Gotthold Ephraim Lessing
Fragmente und Fabeln
Gotthold Ephraim Lessing

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18. Die Nuß und die Katze

»Gewiß, Herr Wirth, dies Obst ist nicht für meinen Magen.
Denn wenn ich mir, es frei zu sagen,
Ja eine Baumfrucht loben muß,
So lob' ich mir die wälsche Nuß.
Die schmeckt doch noch! ... Bei meiner Treu!
Der zartste Apfel kömmt der Nuß, der Nuß nicht bei.«
Ein Kätzchen, das der Wirthin Liebe
Nie mit Gewalt zum Mausen triebe
Und jetzt in ihrem Schooße saß,
War schlau, vernahm und merkte das.
»Was?« dacht' es, »eine Nuß soll so vortrefflich schmecken?
Halt! diese Wahrheit soll mein Maul gleich selbst entdecken.«
Es sprang vom Schooße weg und lief dem Garten zu.
Nu, Katze, nu, wie dumm bist Du!
Der schönen Chloris Schooß um eine Nuß zu lassen?
Wärst Du ein junger Herr, wie würde sie Dich hassen.
Nein, Schönen, räumet mir nur diesen Ort erst ein;
So wahr er mich ergetzt, ich will kein Kätzchen sein.
Doch dieses sag' ich nur so im Vorübergehen.
Horcht! ich erzähle fort. Beim Garten blieb ich stehen?
Nicht? Ja. Wol gut. Hier fand der Katze Lüsternheit
Beim nächsten Nußbaum nun, worauf sie sich gefreut.
Wollt Ihr etwan ein Bild zu meiner Fabel malen,
So malt die Nüsse ja noch in den grünen Schalen,
Die unsre Katze fand. Darauf kömmt Alles an.
Denn als sie kaum darein den ersten Biß gethan,
So schnaubt und sprudelt sie, als wenn sie Glas gefressen.
»Dich,« spricht sie, »lobt der Mensch, so mag er Dich auch essen.
O! pfui, was muß er nicht für eine Zunge haben!
An solcher Säure sich zu laben!«

O, schweig' nur, dummes Thier!
Du schmähst zur Ungebühr.
Du hättest auf den Kern nur erstlich kommen sollen,
Denn den, die Schale nicht, hat Lydas loben wollen.



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