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An Bord der gelben Dschunke

Als sich Tex Connor und Manila Kid von dem Dampfer davonstahlen, stiegen sie in eines der kleinen Boote, und jeder machte sich an einem Ende mit der Talje zu schaffen. Manila Kid schaute in atemloser Erregung nach einem schmalen, kindlichen Gesicht aus, das nicht auftauchen wollte, und arbeitete mit ungeschickten Fingern. Connors Seite, der Bug, ging zuerst nieder, und er wäre beinahe hinausgeworfen worden. Er fluchte gewaltig über seinen unbrauchbaren Handlanger und hielt sich an der Talje fest, als jetzt auch das Heck sich endlich löste. Manila Kid stöhnte vor Schmerz, weil ihm das durch seine Hand laufende Tau die Haut verbrannte; aber er hielt dennoch zuletzt fest, so daß kein Unglück geschah.

Über ihnen leckten die roten Flammen, als das Boot ruckweise niedersank. Oben schrien die Frauen. Ein Weißer, der zweite Steuermann, lehnte über der Reling und fluchte nach Kräften zu ihnen hinunter.

»Fertig?« rief Tex Connor. »A tempo loslassen!«

»Wart' doch einen Augenblick!« wimmerte Manila Kid und schaute gespannt in das dunkle Innere des Dampfers hinein; dabei wickelte er sich ein Taschentuch um die linke Hand. »Du lieber Gott, darf man sich denn nicht einmal die Hand verbinden!«

Eine schlanke blaue Gestalt tauchte oben auf, kletterte gewandt über und ließ sich auf eine der Querbänke in das Boot fallen.

»Dixie!« rief Manila Kid mit schriller Stimme.

Sie hatte eine Mütze aufgesetzt und trug eine Ledertasche, wie sie die Damen zu Einkäufen mitnehmen, in der Hand.

»Wo kommst du her?« knurrte Tex Connor.

»Ich sah, daß ihr euch fertigmachtet«, sagte sie einfach. »Eilt euch, daß wir loskommen!«

Tex Connor starrte sie an; dann machte er sich wieder an seine Arbeit. Das Boot kam zu Wasser und trieb rasch den Strom hinunter. Tex Connor schrie Manila Kid zornig an und zog ein Ruder hervor.

»Was hast du vor?« fragte Fräulein Carmichael ganz gelassen.

»An Land gehen«, erwiderte Tex Connor.

»Komm Tex, sei doch vernünftig!« sagte sie.

Er schaute sie scharf, fragend, zweifelnd an.

»Ihr beide rudert jetzt so schnell ihr könnt flußabwärts«, fügte sie hinzu. »Ihr könnt darauf wetten, Tom Sung und seine Bande haben nicht im Sinn, sich in Kiu Kiang blicken zu lassen. Sie haben jedenfalls hier weiter unten irgendwo angelegt.«

Manila Kid, der immer noch mit seiner verletzten Hand beschäftigt war, sah auf; er runzelte die Stirne – er war ohne Mütze – und fing dann leise an zu pfeifen. Tex Connor erwiderte nichts, starrte aber mit seinem einen Auge das Mädchen forschend an. Endlich knurrte er mit einem Versuch, seine Oberherrschaft zu behaupten:

»Nimm ein Ruder, Jim!«

»Aber meine Hände! Mein Gott, dieses Tau hat mir alle –«

»Erwartest du, daß ich rudere, Jim?« erkundigte sich Fräulein Carmichael.

Manila Kid ergab sich und sagte nichts mehr. Das Mädchen setzte sich behaglich im Heck zurecht und schaute nach dem Feuer zurück. Bald hatten sie dessen Lichtkreis hinter sich gelassen.

Plötzlich zog Tex Connor sein Ruder ein und schob es unter die Bänke. »Dixie!« sagte er. »Du bist also entschlossen, diese Sache durchzuführen?«

»Gewiß!« erwiderte sie.

»Dann mußt du jetzt deine Karten aufdecken, wenn ich dir helfen soll. Blind mach' ich es nicht.«

Fräulein Carmichael schaute zurück zu dem glühendrot beleuchteten Himmel und dann hin zu dem leicht grauenden Osten.

»Ich werde es dir sagen, wenn die Sonne aufgeht«, versprach sie. »Länger darf doch damit nicht gewartet werden. Die Sache muß sehr rasch geschehen.«

»Gut!« sagte Tex Connor. »Das ist also ein Übereinkommen. Jetzt will ich schlafen. Die Strömung führt uns rasch genug hinab. Wenn ihr Toms Boote seht, weckt mich auf.« Damit legte er sich im Bug nieder, und bald war sein Schnarchen zu hören.

Auch Manila Kid zog sein Ruder ein; dann kroch er zu dem Mädchen hinüber.

»Vorsichtig!« flüsterte sie. »Wenn er aufwachte …« Sie machte sich von seinem Arme los. »Jim, jetzt sitz' ganz still. Es ist Zeit, daß du und ich zu einem Einverständnis kommen. Ich brauche dich, und du wirst deinen ganzen Mut nötig haben. Vielleicht sogar noch mehr. Ich weiß nicht, ob du Manns genug bist, das auszuführen, was sein muß. Das ist die Schwierigkeit.«

»Du hast mir doch versprochen, Dixie!« Er war immer noch merkwürdig atemlos. »Du hast gesagt, wenn ich zu dir hielte, dann hieltest du auch zu mir.«

»Gewiß. Aber in den nächsten acht oder zehn Stunden wirst du lernen, was es heißt, zu mir zu halten. Du kannst mich haben, Jim, aber du mußt mich erst verdienen. Ob du wohl den Mut dazu hast?«

»Bei Gott, Dixie, für dich –«

Ihre Hand fiel leicht auf die seine, und ihre sehr leise und ganz ruhige Stimme unterbrach ihn mit den Worten: »Wenn ich dir sagte, du solltest einen Menschen töten, würdest du es tun?«

Sie hörte, sie fühlte, wie ihm der Atem stockte. Dann flüsterte er mit einem raschen Seitenblick auf den schlafenden Tex Connor:

»Wenn ich ja sage, Dixie, gibst du mir dann einen Kuß? Jetzt gleich?«

Sie preßte die Lippen zusammen; dann erwiderte sie: »Nein. Jetzt noch nicht. Und du brauchst niemand umzubringen, wenn ich es nicht sage.«

»Ist es – ist es –«, sein Flüstern wurde noch heiserer – »ist es – der da, Dixie?« Er starrte, jetzt mit weniger Sicherheit, Tex Connor an.

»Nein«, erwiderte sie langsam. »Niemand Bestimmtes. Aber wer weiß, was heute nacht noch geschieht? Und wir dürfen nicht zaudern. Jetzt nicht.«

Sie gestattete einen kurzen Augenblick, daß er ihre Hand drückte; dann veranlaßte sie ihn, auf seinen Platz zurückzukehren. Und sie beobachtete ihn scharf unter halbgeschlossenen Lidern hervor.

Einmal kam er zurück und fragte mit heiserer Stimme: »Du hast gesagt, er sei ein Teufel. Dix, hat er – habt ihr, er und du – mein Gott, wenn ich denken müßte, daß Tex –«

Sie faßte ihn an der Schulter und legte ihm die Hand auf den Mund. »Wenn er dich hier bei mir findet, bringt er dich um. Jetzt geh auf deinen Platz und beweise mir, daß du ein guter Partner bist! Was du jetzt spielst, das ist das bedeutendste Spiel deines Lebens, Jim Watson.«

Er kroch zurück, verwirrt und etwas verletzt. Aus ihrer Stimme hatte etwas herausgeklungen. Konnte diese mädchenhafte Dixie wirklich so herzlos sein? Ihn zu behandeln, als ob er ein Kind wäre! Hatte sie denn gar kein Gefühl? Diese Frage drehte sich in seinem schwachen Kopfe um und um, verwirrte ihn mit Anfällen von rasender Eifersucht gegen den starken Mann, der dort im Bug schlief und schnarchte … Hatte sie denn gar kein Gefühl … Ah! Sie war aufreizend begehrenswert.

– Jetzt auch als eine Eroberung; als etwas, womit man prahlen konnte.

* * *

Dixie war es, die zuerst der Soldaten ansichtig wurde, die in einem heftigen Wortgefecht begriffen am Ufer saßen, keine hundert Schritte unterhalb einer großen Dschunke, die an Pfählen vertäut lag. Mit scharfer Stimme rief sie Tex Connor an, und sie landeten dann neben den beiden andern Booten.

Tom Sung kam an den Rand des Wassers herunter, ein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett in der Hand. Connor trat ans Land und hielt das Boot fest. Manila Kid, mit einem verstohlenen Blick auf den gewaltigen gelben Boxer und die plötzlich stillgewordene zweifelhafte Gruppe von Soldaten am Ufer, zog vorsichtig eine Repetierpistole heraus und hielt sie mit der Hand neben sich auf der Bank fest.

Dixie sagte laut, damit Tex Connor es hören sollte: »Tu die Pistole weg, Jim!«

Manila Kid gehorchte. Dann wandte sie sich an Tex Connor selbst.

»Sag' deinem Tom da, daß wir diese Dschunke haben müssen«, befahl sie. »Steigt in die andern beiden Boote und nehmt sie weg, rasch! Dann fahren wir auf ihr wieder stromaufwärts.«

Einen Augenblick war Tex Connor völlig verblüfft. Dieses Mädchen hatte sich ohne weiteres den Oberbefehl angemaßt. Selbst der langsam denkende Tom empfand ihr Übergewicht und wandte sich sofort von ihm ab und ihr zu. Aber Tex Connor dämpfte seinen Zorn. Dixie war es offensichtlich ernst mit dem Unternehmen, und sie war kein Mädchen, von dem aus Achtlosigkeit begangene Fehler zu befürchten waren. So gab er denn mit scharfer Stimme Tom seine Befehle.

Leise begaben sich die zwanzig oder mehr aufrührerischen Soldaten zu den Booten hinunter, stießen ab und ruderten der Dschunke zu. Ein schläfriger Wächter schaute vorne über die Reling.

Bald waren sie längsseit. Das Gewehr auf dem Rücken, den Revolver im Gürtel und das Messer zwischen den Zähnen, so kletterten sie Hand über Hand an den Tauen hinauf und stemmten die nackten Füße affenartig gegen die glatte Schiffseite.

Jetzt ertönten an Bord laute Schreie und ein Durcheinander von eiligen Tritten. Der erste Soldat, der ein Bein über die Reling schlug, taumelte mit gespaltenem Schädel zurück und stürzte ins Wasser.

Tex Connor und Manila Kid griffen zugleich nach einem Tau. Tex kletterte hinauf und befahl einem noch zurückgebliebenen Soldaten, ihn zu schieben. Oben stieg er entschlossen über die Reling und hielt nur so lange an, um Manila Kid zum Nachkommen aufzufordern.

Aber dieser würdige Mann zauderte, kauerte sich zusammen und griff die Fangleine des Bootes. »Ich muß das Boot halten 1« rief er zurück. Tex Connor jedoch war verschwunden.

Oben war jetzt großer Lärm – Rufen, Stöhnen, Angstgeschrei, Schüsse und diese unausgesetzten eiligen Tritte.

Dixie betrachtete überlegend die auf dem Bootsrand kauernde Gestalt – denn Manila Kid zitterte und stieß Töne aus, augenscheinlich in dem körperlichen Jammerzustand befangen, in den höchste Angst einen Menschen plötzlich versetzen kann. Auf einmal rief sie ihm zu: »Jim, sieh auf!«

Beinahe genau über ihm ließ sich ein fast nackter Chinese langsam an einem Tau herunter.

»Mach' ihn tot, Jim!« fügte Dixie hinzu.

Trotz des Lärms hörte der Gelbe ihre klare Stimme und schaute ängstlich herunter. Im selben Augenblick schaute Manila Kid auf, tastete in sonderbarer Weise, fast wie geistesabwesend, nach seiner Pistole und blickte dabei nach Dixie hin.

»Ich halte das Boot«, sagte sie. »Vorwärts – schieß!« Sie saß ganz ruhig da, langte mit einem mageren Arm nach dem nächsten Pfahl und schaute unverwandt hinauf.

Manila Kid nahm all seinen Mut zusammen, brach plötzlich in einen Schwall wilder Flüche aus und schoß dreimal in den Körper, der über ihm hing. Nach dem dritten Schuß rutschte der Mann ein kleines Stück herunter.

»Schieb ihn auf die Seite!« rief Dixie scharf. »Ich will nicht, daß er ins Boot fällt!«

Er schoß noch einmal und gab dann mit Anstrengung dem gleitenden Körper die entsprechende Richtung.

Dixie stand auf und bemühte sich, in dem leicht schaukelnden Boote fest zu stehen. Und Manila Kid, jetzt ganz außer Atem und seine heiße Pistole zärtlich streichelnd, murmelte: »Ich hab's getan, nicht wahr? Ich hab' getan, was du gesagt hast.« In ihren Augen erblickte er im Morgengrauen ein helles Glänzen, das ihn verwirrte und aufs tiefste erregte. Wieder zitterte er im Gefühl des Zaubers ihres seltsamen Wesens. »Welch ein Weib!« dachte er wieder mit dem wilden, wahnsinnigen Entschluß, sie sich zu erobern.

Und sie sagte: »Nun, dein Mut ist allright.«

Jetzt fielen noch andere gelbe Menschenleiber herunter und wurden von der Strömung fortgetragen.

»Hilf mir hinauf, Jim!« befahl Dixie. »Du brauchst das Boot nicht zu vertäuen – laß es nur schwimmen. Es war nur ein Notbehelf. Rasch – gib mir die Hand!«

Sie stand neben ihm. Er riß sie in seine Arme, aber ehe er sie küssen konnte, versetzte sie ihm einen derben Schlag ins Gesicht. »Nimm den Kopf zusammen!« rief sie. »Hilf mir da hinauf!«

Er hob sie in die Höhe, bis sie erst auf seine Schultern knien und dann stehen konnte. Geschickt wie ein Junge kletterte sie über die Reling. Sie fand die Soldaten in kleinen Gruppen, wie sie einen oder den andern von der Mannschaft der Dschunke in die Enge trieben, mit Bajonetten und Messern nach ihnen hackten und stießen, und eine kleine Weile sah sie dem mit merkwürdig geschärfter Spannung zu. Der Führer oder Laopan kauerte wimmernd auf der Achterhütte … Sie sah Tex Connor beim Mast stehen, und vorne und in der Mitte des Schiffs drängten sich die Überlebenden der Mannschaft zusammen (in überraschend großer Anzahl); Tex Connor stand mit dem Revolver in der Hand keuchend da und warf wütende Blicke um sich.

Dixie trat zu ihm.

»Du mußt von der Mannschaft genügend am Leben lassen, die das Schiff den Fluß hinaufrudern, Tex«, bemerkte sie.

»Ich behalte genug übrig«, sagte er mürrisch. »Wir haben nur ein Dutzend oder so umgebracht, und es waren mehr als hundert.«

Der äußerst böse aussehende Tom Sung entfernte sich sehr langsam von einer der Gruppen und trat herzu, indem er gleichgültig sein Bajonett an seinem Ärmel abwischte. Tex Connor befahl ihm schroff, seine Leute zu sammeln und alles zum Abfahren bereitzuhalten. Dem eben unbeholfen über die Reling steigenden Manila Kid schenkte Tex Connor nur einen Seitenblick. Dann sagte er zu Dixie:

»Komm' hier herauf.«

Er ging voraus die Treppe mit dem geschnitzten Geländer auf die Achterbrücke; versetzte dem Laopan einen nachlässigen Stoß mit dem Fuß; ging um den bedeckten Platz des Steuermanns herum und trat hinaus auf die hohe überhängende Galerie.

»So!« sagte er und heftete sein eines Auge fest auf das Mädchen. »Wo ist der Schatz?«

Sie wandte sich ab und den Blumentöpfen zu, die in einer dichten Reihe innerhalb des reichgeschnitzten Geländers standen. Es waren Chrysanthemen, weiße, gelbe und dunkelrote, gefüllte Dahlien, rote Lotosblumen und Tuberosen, die die frische Morgenluft mit ihrem betäubenden Duft erfüllten.

»Nun?« brach Tex Connor los.

»Ich habe versprochen, es bei Sonnenaufgang zu sagen«, erwiderte sie mit kühler Freundlichkeit, summte einen neuesten Schlager und beugte sich anscheinend mit dem größten mädchenhaften Entzücken über eine rote Lotosblume. Gleich darauf fuhr sie fort: »Jetzt handelt es sich darum, diese Dschunke so schnell als irgend möglich den Fluß hinaufzubringen.«

»Wohin?« Noch hatte er seine Stimme in der Gewalt, aber sein gewöhnlich so ausdrucksloses Gesicht sah unheimlich finster aus … »Treib's nicht zu weit, Dixie, sonst fliegst du über Bord. Und bei dem Leichenbegängnis gibt's dann keine Blumen. Bei Gott, ich weiß nicht sicher, ob ich nicht meine Freude daran hätte. Du hast mich in diese Sache hineingehetzt. Wenn du jetzt –«

»Nimm dich doch ein wenig zusammen«, sagte sie und warf sich vor ihm in die Brust. »Wenn auch ich dich hineingebracht habe, so steckst du doch jetzt in einem glänzenden Unternehmen und mußt die Sache durchführen. Und mich brauchst du dabei. Der Ort liegt einige Meilen diesseits von einer Stadt Huang Tschau am nördlichen Ufer.«

»Oberhalb Hankau?«

»Nein, unterhalb. Wir sind in wenigen Stunden dort, wenn du nur endlich diese Dschunke in Bewegung bringst.«

»Woran erkennen wir unser Ziel?«

»Wir brauchen nur einen Eingeborenen irgendwo am Ufer zu fragen, wo Kang Yu wohnt –; wo der alte Stammsitz seiner Ahnen ist.«

»Wer ist das, Kang Yu?«

»Der Vizekönig von Nanking. Warum machst du denn nicht gelegentlich dein eines Auge auf, Tex, und siehst dich einmal um?«

Langsam nahm sein Geist, der bei den lasterhaften Spielen seiner eigenen Rasse so geschwind bei der Hand war, die Tatsachen in sich auf und setzte sie in Beziehung zueinander. Die Spannung in seinem Gesicht ließ nach, und es mußte seiner Ansicht nach jetzt wieder den gewohnten steinernen Ausdruck zeigen.

»Und du weißt gewiß, daß die Juwelen dort sind?« fragte er jetzt ganz ruhig.

Sie nickte; dann summte sie wieder vor sich hin und streichelte zärtlich die Blumen.

»Allright, Dix«, sagte er dann und wandte sich, um nach vorne zu gehen. »Das klingt ja ganz verheißend. Ich denke, ich kann's schaffen. Und ich werde dafür sorgen, daß du dein wohlgemessenes Teil bekommst.«

»Und wie groß, meinst du, daß mein Teil sein soll?« fragte sie, von einer Lotosblume aufsehend.

»Oh!« rief er ohne Zaudern, ja fast fröhlich. »Darüber wird es zwischen dir und mir keinen Streit geben.«

Damit ging er, und sie blieb bei den Blumen zurück.

Von dem langen Deckhaus her ertönte Schreien und Stöhnen. Die mächtigen Ruder wurden an den Seiten herausgesteckt. Die Haltepfähle wurden herausgezogen und an der Reling vertäut. Das plumpe Fahrzeug drehte sich in den Fluß hinaus und fuhr langsam zu Berg.

Dixie vernahm einen hastigen, leisen Schritt, und als sie sich umkehrte, sah sie in das verstörte, aschfahle Gesicht des Manila Kid.

»Was gibt's«, flüsterte er und blickte ängstlich hinter sich. »Was hat er zu dir gesagt?«

Sie senkte die Blicke und wandte sich ab.

»Schnell, sag' es mir! Oder bei Gott, ich schieße –«

Abwehrend hob sie die kleine weiße Hand.

»Noch nicht, Jim!«

»Wann denn?«

»Er braucht Schlaf. Wir haben Arbeit vor uns.«

»Wenn du meinst, ich könne schlafen – –«

»Ich auch nicht, Jim. Es ist schrecklich. Aber ich will dir alles sagen; du hast ein Recht, es zu wissen. Warte nur, bis wir an dem Dampfer vorbei sind. Jetzt ist's überhaupt besser, wenn wir hinuntergehen. Wir dürfen nicht gesehen werden. Wenn uns niemand sieht, wird auch niemand gegen die Dschunke Verdacht schöpfen. Wenn du dann gewiß weißt, daß er eingeschlafen ist, dann komm zu mir. Ich warte.«

Manila Kid brachte Dixie ihr Frühstück, bestehend aus Reis, Eiern und Tee, auf die Galerie.

»Der Koch ist nur wenig verwundet«, berichtete er. »Tom hat ihn an die Arbeit gestellt.«

Dixie lag auf einem Deckstuhl aus einem Geflecht von grünen Binsen über einem Gestell aus Bambusrohr und hatte ihren Kopf zu den Tuberosen hingeneigt. Von Zeit zu Zeit sog sie den schweren Duft tief ein.

Manila Kid setzte sich neben sie aufs Deck nieder und sah ihr verdrossen zu, während sie aß. Aus perverser Laune verschob sie ihre Erzählung und spielte voll widernatürlicher Lust mit Zeit und Leben. Ja wahrhaftig, für den süßen Kitzel, den sie jetzt empfand, hätte sie gerne beinahe jeden Preis bezahlt. Das Leben an sich – das einfache Dasein – galt ihr fast so wenig wie den Chinesen. Mit Nerven, die ihr absolut gehorchten, beendete sie langsam und behaglich ihr Frühstück und stellte dann das Geschirr auf den Boden.

Lang ausgestreckt, mit abgewandtem Gesicht, die Blicke auf den ziehenden Fluß geheftet, begann sie ihre Erzählung. Zuerst sprach sie ruhig und gelassen, aber allmählich zeigte sich eine unterdrückte tiefe innere Erregung. Zum erstenmal hörte Manila Kid, daß ihre Stimme die Festigkeit verlor. Sie zog ein gesticktes Taschentuch aus der Tasche ihrer Bluse und drückte es ein- oder zweimal auf die Augen, während sie mit unerschütterlicher Entschlossenheit weitersprach.

Die Erzählung selbst behandelte ihre Kindheit in der Nähe von San Franzisko, ihre zufällige Bekanntschaft mit Tex Connor, der damals an der Westküste von Amerika viel von sich reden machte, ihre kindische Verliebtheit in ihn und eine Entführung, von der sie angenommen hatte, daß sie mit einer Heirat enden werde. Statt dessen war ihr Leben vernichtet. Tex Connor hatte sie geschlagen, sie erniedrigt, sie dem Laster in die Arme getrieben. Sie ging ihm durch und gelangte an die chinesische Küste; hier wollte sie bleiben und war fest entschlossen, das zu werden, was sie in ihrer und seiner Sprache eine ›ehrliche Spielerin‹ nannte.

»Als ich letztes Jahr ein wenig mir dir anknüpfte, Jim, meinte ich, jetzt hätte ich endlich einen Mann gefunden, an den ich mich halten könnte. Du hast meine wahren Gefühle nie gekannt. Ich bin keine von denen, die viel sagen oder viel zeigen. Vielleicht ist dazu mein Leben zu hart gewesen. Aber – o Jim! – jetzt siehst du mich, wie ich wirklich bin. Ich bin ganz niedergebrochen, Jim … Jetzt erfährst du endlich die Wahrheit von mir. Ich muß sie sagen – die ganze Wahrheit – um deinetwillen. Du bist jetzt eben in einer schlimmeren Lage, als du selbst weißt. Die Karten sind dir nicht günstig gefallen, Jim. Dein Leben selbst –« Ihre Stimme brach, aber sie bekam sie wieder in die Gewalt. »Ich werde dich retten, wenn ich kann.«

Brütend beobachtete er sie.

»Wenn es irgend jemand anders wäre als Tex!« fuhr sie fort. »Aber er ist unbarmherzig. Er ist stark. Er vergißt niemals … Hör' zu, Jim! Tex ist nur deswegen von London hergekommen, um mich wieder aufzufinden. Und er hat das – zwischen dir und mir – entdeckt. Daß ich anfing, dich liebzuhaben. Er vergißt niemals und er vergibt auch niemals. O Jim, begreifst du denn nicht, warum er dich an sich gezogen hat? Er wollte dich beobachten, dich von mir entfernt halten. Verstehst du, was für ein Spiel ich spielen mußte? Gott, wenn du gehört hättest, was er erst am heutigen Morgen zu mir gesagt hat! Oh, es ist zu entsetzlich! Ich kann es dir nicht sagen! Er ist so fest entschlossen! Und er setzt durch, was er will … Oh, was kann ich tun?

»Nein, warte – ich muß dir alles sagen. Du hast mich gewarnt, er habe im Sinn, mich zu betrügen. Natürlich will er das. Daraus mache ich mir nicht sehr viel. Aber du, Jim – o du mein armer, unschuldiger Junge! Wenn du es nur begreifen könntest! Niemals wird in deine Hände einer von den Edelsteinen des Vizekönigs kommen!«

Jetzt wandte sie ihm ihr Gesicht zu; ihre Augen waren geschwollen und naß von Tränen.

Manila Kid, aschfahl im Gesicht, hielt mit beiden Händen ein chinesisches Messer. Es hatte Flecken auf der Klinge. Er müsse es hier auf der Dschunke aufgelesen haben, überlegte Dixie, denn es sah ihm nicht gleich, eine solche Waffe mit sich zu führen. Es kam ihr jetzt vor, als ob er den Atem anhalte. Sie sah, wie er sich die blauen Lippen mit der Spitze einer fahlen Zunge befeuchtete. Er versuchte zu sprechen, und endlich brachte er die Lippen wieder auseinander. Sie wartete geduldig. Als er endlich seine Stimme fand, klang sie so heiser, daß er offenbar Mühe hatte, verständlich zu sprechen.

»Tex mag ja stark sein – aber wenn du meinst, ich hätte Angst –«

»O Jim, nein, das meine ich nicht! Das nicht! Oh, ich weiß nicht, was ich sage! Nur wenn ich daran denke, wie glücklich wir sein könnten, du und ich! Stell' dir's nur vor! Wenn wir wirklich reich wären und anständig irgendwo leben könnten wie rechte Leute …«

Schweigend, mit überraschender, verstohlener Geschwindigkeit, stand er auf seinen Füßen. Seine rechte Hand, die das Messer hielt, machte sich in einer Seitentasche seines Rockes zu schaffen.

»Sag' das Wort, Dixie« – sein Gesicht war verzerrt von der Muskelanstrengung, die diese wenigen Worte kosteten – »sag' das Wort, und ich töte ihn!«

»Ach nein, Jim!« Sie schlug die mageren Hände vors Gesicht und schluchzte sehr leise. »O Gott, was können wir tun? Gibt es denn keinen andern Ausweg?«

»Sag' das Wort«, flüsterte er.

»Wäre es nicht –« wieder brach ihr die Stimme – »wäre es nicht – wenn ein Mensch ein Teufel ist – der einen bedroht – wäre es nicht eigentlich nur Selbstverteidigung?«

»Sag' das Wort!«

»O Jim! – Gott verzeihe mir … Ja!«

Ihre Lippen bildeten kaum das Wort, aber er las es ab. Sie sah ihm nach, wie er sich entfernte, sah ihm nach, bis er verschwunden war.

* * *

Dann lehnte sie sich ganz sachte zurück und horchte. Aber die Ruderer sangen im Chor, der Laopan rief seine Befehle, der Steuermann sang in der Fistel ein endloses erzählendes Gedicht (gerade als ob kein Blutvergießen stattgefunden hätte). Langsam vergingen die Minuten. Sie zog den süßen Duft der Tuberosen ein … immer noch kein ungewöhnlicher Laut! Sie selbst ließ keinerlei Zeichen von Aufregung sehen, außer einem keimenden Lächeln in den Mundwinkeln und dem Glanz in ihren Augen … Ihre Ledertasche hatte sie auf dem Schoß. Sie machte sie auf und schaute das Uhrenarmband an, das neben einem dreieckigen Flakon mit grünen ätzenden Sublimattabletten lag … Das Plätschern des Stroms gegen den Schiffskörper gab ein eintöniges Geräusch. Die steigende Sonne brannte, und das blanke Deck strahlte die Hitze zurück. Über Dixie Carmichael stahl sich ein Gefühl von Schläfrigkeit, wogegen sie eine Weile ankämpfte. Dann machte sie sich klar, daß kein ängstliches Horchen ihrerseits irgend etwas fördern könne, und gab nach. Sie machte die Tasche auf ihrem Schoß zu und schlummerte ein.

Die Sonne schien immer wärmer. Sie fühlte, daß ihre Augen sich langsam öffnen wollten, weil irgend jemand neben ihr war. Diese Schlaffheit war köstlich. Sie kostete dieses Wonnegefühl noch einen Augenblick aus und stellte sich dabei traumverloren unschätzbare Edelsteine vor, die ihre hohle Hand füllten; ein herrliches Nichtstun in irgendeiner exotischen Hafenstadt, wo niemand etwas von ihr wußte. Und mit den Mitteln in der Hand, in größerem Stil Geschäfte zu machen, würde sie ihren Reichtum noch unendlich vermehren können: Sie entschloß sich, sich anders zu kleiden und anders zu benehmen, ja eine vollständige Änderung in der Art ihres Auftretens vorzunehmen.

Ihre Lider öffneten sich. Der neben ihr – ohne Rock, die kleine Mütze weit aus der Stirn geschoben – war Tex Connor. Er hatte einen der Blumentöpfe zur Seite gerückt, um sich auf das Geländer setzen zu können.

Sie schloß die Augen wieder. Er trug noch den grauen Flanellanzug und die weißen Schuhe mit den Gummisohlen; diese hatten es wohl gemacht, daß er hatte herbeischleichen können, ohne sie zu wecken. Er rauchte eine Zigarre, und das Gesicht war wieder steinern – bis auf sein Auge – das sie sehr merkwürdig anstarrte. Und ganz zuerst meinte sie, sein Atem gehe etwas kurz.

Wieder öffnete sie die Augen. »Ich habe gut geschlafen«, sagte sie.

Er rauchte und starrte sie an.

»Wo ist Jim?« fragte sie nun wie ganz beiläufig und stützte sich auf einen Ellbogen.

Er gab keine Antwort, rauchte nur weiter, immer noch, wie es schien, ein wenig außer Atem, und starrte sie mit seinem einen Auge an.

»Er hat mir Frühstück gebracht, gerade ehe ich einschlief … Wieviel Uhr ist es?«

Eine anscheinend sehr lange Weile gab er nicht einmal auf diese Frage Antwort, rauchte nur und starrte sie an. Trotz ihrer feinempfindlichen Wahrnehmung hatte sie niemals aus Tex Connor eine so seltsame Feindseligkeit herausgefühlt. Sie hatte bisher gemeint, ihn zu verstehen, trotz ihrer tatsächlich nur kurzen Bekanntschaft – was sie Jim von einer gemeinsamen Vergangenheit in Amerika erzählt hatte, war erlogen – aber der Mann da vor ihr, der beinahe regungslos auf dem Geländer saß und mit einer sonderbaren Ausdauer und Geschwindigkeit rauchte, war ihr völlig fremd und unbegreiflich.

Endlich erwiderte er: »Es ist Nachmittag.«

»Nein!« rief sie und setzte sich auf. »Sind wir bis jetzt glatt durchgefahren?«

»Glatt durch.«

Sie stand aufrecht; unterdrückte ein Gähnen; dann strich sie sich mit ihren dünnen Händen den Rock zurecht.

»Ich sehe teufelsmäßig aus«, bemerkte sie und strich sich über die Haare. »Hast du vielleicht irgendwo in der Kabine etwas wie einen Spiegel wahrgenommen, Tex?«

Er gab keine Antwort.

Durch die stille Luft drang ein schwaches Bum – bum – bum an ihre Ohren.

»Was ist das?« fragte sie scharf.

»Gefecht bei Hankau.«

»Wir sind doch nicht schon so weit droben 1« Sie trat an die Reling und hielt Ausschau. »Da liegt eine große Stadt.«

»Tom sagt, es sei Huang Tschau.«

»Holla! Wir sind da!«

Er nickte.

»Was willst du tun?«

»Hier anlegen.«

Sie vernahm jetzt andere, mehr verworrene Geräusche. Die Dschunke fuhr langsamer und arbeitete sich den gelben Untiefen zu.

»Jetzt höre!« sagte er. Sie blickte ihn rasch an und dann gleich weg und tat, als betrachte sie die ruhige Landschaft; ja wirklich, fremd war er ihr und feindselig gesinnt. »Höre! Schlau bist du ja. Aber du mußt jetzt begreifen, daß ich dir nicht traue.«

»Nicht, Tex?«

»Wenn ich an Land gehe, so bleibst du hier – hier auf diesem Deck; gerade da, wo du jetzt bist.«

»Und was denkst du dir denn dabei, Tex?«

»Es werden Männer da sein, die acht geben, daß du bleibst. Ich will, daß du das ganz genau begreifst.«

»Natürlich!« überlegte sie laut. »Ganz kannst du mich nicht berauben. So viel wenigstens mußt du mir geben, daß ich nachher schweige.«

Er sagte nichts.

»Aber was soll die Mannschaft hindern, mit der Dschunke davonzufahren? Ich bin nicht sehr darauf aus, auf diese Weise mitgenommen zu werden.«

»Nur keine Angst! Ich nehme den Laopan mit.«

Jetzt stand er, schaute sie bedeutungsvoll an und ging dann nach vorne. Sie beobachtete, daß seine beiden Hüftentaschen weit vorstanden.

Langsam arbeitete sich das schmale, lange Fahrzeug dem Lande zu. Leute in Sampans ruderten ans Land und machten die Trossen an Pfählen fest. Mit viel Geschrei und gelegentlichen Schlägen versammelte sich die Mannschaft um den Mast, wo sie sich unterwürfig zusammendrängten.

Dixie lugte verstohlen hinter dem Steuermannshaus hervor und vermochte so vieles von dem, was vorging, zu erkennen. Die Soldaten stritten sich. Tom Sung ragte hoch aus ihnen hervor und schrie ihnen rauhe Befehle zu. Die beiden Männer, die ausgeschieden wurden (sie vermutete, um sie und die Dschunke zu bewachen), waren augenscheinlich unwillig, die ihnen zugeteilte Aufgabe zu übernehmen, denn hier war auf wenig Beute zu hoffen.

Tex Connor kam über das Deckhaus zurück und pflanzte sich zornig vor ihr auf. Sie fühlte deutlich die wachsende Roheit in ihm heraus. Seinesgleichen und deren Art, mit Frauen umzugehen, waren ihr übrigens nur allzu wohl bekannt. Die Roheit der Männer war ihr selbstverständlich, aber das war ihr doch noch nie eingefallen, daß Tex Connor sie schlagen könnte. Aber er schlug sie, schlug sie so, daß sie zuerst in die Knie sank und dann aufs Gesicht fiel; ja, er versetzte ihr noch einen Fußtritt, als sie so auf Deck lag.

»Das ist fürs Herumgucken!« schrie er. »Laß deine Augen da, wohin sie gehören.« Damit ließ er sie liegen.

Nach einer Weile war sie imstande, zum Geländer zu kriechen und zwischen den Blumen hindurchzugucken. Verängstigte Leute von der Bemannung der Dschunke wrickten die Sampans an Land und zurück, bis endlich die ganze Gesellschaft, alle außer dem Laopan schwer bewaffnet, an Land versammelt war.

Außer einem quälenden Kopfweh fühlte Dixie keine schlimme Nachwirkung. Sie saß eine Weile still, dann schaute sie wieder hinaus. Die beiden Wächter waren auf dem Deckhaus und sprachen aufgeregt miteinander. Während sie sie beobachtete, kletterten sie herunter, schrien auf die zusammengedrängte Schiffsmannschaft ein, schössen ein paarmal in die Menschenmasse, und wenigstens einer fiel. Endlich kletterten zwei von der Mannschaft über die Seite, und die beiden Soldaten folgten. Im nächsten Augenblick kam der Sampan zum Vorschein, der sich dem Ufer zubewegte; die beiden Soldaten trieben mit lauten Rufen die Ruderer zur Eile an.

Nun lief Dixie rasch in die Kajüte hinunter und brachte im Laufen ihr verwirrtes Haar in Ordnung.

Ein Gang zog sich an einer Seite hin bis zu dem offenen Raum in der Mitte des Schiffs. Auf diesen Gang mündeten alle Kabinen, deren Türöffnungen mit Vorhängen aus blauem Baumwollstoff verhängt waren. Die letzte der Kabinen hatte Tex Connor für sich genommen. Hier drinnen entdeckte Dixie – sie hatte vorher in verschiedene hineingesehen – einen Haufen Matten und Bettstücke. Nachdenklich und bedächtig hob sie ein Stück ums andere ab, bis endlich ein Fuß und ein Bein, dann eine Hand und endlich die ganze Gestalt dessen zum Vorschein kam, der Jim Watson gewesen und in den letzten Jahren der Manila Kid genannt worden war. Seine Kleider waren an vielen Stellen aufgeschlitzt und zerrissen. Um die Mitte seines Körpers und um den Kopf waren große Blutlachen, die augenscheinlich schon während einer Reihe von Stunden allmählich in die Planken des Decks eingesickert waren. Der Hals, wie sie bei näherer Untersuchung bemerkte, war beinahe bis zur Wirbelsäule durchgeschnitten.

Einen kurzen Augenblick überdachte sie dieses grauenhafte Geschehen; dann legte sie sorgfältig Matten und Bettstücke wieder zurück.

Darauf ging sie nach vorne bis zum Ende des Ganges; blieb stehen, um in ihre Ledertasche zu schauen, den dreieckigen Flakon zu öffnen und einige von den grünen Tabletten in die Tasche ihrer Bluse unter das Taschentuch zu stecken; schloß die Tasche und trat heraus auf das niedere Deck mittschiffs.

Der Sampan war soeben zu der Dschunke zurückgekommen. Die beiden Soldaten marschierten eiligst Tex Connors Gesellschaft nach. Dixie kletterte geschwind hinunter in den Sampan und deutete nach dem Ufer. Demütig gehorchten die eingeschüchterten Ruderer dem stummen Befehl.

Sie stieg ans Ufer, ein sehr schlankes, beinahe hübsches Geschöpf; warf den Chinesen einen mexikanischen Dollar ins Boot und beobachtete mit einem schwachen nachdenklichen Lächeln, wie sich die beiden darum schlugen; dann ging sie rasch, nicht ohne angeborene Anmut der Bewegung, den Soldaten nach und schlenkerte dabei leicht ihre Ledertasche hin und her.


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