Mirok Li
Iyagi
Mirok Li

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26. Musuong

Auf der Insel Kanghoa wohnte einst ein alter Mann, der sich niemals Sorgen machte. Er war immer friedlich, weder stritt er mit Menschen, noch klagte er jemals über sein Schicksal. So nannte man ihn »Musuong« – der sorglose Alte.

Als der König von ihm hörte, ließ er ihn zu sich kommen und fragte ihn, wie er zu dieser großen Tugend gelangt wäre.

»Ich vertraue dem Schicksal«, sagte der Alte, »was nützt die Sorge der kleinen Menschen gegen den Willen des Himmels! Ich bin geboren, ohne daß ich dafür gesorgt habe, bin alt geworden, ohne daß ich dafür gesorgt habe. Der Reishalm wächst und meine Kinder wachsen, ohne daß ich dafür Sorge trage. Ebenso werde ich auch eines Tages mein Leben vollenden. Wozu soll ich mir also Sorgen 145 machen?« – »Nun seht her«, sagte der König, »ich habe eine große Sorge um diesen Edelstein, der nach der Prophezeiung eines Wahrsagers noch vor dem 15. des nächsten Monats mir verloren gehen soll. Werdet ihr ihn für mich aufbewahren, bis der verhängnisvolle Tag vorüber ist, und ihn mir am 16. des Monats wieder zurückbringen?«

Der Sorglose versprach es gerne, empfing den Stein mit beiden Händen und verbarg ihn tief in seinem Busen.

Als er mit dem kostbaren Stein heimwanderte und unterwegs über einen Strom fuhr, redete ihn ein junger Mann an und fragte, was Seine Majestät, der König, wohl von ihm gewollt habe. Der Musuong lächelte, holte den strahlenden Stein aus dem Busen hervor und erzählte von der großen Sorge des Königs. Der junge Mann betrachtete den Stein genau von allen Seiten, dabei glitt ihm der Edelstein aus der Hand und sank in den tiefen Grund des reißenden Stromes. 146

Dieser junge Mann war freilich ein heimlicher Bote, der nur den königlichen Befehl ausgeführt hatte. Er berichtete dem König, daß der Musuong trotz des Verlustes des königlichen Schatzes keine sorgenvolle Miene gezeigt hätte.

»Was wird aber dieser Musuong jetzt tun«, dachte der König, »ihm droht doch eine Strafe, wenn er am 16. des Monats ohne den Stein an den Hof kommt!«

Der Monat verging und der genannte Tag kam heran. Da erschien Musuong in der strahlenden Morgensonne und hob dem König seinen Edelstein entgegen.

»Wie kommt ihr aber wieder zu diesem Stein?« fragte der erstaunte König, »nachdem er doch in den Strom gefallen war?«

»Man fand ihn im Leib eines Karpfens wieder, den meine Frau am Markt gekauft hatte«, sagte Musuong. 147

 


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