst einen herzhaften Zug daraus getan, reichte er sie dem Kahuilla mit freundschaftlicher Gebärde hin.

Der Branntwein verfehlte seine Wirkung auf den Kahuilla nicht; die Erschöpfung verschwand wie durch Zauber, der Schmerz war vergessen, und bald darauf kauerte er zwischen den Raubgenossen und erzählte in seiner abgebrochenen Weise und sehr umständlich, was ihn veranlaßt habe, früher zu erscheinen, als verabredet worden war.

Vor allen Dingen bestätigte er, was El Muerte schon berichtet, nämlich, daß sich in Pueblo de los Angeles eine Miliz gebildet habe, die dem Unwesen der Desperados ein Ziel zu stecken beabsichtige. Außerdem teilte er aber auch mit, daß die Bande, der Finney und der Harlekin sich zu der Expedition nach dem Tularetal angeschlossen hatten, die Abwesenheit eines zum Stiergefecht reisenden Landbewohners zu benutzen gedenke und übereingekommen sei, dessen Rancho in derselben Nacht zu überfallen und auszuplündern, die sie zur Ausführung ihrer eigenen Pläne gewählt hatten.

Diese letzte Nachricht fuhr wie ein Donnerschlag zwischen die Verbündeten, da sie befürchteten, das Tal von San Bernardino würde zu früh alarmiert werden. Sie trösteten sich indessen damit, ihr eigenes Unternehmen, wenn es mißglückte, möglichenfalls auf Rechnung der andern Bande zu setzen und bei einiger Vorsicht alle etwaigen Verfolger allein auf deren Spuren lenken zu können.

Jedenfalls wußten sie es dem Kahuilla Dank, sie vorbereitet zu haben, weil sie infolgedessen mehr auf ihrer Hut sein konnten.


 << zurück weiter >>