Gotthold Ephraim Lessing
Fragmente und Fabeln
Gotthold Ephraim Lessing

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2. Aus einem Gedichte an den Herrn Baron von Sp**

Die Schule macht den Dichter? Nein.
Er, welchen die Natur zu ihrem Maler wählet
Und ihn, ein Mehr als Mensch zu sein,
Mit jenem Feu'r beseelet,
Das leider mir! doch nicht von Sp** fehlet;
Dem sie ein fühlend Herz und ein harmonisch Ohr
Und einen Geist verlieh, dem Glück und Ehr' und Thor
Nie marternd Mißvergnügen macht,
Wenn nur auf ihn die holde Muse lacht,
Die seinen edlern Theil von dem Vergessen sparet,
Wofür kein Titel nicht, nicht Königsgunst bewahret:
Ein solcher dringt hervor, wohin das Glück ihn stieß,
Das gern auch Dichter plagen wollte,
Ist minder das, was es ihn werden ließ,
Als was er werden sollte.

*

Und schon hat man gesehen
Als zweifach Adam's Sohn ihn hinterm Pfluge gehen.
Als fauler Rinder Herr wagt er ein göttlich Lied,
Das Musen vom Olymp, ihn aus dem Staube zieht;
Er wirft den Zepter weg, den er mit Klatschen schwang,
Singt schöner ungelehrt, als G** mühsam sang.

*

Noch öftrer treibet ihn, für Musen nur geschaffen,
Ein neidisches Geschick zu ungeliebten Waffen
Und läßt ihn, statt auf Pindus' Höh',
Im wühlenden Gelärm des wilden Lagers schlafen.
Jedoch umsonst: sein rührend Rohr
Schweigt bei Karthaunen nicht und tönt Trommeten vor.
Sein Muth erstickt nicht seinen Witz,
Sein zärtliches Gefühl nicht Gier berühmt zu sterben,
Und die gefaltne Stirn, des Schreckens finstrer Sitz,
Vom Einfall aufgeklärt, wird keinen Scherz verderben.
Die Musen staunen sanft, bei Helden sich zu finden,
Die ihrer Lorbeern Schmuck in Mavors' Lorbeern winden.



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