Detlev von Liliencron
Poggfred
Detlev von Liliencron

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Vierter Kantus: Mein Wald Herzebruch.

Motto:

Du sollst nicht dulden, daß dein Schmerz dich knechte;
du bist so gern vor Freude wild.

Richard Dehmel.

            Aus Horsebrook, aus »Pferdebruch« entstanden,
Ist »Herzebruch« getauft vom Volksmund heute
Mein Eibenwäldchen in den Unterlanden.

Mein kleiner Wald, wie er von je mich freute!
Da bracht ich schon als Kind mein Herz zur Ruh,
Da barg ich mich, wenn mich die Welt bedräute.

Und immer wieder haucht er Trost mir zu,
Wenn schwere Wunden nicht vernarben wollen,
Wenn hart mich trat des Schicksals Eisenschuh.

Wo, nah, der Nordsee heilige Wogen grollen,
Wie kamen doch an diesen Strand die Eiben,
Wo Meerweib und Triton romantisch tollen.

So stehts in Sagen, alten Klosterschreiben:
Als einst »die Große Flut« von Frankreich riß
Old England, kam auch ein Geländ ins Treiben

Von Schottlands Küste, ostwärts, schwamm und biß
Sich in die fetten friesischen Marschen fest,
Als stünd es hier wie seit der Genesis.

Nur neunzehn Bäume hat mein Eibennest,
Von einer großen Waldnacht nur die Neige,
Von einstiger Märchennacht ein letzter Rest.

Seltsam, phantastisch starren ihre Zweige.
Sie streuen Gift dem, der darunter ruht;
Der Wald betäubt, betrittst du seine Steige.

Mir tut er nichts; mir sänftigt er das Blut,
Wenn ich in seinem kargen Schatten liege
Und mich vertraue seiner treuen Hut.

Mir ist er wie die kleine Kinderwiege,
Wo Mutterhände allem Unheil wehren,
Wo selbst des Teufels Fluch betroffen schwiege.

Als Knabe sah ich hier die ersten Zähren:
Verwundert horch ich auf, versteckt im Gras,
Und sehe eine junge Magd heimkehren.

Sie schluchzt und schluchzt und schluchzt ohn Unterlaß,
Sie hält die Stirn umkrampft mit beiden Händen,
Drin bebt ein Briefpapier, zerknittert, naß.

Und einst, jetzt ist es mir wie aus Legenden,
Sah ich mit meinen Eltern, noch nicht flügge,
Den Wald umglüht von Abendsonnenbränden.

Wie sonderbar: Tiefschwarz, in roter Lücke,
Umarmten weinend Männer sich und Frauen,
Als ob ein blutiger Abschied sie erdrücke.

Von Heimat, Hof und Herd ins Elendgrauen
Hat des Erobrers Strenge sie verbannt;
Sie dürfen ihren Himmel nicht mehr schauen.

Ein Schiff liegt fahrtbereit am äußersten Strand,
Ein Weltmeerschiff, die Fahnen halb gesenkt,
Das soll sie abstoßen ins fremde Land.

Wie Sklaven hat das Schicksal sie verschenkt.
Sie trennen sich, die Bootsmannspfeife tönt,
Ein weißes Tüchlein flattert noch und schwenkt.

Vorbei: Nur aus der Nacht fern singt es, stöhnt:
Leb wohl, mein Schleswig-Holstein meerumschlungen.
Dann hat der Mond die Leere kalt gekrönt.

Da fühlt ich tief das Wörtlein »notgedrungen«,
Und was es heißt, von seinem Eigen lassen,
Und daß hier Herzen brachen, die gerungen.

Da lernt ich auch den Feind von Grund aus hassen,
Und schwor in meiner jungen kühnen Seele:
Nie soll mein glühender Haß mir je verblassen!

Dann kam das Leben, kamen meine Fehle;
Ich rang und stritt, wie jeder ringen muß,
Und fühlte oft das Messer an der Kehle.

Und rang mich frei aus manchem Hagelguß,
Um fast in jedem Blutsee zu versinken:
Das Leben gab mir oft den Judaskuß.

Inzwischen sah ich froh mein Wäldchen winken,
Wenn ich mich sammeln wollte, mich verschnaufen
Und sah mein Schwert von neuem blitzblank blinken.

Doch endlich wars genug, dies ewige Raufen,
Es war genug, dies ewige Qui vive!
Ich war es satt, dies um die Wette laufen.

Und fußte fest, wohin mein Herz mich rief;
Nach Poggfred rief es mich, nach meinen Eiben,
Wo still im tiefen Gras der Friede schlief.

Da bin ich! bin zu Haus, hier will ich bleiben,
Bis meines Daseins Atemdocht verglommen,
Und keine Lockung soll mich mehr vertreiben.

Am ersten Abend noch, kaum angekommen,
Ging ich sofort zu meinem Wäldchen hin,
Und ward mit stummer Freude aufgenommen.

O Sommerzeit, du bunte Färberin!
Die Sonne, die Normaluhr der Natur,
Hing überm Meere kaum noch obenhin.

Die Dämmerung betastet schon die Flur;
Halb in Erinnerungen, halb in Träumen
Verfolg ich meines Lebens heiße Spur.

Wie? Träufelt wirklich Gift aus meinen Bäumen?
Wo, ach! wo blieben meine Ideale?
Sie mußten alle, alle längst verschäumen.

Die Erde ist des Himmels Tränenschale,
Das Bild von Sais schwindelt uns was vor,
Der Schleier fällt, und Dunst ist das Finale.

Die Luft ist schwül. Ein Hyazinthenflor,
Woher? hat mir mein freies Hirn umnebelt;
Das wache Leben schließt vor mir sein Tor.

Sein Kerkerknecht, der Schlaf, hat mich geknebelt:

Auf einer ungeheuern Ebne ging ich,
Und dunkle Nacht, schwarz wie ein großer Bär,
Des Zottelpelz mich eng umhängt, umhing mich.

Nur fern im Osten wogt ein Feuermeer,
Als wollts den Himmelsrand prall überfluten;
Oft schoß die Flamme hoch wie Spieß und Speer.

Ich ging dem Brand entgegen, bis die Gluten
Das Land, die Ebne morgenhell bestrahlten,
Daß selbst die Steine deutlich darauf ruhten.

Als wenn mit Purpur sie das Luftmeer malten,
So röteten sie seinen halben Kreis,
Daß selbst die Sterne wie Rubine prahlten.

Am Arme führte ich, wie Siegespreis,
Zwei Mädchen, eine links und eine rechts,
Und vorwärts tänzelten wir jugendheiß.

Zum Jahrmarktsball, im Aufzug eines Knechts,
Der sich ins Knopfloch einen Strauß geknüpft,
Bunt wie die Federn eines Kletterspechts.

So schritten wir, dem Werkeltag entschlüpft,
Dem Glanze zu, als läge dort das Heil,
Als hätten allen Schmutz wir überhüpft.

Zur Linken mir, im Haar den Liebespfeil,
War mein Genoß ein juches Bauernkind,
Von jedem Sprödetun das Gegenteil.

Lustig und lachend wie der Frühlingswind,
Mit großen Füßen und mit großen Händen,
Gesund, starkknochig, wie die Mägde sind.

Und muß ich mich zu meiner Rechten wenden,
Will mich, in immer munterm Weiterschreiten,
Ein junges, reizendes Prinzeßchen blenden.

So zart wie zäh kann sie die Füßchen spreiten.
Die schmalen Füßchen, klein wie welsche Nüsse,
Sind wahrhaft unermüdlich im Begleiten.

Was Wunder, wenn sich meine stürmischen Küsse
Nach beiden Seiten wahllos hinverirren!
Wer zieht denn daraus gleich die schlimmsten Schlüsse.

Und wie wir drei uns küssen und umgirren,
Ein wenig unbequem im steten Paß,
Scheint sich der Brandknäul vor uns zu entwirren.

Und sinkt in sich zusammen. Was ist das:
Erlischt. Und in demselben Augenblick
Enttaucht fern, fern, dem Osten silberblaß

Die Dämmerung. Ein dicker Nebelstrick,
Von unsichtbaren Fäusten weggezogen.
Dann bricht die Sonne durch, das Erdgeschick.

Und sie beginnt den alten Tagesbogen,
Und übergießt mit blitzendem Geleucht
Der Länder Feste und des Ozeans Wogen.

Sie hat den Schlaf und hat die Nacht verscheucht,
Und überall klingt nun der Peitschenknall
Und zeigt, daß Mensch und Tier im Joche keucht.

Was doch beblitzert fern der Sonnenball?
Da, wo vorhin das Feuer ist versunken?
Zwei Schlösser? Wie? Von Marmor und Kristall?

Dicht aneinander sahen wir sie prunken,
Als immer näher wir dem Märchen kamen,
Umzuckt, umglitzert von Rückglanz und Funken.

Wir blieben stehn, entsetzt: Im Himmelsrahmen
Zwei Sphinxe sahen wir, wie ausgeschnitten,
Groß wie zwei Dome aus zwei Riesendramen.

Doch statt der Türme strebten hoch und glitten
Steil in die Luft zwei Schlangenhälse auf,
Mit Vogelköpfen in der Wolken Mitten.

Kaum noch entdeckten wir des Endes Knauf,
So endlos reckten sie die Hälse weiter,
So endlos war der dünnen Hälse Lauf.

Was kann da sein! Nur vorwärts, hopp und heiter!
Und wacker schritten wir den Sphinxen zu,
Prinzeßchen, Bauernmädel und Begleiter.

Und wieder stutzen wir. Halt! Hahn in Ruh!
Welch schreckliches Geschrei klingt uns entgegen,
Gejohl, Gemurmel. Ists Theatercoup?

Wir horchen. Gräßlich. Wie ein Hagelregen.
Dazwischen Winseln, Hilferuf und Stöhnen.
Ein Todeskampf auf weit entlegnen Wegen?

Nun nimmt es ab in immer leisern Tönen,
Verstummt; und eine große Stille wird,
Als wollte sie den Höllensturm verhöhnen.

Der Lärm kam von den Sphinxen hergeklirrt;
Vielleicht liegt hinter ihnen eine Stadt,
Woher die Klänge sich zu uns verirrt.

Nur vorwärts! Jeder Furcht ein Pereat!
So rücken wir den Sphinxen auf die Leiber,
Wie ein Soldat, der »keine Bange« hat.

Und vor uns, dicht, sind jetzt die grausen Weiber;
Den Nacken biegen wir zurück, halt an –
Nun, Phantasie, verlaß nicht deinen Schreiber!

Wohl kaum ein Meter breit im breitsten Spann,
Trennt steil ein einziger Durchgang die Kolosse,
Durch den kein Elefant sich zwängen kann.

Hier hält ein greiser Landsknecht aus dem Trosse
Des Satans uns, halt stopp! die Lanze quer;
Und wir stehn da, na! wie Rhinozerosse.

»Wer seid ihr, Menschen? Und wo kommt ihr her?«
Nun, das ist unsre Sache, Wächterlein.
»Zurück und Kehrt! Sonst kitzelt euch mein Speer.«

Gemach, mein Freund! Wir bitten, laß uns ein,
Laß uns durch diesen schmalen Durchgang gehn,
Sonst haun dich meine Mädels kurz und klein!

Und es verwandelt sich, im Handumdrehn,
Der Landsknecht, was? in einen Bürstenbinder?
Den alten Janus sehn wir vor uns stehn.

Sanft fängt er an: »Was wollt ihr, meine Kinder;
Ich rat euch, geht nicht durch das Eingangstor.
Wen wollt ihr sehn? Den Schicksalsüberwinder?

Ihr glaubt wohl, daß der wie'n Tambourmajor
Da vor euch hermarschiert auf leichten Füßen
Und Fangball spielt mit dem verzierten Rohr?

So geht! Und wollt ihr eure Sünden büßen,
So steigt hinab ins Tal der Lebenspein,
Um jeden Dreck der Erde zu begrüßen.«

Der Alte schwand. Da standen wir allein.
Was sollten seine sonderbaren Worte?
Ob wir umkehren? Nein! Man to! Hinein!

Wir traten durch die rätselhafte Pforte.
Drei Hundert Meter, und vor uns ein Licht,
Daß uns das Denken die Gedanken dorrte.

War das die ganze Erde? Diese Schicht,
Die ausgebreitet, eine einzige Stadt,
Tief unten dampfte wie ein Breigericht?

Viel tausend Marmorstufen, weiß und glatt,
Zuweilen von Terrassen unterbrochen,
Führten hinab, ein schwindelerregender Pfad.

Es schaudert uns. Doch was wir uns versprochen:
Nicht bange sein! Nur angesetzt den Fuß!
Mag uns das Blut auch fieberpulsig kochen.

Die erste Stufe! »Schnettrengtengquaktuhs!«
Die dünnen Schlangenhälse drehten sich
Und schmetterten, wie Vögel, ihren Gruß.

Wie gräßlich sah das aus, wie fürchterlich:
Dies Hälsedrehn! Doch war ihr Ruf vergebens.
Wir stiegen abwärts ohn »Erbarmedich«

Und tauchten in die große Stadt des Lebens:

Die sieben Todsünden, verehrter Christ,
Sind Hochmut, Wollust, Völlerei, Geiz, Neid,
Auch Herzensträgheit gilt als Teufelslist,
Und schließlich noch der Zorn. Nun, bei Sankt Veit,
Wenn dies Register nicht sehr mäßig ist,
Dann weiß man über Sünden schlecht Bescheid.
    Ich selber kannte nur ein paar davon
    Die andern stehn in Meyers Lexikon.

Gibt es nicht Sünden, die viel schlimmer sind?
Die Heuchelei? Die Lüge? Doch was soll
Die Kramerei in diesem Höllenspind,
Was nützt selbst das genauste Protokoll,
Ob Sünde A. I. den Rekord gewinnt,
Ob B. II. bis zur höchsten Bosheit schwoll:
    Wir haben einfach an die Brust zu schlagen
    Und, daß wir, alle, Sünder sind, zu sagen.

Erklär mir einer doch: was ist denn Sünde?
Ist sie Vererbung, schuldlos eingeboren?
Sind unerschöpflich ihre Kraterschlünde,
Aus denen sie heraussteigt wie Ephoren,
Mit Allgewalt? Was haben wir für Gründe,
Daß wir nicht Sittenhelden sind, wir Toren.
    In solch Gedankennetz gänzlich versunken,
    Fühlt ich mich schlimmer dran als Molch und Unken.

Da sind wir angekommen! Noch ein Schritt:
Wir stehen mitten in des Lebens Fülle.
Wer stößt mich da? Wer gibt mir Tritt auf Tritt?
Wer reißt mich weg? Entsetzliches Gebrülle!
Wer schreit mich wütend an: »Gleich her damit!«
Und plötzlich hemmt uns eine Nebelhülle.
    Wir werden zaghaft. Na! was kann da sein,
    Wir wollen uns schon wieder mutig schrein!

Also: Los! Vorwärts, Mädels! Fürcht't euch nicht!
Da kreischt von neuem wer: »Marsch aus dem Wege!
Mach Platz, du Tölpel, du verdammter Wicht!
Du Lumpenhund!« Und wieder hagelts Schläge.
»Du willst nicht? Warte, du Radaugesicht.«
Und schwapp, da fliegt mir was ins Zahngehege.
    Herrje, mir scheint, hier siegt man mit der Faust!
    Nur zu! und immer muntrer wird gezaust.

So mach ich meinen Damen freie Bahn,
Und nutze tüchtig meine Ellenbogen.
Wer hier noch hängt an einem Himmelswahn,
Wird augenblicks in Sand und Sumpf gezogen.
Fest Aug in Auge, hurtig Zahn um Zahn,
Und nicht erst lange hin und her erwogen.
    Da tickt mich einer artig an und zart.
    »Was, Janus, du, mein alter Rauschebart?«

»Ich? Nein: ich bin ein Leierkastenmann,
Dem diese Jahrmarktsbude angehört,
Wo jeder für zehn Pfennig gaffen kann,
Wies ihm beliebt, vollkommen ungestört.
Nur fix herein! die Vorstellung begann.
Ich rat euch aber, stellt euch nicht empört!
    Denn mein Guckkasten ist kein Heuchelbold.
    Doch sagt mir erst, was ihr hier unten wollt?«

»Was wir hier wollen? Nun, das ganze Leben
Soll uns vorüberziehn in jedem Zug,
In jedem Schatten, jedem kleinsten Weben:
Der Schnecke Kriechen und des Adlers Flug,
Des Menschen Irren und des Menschen Streben,
Der Trägheit Faultierfell, des Fleißes Pflug.
    Kurzum, das ganze Leben muß es sein;
    So zeig es uns und laß uns schnell hinein!«

»Ihr Schafe ihr! ich glaub, ihr seid verrückt!
Die ganze Welt wollt ihr auf einen Schlag?
Wißt ihr, wie sich die Eintagsfliege schmückt,
Was sie durchlebt an diesem einen Tag?
Denkt euch zehntausend Jährchen überbrückt:
Und dann? was eure Neugier dann vermag?
    Ihr kennt die Fliege nicht nach Jahrmillionen,
    Nie, nie wird ihr Geheimnis euch belohnen.

Und ihr vermeßt euch, solch Geschwätz zu machen?
Der Mensch, das Tier, die Luft und Stein und Baum
Hat Alles seinen Schlaf und sein Erwachen,
Hat Alles seinen Aufgang, seinen Traum
Und seine Gruft: das sind die Siebensachen,
Die üblich sind im ganzen Weltenraum.
    Warum sies sind? Das Weltall ist das Schweigen.
    Doch etwas will ich wenigstens euch zeigen.

Kommt nur herein, die Bänke stehn bereit,
Und setzt euch vor den Kinematographen.
Jetzt mach ichs dunkel mit Beflissenheit,
Doch braucht ihr deshalb nicht grad einzuschlafen;
Mein Blitzlicht nämlich kürzt euch bald die Zeit,
Ihr werdet staunen, was die Strahlen trafen.
    Nun aufgepaßt! Ihr seid schon halb behext!
    Zu jedem Bilde geb ich euch den Text:

Klapp.
              Viele Frauen gibts auf Erden,
Die sich wundervoll gebärden,
Anstand haben, Chic, Verstand,
Eine gütige Helfehand,
Grazie, Frühling, Edelfrucht,
Sinn für Kunst und Kinderzucht.
Aber, bitt ich, wer kommt da:
Ist das nicht Kleopatra?
Nein, sie fährt auf Gummirädern,
Fährt auf Springesprungefedern.
Seht, wie sie im Wagen sitzt
Und vor lauter Reichtum schwitzt.
Diamanten, hinten, vorn,
Funkelnd wie ein Wasserborn,
Der im Sonnenlichtbrand gleißt
Und das Auge niederschmeißt.
Hoch die Nase, übersieht
Sie den Pöbel auf der Gasse,
Der nicht so wie sie bei Kasse,
Und benimmt sich wie Granit.
Was sind Kunst ihr und die Armen;
Ja, wenns in die Zeitung kommt,
Hat auch sie gewiß Erbarmen,
Weil es ihrem Hochmut frommt.
Auf dem Bocke thront der Kutscher
Neben dem Lakaienrutscher.
Ungeheuer ist die Würde,
Ungeheuer ist die Bürde
Dieser beiden, sapperlot,
Im modernsten Ridingcoat.
Wahr bleibts immer: Wie der Herr,
Sagt das Sprichwort, sos Gescherr.
Klapp.
 
Klapp.
Ha, der hehrste aller Triebe,
Das ist sicherlich die Liebe.
Hier nun stellt sich vor ein Paar,
Schade, nicht vorm Traualtar.
Denn in chambre separee
Tändeln sie, o jemine.
Eine Flasche Sekt im Kübel
Glitzert durch das warme Stübel.
Er wird stürmisch und verwegen,
Sie wird leider nicht verlegen;
Und sein Feuer wird zur Wut,
Sie verliert dabei den Hut.
Weiter will ich euch nicht führen,
Denn ihr würdet sonst verspüren,
Daß die Liebe manchen Fleck hat,
Variatio delectat,
Daß der Liebe Myrtenzweige
Viele oft sehr dunkle Steige
Voller Schlamm und Schmutz umrändern;
Greulich, aber nicht zu ändern!
Doch moralisch werd ich itzt.
Und mit Tugend angespritzt.
Klapp.
 
Klapp.
Sehr vom Übel ist der Geiz;
Für so manchen hat es Reiz,
Wenn er scharrt in seinen Schätzen.
Niemand kann sich so ergetzen
Wie der Gute hier, o schaut,
Der in seinem Golde kraut.
Bald zählt er die blauen Lappen,
Bald zieht er aus schwarzen Mappen
Braune oder grüne Scheine
Bunt mit Wechseln im Vereine.
Nun gehts los mit Doppelkronen,
Talern, Gulden und Dublonen;
Endlich kommt der Pfennig dran,
Dieser kleine Bettelmann.
Jetzt von neuem solls beginnen,
Doch wer kann dem Tod entrinnen.
Seht, es schlich sich jemand ein:
Bitt dich, Lieber, spricht Freund Hein,
Folg mir eilig in die Gruft,
Du abscheulicher Beutelschuft!
Ach, die Gulden und die Taler,
Und die netten Zinsenzahler,
Alle stehn sie nun verwaist,
Der Papa ist abgereist.
Kannt er nichts von andern Dingen?
Von des Lebens Hurrasingen?
I bewahre, eben das:
Scheinezählen, Goldstückwägen,
Prüfend sehn nach den Geprägen,
Machte ihm den einzigen Spaß.
Also wars sein Frohgenügen;
Lassen wir ihm das Vergnügen!
Klapp.
 
Klapp.
In Berlin, wenn ich nicht irre,
Gibts im Häusermeergewirre
Ein Gebäude, stadtbekannt,
Welches Neidhaus ist benannt.
Eine große lange Zunge
Hängt heraus mit starkem Schwunge
Aus verzerrtem Angesicht,
Wie ein scheußlich Selbstgericht.
Diese Zunge ist der Neid,
Jeder weiß nun gleich Bescheid.
Hier stell ich euch einen vor,
Der vor Neid schier platzen möchte,
Sich ins Haar gern Schlangen flöchte,
So in Wut geriet der Tor.
Seht, nach außen zeigt er sich
Hämisch, höhnisch, essiglich.
Sitzt er dann im Kämmerlein
Und ist ganz für sich allein,
Knurrt er, knirscht er mit den Zähnen
Und vergießt Hyänentränen:
»Wart, du Racker, nicht mehr lange
Macht mich dein Emporgang bange,
Ich vernichte dich, paß auf,
Und verpurre deinen Lauf.
Klug verleumdet, ists gemacht:
Erst Erstaunen, dann Verdacht,
Öffentlich und im geheimen.
Töw, ich will dich Kerl schon leimen!«
Auf der kleinsten Erdenscholle
Spielt der Neid so Hundsfottsrolle.
Er ist überall zu treffen,
Überall ertönt sein Kläffen;
Jeden Stand, und ohne Lücke,
Peinigt seine Kötertücke.
Waaas? Auch bei den Literaten –
Ohhh, wo bin ich hingeraten!
Pfui der Deibel, nochmals pfui!
Schleunigst weiter, hoppla hui!
Klapp.
    Genug für heut. Im Klappermühlenton
Hab ich vom Ernst des Lebens euch gesungen,
Im Tone von Hans Wurst, mit launischem Hohn.
Vielleicht hat einer mich als Clown gedungen,
Vielleicht hat Schwips, der Schalksnarren Patron,
Die Pritsche heimlich über mir geschwungen.
    Humor, Humor, Landsleute! Laßt uns lachen!
    Laßt uns nicht immer schiefe Mäuler machen.

Ist auch das Dasein voller harter Schmerzen,
Spielt ewig auch das Trauerspiel hinein,
Mein Gott, wir haben Sonnenschein im Herzen;
Laßt nur die Freude sommerfroh gedeihn!
Denn so viel Lust: sie ist nicht auszumerzen,
Sie soll, sie muß der Plagen uns befrein.
    Hinauf, hinab, wie tolle Kinder spielen;
    Wer sich das wahrt, der kommt zu hohen Zielen.

Singt durch den Wald! Seid Füllen auf der Wiese!
Geht mit dem Handwerksburschen, mit dem Jäger,
Besteigt den Hengst, tanzt mit der braunen Lise,
Seid meinethalb bei Bacchus Beckenschläger.
Reist durch die Welt, sie wird zum Paradiese,
Beelzebub dient euch als Kofferträger.
    Habt ihr im Portemonnaie gar drei Mark achtzig,
    Da gilt der alte Reim: die Sache macht sich.

Und mein Wald Herzebruch? Je nun, ich liege
Noch immer träumend unter seinen Eiben.
Von ihrem Gift betäubt? Nein, nein, ich fliege,
Fliege und laß mich selig heimwärts treiben
Zu Himmelshöhn! Da wieg ich mich im Siege:
Duck nieder, Erdenleid! Hier will ich bleiben!
    Laßt nur die Elendshydra auf mich los,
    Ich bin im Kopfabschlagen Virtuos.

Hoch! Sursum corda! Hurra, schwenkt die Mützen!
Schmeißt alle Sorgen in den Tartarus!
Dann wird der Frohsinn euer Zelt beschützen,
Im Sturm verfliegen Ärger und Verdruß.
Zum Schluß mag »folgende Moral« euch nützen,
Des Siebes letzter Tropfen nach dem Guß:
    Des Lebens Blume heißt die Gegenwart;
    Pflückst du sie nicht, hast du dich selbst genarrt.


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