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Kapitel XXXVI. Edward trifft jemand, der ihm gewachsen ist

Rhoda war augenblicklich mit sich im klaren, daß der Augenblick zu energischem Eingreifen gekommen sei. Ihrer Schwester Antlitz verriet nur allzu deutlich den Namen des Mannes, der da unten auf der Straße stand. Sie trat zu ihr, ergriff ihre Hände und raunte ihr zu:

»Komm mit! Du sollst mit mir kommen! Sag' nichts. Ich weiß alles. Ich will hinuntergehen. Ja, du mußt jetzt gehorchen und tun, was ich dir sage.«

Dahlia öffnete die Lippen, aber ihre Gedanken verwirrten sich, wie bei einem Kinde, dem man verbietet zu weinen; ein schwacher Klagelaut brach sich Bahn, dann ließ sie, in sich zusammenschauernd, alles über sich ergehen.

»Was soll ich tun?« sagte sie flehend, als Rhoda sie in ihr Schlafzimmer führte.

»Dich hier ein wenig ausruhen! Sei ganz still. Du kannst mir alles ruhig überlassen. Ich bin ja deine Schwester.«

Rhoda schloß die Tür hinter ihrer Schwester, die wie im Bann dieser kalt hingeworfenen Worte zurückblieb. Rhoda selbst befand sich in großer Aufregung, doch war ihre Empörung so überwiegend, daß sie ohne Schwanken tat, was ihres Erachtens geschehen mußte. Sie trat einen Augenblick vor den Spiegel, um ihren Hut aufzusetzen und ihren Schal zu befestigen. Die durchwachte Nacht hatte ihren Wangen nicht die blumige Frische, noch ihren dunklen Augen den träumerischen Glanz genommen. Zufrieden damit, daß an ihrem Aussehen nichts auszusetzen sei, eilte sie die Treppe hinab, schob den Riegel zurück und ließ ohne einen Moment des Zögerns die Tür hinter sich ins Schloß fallen. Im selben Augenblick kam ein Herr über den Fahrdamm zu ihr herüber. Er fragte, ob Mrs. Ayrton in dem Hause wohne. Ihm schwebte dunkel vor, als habe er Rhodas Züge schon irgendwo gesehen, sie aber erkannte sofort, ohne Schwanken den verhaßten Feind.

»Meine Schwester, Dahlia Fleming, wohnt hier,« sagte sie.

»Dann sind Sie Rhoda?«

»Mein Name ist Rhoda.«

»Der meine ist – ich fürchte, es wird Ihnen wenig Freude machen, meinen Namen zu hören, – ich bin Edward Blancove. Ich bin gestern abend vom Festlande zurückgekehrt.«

Sie ging eine Strecke vom Hause fort, damit man sie von dort weder zu hören, noch zu sehen vermöge, und er folgte ihr schweigend. Die Straßen waren, von dem vereinzelten Daherkommen eines frühen Arbeiters, der an sein Tagewerk ging, abgesehen, völlig leer.

Sie blieb stehen und er sagte: »Ich hoffe, es geht Ihrer Schwester gut?«

»Es geht ihr ganz gut.«

»Gott sei Dank. Ich hörte, sie sei krank gewesen.«

»Sie hat sich völlig erholt.«

»Hat sie – sagen Sie mir die Wahrheit – hat sie einen Brief bekommen, den ich ihr vor zwei Tagen geschrieben habe? Er war an ›Miss Fleming, Wrexby, Kent, England‹ adressiert. Hat sie ihn bekommen?«

»Ich habe ihn nicht gesehen.«

»Ich habe geschrieben,« sagte Edward.

Er musterte ihre Züge scharf, ohne indessen eine Beruhigung für sich daraus entnehmen zu können. Doch stieg ihm dabei ein Nebengedanke auf, welcher der Bewunderung für ihre vollendet schöne Gestalt, den beherrschten Ausdruck ihrer Züge und die ruhig-sichere Art ihres Sprechens entsprang, und der sich, etwa dahin hätte formulieren lassen, daß der englische Bauernstand wunderbare Frauen hervorbringe. Vielleicht – wer weiß? selbst eine entschlossene menschliche Natur durchströmt eine besondere Kraft, wenn ihr ein neuer Knoten hinzugefügt wird, – erschien ihm diese Wahrnehmung wie ein Gutheißen des von ihm gefaßten Entschlusses, drückte gewissermaßen der Aufeinanderfolge von wilden Impulsen, Gewissensskrupeln und wiedererstandener Liebe und Mannhaftigkeit, die ihn an diesen Ort geführt hatte, einen rechtfertigenden Stempel auf.

»Sie kennen mich, nicht wahr?« sagte er.

»Ja,« antwortete sie kurz.

»Ich möchte Dahlia sehen.«

»Das können Sie nicht.«

»Natürlich nicht sofort. Aber wenn sie aufgestanden sein wird, – im Lauf des Morgens. Wenn sie meinen Brief bekommen hat, wird sie – muß sie mich sehen wollen.«

»Nein, auch später nicht, überhaupt nicht,« sagte Rhoda.

»Überhaupt nicht? Warum nicht?«

Rhoda bezwang die Aufwallung, ihm heftig zu antworten, sie wiederholte einfach: »Sie werden sie nicht sehen.«

»Mein Kind, ich muß sie sehen.«

»Ich bin kein Kind, und was ich sage, das meine ich auch.«

»Aber warum soll ich sie nicht sehen? Wollen Sie damit sagen, es sei ihr Wunsch, mich nicht zu sehen? Das können Sie nicht. Ich kenne sie zu gut. Sie ist die Güte selbst.«

»Ja, das können Sie wohl sagen,« sagte Rhoda, indem ihre Augen ihn zornig anblitzten und sich so gerade in die seinen hefteten, wie es für ein Mädchen ihres Standes derart außergewöhnlich ist, daß ihn eine bange mit Staunen und Schmerz gepaarte Furcht beschlich.

»Sie kann sich nicht so verändert haben? Rhoda – Verzeihung, wir haben so oft von Ihnen gesprochen. Sie werden allmählich besser von mir denken lernen. Es ist ja so natürlich, daß Sie mich einstweilen hassen. Ich habe wie ein Niederträchtiger gehandelt. Ich kann Ihnen keine Erklärung, und ich will Ihnen keine Entschuldigung bieten. Ich gebe nur die Tatsache zu – Ihnen, ihrer Schwester, gegenüber. Es ist mein Wunsch, Vergangenes wieder gutzumachen. Wollen Sie eine Botschaft von mir an sie übernehmen?«

»Nein!«

»Sie sind recht kurz angebunden.«

Persönliche Bemerkungen überging Rhoda mit Stillschweigen.

»Warum sind Sie so schroff?« sagte er eindringlicher. »Ich bin mir wohl bewußt, Sie aufs tiefste beleidigt und verletzt zu haben. Ich wünsche und beabsichtige mein Unrecht, soweit irgend es in meiner Macht liegt, wieder gutzumachen. Es ist sicher nichts als bloße, törichte Feindseligkeit Ihrerseits, wenn Sie versuchen, mir hierin entgegenzuarbeiten. Gehen Sie hin zu ihr, sagen Sie ihr, ich sei hier. Lassen Sie ihr wenigstens die Wahl, ob sie mich sehen will oder nicht. Sie kann meinen Brief nicht erhalten haben. Wollen Sie nicht so viel tun?«

»Sie weiß, daß Sie hier sind; sie hat Sie gesehen.«

»Hat mich gesehen?« Edward atmete kurz und hastig. »Nun? Und sie schickt Sie herunter, um mit mir zu sprechen?«

Rhoda antwortete nicht. Die Versuchung, Dahlias Gemüts Stimmung Lügen zu strafen, wallte heftig in ihr auf.

» Hat sie Sie hergeschickt, um mit mir zu sprechen?« drängte Edward.

»Sie weiß, daß ich gekommen bin.«

»Und Sie wollen ihr nicht eine Bestellung von mir machen?«

»Ich nehme keine Bestellung von Ihnen an.«

»Sie hassen mich wohl?«

Wieder beherrschte sie das heftige Drängen ihres Herzens, ihm eine schroffe Antwort zu geben. Er fuhr fort:

»Ob Sie mich hassen oder nicht, kommt übrigens nicht in Frage. Es handelt sich hier um Dinge zwischen Dahlia und mir. Ich will sie sehen. Wenn ich einen Entschluß gefaßt habe, gibt es keine Hindernisse für mich, auch nicht in Gestalt querköpfiger Mädchen. Zuerst gestatten Sie mir die Frage, – ist Ihr Vater in London?«

In Rhodas Augen flammte etwas auf wie Mannestrotz.

»Ihm kommen Sie nicht vor Augen, rate ich Ihnen.«

»Wenn Sie wüßten,« sagte Edward mit fast weiblicher Sanftmut, »was ich in den letzten achtundvierzig Stunden durchgemacht habe, so würden Sie wissen, daß ich mich jeder Begegnung gewachsen fühle, obschon ich ihn – die Wahrheit zu sagen – lieber nicht sehen möchte, ehe ich getan habe, was ich zu tun beabsichtige. Wollen Sie sich nicht überzeugen lassen? Glauben Sie, daß ich aufgehört haben könnte, Ihre Schwester zu lieben?«

Dieses Wort, das ihr, von seinen Lippen kommend, wie eine Lästerung erschien, warf ihre Selbstbeherrschung zu Boden.

»Friert Sie?« sagte er, als er das Zittern sah, das ihre ganze Gestalt durchflog.

»Nein, mich friert nicht. Ich kann hier nicht bleiben.« Rhodas verschränkte Hände krampften sich fester zusammen. »Versuchen Sie nicht, meine Schwester geradezu zu töten. Sie ist nur noch der Schatten ihres früheren Selbst. Seien Sie so gut, fortzugehen. Sie wird bald außerhalb Ihres Bereiches sein. Sie werden mich zuvor töten müssen, ehe Sie zu ihr gelangen. Nie, nie lasse ich das zu! Sie haben sie belogen, Sie haben Schande auf ihr armes Haupt gehäuft. Wir armen Leute lesen unsere Bibel, und wir finden nichts, was Sie entschuldigen könnte. Sie werden Ihrer Strafe entgehen, weil in unserer Familie kein junger Mann ist. Gehen Sie!«

Edward starrte sie eine Weile an. »Nun, ich habe noch Schlimmeres verdient,« sagte er; nun er einen Gegner in ihr sah, tat es ihm nicht leid, daß sie ihre aufgespeicherte Feindseligkeit ihm gegenüber solcherart versprühte, vielmehr freute er sich ihres Zeugnisses, daß es jedenfalls einstweilen noch nicht zu spät sei.

»Sie wissen, Rhoda, daß sie mich liebt.«

»Wenn sie es tut, möge sie auf ihren Knien zu Gott flehen.«

»Meine Gute, seien Sie doch vernünftig. Warum bin ich hier? Um ihr Böses zu tun? Sie halten mich für eine Art Ungeheuer. Sie blicken mich ungefähr an – verzeihen Sie den Vergleich – wie eine wütende Katze. Die Straßen füllen sich mit Leuten, man sollte Sie hier nicht sehen. Gehen Sie zu Dahlia. Sagen Sie ihr, daß ich hier bin. Sagen Sie ihr, daß ich gekommen bin, um sie für immer zu der Meinen zu machen, daß all ihr Herzeleid nun zu Ende sein soll. Dies ist ein Augenblick, wo es für Sie Ihre ganze Vernunft zusammenzufassen gilt. Wollen Sie tun, um was ich Sie bitte?«

»Ich wollte mir lieber die Zunge abschneiden, als ihnen einen Dienst erweisen,« sagte Rhoda.

»Citoyenne Corday,« dachte Edward und bemerkte: »Dann werde ich mich ohne Ihren Beistand zu behelfen wissen.«

Er ging nach der Richtung des Hauses zu. Rhoda schnitt ihm eiligst den Weg ab. Gemeinsam erreichten sie die Tür. Sie warf sich vor dieselbe. Er versuchte zu parlamentieren, aber sie blieb stumm.

»Ich erlaube niemandem, sich zwischen sie und mich zu stellen,« sagte er und ergriff sie beim Arm. Sie ließ ihre Blicke rasch nach rechts und nach links schweifen. In eben diesem Augenblick erschien Robert an der Straßenecke. Er ließ seine Stimme ertönen, und mit einem schnellen Satze herankommend, packte er Edward Blancove beim Kragen und stieß ihn zur Seite. Rhoda bedeutete ihm durch einen Wink, zu schweigen, und die drei musterten einander stumm

»Sie sind es,« sagte Robert und forderte Edward, da er Rhodas Schachzug sofort durchschaute, auf, ein oder zwei Schritt mit ihm zur Seite zu treten.

Edward brachte seinen derangierten Rockkragen in Ordnung, gewissermaßen eine symbolische Handlung, um sein Gleichgewicht wiederzugewinnen, und ging neben Robert her, während Rhoda ihnen folgte.

»Was hat dies zu bedeuten?« fragte Robert hochmütig.

Edwards niedrigere Natur rang in ihm nach der Oberherrschaft. Die Heftigkeit dieses Mannes war es, die ihn in Fairly bis aufs Blut gepeinigt, ihn gegen Dahlia aufgebracht und ihn – wie er sehr wohl wußte, mehr als die Zauberkünste Mrs. Lovells dazu angestachelt hatte, den schändlichen Plan zu fassen, sie zu verlassen und um jeden Preis all der Unannehmlichkeiten ledig zu werden.

»Ihr habt euch alle miteinander verschworen, sie ins Unglück zu stürzen,« rief er.

»Wenn Sie Dahlia Fleming meinen sollten,« sagte Robert, »so könnte nur ein Mensch von niedriger Gesinnung daran denken, ihr jetzt irgendein Leid zuzufügen.«

Sein Mannesinstinkt sagte ihm, daß Edward sich in diesem Augenblick schwerlich in Dahlias Nähe befinden würde, wenn er irgendwie Böses gegen sie im Schilde führte, obschon sich schwer erraten ließ, welche Motive ihn leiteten. Doch da er selber großmütig war, neigte er auch zu einer möglichst großmütigen Auffassung, wo es sich um andere handelte.

»Ihr Name ist, so viel ich weiß, Eccles,« sagte Edward. »Mr. Eccles, die Rolle, die ich hier spiele, ist eine höchst traurige. Lassen Sie mich Ihnen zunächst die Genugtuung verschaffen, zuzugeben, daß ich Ihnen persönlich unrecht getan habe. Ich bin bereit, Ihre Vorwürfe über mich ergehen zu lassen, oder was Sie sonst für gut befinden mögen, auf mich zu nehmen. Alles, um was ich Sie bitte, ist, mir gütigst fünf Minuten einer Unterredung unter vier Augen zu gewähren. Es ist dringend.«

Rhoda brach mit einem: »Nein, Robert!« in das Gespräch ein. Aber Robert sagte: »Das ist ein durchaus berechtigtes Verlangen,« und trotz ihrer zornig blitzenden Augen winkte er ihr, zurückzutreten und ging mit Edward eine Strecke weiter fort.

Sie stand und beobachtete die beiden, während sie versuchte, aus ihren Gesten zu erraten, welche Wendung das Gespräch nehme, und ihren möglichen Äußerungen in ihrer zornigen Stimmung irgendwelche Deutung zu geben. Es ging Robert schlecht in ihrem Urteil, weil er den Mann nicht mit einem jähen Griff packte und zu Boden riß, um ihn dann liegen zu lassen. Roberts aufhorchende Stellung zu beobachten, empörte sie aufs äußerste. »Nichts als Lügen,« sagte sie zu sich selbst, »und er wird sie nicht als Lügen erkennen.« Die Fenstervorhänge in Dahlias Zimmer blieben, wie zuvor, unberührt; aber sie befürchtete, das Mädchen könne ihrer Schwester inzwischen hilfreiche Hand zum Entkommen leisten. Die Zeit schritt bedenklich rasch vorwärts. Endlich kehrte Robert allein zu ihr zurück. Rhoda stählte ihr Herz zu neuem Widerstand.

»Er hat Sie zum Narren gehalten,« murmelte sie hörbar, ehe er sprach.

»Vielleicht ist es unrecht, uns ihm in den Weg zu stellen, Rhoda. Er wünscht zu tun, was ein Mann in seiner Lage irgend zu tun vermag. Das hat er mir gesagt, und es liegt kein Grund für mich vor, ihm keinen Glauben zu schenken. Er sagt, daß er bereut, was er getan, – er hat dies spezielle Wort gebraucht, und wenn ein Herr das braucht, so pflegt er es auch zu meinen. Ich achte dies Wort, und ich achte auch die, welche bis zu jenem Wort gekommen sind. Er hatte ihr geschrieben, daß er sie nicht heiraten könne, und dadurch ist das Unglück entstanden, was er augenscheinlich bereut. Nun verlangt ihn danach, ihre Vergebung zu erhalten und wieder gut zu machen – so gut er es vermag. Er ist auf dem Kontinent gewesen und hat Dahlias Briefe erst in den letzten zwei, drei Tagen bekommen. Er scheint, sie zu lieben und wirklich von Herzen betrübt zu sein. Lassen Sie mich zu Ende sprechen: die Entscheidung soll bei Ihnen stehen, aber, bitte, seien Sie nicht vorschnell. Er wünscht, sie zu heiraten, sagt, er habe in eben dieser Nacht mit seinem Vater darüber gesprochen, sei direkt von Frankreich herübergekommen, nachdem er ihre Briefe gelesen. Er sagt – und das scheint mir nicht mehr als gerecht – daß er Dahlia nur zwei Minuten sehen will. Wenn sie ihn gehen heißt, geht er. Er ist kein Freund von mir, wie ich Ihnen beweisen könnte, aber es scheint mir allerdings, Dahlia sehen muß er. Er sagt, er betrachtet sie als seine Frau, habe auch immer die Absicht gehabt, sie zu seiner Frau zu machen, aber alles sei gegen ihn verschworen gewesen, als er ihr den Brief schrieb. Na, jedenfalls sagt er das, – und das ist sicher, es gibt für Herren aus der vornehmen Gesellschaft Situationen – sie können nicht immer, oder jedenfalls bilden sie sich ein, sie können nicht immer wie ehrliche Männer vorgehen. Wenn wir eine Sache zu bedenken haben, handelt es sich für sie gleich um hundert. Das ist meine eigene Erfahrung, und ich kenne ein paar von den besten unter jenen. Die Schwierigkeit ist nur dieser arme Bursch, – der sie heute heiraten soll. Mr. Blancove spricht davon, ihm eine anständige Summe – tausend Pfund zu bieten und ihn ordentlich zu etablieren –«

»Sehen Sie wohl?« rief Rhoda, und ihr Gesicht flammte auf. »Ich begreife nicht, daß Sie die Sache nicht durchschauen! Wenn er dergleichen sagen kann! O!« Sie hielt inne, überwältigt von ihrer Empörung.

»Wollen Sie mich denn nicht einmal zu diesem jungen Mann, wo er denn auch sein mag, hinlaufen lassen, um ihm selbst den Fall einmal vorzustellen, – das heißt in Dahlias Namen. Und das wissen Sie doch auch, Rhoda, sie mag die ganze Heirat nicht sonderlich. Vielleicht denkt er auch anders, wenn er alles hört. Was Mr. Blancove anbelangt, ja, Männer denken bald so und denn mal wieder so, wenn sie jung sind. Ich meine, Herren! Wir müssen lernen, zu vergeben. Entweder der Mann ist so klug wie 'n Satan, oder es ist ihm Ernst mit dem, was er sagt, und dann verdient er unser Mitleid. Sie hätten ihn nur hören sollen!«

»Meine arme Schwester!« seufzte Rhoda. Die Erwähnung einer Summe, die ausgezahlt werden sollte, hatte sie völlig schwach und elend gemacht, hatte ihr gewissermaßen physischen Ekel erregt.

Robert dachte, als er den Seufzer hörte, sie lenkte ein. Hierauf sagte Rhoda: »Wir haben diesem jungen Manne gegenüber, der meine Schwester liebt, eine Verpflichtung, – eine Ehrenschuld: und Dahlia muß ihn hochachten, wenn sie hat einwilligen können, ihn zu heiraten. Was den andern betrifft –« Sie schob den Gedanken an irgendwelche Ansprüche an ihre Schwester von seiner Seite mit einem raschen Kopfschütteln beiseite. »Ich verlasse mich in dieser Hinsicht auf Sie. Mit Mr. Blancove will ich selbst sprechen. Dort,« sie deutete auf das Haus, »soll er sie nicht sehen! Gehen Sie zu meiner Schwester hin und bringen Sie dieselbe, ohne Zeit zu verlieren, in Ihre Wohnung, Vater wird nicht vor zwölf kommen. Warten Sie da auf mich, und reden Sie ihr ein wenig zu, bis ich komme, aber lassen Sie sich nicht darauf ein, irgendwelche Fragen zu beantworten. Robert,« sie reichte ihm mit einem milden Ausdruck die Hand und sah ihn einen Augenblick warm an, »wenn Sie das tun wollten!«

»Ob ich das will!« rief Robert, durch diese hoffnungsvolle Freundlichkeit von ihrer Seite hingerissen. Das Hausmädchen hatte in diesem Augenblick gerade die Vordertür geöffnet, um die Schwelle zu scheuern, und er trat an ihr vorbei ins Haus. Rhoda ging weiter zu Edward.


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