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Zwanzigstes Kapitel.
Die Desperados

. Hätte Juanita, als sie vom Dach der Veranda aus El Muerte nachspähte, ihre Blicke nach der entgegengesetzten Seite hingewendet, so würde ihren scharfen Augen kaum ein Trupp Reiter entgangen sein, der auf der gegen Süden vorbeiführenden Landstraße gerade da hielt, wo ein breiter Weg von dieser abbog und in gerader Richtung auf die Rancho zulief

Der Trupp bestand aus sechs Mitgliedern. Alle waren abgestiegen, um miteinander zu beratschlagen und die dem Aufgange des Mondes vorhergehende kurze Finsternis abzuwarten.

Nachdem sie eine Weile sehr eifrig miteinander beraten hatten, befestigte der eine, an dessen übermäßig langem, zerrissenem der hinterlistige Bootjack nicht zu verkennen war, den Zügel seines Pferdes an den Sattelknopf des ihm zunächst stehenden Tieres, und dann in einen kurzen Trab verfallend, eilte er geradeswegs auf die Rancho zu.

Er hatte schon über die Hälfte der Strecke, die ihn von seinem Ziele trennte, durchlaufen, ehe die Zurückbleibenden, die sich unterdessen gemächlich auf den Boden geworfen hatten, das Schweigen brachen. Auch dann geschah es nicht durch Worte, sondern durch das schadenfrohe Lachen Finneys.

Die vier andern blickten auf den hin, der seine frohe Laune so wenig zügelte, doch nur Toby Ring fragte:

»Finney, du hast zwar große Neigung, in jeder Kleinigkeit etwas Lächerliches zu finden«, hob er an; »in diesem Falle möchte ich aber wohl wissen, was dein Zwerchfell hauptsächlich erschüttert hat.«

»Verdammt!« erwiderte der Angeredete, »ich hatte alle Ursache, den Kopf nicht hängen zu lassen wie ein Mietsgaul; ich malte mir in Gedanken die verwunderten Gesichter aus, die es noch vor Anbruch des Tages geben wird, wenn sich der eine oder der andere ein klein wenig hintergangen findet. Vor allen Dingen El Muerte, oder wie der gallsüchtige Arriero heißen mag. Reitet er wirklich den Sennoritas entgegen, so wird deren verabredete Rettung ihm nicht sonderlich schwer fallen! Hahaha!«

Toby Ring und die übrigen Genossen stimmten mit in das Lachen ein, und nachdem sie alle ihrer Fröhlichkeit eine Weile freien Lauf gelassen, fuhr Finney in seiner brutal leichtfertigen Weise fort:

»Auch Don Ramiro dürfte sich mit dem ihm zufallenden Anteil nicht ganz zufrieden erklären.«

»Er kann sich ja an Arabella schadlos halten«, versetzte Toby Ring voller Schadenfreude.

»Und du willst in der Tat die spanische Wetterhexe fahren lassen?« fragte Finney verwundert.

»Natürlich! Denn auf dem Wege, den wir einschlagen, können wir sie nicht mitnehmen, und ehe vierundzwanzig Stunden verflossen sind, werden wir mehr Verfolger auf den Fersen haben als uns lieb ist. Zu fünfen wird es uns nicht schwer, in der Wüste zu verschwinden und unter andern Namen in Mexiko wieder aufzutauchen. Mit einem Anhängsel von Weibern, Affen, Chinesen und Indianern dagegen möchte der Teufel sich in solche Gefahr begeben.«

»Den chinesischen Porzellanankitter und den Affen habe ich immer für überflüssig gehalten, ebenso den schurkischen Bootjack wenn er ausgebraucht ist, aber das Mädel? Goddam!«

»Es ist freilich sehr undankbar von uns,« versetzte Toby mit verstellter Zerknirschung, »allein jeder ist sich selbst der Nächste, und außerdem geben Ramiro und Arabella noch ein hübsches Paar ab. Ebenso wird die deutsche Schlafmütze es uns Dank wissen, die hochnäsige Tochter des Rancheros ohne weiteren Einspruch heiraten zu können. Ja, ja, wir spielen nur ein bißchen Vorsehung, und es ist nicht mehr als recht und billig, daß wir die betreffenden Personen anständig bezahlen lassen oder vielmehr, daß wir uns selbst anständig bezahlt machen.«

»Auch die Mormonen dürften wohl etwas lange auf ihre Rekruten warten«, bemerkte der Irländer mit wachsender Heiterkeit.

»Mormonen sind in meinen Augen keine Menschen, denen man Wort zu halten braucht,« erklärte Toby Ring, sich behaglich ausstreckend, »wollen sie zu ihren: Vergnügen noch etwas auf uns warten, gut so mögen sie es tun. Jedenfalls leisten auch sie uns einen Dienst, denn ich bezweifle nicht, daß El Muerte, vom Ärger getrieben, ihnen die Spürhunde nachsenden wird in der Hoffnung, uns in ihrer Gesellschaft abfangen zu können. Er scheint übrigens den bittersten Groll gegen den braunen Burschen zu hegen, der durch sein teufelmäßiges Reiten Euern Anschlag im Tularetal hintertrieb.«

In diesem Augenblick stieß Finney einen Ruf der Verwunderung aus, und die Blicke der Gefährten nach dem nördlichen Talende hinüberlenkend, machte er sie auf einen Feuerschein aufmerksam, der der Ebene zu entsteigen schien und sehr schnell an Umfang und Ausdehnung gewann.

Während sie noch hinüberschauten, entdeckten sie einen zweiten Feuerschein, der noch weiter abwärts, gleichsam als eine Antwort auf den ersten, emporloderte.

Es war sonst nicht Sache des stets mit einem gewissen Grade von Bildung prahlenden Toby, seine Gefühle in rohen Flüchen zu äußern; als er aber das zweite Feuer gewahrte, sprang er empor, und indem er die Signale aufmerksam betrachtete, stieß er eine solche Reihe von Verwünschungen aus, daß es selbst dem geübteren Finney schwer geworden wäre, ihn darin zu übertreffen.

»Seht Ihr die Flammen und wißt Ihr, was sie bedeuten?« fragte er bebend vor Wut; »es sind Signale der Milizen, die sich zusammenlocken, um die Desperados zu verfolgen«, antwortete er in demselben Atem. »Die Schurken, die Esel, sie haben das Stiergefecht zu ihrem Vorteil ausbeuten wollen und sind, die Abwesenheit der Bewohner benutzend, in irgendeine Rancho eingebrochen. Sie haben es ungeschickt angefangen oder sie sind verraten worden; denn seht nur, die Milizen vereinigen sich zu ihrer Verfolgung, und hängen will ich mich lassen, wenn die Esel nicht ihr Heil in dem Gorgoniopaß suchen und dadurch die Milizen auf unsere Spuren lenken!«

»Das nächste Feuer ist wenigstens sechs Meilen weit entfernt,« versetzte Finney zähneknirschend, »wer weiß, wir mögen ihnen zuvorkommen, so daß unsere Spuren durch die ihrigen verwischt werden und infolgedessen unsere Arbeit ihnen zur Last gelegt wird.«

»Und wenn es acht Meilen wären,« polterte Toby, jetzt aber schon bedeutend gefaßter, »was sind acht Meilen für einen Desperado, der sich auf der Flucht befindet? Keine Stunde brauchen sie, um bis hierher zu gelangen – außerdem muß der Mond auch schon aufgegangen sein, denn es wird immer heller, so hell in der Tat, daß man auf fünfhundert Schritte ein menschliches Gesicht zu unterscheiden vermag; wahrhaftig, schaut nur nach der Rancho hinüber, ob Ihr den Kahuilla nicht erkennt, ich selbst würde ihn erkennen, und hätte ich ihn nur ein einziges Mal in meinem Leben gesehen.«

Er irrte sich nicht; es war wirklich Bootjack, der vollen Laufes daherkam und offenbar durch wichtige Mitteilungen zur größten Eile gespornt wurde.

Alle erhoben sich, und ihre Pferde an den Zügeln nach sich führend, gingen sie ihm entgegen.

Als Bootjack mit ihnen zusammentraf, war er fast atemlos und es bedurfte mehrerer Minuten, ehe er auf die an ihn gestellten hastigen Fragen zu antworten vermochte.

»Tochter im Hause!« preßte er endlich heraus. »Tochter im Hause! Ganz allein, Fenster dunkel gemacht, in ihrer Stube allein! Peons in Hütte, trinken Aguardiente, ich Hunde in Pferdestall einsperren, Hunde Kahuilla kennen, nicht Lärm machen; Bootjack sehen Tochter, kleinen Riß in Zeug vor Fenster, Tochter allein und sprechen mit Papier!«

Die Nachricht, daß Inez von dem Stiergefecht zurückgeblieben sei, überraschte die Banditen in hohem Grade.

»Wo ist El Muerte?« fragte Toby endlich den Kahuilla.

»Muerte davonreiten; reiten in Richtung, wo Sennoritas kommen, ich spüren sein Pferd aus dem Stall«, antwortete Bootjack.

»Verdammt! dann muß alles in Ordnung sein«, murmelte Toby, zu seinen Genossen gewendet; »beim Satan! wie kommt die Sennorita ins Haus, sage, hast du dich auch nicht getäuscht? War es wirklich die Sennorita, die Tochter des Rancheros, die du sahst?«

»Ich sehen Tochter,« versetzte der Indianer bestimmt, »ich gute Augen, Ihr mich schießen, wenn nicht wahr, Ihr selbst sehen, niemand Euch hindern.«

»Sie wird Lärm schlagen«, grollte Toby finster vor sich hin; »dort kommen die Milizen,« fügte er hinzu, auf die Signalfeuer deutend, »und wir werden als arme Leute das Tal von San Bernardino verlassen.«

»Vor Ablauf von anderthalb Stunden können sie nicht hier sein, wenn sie wirklich vom ersten Feuer aus die Flucht ergriffen«, versetzte der Irländer grimmig, der lieber das Äußerste gewagt hätte, als daß er abgezogen wäre, ohne vorher wenigstens einen Versuch zur Erlangung des für die Schafe gelösten Geldes gemacht zu haben, das, wie er vermutete, noch immer auf der Hazienda aufbewahrt wurde.

Toby antwortete nicht; ihn beschäftigten offenbar ganz andere Gedanken. Plötzlich schien es vor seinem Geiste aufzuleuchten, sein ruhiges, höfliches Wesen stellte sich wieder bei ihm ein, und sich zu seinen Genossen wendend, sagte er in verbindlichem Tone:

»Es dürfte sich alles noch machen lassen und weiter nichts verloren sein, als daß wir unseren Weg anstatt, wie verabredet, durch den Gorgoniopaß, durch den Cajonpaß nehmen. Doch wir müssen in Übereinstimmung handeln, und dieses ist allein dann möglich, wenn wir nur einem Willen gehorchen. Wollen Sie also, meine Herren, auf einige Stunden meine Untergebenen spielen und meinem Kommando pünktlich gehorchen, so glaube ich den besten Erfolg versprechen zu können. Sind Sie indessen nicht geneigt, auf meine Bedingungen einzugehen, so mögen wir ebensogut sogleich von hier aufbrechen, denn der Boden ist so heiß unter unseren Füßen geworden, daß wir –«

Hier wurde er von seinen Gefährten unterbrochen, die bei der ihnen gestellten Wahl keinen Augenblick im Zweifel blieben und ihn ungeduldig aufforderten, keine Zeit zu verlieren und das Kommando zu übernehmen.

»Gut,« versetzte Toby selbstzufrieden, »wenn der Kahuilla sich nicht getäuscht hat, so wird Ramiro sich freuen und wir treffen zwei Fliegen auf einen Schlag. Aber vorwärts jetzt!« fuhr er fort, und sein sonst so blasiertes Wesen verwandelte sich in eine gefährliche Entschlossenheit. »Einer bleibt bei den Pferden und führt sie langsam auf das Herrenhaus zu, bis er nur noch gegen zweihundert Ellen weit davon entfernt ist, und dort wartet er, die Tiere aber zur augenblicklichen Flucht bereit haltend. Finney dagegen und die andern beiden folgen mir.«

Mit diesen Worten kehrte er sich schnell um, und begleitet von dem Indianer begab er sich eiligen Schrittes nach der Rancho, seinen Genossen überlassend, sich über die verschiedenen Rollen zu einigen. –

Still und friedlich lag Sanchez' Rancho da, so still, als wenn sogar die Gebäude in Schlummer versunken gewesen wären. Nur von den Hütten der Knechte schallte zuweilen gedämpft der Klang fröhlicher Stimmen herüber, die sich zu munterem Chorgesang vereinigten.

Die Hunde, auf deren Wachsamkeit man glaubte sich verlassen zu dürfen, reckten und dehnten sich behaglich auf der Streu in einem leeren Pferdestalle, wohin der listige Kahuilla sie gelockt hatte, und da dieser Stall am weitesten von dem Herrenhause entfernt war, so regte sich im vollen Sinne des Wortes in näherem Umkreise kein Leben.

Im Schatten des Gemäuers, gerade vor dem Fenster, das Juanita so sorgfältig verhangen hatte, standen Toby Ring und seine Raubgenossen.

Sie hatten einen Holzblock davor gelegt, den sie abwechselnd bestiegen, um einen Blick in das Innere des Gemaches zu werfen. Es befand sich nämlich in dem ganzen Fenster nur eine einzige kleine Stelle, an der ihnen dies möglich ward.

Hätte Toby, der die Tochter des Rancheros nur bei Gelegenheit seines Besuches auf der Hazienda gesehen, auch wirklich seinen eigenen Augen mißtraut, so wäre Bootjacks Zeugnis genügend gewesen, ihn zu überführen, indem dieser ihn auf alles aufmerksam machte, was die äußere Erscheinung der Sennorita gewöhnlich charakterisierte.

»Ich nicht lügen«, flüsterte der Indianer, nachdem Toby einen langen, forschenden Blick in das Gemach geworfen hatte; »ich nicht lügen, Ihr selbst sehen schwarze Haare, aufgelöst zum Schlafen; sehen roten Schal, sie alle Tage tragen; sehen schwarzes Kleid, sie alle Tage tragen, feines Leib –«

»St!« entgegnete Toby, und durch ein Zeichen die Genossen von dem Fenster fortweisend, trat er so weit mit ihnen zurück, daß sie ohne Gefahr, gehört zu werden, miteinander verhandeln konnten.

Während Toby in das Gemach spähte, waren die Pläne zu seinem weiteren Vorgehen schon in seinen: erfinderischen Kopfe gereift. Er vermochte daher ohne Zögern mit wenigen Worten jedem seine Rolle zuzuteilen, und da alle das vollste Vertrauen in ihn setzten und sehr wohl wußten, daß er sich nicht gern in ein Unternehmen einließ, an dessen Erfolg er im geringsten zweifelte, so beeilten sie sich, ohne etwas zu entgegnen, seinen Anordnungen nachzukommen. Leise, wie Schatten, glitten Finney, der Harlekin und Bootjack nach der Nordseite des Gebäudes herum; Toby Ring dagegen, nachdem er den neuangeworbenen Desperado an das Hauptportal geschickt hatte, begab sich an das Fenster zurück, um die in Aussicht stehenden Vorgänge in den: Gemach zu beobachten, die vermeintliche Inez und ihr Benehmen zu bewachen und, im Falle man seines Beistandes noch bedürfen sollte, sogleich zur Hand zu sein.

In den inneren Hof hineinzugelangen, war für Leute dieses Schlages keine schwierige Aufgabe, denn da das flache Dach sich kaum zwölf Fuß hoch über die Fundamentmauer erhob und ohne Unterbrechung in gleicher Höhe um das Häuserviereck herumlief, so war es in seiner ganzen Ausdehnung an jeder beliebigen Stelle für einen gewandten Kletterer zugänglich. Die Banditen begaben sich indessen nach der Nordseite herum, einesteils, um soweit als möglich aus der Hörweite des jungen Mädchens zu sein, dann aber auch, weil Bootjack ihnen mitteilte, daß gerade dort die kleine Treppe von der Bedachung der Veranda in den Hof hinabführe.

Hier hob Finney den Indianer, den er bei den Füßen gepackt hatte, daß des Kahuillas Knöchel laut knackten, so hoch, daß er den äußersten Rand des Daches mit den Händen erfassen konnte. Sobald dies geschehen war, zog Bootjack seinen Körper ohne Mühe nach, und da er die Gewandtheit eines Affen besaß und mit seinen nackten Füßen an dem rauhen Mauerwerk nachhelfen konnte, so glitt er schnell und ohne erhebliches Geräusch zu erzeugen ganz nach dem Dache hinauf, wo er vorläufig ruhig ausgestreckt und lauschend liegen blieb.

Kaum sah Finney den Kahuilla oben, so stemmte er die eine offene Hand in die Hüfte, während er die andere fast in gleiche Höhe mit seinen Knien brachte und dem Harlekin zugleich ein Zeichen gab.

Dieser vollführte darauf, was er bei den früheren theatralischen Vorstellungen so oft zum Ergötzen der Zuschauer getan. Er legte seine Hände leicht auf Finneys Haupt, und die offenen Hände als Leitersprossen benutzend, schwang er sich blitzschnell auf des Irländers breite Schulter, wo er, ohne noch einen andern Haltpunkt zu suchen, sich gerade aufrichtete und den Rand des Daches mit den Händen zu erreichen trachtete, was um so schneller geschah, weil der Kahuilla ihm die Hand entgegenstreckte und ihn mit allen Kräften nach sich zog.

Mehr Schwierigkeit fand Finney, hinaufzukommen. Doch auch dieses gelang, indem ein von den beiden oben Befindlichen um einen Rauchfang geschnürter und festgehaltener Lasso, an dem der schwere Irländer hinaufkletterte, jedes Heben von unten überflüssig machte.

Sobald die drei Räuber dort oben vereinigt waren, gelangten sie, die Treppe behutsam niedersteigend, in den Hof hinab, von wo aus das erleuchtete Fenster ihnen schräg gegenüberlag.

Dort nun blieben sie eine Weile stehen, um zu lauschen. Sie waren unentdeckt geblieben, denn zu ihren Ohren drang unverändert, jedoch deutlicher als auf der Außenseite, die traurige Stimme des lesenden Mädchens.

Gemäß der Verabredung gingen sie nicht quer über den Hof, sondern in den tiefen Schatten unter der Veranda tretend, schlichen sie dicht an den Fenstern und Türen entlang, die alle geschlossen waren.

Ihr erstes Ziel war natürlich das erleuchtete Fenster und die nächste Tür hinter diesem; allein Finney konnte sich den Genuß nicht versagen, im Vorübergehen seine Hand auf das Schloß der Tür zu legen, die Bootjack als den Eingang zu dem Gemach des Rancheros bezeichnete, und erst, als er sich über zeugt hatte, daß, außer den Schlössern der Schränke im Innern des Gemaches nichts gewaltsam zu öffnen sei, beeilte er sich, an das einzige Hindernis heranzukommen, von dem eine Entdeckung und dann Lärm zu befürchten war.

In seiner Hast und fieberhaften Aufregung, die ihn stets ergriff, wenn er sich seiner Beute näherte, mochte er seine Füße wohl etwas weniger behutsam auf den Boden gestellt haben, wie auch Toby, der, ungeduldig über das lange Zögern der Genossen, einen besseren Blick in das Gemach zu gewinnen trachtete, unversehens mit dem Ärmel seines Rockes über die Fensterscheiben gefahren war; genug, Juanita war auf die Annäherung von Menschen aufmerksam geworden, und in demselben Augenblick, in dem Finney vor das erleuchtete Fenster trat, verdunkelte sich dieses. Er stutzte wohl, als er es bemerkte, beruhigte sich aber bei dem Gedanken, daß die Bewohnerin des Gemaches sich zur Ruhe begeben habe.

Als er die Tür öffnete, war es in dem Gemach so still, daß er befürchtete, die Gesuchte sei durch einen Nebengang entflohen, und um aus dem dadurch etwa erzeugten Geräusch die Richtung der Flucht zu erraten, neigte er sein Haupt lauschend nach vorn.

»Kein Irrtum – sie hier sein – Licht ausblasen«, sagte plötzlich Bootjack, der sich an ihm vorbei in das Gemach drängte.

Finney und der Harlekin, durch diese Worte ermutigt, folgten sogleich, gebrauchten aber die Vorsicht, den Weg durch die Tür gesperrt zu halten, um eine Flucht durch diese abzuschneiden.

Da ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt waren, so erhielten alle Gegenstände bei der matten Helligkeit, die durch Fenster und Tür in das Gemach drang, vor ihren Blicken schnell bestimmtere Umrisse, und die drei Räuber entdeckten fast zu gleicher Zeit die zusammengekauerte Gestalt der vollständig bewußtlosen Juanita.

Finney und der Harlekin waren aber zu gewiegt und erfahren in ihrem Fache und der Kahuilla zu sehr daran gewöhnt, seine Handlungen mit kaltblütiger Ruhe nach dem Benehmen anderer Menschen abzumessen, als daß einem von ihnen ein Laut der Überraschung entschlüpft wäre, und da sie Juanitas Zustand für Verstellung hielten, so glaubten sie mit größter Behutsamkeit zu Werke gehen zu müssen.

»Es ist niemand hier«, sagte Finney laut, indem er leise seinen Rock auszog; »nein, niemand, und wir mögen ebensowohl unseres Weges ziehen«, fuhr er in demselben Tone fort, sich aber wie zufällig durch einen Schritt zur Seite dem ohnmächtigen Mädchen nähernd.

Gleich darauf kniete er aber auch schon auf dem Boden, und wenn Juanita wirklich noch die Kraft besessen hätte, einen Hilferuf auszustoßen, so würde dieser in dem Rocke, den der Irländer mit überraschender Gewandtheit um ihr Haupt geschlungen hatte, verhallt sein.

»Ich glaube, sie stellt sich tot«, bemerkte Finney mit brutalem Lachen, als er keine Spur von Widerstand in den schlaffen Gliedern des ohnmächtigen Mädchens entdeckte. »Verdammt! Es scheint dennoch keine Verstellung zu sein; um so besser, auch die kleinste Turteltaube kann mit den Flügeln schlagen; schnell, Bootjack, herunter mit den Vorhängen von dem Fenster und ein Tuch her, um ihr die Hände zu binden!«

Fast ebenso rasch wie Finney sprach, wurden seine Befehle auch ausgeführt. Der Indianer öffnete das Fenster, der Harlekin reichte ihm ein zusammengedrehtes Tuch, und in weniger als fünf Minuten lag die besinnungslose Juanita mit gefesselten Händen da, während der Harlekin den um ihren Kopf gewickelten Rock so weit löste, als nötig war, um sie nicht ersticken zu lassen.

»Nicht zu viel Luft, beim heiligen Patrik! Nur nicht zu viel,« ermahnte Finney, »es könnte dennoch Verstellung sein, und ein Angstschrei dürfte uns das ganze Dorf auf den Hals bringen!«

Nachdem er sodann den Harlekin noch besonders angewiesen, wenn ihm sein Leben lieb sei, der Sennorita nicht von der Seite zu weichen, bis er selbst sich ihm wieder zugesellt haben würde, und im Fall sie zu viel Leben zeigen sollte, den Rock wieder fester um ihr Haupt zu schnüren, begab er sich schnell zu Toby ans Fenster, um ihn von dem glücklichen Gelingen des ersten Teiles ihres Unternehmens in Kenntnis zu setzen.

Jetzt, da sie von keiner Seite mehr eine Störung zu befürchten hatten, konnten sie sich mit vereinten Kräften an ihre Hauptarbeit begeben, an die Beraubung des alten Rancheros.

Das Portal wurde geöffnet, der Wachtposten eingelassen, und gemeinschaftlich mit diesem und dem Indianer begab sich Finney in Don Sanchez' Gemach, während Toby sich außerhalb unter dem Fenster aufstellte, um die ihm dargereichten Gegenstände in Empfang zu nehmen.

So leicht wie der Irländer es sich vorgestellt hatte, wurde ihm der Raub indessen nicht, denn da sie der Sicherheit wegen kein Licht anzünden durften, so war er gezwungen, sich vorzugsweise auf seinen Tastsinn zu verlassen. Der Mondschein begünstigte ihn aber, und von dem Indianer belehrt, gelangte er an einen festen Wandschrank, in dem sich die wertvollsten Papiere und auch das Gold befinden sollten.

Die Tür desselben paßte indessen so genau in die Fugen, daß weiter nichts übrig blieb, als das Schloß auszuschneiden.

Finney griff nach seinem Bowiemesser und begann an dein harten Holz zu schneiden. Die Späne flogen von der Schranktür, die Bretter krachten, der Irländer zitterte vor Wut und Ungeduld. Toby Ring stand wie auf Kohlen, und zeitweise nach der Ecke hineilend, sandte er seine besorgten Blicke nach den Signalfeuern hinüber, die, erlöschend, sich nur noch sehr schwach in der dämmerigen Atmosphäre auszeichneten.

Endlich drangen die starken Messerklingen durch das feste Eichenholz; ein wütender Fluch des in seiner Raserei immer unvorsichtiger werdenden Irländers verkündete es, und gleich darauf zwängte er eine kurze eiserne Brechstange in die Öffnung.

»Kamerad, es brennt«, ließ sich Tobys Stimme vernehmen, und zwar so dringend und voll wirklicher Angst, daß Finneys Gefährte augenblicklich zurücksprang und sich zur Flucht anschickte.

Der Irländer dagegen schien durch den verabredeten Warnungsruf noch wütender geworden zu sein, denn ein wilder Fluch antwortete, und fast gleichzeitig krachten die Schranktüren unter seinen nichtigen Fäusten.

»Finney, der Boden glüht!« wiederholte Toby noch dringender, aber wiederum insoweit vergeblich, als nur der Desperado und Bootjack ans Fenster sprangen und sich bereit machten, im entscheidenden Augenblick zu entfliehen.

»Finney, der Strick liegt schon um deinen Hals! Keime Minute hast du mehr zu verlieren!« rief Toby dem schnaubenden Irländer zu, der, wie von Tollwut ergriffen, die zersplitternden Bretter losriß und in das Innere des Schrankes zu gelangen suchte.

Die Erwähnung des Galgens schien auf Finney wieder einen entscheidenden Einfluß zu üben; denn war er auch sonst mutig wie ein Stier, so hatte er doch, seitdem er einst in der Heimat nur mit genauer Not seinem Ende durch den Strick entgangen war, eine solche gewissermaßen krankhafte Abneigung schon gegen die bloße Bezeichnung des Galgens behalten, daß sein Gefährte ihn nur daran zu erinnern brauchte, um ihn fügsam wie ein kleines Kind zu machen.

Auch dieses Mal schlug das Mittel nicht fehl, denn Finney vernahm kaum das für ihn so gräßliche Wort, als er auch die Brechstange fallen ließ und durch das Fenster ins Freie zu gelangen suchte.

Hier aber stieß er auf Toby, der ihn zurückhielt.

»Rette wenigstens das Mädchen!« flüsterte ihm dieser zu. »Rette es für uns, damit wir durch dieses einen freien Abzug oder auch noch ein gutes Lösegeld von Ramiro oder dem Ranchero erkaufen können. Säume keinen Augenblick; eile durch das Portal mit ihr; wir müssen zu Pferde und fort, man bedroht uns von zwei Seiten!«

Finney war jetzt wieder vollständig das willenlose Werkzeug Freundes geworden, ohne Säumen sprang er nach dem Gemach herum, wo der Harlekin noch immer neben der besinnungslosen Juanita auf der Erde kniete und mit wachsender Ungeduld der Erlösung aus der eigentümlichen Lage entgegensah.

»Man kommt«, flüsterte er, und in der nächsten Minute hatte er den Rock wieder fester um Juanitas Haupt gewunden, und sie dann auf den Arm nehmend, eilte er durch das Portal ins Freie, wohin ihm der Harlekin nachfolgte.

Als er mit Toby Ring an der Ecke des Hauses zusammentraf, fand er Bootjack und den Desperado dort schon vor, alle aber ängstlich in die Ferne lauschend. Auch die Pferde bemerkte er, die in geringer Entfernung vorn Herrenhause zur Flucht bereitgehalten wurden.

»Man bedroht uns von zwei Seiten«, flüsterte Toby, indem er nach der Los Angeles-Straße hinüberdeutete und dann in südliche Richtung wies, von woher die von dem Stiergefecht Heimkehrenden zurückerwartet wurden.

»Verdammt!« flüsterte der Irländer, ohne seine Last sinken zu lassen. Es war das einzige Wort, das er sprach, aber darin lag so viel Wut über das Mißlingen des Raubes und zugleich eine solche Furcht vor einer möglichen Verfolgung, wie er nicht imstande gewesen wäre, in einer halbstündigen Rede auszudrücken.

Hastig eilten die Einbrecher zu ihren Pferden hin, und erst als alle im Sattel saßen und Finney Juanitas scheinbar leblose Gestalt vor sich auf dem Sattel hielt, nahmen sie sich einige Minuten Zeit, um ihre Waffen zu prüfen und über den einzuschlagenden Weg zu beraten.

Am nächsten befanden sich ihnen die Reiter, die auf der Los Angeles-Straße einhergestürmt kamen, und die, wie sie richtig schlossen, die von den Milizen verfolgten Desperados waren.

Von ihnen hatten sie keine unmittelbare Gefahr zu fürchten, doch stand zu erwarten, daß, im Fall die Nachsetzenden nicht allzu weit zurück waren, diese die Verfolgung auch auf Toby Ring und seine Raubgenossen ausdehnen würden, sobald man ihrer nur ansichtig geworden war.

Von der andern Seite des Dorfes her drangen dagegen die durch die Entfernung gedämpften Stimmen des Rancheros und Don Picos, sowie auch das Klappern von beschlagenen Hufen zu ihnen herüber, wenn diese die auf der Straße zerstreuten Steine scharf berührten.

Sie durften nicht bezweifeln, daß der Einbruch gleich bei dem Eintreffen vor dem Herrenhause entdeckt werden und man keine Minute zögern würde, zu ihrer Verfolgung aufzubrechen. Auf alle Fälle hatten sie einen zu geringen Vorsprung, um hoffen zu dürfen, daß die Richtung ihrer lange verborgen bleiben könne.

Indem sie noch alles erwogen, galoppierten die fliehenden Desperados auf der Los Angeles-Straße vorüber. Sie hörten nicht nur das Schnauben und Stampfen der Pferde, sondern sie erkannten auch durch die dämmerige Atmosphäre hindurch einen Trupp Reiter, die wie schwarze Schatten sich schnell gegen Süden bewegten, wogegen sie selbst durch die hinter ihnen liegenden Gebäude denselben unsichtbar blieben.

»Vorwärts!« sagte Toby, sobald die Desperados vorüber waren und parallel mit dem Dorfe dahineilten. »Vorwärts! aber mäßigt den Schritt der Pferde und biegt nach dem Rasen hinauf. Wir müssen den Versuch wagen, die von hier aufbrechenden Verfolger ebenfalls auf ihre Spuren zu lenken.

Schweigend gehorchten die Genossen den Anordnungen, und im schnellen Schritt entfernten sie sich aus der Nähe der Rancho.

Als sie die Los Angeles-Straße erreicht hatten, bemerkten sie die ersten Lichter, die in dem Herrenhause schnell an den Fenstern vorübergetragen wurden, und gleich darauf vernahmen sie des Rancheros Befehle, der mit durchdringender Stimme seine Leute und frische Pferde zur Verfolgung der Räuber aufbot.

Toby Ring und seine Genossen betrachteten sich jetzt als gerettet, denn sie schlossen, daß die fliehenden Desperados die Aufmerksamkeit der Heimkehrenden auf sich gelenkt haben mußten, und daß diese später beim Anblick der erbrochenen Türen die kurz vor ihrer Ankunft bemerkten geheimnisvollen Reiter natürlich für die Täter halten und ihnen nachsetzen würden.

Sie selbst befanden sich um diese Zeit aber schon zu wert entfernt, als daß sie von der Rancho aus hätten entdeckt werden können, wenn sie auch fürs erste nur vorsichtig reiten durften, um sich nicht durch allzu lautes Geräusch zu verraten.

Anfangs schienen ihre Anschläge ganz glatt gelingen zu wollen, denn sie hatten noch keine zweihundert Schritte auf der andern Seite der Landstraße zurückgelegt, da erhielten sie schon die Gewißheit, daß die berittenen Leute des Rancheros aus dem südlichen Ende des Dorfes sprengten, wie sich aus dem Rufen und gegenseitigen Anfeuern deutlich erraten ließ.

Das schadenfrohe Lachen des Irländers verwandelte sich aber schnell in eine wilde Verwünschung, als er aus der entgegengesetzten Richtung ebenfalls den Lärm herbeieilender Reiter vernahm, in denen er sogleich die Verfolger der fliehenden Desperados vermutete.

siehe Bildunterschrift

»Vorwärts!« rief er aus, indem er die Weichen seines Pferdes mit den Absätzen seiner Stiefel heftig stieß; »vorwärts, es gilt jetzt unser Leben!«

»Vorwärts!« rief er aus, indem er die Weichen seines Pferdes mit den Absätzen seiner Stiefel heftig stieß; »vorwärts, es gilt jetzt unser Leben!«

»Ja, ich glaube selbst, es gilt unser Leben, aber mäßige dich!« ermahnte Toby, denn der Irländer hatte im Eifer seine Stimme so sehr erhoben, daß sie das Gestampfe der Pferde noch übertönte. »Mäßige dich; bis jetzt sind wir noch nicht bemerkt worden, und hören sie uns nicht in den nächsten fünf Minuten, sehen können sie uns ja ebensowenig als wir sie, so haben sie die von uns eingeschlagene Richtung überschritten, und hängen will ich mich lassen, wenn sie den Ranchero mit seinen Leuten dann nicht für die ermüdenden Desperados halten und die Eile ihrer Pferde noch zu beschleunigen suchen.«

Die fünf Minuten verstrichen, und nur wenig Lärm erzeugend, ritten die Räuber über den pfadlosen, dürren Rasen dahin. Hinter ihnen dagegen jagten die erbitterten Milizen auf der breiten Landstraße vorüber.

Was Toby vorhergesagt hatte, war eingetroffen; die Milizen hatten das geräuschvolle Aufbrechen der Leute auf der Hazienda mit den von ihnen verfolgten flüchtigen Desperados in Verbindung gebracht. Sie richteten ihre ganze Aufmerksamkeit nach vorn, ohne darauf zu achten, daß auf ihrer linken Seite eine Anzahl Reiter über die Wiesen hin dem Cajonpaß zusprengte.

Toby Ring kicherte leise vor sich hin; Finney, der Harlekin und die beiden andern Räuber fluchten und verwünschten den Zufall, der den Ranchero nebst seinen Leuten so unerwartet nach Hause geführt hatte. Bootjack dagegen schwieg und gab kein anderes Zeichen von Leben von sich, als daß er sein Pferd ebenfalls zur Eile trieb. Er hielt sich in den Spuren seiner Genossen, jedoch eine kurze Strecke hinter ihnen. Offenbar überlegte er, ob es für ihn selber nicht am geratensten sei, sich heimlich auf die Seite der Verfolger zu schlagen.

Und so jagten sie in wilder Hast über die weite Ebene auf den Cajonpaß zu, und mit ihnen um die Wette jagten, vor den in den oberen Regionen wirkenden Luftströmungen, die niedrig hängenden Wolken, zu denen sich die Nebel- und Dunstschichten verdichtet und massenweise wieder voneinander getrennt hatten. Mit geschäftiger Eile jagten die Wolken, als Vorboten eines anhaltenden Regens, dahin; bald die dicke verdunkelnd Atmosphäre, bald dem Mondlicht gestattend, zwischen ihren Rissen durchzuschimmern oder sie flüchtig mit einem silbernen Saum zu schmücken.


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