Carl May
Scepter und Hammer
Carl May

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Am Wasser angekommen, erstieg er sogleich seine Dahabié und trat zum Steuermann.

»Hat der Mann, welcher uns in Assuan bat ihn mitzunehmen, das Schiff bereits verlassen?«

»Ja.«

»Und sein Gepäck mitgenommen?«

»Er hatte kein Gepäck, als ich ihn an Bord kommen sah.«

»Wo ging er hin?«

»Am Flusse abwärts, den Weg, welcher nur zum Kawuahschi Abd-el-Oman führt.«

»Hat er die Fahrt bezahlt?«

»Ja.«

»Wußte er, wem die Dahabié gehört?«

»Er frug mich, und ich nannte ihm nur Deinen Namen; so sollte es ja sein, damit die Handelsfeinde unseres Herrn getäuscht würden.«

»Gut. Mache die Ladung fertig, morgen gelöscht zu werden!«

Er ging wieder an das Land und schritt den Weg hinab, den ihm der Reïs (Schiffsführer, Steuermann) bezeichnet hatte. Einige hundert Schritte abwärts von der Stelle, an welcher die Dahabié vor Anker lag, befand sich hart am Flusse eine Kaffeeschenke, in welcher nur Schiffer zu verkehren pflegten. Im großen vorderen Zimmer versammelten sich die niederen Leute, während es nach hinten einen kleineren aber sehr luftig gebauten und darum auch kühleren Raum gab, welcher nur für die höher Stehenden eingerichtet war, ganz dieselbe Einrichtung also wie in den Seewirthshäusern des Abendlandes, wie überhaupt an allen Hafenplätzen.

Katombo ging zur hinteren Thür und kam durch dieselbe in den reservirten Raum, wo sich kein Mensch befand. Er ließ sich auf dem längs der Wände hinlaufenden Divan nieder, und ein leichtes Händeklatschen brachte einen der Neger herbei, welche die Gäste zu bedienen hatten. Dieser hielt schon Pfeife und Kaffee in den Händen und reichte, niederkniend, Beides dem jungen Barkenkapitän entgegen.

»Wo ist Abd-el-Oman, Dein Herr?«

»Vorn, bei den Gästen, Sihdi.«

»Rufe ihn zu mir, doch ohne daß es Jemand merkt!«

Der Schwarze verneigte sich und ging. Nach kaum einer Minute trat der Kawuahschi ein. Als er Katombo erblickte, kreuzte er die Arme auf der Brust und verneigte sich so tief, daß sein Turban fast die Matte berührte, mit welcher der Boden bedeckt war.

»Sallam aaleïkum, Friede sei mit Dir, ïa Reïs akbar, Du großer Kapitän, der Du der beste und berühmteste Schüler bist von Manu-Remusat, dem kühnsten und größten aller Schiffsführer!«

Katombo nickte bei diesem superlativen Gruße nur leicht mit dem Kopfe. »Sallam aaleïkum, Du Schech el Kawuahn, Du Größester aller Kaffeewirthe in Egypten, der den besten Trank und den lieblichsten Tabak hat, so weit die Erde reicht!«

»Sihdi, Deine Rede ehrt mein Haus und tröstet mein Herz; aber spottet Dein Mund nicht doch vielleicht dessen, der lieber Dein als aller Anderer Diener ist?«

»Warum soll ich Lügen reden statt der Wahrheit? Sitze ich nicht bereits hier bei Dir, trotzdem ich erst vor wenigen Minuten hier angekommen bin? Welche Gäste haben Dich abgehalten, mein Kommen zu bemerken?«

»Es sind nur vier, Sihdi, drei Freunde und ein Fremder.«

»Ein Fremder? Wo ist er her?«

»Ich frug ihn, doch hat er es mir nicht gesagt.«

»Kam er auf dem Flusse oder mit einer Kaffilah (Karawane)?«

»Auf dem Flusse.«

»Mit welchem Schiffe?«

»Er nannte das Deinige.«

»Hast Du ihm gesagt, daß es nicht mir, sondern Manu-Remusat gehört?«

»Nein; sollte ich es ihm sagen?«

»Du hast sehr recht gethan! Sage ihm, daß ein Sihdi ihn hier sprechen will, verschweige aber, daß ich es bin. Und wenn er bei mir eingetreten ist, so hältst Du an der Thür Wache, bis ich Dich rufe!«

»Sihdi, ich weiß nicht, was Du mit ihm willst, aber ich gehorche Dir, denn Deine Hand hat noch niemals das gethan, was der Prophet verbietet.«

Der Kawuahschi ging und nach einigen Augenblicken trat der Fremde ein. Man konnte es ihm auf den ersten Blick ansehen, daß er weder ein eingeborener Egypter noch ein Türke war; vielmehr wies seine lange, hagere Gestalt, sein gelbblasses Gesicht, seine riesige Habichtsnase und die kleinen, listig blickenden Augen auf armenische Abkunft hin. Diese konnte ihm nicht als Empfehlung dienen, denn es ist bekannt, daß sich Niemand so leicht und gern zu allerlei Schurkenstreichen gebrauchen läßt, wie gerade der Armenier, vorausgesetzt, daß er gut dafür bezahlt wird. Er trug einen Tarbusch auf dem Kopfe, den Oberleib bedeckte eine blaue, mit goldenen Schnüren besetzte Jacke, rothe Pumphosen hingen von seinen Lenden in weiten Falten bis zu den Füßen herab, welche in derben, ledernen Stiefeletten staken. In seinem Gürtel glänzten zwei Pistolenläufe, zwischen denen Katombo die Lederscheide eines Dolches bemerkte, dessen Griff reich mit Silber beschlagen war.

Der Mann blickte verwundert auf, als er den Kapitän der Dahabié erkannte. »Sallam aaleïkum!« grüßte er, die Hand auf die Gegend des Herzens legend. Katombo nickte blos, ohne den Gruß zu erwidern.

»Wie heißest Du?«

»Mein Name ist Schirwan, Sihdi.«

»Ich sehe, daß Du Dich wunderst, zu mir gerufen zu sein. Du sollst den Grund sogleich erfahren.«

»Ich höre, Sihdi,« antwortete der Armenier.

»Wo kauftest Du Deine Pistolen?«

»In Bulakh bei Abu-Soliman, dem berühmten Waffenhändler.«

»Sie sind vortrefflich, ich sah es sofort, als ich Dich auf meinem Schiffe traf. Ich hätte Dich gefragt, ob Du sie verkaufest, aber was ein Reïs begehrt, das muß man ihm schenken, und Du hättest denken können, daß ich Deine Pistolen als Bakschisch haben wolle, darum wartete ich bis jetzt. Verkaufst Du sie?«

»Ja, Sihdi; warum soll ich sie nicht verkaufen, wenn ich einen guten Preis bekomme? Ich kann mir dann ja andere kaufen.«

»Darf ich sie ansehen?«

»Hier sind sie.«

Er zog sie aus dem Gürtel und reichte sie Katombo dar. Dieser nahm sie in Empfang und betrachtete sie aufmerksam.

»Sie sind wirklich von Abu-Soliman, von dem ich mir längst welche gewünscht habe; aber ich bin noch nicht nach Kairo gekommen.«

Bei diesen Worten fiel sein Blick wie zufällig auf den Gürtel des Armeniers.

»Was hast Du da für einen Dolch? Auch er scheint vortrefflich zu sein.«

»Er ist ausgezeichnet; ich erbte ihn von meinem Vater, der ihn in Damaskus kaufte.«

»In Damaskus? Diese Stadt ist berühmt wegen ihrer unübertrefflichen Klingen. Verkaufst Du den Dolch?«

»Nein, Sihdi, mein Vater hat ihn im Kampfe getragen, ich würde seine Seele beschimpfen, wenn ich den Dolch fortgäbe.«

»Aber betrachten darf man ihn?«

»Das darfst Du. Hier ist er.«

Er reichte Katombo die Waffe sammt der Lederscheide entgegen. Der Reïs betrachtete zunächst die Letztere und zog dann die Klinge hervor; sie war auf jeden Fall früher länger gewesen, dann an der Spitze abgebrochen und wieder zugespitzt und geschärft worden.

»Ein sehr guter Stahl; es muß viel Kraft gekostet haben, die Spitze abzubrechen,« meinte Katombo.

»Ich erhielt die Waffe so von meinem Vater.«

»Wirklich? Dann muthest Du mir zu, kein Kenner zu sein. Siehst Du nicht, daß noch nicht drei Wochen vergangen sein können, seit diese Klinge wiederhergestellt wurde? Jedenfalls ist Dein Vater schon länger als diese Zeit todt.«

»Du zweifelst an der Wahrheit meiner Worte?« frug der Armenier in halb beleidigtem und halb stolzem Tone.

»Ja,« antwortete Katombo, ihn jetzt mit scharfem Auge fixirend. »Betrachte Deine Jacke!«

»Warum, Sihdi?«

»Hast Du nicht bemerkt, daß etwas an ihr fehlt?«

»Nein.«

»So werde ich es Dir zeigen.«

Er steckte wie in Gedanken sowohl den Dolch als auch die Pistolen zu sich und stand auf. Der Gegner stand jetzt waffenlos vor ihm; er deutete mit dem Finger nach einer der Schnuren, welche die Jacke desselben zierten.

»Fehlt hier Nichts?«

»Ein wenig von der Schnur,« antwortete der Mann, ohne nach der beschädigten Stelle zu blicken. Er hatte den Mangel also selbst auch bemerkt, aber keine Gelegenheit gehabt, die Stelle ausbessern zu lassen.

»Warum hast Du die Jacke nicht in den Laden eines Schneiders gebracht?«

»Was geht Dich meine Jacke an?« frug der Mann, dem das Gespräch jetzt sonderbar und unangenehm zu werden begann.

»Ich frage Dich, weil ich um Dein Wohl besorgt bin, denn diese Stelle an Deiner Jacke kann ebenso verhängnißvoll für Dich werden wie Dein Dolch.«

»Ich verstehe Dich nicht, Sihdi, sprich deutlich!«

»Das werde ich sogleich. Dein Stahl wurde in demselben Augenblick zerbrochen, in welchem Du die Schnur Deiner Jacke zerrissest. Sieh hier die verlorene Spitze und sieh hier das abgerissene Stück der Schnur.«

Er griff in die Tasche und hielt ihm Beides entgegen. Der Armenier prallte zurück, faßte sich aber sofort wieder.

»Was geht mich dieses Eisen und diese Schnur an?«

»Sehr viel! Dieses Eisen ist die Spitze Deines Dolches und diese Schnur ist auch von Dir; siehe, wie sie paßt!«

Er hielt das Stück auf die Brust des Mannes und überzeugte sich, daß er sich nicht geirrt habe. Der Armenier ahnte jetzt, welchen Zweck das ganze Gespräch verfolgte, und daß er sich von einem gewandten Gegner hatte übertölpeln lassen. Er trat um einige Schritte zurück.

»Was willst Du von mir? Ich verkaufe meine Waffen nun nicht: gib sie mir zurück, ich will gehen.«

»Warte noch ein wenig. Wohin hast Du Sobeïde, die Tochter des Obersten der Schiffsführer, Manu-Remusat, gebracht?«

»Der Gefragte entfärbte sich, suchte aber eine gleichgiltige Miene zu erzwingen.

»Hat Dich die Sonnenhitze um den Verstand gebracht, daß Du mich fragst, wie nur ein Wahnsinniger fragen kann?«

»Hat Dir der Scheitan (Teufel) das Gehirn gestohlen, daß Du thatest, was nur ein Verrückter thun konnte? Weißt Du nicht, daß Mohamed sagt: ›Wer Böses thut, den wird die Strafe treffen?‹ Sofort, als ich Dich zum ersten Male sah, fiel mir die Stelle auf, an der Dir die Schnur fehlte, und dies fiel mir wieder ein, als ich hörte, daß Sobeïde geraubt sei und ich die Spitze nebst der Schnur dort fand, wo die That geschehen ist. Der Kuran sagt: ›Das Geständniß sühnt die halbe Schuld, und die Reue läßt auch die andere Hälfte vergessen.‹ Denke an dieses Wort und öffne Deine Seele, damit Dir Vergebung werde!«

»Ich weiß von Nichts, geh von mir und suche Deinen Kopf, den Du verloren hast; zuvor aber gib mir meine Waffen zurück!«

»So leugnest Du?«

»Ich leugne. Heraus mit meinen Waffen!«

Er trat auf Katombo zu und faßte ihn am Arm.

»Hier hast Du sie!«

Der Reïs zog die eine Pistole hervor und schlug sie ihm so gegen die Stirn, daß er betäubt zurücktaumelte. Im Nu hatte ihn Katombo gepackt, riß ihn zu Boden nieder und wand ihm seine Schärpe um die Arme; dann schnitt er ihm einen Fetzen von der Jacke und steckte ihm denselben als Knebel in den Mund.

»Abd-el-Oman!«

Die Thür öffnete sich und der Kawuahschi, welcher draußen gewartet hatte, trat ein. Er sah den Gebundenen am Boden liegen und schlug vor Schreck die Hände zusammen.

»Sihdi, was thust Du meinem Hause! Soll ich Dich für einen Räuber, einen Mörder oder einen Henker halten?«

»Für keins von allen Dreien. Der Räuber liegt hier, ich habe ihn überwunden und werde Gericht über ihn halten.«

»So mußt Du ihn zum Kaschef (Polizeivorsteher) oder zum Kadi (Richter) bringen lassen!«

»Das werde ich nicht thun, oder ich werde es auch thun, je nachdem sich dieser Mensch verhalten wird. Für jetzt übergebe ich ihn Deiner Obhut; feßle ihm noch die Beine und sperre ihn ein, bis ich ihn in einer Viertelstunde holen lasse.«

»Ist er denn auch wirklich ein Räuber, Sihdi?«

»Ja.«

»Allah kerihm, Gott ist gnädig! Wie leicht hätte er auch bei mir sein Handwerk versuchen können; ich werde ihn so binden, daß ihm die Seele wackeln soll, ich werde Alle, die bei mir sind und noch zu mir kommen, vor ihm warnen, ich werde um – – –«

»Nichts wirst Du, verstehst Du mich? Es soll jetzt noch Niemand wissen was vorgefallen ist, und darum darfst Du es nicht eher erzählen, als bis ich es selbst Dir erlaube. Du weißt, wie reich und mächtig Manu-Remusat ist; er kann Dich verderben, wenn Du plauderst!«

»Sihdi, Du sprichst weiser als ein Kalif und klüger als die Männer des Kuran; ich werde schweigen wie der Fisch im Wasser.«

»Das ist verständig von Dir. Ich werde meine Diener mit der Sänfte senden, um ihn abzuholen; laß es Niemand sehen, wenn er aufgeladen wird.«

Der Kawuahschi verbeugte sich dreimal statt einmal, als er die Münze erblickte, welche Katombo ihm als Bezahlung für den Kaffee und die Pfeife reichte.

»Allah segne Deine Hand, Sihdi, sie spendet Gutes und schüttet Wohlthat aus über Deine Diener. Kehre bald wieder ein im Hause dessen, welcher der gehorsamste Deiner Sklaven ist!«


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