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VII.

Und da ist auch der Advokat Dr. du Buit.

Zuweilen nimmt der Herr du Buit sein Bad in einer Kabine neben der meinen ... Dann höre ich, wie er sich mit dem Diener unterhält ... Er sagt:

– Es ist nicht meines Amtes ... Berufenere Persönlichkeiten ... Und ich möchte hinzufügen ... Mein Bad ist kalt ... ich füge hinzu ... auch nicht genug schwefelhältig ... Wir sind an einem Wendepunkte der Weltgeschichte angelangt ... der Ausdruck sei mir gestattet ... an einem gefährlichen Drehpunkt der Menschheit ... Die Ehre des Heeres ... Bétalaud ... Diese Schriftsteller ... Unglaublich ...

Er sagte noch viele andere, ebenso bewunderungswürdige Dinge ... Selbst bei der niedrigsten Funktion der niedrigsten Organe bleibt er Redner ... und beweist seine Beredsamkeit ...

Eine schon fernliegende Erinnerung füllt mir den Geist ... Es war bei dem berühmten Prozeß der Bergwerksgesellschaft, einem heute vergessenen Prozeß, denn Alles fällt der Vergessenheit anheim. Herr du Buit, der angesehene Advokat, dessen kahler Kopf glänzte, vertheidigte, glaube ich, Herrn Secrétan. Er führte Folgendes aus:

»Meine Herren, uns wird der Vorwurf gemacht – nennen wir das Kind beim rechten Namen – der Vorwurf, das Kupfer zusammengerafft zu haben, ja dessen klagt man uns an ... Das Kupfer, meine Herren! (sardonisch) In Wahrheit eine seltsame Anklage (Er wiegt sich und sieht dem Staatsanwalt kühn ins Gesicht), eine zerschmetternde Anklage, nicht wahr? Ja, aber, meine Herren, ich werde mit einem Wort, mit einem einzigen Wort (Er schlägt auf seine mit Akten vollgestopfte Mappe los) ... ich werde, sage ich, mit einem einzigen Worte, zu Staub zermalmen (Er schlägt kräftig auf die Brüstung los), vernichten ... und entkräften, all' die werthlosen Begründungen unserer Gegner ... die sogenannten Berechnungen ... die sogenannten Beweise, die nach Herzenslust von dem Staatsanwalt aufgehäuft werden ... (Plötzlich ruhig und kurz). Ein einfacher Vergleich wird genügen ... (Pause. Er wiegt sich einen Augenblick lang, wirft mit einer lebhaften Geste die fluchenden Falten seines Ärmels bis zu den Achselhöhlen zurück, hebt den Zeigefinger zur Decke empor, beugt sich über die Brüstung und wippt gleich einem Hanswurst mit dem Oberkörper). Meine Herren ... (Mit leiser, einschmeichelnder Stimme). Ein Feldarbeiter ... (mit sicherer, überzeugterer Stimme) ein Landwirth ... (mit klingender, begeisterter Stimme) ein Züchter ... (mit donnernder Stimme) ein Bauer ... (Pause. Der erhobene Zeigefinger fährt schwingend, kreiselnd durch die Luft, zittert, erstarrt, dann stoßweise bewegt) der sein Getreide sät ... (Mit allmälig anschwellender Stimme) der sein Getreide mäht ... der sein Getreide erntet ... der sein Getreide drischt ... der sein Getreide aufspeichert (Die Stimme erreicht das Maximum von Durchdringlichkeit – dann wird sie schwächer und sinkt wie gebrochen zu dumpfen Registern herab). Ja, kann man wohl sagen, meine Herren ... (gleiches Verfahren wie vordem), daß dieser Bauer ... dieser Züchter ... dieser Landwirth ... dieser Taglöhner ... (Wieder gleiches Verfahren) der dieses Getreide säte ... der dieses Getreide mähte ... der dieses Getreide erntete ... der dieses Getreide drosch ... der dieses Getreide aufspeicherte ... Ja, ich appelliere an das Gewissen aller ehrenwerthen Leute ... kann man sagen, daß dieser Züchter ... daß dieser Landwirth ... daß dieser Feldarbeiter ... daß dieser Bauer ... das Getreide zusammenraffte, das er säte das er mähte ... das er erntete, das er aufspeicherte? ... Dieses Getreide, das sein Schweiß ist, und gestatten Sie mir, Ihnen ohne Furcht, wie ohne Schwäche zu sagen, das – sein Blut ist? Nein, meine Herren ... (der Zeigefinger schließt sich den übrigen Fingern der Hand wieder an, der Arm steigt und fällt, fällt und steigt, schlägt auf die Brüstung in regelmäßigen Hieben gleich einem Maschinenhammer). Das kann man nicht sagen ... Das darf man nicht sagen ... Das wird man nicht sagen! (Neue Pause, während deren er sich leicht die Stirne trocknet, dann weicht er zurück, hebt die Ellenbogen, streckt die Finger starr aus). Denn bemerken Sie wohl, meine Herren ... juristisch, civiliter, moralisch und ich möchte hinzufügen, legal ... ja, Herr Staatsanwalt, legal hat dieser Bauer ... u. s. w., u. s. w.«

So redete der Advokat du Buit zwei Tage lang. Und man dachte nur noch an seinen Bauer ..., von dem ohne Unterlaß die Rede war.

Und die Angeklagten wurden zu Anklägern.

Einige Monate nachher wurde der große Vertheidiger unter allgemeinem Beifall zum Vorsteher der Advokatenkammer ernannt.

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