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Viertes Kapitel
Die verhängnisvolle Stunde

. Ich verwahre mich gegen den Verdacht von Übertreibung. Ich schildere einfach eine jener Begebenheiten, die nicht nur im Andenken der neu-mexikanischen Grenzansiedler fortleben, sondern wie sie auch noch in neuerer Zeit, wenn auch seltener, vorgekommen sind. Ich verweise auf den Namen Vincenti, in meinem ersten Reisewerke: Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee.

»Vergeudet das Gold bei dem Klang der Gitarren,
Und hebet die Füße und wirbelt im Kreise,
Denn Lieben und Trinken und Tanzen macht weise,«

hatte der Wind geflüstert, und Manuel wiegte noch immer, mechanisch den Takt angebend, sein Haupt.

Sonst war es still in dem friedlichen Talwinkel, still im Wohnhause, still in den Nebengebäuden und Ställen; selbst die Pferde in der Einfriedigung verhielten sich ungewöhnlich ruhig, und nur gelegentlich äußerten sie durch tiefes Stöhnen ihre Zufriedenheit über die augenblickliche Lage, wie auch die alte Ziege zeitweise so recht behaglich und gedehnt, wie halb im Traume, meckerte.

Das Tier hatte eine alte Hundehütte für sich in Anspruch genommen und sich so darin hingekauert, daß nur der mit starken Hörnern bewaffnete Kopf mit den grün leuchtenden Augen zur Tür hinaussah, es also mit Leichtigkeit jeden unwillkommenen Besucher fern halten konnte.

Die Ziege meckerte, die Pferde stöhnten, Manuel aber schaute unverwandt nach der Höhe hinauf. Da gewahrte er plötzlich das von Gonzalez erzeugte schwache Blitzen, und hastig zog er sein Feuerzeug hervor, um das Signal zu beantworten. Leise erhob er sich dann und schlich auf den Zehen bis unter das Fenster von Estevans Gemach, wo er ebenfalls lauschte und sogar das Innere der Wohnung mit den Blicken zu unterscheiden trachtete.

Das Ergebnis seiner Forschungen mußte ihn befriedigt haben, denn mit sichererem Schritt als vorher trat er unter der Veranda hervor ins Freie und eilte geraden Weges nach der Einfriedigung hinüber.

Die Hunde erkannten ihn; denn beide winselten zutraulich und wedelten mit den Schweifen, als er sich ihnen näherte und den zuerst in seinem Bereich befindlichen schmeichelnd auf das zottige Haupt klopfte. Das treue Tier sprang erfreut an dem Vaquero empor, im nächsten Augenblick aber hatte dieser einen dünnen, zähen Riemen in Form einer Schleife um den Nacken des Hundes geschlungen und mit einer heftigen Anstrengung in einen unauflöslichen Knoten zusammengezogen.

Das arme Geschöpf, jeder Probe von Luft beraubt, kugelte mit leisem Röcheln auf den Boden und kämpfte mit aller Kraft, die die Todesangst ihm eingab, sich von der verderblichen Schlinge zu befreien. Seine Bewegungen wurden aber bald matter, und als der Vaquero sich einige Minuten später von ihm entfernte, da war es schon tot, und nur ein konvulsivisches Zittern durchrieselte noch einmal den sonst regungslosen Körper.

Der zweite Hund mochte eine dunkle Ahnung haben, daß ihm Unheil drohe, denn er wich vor dem herantretenden Verräter so weit zurück, wie der an seinem Halsbande befestigte Riemen es gestattete, und als jener dann mit Schmeichelworten die Hand nach ihm ausstreckte, da wies er ihm leise knurrend die Zähne.

Gleichzeitig drehte das wachsame Tier sich um und strebte mit allen Zeichen des heftigsten Zorns einen Luftzug aus dem nahen nördlichsten Talwinkel zu erhaschen.

Diesen Augenblick nun benutzte Manuel, um seinem Opfer die Schlinge überzuwerfen, und schneller noch, als das erste, verendete dieses unter dem sicheren Griff des in dergleichen Arbeit kundigen Vaqueros. –

Manuel hatte eben den leblosen Körper des erwürgten Tieres vor sich niedersinken lassen, da trat aus der Richtung, in der der Hund kurz vorher die Annäherung von Fremden gewittert hatte, eine schwarze Gestalt an ihn heran.

Es war Gonzalez, der sich von der Zuverlässigkeit Manuels überzeugen wollte.

»Sind die Vorbereitungen getroffen?« fragte er kaum hörbar den verhärteten Vaquero.

»Den Hunden ist das Maul gestopft«, entgegnete dieser mit brutalem Ausdruck.

»Wohlan, dann eilt auf Euern Posten«, flüsterte der Arriero dringend. »Vergeßt nicht, das verabredete Zeichen zu geben, wenn man sich nähert.«

»Seid unbesorgt«, versetzte Manuel gleichgültig und schritt langsam der östlichen Talecke zu, von wo aus sich ihm eine Aussicht auf das in Schatten gehüllte Tal von Cuesta eröffnete. Seine Augen vermochten allerdings außer den schwarzen Silhouetten der Gebirge und den Lichtern in dem Städtchen nicht viel zu unterscheiden, dafür aber vernahm er bei der nächtlichen Stille um so genauer jedes sich nähernde Geräusch, und um sich noch sicherer auf sein Gehör verlassen zu können, streckte er sich auf den betauten Rasen hin und preßte das eine Ohr fest auf den Boden.

»Macht nur«, murmelte er dabei mit teuflischem Lachen vor sich hin. »Ich werde meinen Vorteil schon aus der Mitwissenschaft zu ziehen wissen. Carajo! Teilen sollen sie mit mir, was es auch immer sei, oder ich bringe sie an den Galgen. Ha ha ha! Ein schönes Geschäft –« Ein dumpfes Krachen, das von der Rancho zu ihm herüberschallte, und dem ein Schuß und ein entsetzlicher Schrei nachfolgten, veranlaßte ihn, in seinen Betrachtungen abzubrechen.

Er richtete sich auf die Ellenbogen auf, und die Blicke aus die Stadt gerichtet, suchte er aus dem hinter ihm stattfindenden Lärm die Vorgänge auf der Rancho zu enträtseln. –

Sobald Gonzalez den Vaquero fern genug glaubte, stieß er einen leisen Pfiff aus, und unhörbar, wie gespenstische Schatten, gesellten sich die sechs Navahoes zu ihm, denen Guzman nach einiger Zeit fast atemlos nachfolgte.

Alle Verabredungen mußten lange vorher getroffen sein, denn es wurden jetzt nur noch Zeichen gewechselt, worauf die Bande sich voneinander trennte und die einzelnen Mitglieder zu zweien und dreien verschiedene Richtungen einschlugen.

Zwei Navahoes stellten sich bei dem Schlagbaum der Einfriedigung auf, um die Pferde auf das gegebene Signal sogleich hinauszulassen und davon zu treiben, während Nintsa-Pesch, Guzman und ein Krieger um die eine Seite des Wohnhauses herum nach der Veranda hinschlichen, und die beiden letzten Navahoes von der andern Seite her eben dahin gelangten.

Nur Gonzalez blieb zurück und begab sich vorsichtig an einen Punkt, von wo aus er alles beobachten konnte, was in Estevans Wohnung vorging, um im entscheidenden Moment als der Retter von Estevans Gattin und deren Kindern erscheinen zu können.

Bald darauf ertönte ein lautes Pochen an die Fensterscheiben von Estevans Gemach, und gleich darauf aus dem Innern die Frage des Rancheros: wer da sei?

Eine Antwort wurde nicht gegeben, weil niemand sich verraten wollte, dagegen das Pochen schneller und heftiger wiederholt.

Da Estevans zweite Frage ebenfalls unbeantwortet blieb, so stand er auf, um die Ursache der späten Störung kennen zu lernen, gebrauchte aber, ehe er die Tür öffnete, die Vorsicht, die Glut in dem kleinen Kamin unter der Asche hervorzuschüren und einige trockene Späne darauf zu werfen. Die Späne hatten noch nicht Feuer gefangen, da befand sich der nichts böses ahnende Ranchero schon an der Haustür und legte die linke Hand auf den Riegel, während er mit der rechten den Hahn einer Pistole, mehr aus Gewohnheit, als aus wirklicher Besorgnis spannte.

Auf seine abermalige Frage erhielt er wiederum keine Antwort, dagegen pochte der eine Navahoe so heftig an das Fenster, daß eine Scheibe zersprang, und gleichzeitig stellten Nintsa-Pesch und seine beiden anderen Krieger sich, mit den Waffen zum augenblicklichen Gebrauch bereit, gerade vor der Haustür auf.

Die Aussicht auf eine baldige und schnelle Beleuchtung des Gemachs, auf die gar nicht gerechnet worden war, hatte die Indianer vorsichtiger in ihren Bewegungen gemacht, wie auch Guzman jetzt verzweiflungsvoll daran dachte, daß es ihm unter solchen Umständen kaum gelingen würde, unerkannt in das kleine Nebengemach zu gelangen, wo die Dokumente in einem Wandschrank, hinter einem einfachen, leicht zu erbrechenden Schloß verborgen waren.

Bebend vor Angst und Erwartung schlich er sich hinter Nintsa-Pesch. Die Gier nach den vermeintlichen Schätzen raubte ihm fast den Verstand, so daß ihm gar nicht einfiel, daß das Leben der Hausbewohner gefährdet sei. In seiner Verblendung bildete er sich fest ein, daß der Plan des Einbruchs ursprünglich von ihm selbst ausgegangen sei, und alle Kräfte sich eben nur dahin vereinigten, ihm zur Erlangung der Dokumente behilflich zu sein.

Estevan hatte unterdessen, nachdem das Glas der Fensterscheiben klirrend in die Stube gefallen war, den Riegel von der Haustür zurückgeschoben, diese aber vorher so mittels einer kurzen Kette befestigt, daß sie sich nur etwa eine Hand breit öffnete.

»Wer stört hier noch so spät in der Nacht!« fragte er dann kurz und drohend durch die Spalte hinaus.

siehe Bildunterschrift

In demselben Augenblick warfen sich Nintsa-Pesch und ein Krieger mit solcher Gewalt gegen die Tür, daß sie aus den Angeln brach und in ihrem heftigen Anprall den Ranchero zu Boden schleuderte.

In demselben Augenblick warfen sich Nintsa-Pesch und ein Krieger mit solcher Gewalt gegen die Tür, daß sie aus den Angeln brach und in ihrem heftigen Anprall den Ranchero zu Boden schleuderte.

Fast gleichzeitig flammten aber auch die Späne auf, und Estevan, sowie seine Gattin, die bei dem Krachen mit lautem Schrei aus dem Bett gesprungen war, erkannten bei dem durch die Stubentür auf den Vorflur fallenden Lichtschein die gräßlich bemalten und furchtbar bewaffneten Navahoes.

Der erste Schrecken schien die entsetzten Gatten fast zu lähmen, und diesem Umstande hatte es Guzman allein zu verdanken, daß er, nachdem er zwischen den Füßen der Navahoes durchgeschlüpft war, unbemerkt in die gegenüberliegende Kammer entkam.

Kaum war er aber in der Dunkelheit verschwunden, da hatte Estevan auch seine volle Besinnung wiedergewonnen. Die Angst um Weib und Kinder, und der Anblick der wilden unbarmherzigen Krieger und der ihm entgegengeschwungenen Beile, die bei der flackernden Beleuchtung blutrot blitzten, gaben ihm Riesenkräfte, und ehe noch die feindlichen Waffen sich mit tödlicher Sicherheit auf ihn niedersenken konnten, hatte er die auf ihm lastende Tür samt den nächsten Räubern zurückgestoßen und war wie der Blitz emporgeschnellt. Seine mit der Pistole bewaffnete Faust hob sich, ein heftiger Knall erschütterte das Haus, und Nintsa-Peschs nächster Begleiter, der bei dem Angriff in den Vordergrund geraten war, sank mit zerschmettertem Schädel zu Boden.

Wäre Estevan besser mit Waffen versehen gewesen, so möchte es ihm wohl geglückt sein, nach Abfeuern eines zweiten Schusses die Tür hinter den weichenden Feinden wieder einigermaßen zu verbarrikadieren und sich kämpfend von Gemach zu Gemach zurückzuziehen. So aber bildete die abgeschossene Pistole in seiner Hand den feindlichen Tomahawks gegenüber nur ein schwaches Verteidigungsmittel. Er gab die Hoffnung auf Rettung indessen nicht auf, denn indem er, die Tür noch immer als Schild benutzend, die Pistole Nintsa-Pesch mit aller Kraft ins Gesicht schleuderte, rief er seiner Gattin zu, ihm die andere Pistole und die Büchse zu reichen.

Doch es war zu spät; Nintsa-Pesch, ergrimmt über den Fall eines seiner besten Krieger und über die Verwundung, die er durch Estevans geschickten Wurf davongetragen, feuerte seine beiden letzten Gefährten durch einen gellenden Kriegsruf zum schnellen Handeln an. Diese nun warfen sich mit dem ganzen Gewicht ihrer Körper gegen die Tür, worauf Nintsa-Pesch sich gewandt an ihnen vorbei auf die Hausflur drängte.

Estevan bemerkte bei der wachsenden Helligkeit die Bewegungen seiner Feinde genau. Er setzte ihnen keinen Widerstand mehr entgegen, sondern ließ die Tür bei dem ersten Anprall sinken und sprang auf seine Gattin zu, die ihm schon mit den Waffen entgegeneilte. Nur zwei Schritte trennten sie noch voneinander, da sauste Nintsa-Peschs scharfes Kriegsbeil durch die Luft und grub sich knirschend in den Schädelknochen des unglücklichen Rancheros.

Lautlos sank der Getroffene zu Boden; der Häuptling und seine beiden Krieger stießen ein wildes, durchdringendes Triumphgeheul aus, doch lauter als dieses ertönte der Schmerzensschrei der armen Frau, die ihren Gatten von Blut überströmt vor sich liegen sah, sich selbst aber und ihre Kinder in der Gewalt der erbarmungslosen Räuber wußte.

Eine Ohnmacht schien sich ihrer bemächtigen zu wollen; sie wankte; das Jammern ihrer Kinder brachte sie aber wieder zum Bewußtsein. Wie eine Tigerin, der man die Jungen geraubt hat, stürzte sie zu ihren Lieblingen hin, aber gleichzeitig mit ihr war auch ein Navahoe bei diesen, und in demselben Augenblick, in dem sie die Arme nach dem jüngern ausstreckte, hatte jener das ältere unter der Decke hervorgezogen.

»Mörder, hab' Erbarmen!« kreischte Juanita auf dem Gipfel ihres Entsetzens, während sie den Säugling mit dem rechten Arm, in der linken Hand hielt sie noch immer die Pistole, an sich preßte.

Das Gesicht des Indianers verzog sich zu einem teuflischen Grinsen, als er mit dem Knaben davoneilen wollte; Juanita aber sprang jetzt wie eine Furie auf ihn zu, die Mündung der Pistole drückte sie ihm fest auf den nackten Leib, und krampfhaft riß ihr Finger an dem Abzug.

Dumpf krachte der Schuß, der Indianer schleuderte das Kind von sich und sank in die Knie, aber ebenso schnell sprang er wieder empor. Seine Augen funkelten vor Wut, seine Hand krallte sich in die langen, schwarzen aufgelösten Haare Juanitas, und zweimal schnell hintereinander fuhr sein spitzes Messer ihr zwischen den Schulterblättern in den Rücken. –

Die Handlungen waren, seit dem ersten Eindringen der Räuber in das Haus, so schnell aufeinander gefolgt und hatten so oft, abwechselnd bald in der roten Beleuchtung des Kaminfeuers, bald im tiefen Schatten, jederzeit aber hinter einem Schleier von Pulverdampf stattgefunden, daß selbst das sicherste Auge nicht imstande gewesen wäre, sie alle gleichzeitig zu fassen und voneinander zu trennen.

Die Navahoes waren so lange allein die Beteiligten bei der grausigen Szene gewesen, aber wenn Gonzalez sich auch mitten unter ihnen befunden hätte, so würde es ihm doch nicht gelungen sein, die unaufhaltsam dahinstürmenden Leidenschaften nach seinem Willen zu lenken.

Er hatte es verstanden, die wilden Räuber für seine Pläne zu gewinnen, weil diese ihren eigenen Vorteil dabei zu finden hofften; wenn er aber glaubte, ihnen nach Willkür ein »Halt« gebieten zu können, dann kannte er nicht die unbändigen Bewohner der Urwildnisse, nicht das Gefährliche ihrer entfesselten Leidenschaften.

Er hatte sich verrechnet, furchtbar verrechnet. Der kaltblütig vorbedachte und verabredete Doppelmord an dem Ranchero und Guzman sollte nicht das einzige Verbrechen sein, das in dieser verhängnisvollen Stunde ausgeführt wurde. –

Als Juanita, von Verzweiflung getrieben, die Pistole auf den Räuber ihres Kindes abschoß, erschienen fast gleichzeitig Guzman und Gonzalez. Ersterer auf der Schwelle der Kammertür, die rechte Hand noch in der Brusttasche, wo er die glücklich erbeuteten Dokumente verborgen hatte, aber förmlich erstarrt vor Entsetzen bei dem Anblick, der sich ihm bot; letzterer dagegen auf der schmalen Flur, wo er über die Leichen Estevans, des zuerst erschossenen Navahoes und über die niedergebrochene Haustür zu Boden stolperte. Als dann aber der verwundete Krieger sich wieder erhob und sein Messer zum erstenmal gegen die junge Frau schwang, da tönte ein doppelter Schrei von den Lippen Guzmans und Gonzalez'. Beide sprangen nach vorne, um zu retten, Guzman sah die gespannte Büchse auf der Erde liegen, die Juanita ihrem Gatten hatte zutragen wollen; er ergriff sie, und ohne sie erst an die Schulter zu führen, schoß er den Mörder nieder. Dieser war aber noch nicht zusammengesunken, da betäubte ihn auch schon ein Hieb, den der racheschnaubende Nintsa-Pesch mit dem Hammer seines Kriegsbeils nach ihm führte.

Der Häuptling jauchzte vor Mordlust; blitzschnell bückte er sich zu dem regungslos daliegenden Guzman nieder; sein blitzendes Skalpiermesser beschrieb einen Kreis um das Haupt des Unglücklichen, und sich dann wieder aufrichtend, schwang er mit wildem Triumphgeheul in seiner linken Faust die blutige Trophäe, die er mit solcher Leichtigkeit erbeutet hatte.

Doch niemand war mehr in dem Gemach, der den Triumph mit ihm geteilt oder beim Anblick desselben gebebt hätte. Nur Leichen umgaben ihn und starrten mit gebrochenen Augen ins Leere. Behutsam schlich er ans Fenster und lugte in die Nacht hinaus. Nichts rührte sich draußen, nur aus der Ferne schallte das Getrappel der Pferde zu ihm herüber, die von den Räubern nach der Höhe hinaufgetrieben wurden, und außerdem glaubte er die Tritte eines schnell fliehenden Menschen zu unterscheiden.

Einen einzigen Blick warf er auf die blutigen Körper Estevans, Guzmans und seiner beiden Krieger; seine Augen schienen sich zu erweitern, so grimmig und mit einem solchen Ausdruck befriedigter Rache schaute er darein, und nachdem er sodann die beiden ersteren vor die Tür geschleppt, legte er die erschossenen Navahoes dicht vor den Kamin nebeneinander hin. Schnell häufte er den kleinen Holzvorrat, der noch vorhanden war, über die niedergebrannte Glut auf; die nächsten brennbaren Hausgeräte trug er ebenfalls herbei und schichtete sie nebeneinander, daß sie von den Flammen ergriffen werden mußten, und als er sich für überzeugt hielt, daß das Feuer das Haus verzehren, Asche und Schutt aber die verkohlenden Gebeine seiner gefallenen Gefährten begraben würden, warf er noch einen lodernden Feuerbrand auf die leeren Nachtlager, worauf er wie ein Schatten ins Freie glitt.

»Mögen die Cayotes das Fleisch von ihren Gebeinen nagen«, murmelte er, indem er über Guzmans und des Rancheros Körper hinschritt. »Ihre Asche darf nicht mit der eines Navahoes vermischt werden.«

So sprach er, und im nächsten Augenblick war er verschwunden. – –

Auf der andern Seite des Hauses, nicht weit von der Hundehütte, lag Juanita. Die arme Frau, sie war im Begriff, ihre Kinder zu retten, als die durch Mutterliebe noch einmal hell angefachte Lebenskraft sie verließ.

Als sie nämlich in dem Gemach den Todesstoß erhielt, erfüllte sie nur noch der einzige Gedanke an ihre Kinder. Kein Laut des Schmerzes entfloh ihren Lippen, als der kalte Stahl ihr in die lebenswarme Brust drang; sie preßte nur ihren Säugling fester an sich und heftete zugleich die brechenden Blicke auf den Knaben, den ihr Mörder von sich geschleudert hatte, und noch immer hielt sie sich aufrecht.

Da ertönten die Schreckensrufe des Arrieros und Guzmans, und der Schuß, der den Indianer zu Boden streckte.

Fast gleichzeitig sprang aber auch der letzte von Nintsa-Peschs Kriegern zu dem jammernden Knaben hin; mit sicherem Griff hob er ihn empor, und ohne seine Beute fahren zu lassen, verschwand er mit einem einzigen Satz durch das zerbrochene Fenster.

Juanita gewahrte es, und die Mutterliebe gab ihr noch einmal neue Kräfte. Dem Räuber nacheilend, sprang sie auf denselben Wege wie dieser ins Freie.

Doch nur wenige Schritte hatte sie in der Dunkelheit getan, da fühlte sie, daß die Lebenskräfte ihr ausgingen. Die Hundehütte, in der die Ziege noch immer wiederkäuend lag, befand sich in ihrer Nähe; nur noch so viel Zeit war ihr vergönnt, ihren kleinen Säugling hinter die Ziege auf das Stroh zu werfen, und dann sank sie leblos auf den feuchten Boden nieder. –

Ihr Herz stand still; das Auge war gebrochen. Sie sah nicht mehr, daß Gonzalez, der ihr nacheilen wollte, dicht bei ihr vorüberstürzte, nicht mehr, daß alle Fenster des Hauses sich erhellten, die Flammen immer weiter um sich griffen und ihr ganzes Hab und Gut zu vernichten drohten. Regungslos lag sie da, und ebenso ruhig verhielt sich der Säugling, der, nachdem er so lange der kalten Nachtluft ausgesetzt gewesen, bei der Ziege ein warmes, willkommenes Plätzchen im Schoße der sorglichen Mutter gefunden zu haben meinte. –

Juanita, die treue Gattin, die aufopfernde Mutter, war tot; der nächtliche Tau senkte sich auf ihre schönen, marmorbleichen Züge, und mit ihren langen seidenen Locken spielte der Wind. Aber auch den Weg durch die geöffneten Fenster und Türen fand er, und mutwillig blies er in die lodernden Flammen, daß sie sich prasselnd weiter und weiter ausdehnten.–

Er blies in die Flammen, er hauchte über Leichen und Trümmer hin; wohin er sich aber auch wandte, überall führte er die fröhlichen Melodien des Schlußtanzes des Fandango mit sich. Heimlich und leise erklang es; bald schwindend, bald anschwellend, je nachdem der Luftzug sich verstärkte oder von seiner alten Richtung abwich; und wenn die Instrumente zeitweise schwiegen, dann schallte es wie Geisterruf durch die stille Nacht:

»Und hebet die Füße und wirbelt im Kreise,
Denn Lieben und Singen und Tanzen macht weise.«

Über dem blutgetränkten Talwinkel aber schwebte der bleiche Engel des Todes.


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