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XIII. Antwort auf die Einwürfe des Pater Lami gegen das System der vorherbestimmten Harmonie

Der berühmte Urheber dieser Einwürfe, der Verdienst und Scharfsinn besitzt, räumt ein, daß er im System der vorherbestimmten Harmonie in seiner Anwendung zur Erklärung der Beziehung zwischen Seele und Körper etwas anscheinend sehr Triftiges gefunden habe, daß der Weg der Einwirkung unhaltbar sei und daß der Weg der Gelegenheitsursachen von vornherein Gottes wenig würdig erscheine, weil Gott danach bei einer ganz natürlichen Ausführung beständig durch Wunder wirkt, während der Weg der vorherbestimmten Harmonie eine unvergleichlich größere Geschicklichkeit bei dem höchsten Künstler anzeigt. Aber er fügt hinzu (S. 230), daß ein kurzes Nachdenken ihm an diesem Systeme Schwierigkeiten und sogar Unmöglichkeiten aufgedeckt habe, die untersucht zu werden verdienen. Nehmen wir gemeinschaftlich mit ihm diese Untersuchung vor und sehen wir, wie er sich gegen das bestärkt, was er den Afterglanz dieses neuen Systems nennt.

Die erste Schwierigkeit besteht in der Frage, ob die beiden Substanzen, welche miteinander übereinstimmen, auch füreinander geschaffen sind? Ich antworte: Gewiß, denn wenn sie übereinstimmen, so hat Gott sie eben geschaffen, damit sie übereinstimmen. Daraus folgert man aber, daß dies System sich also wenig von dem der Gelegenheitsursachen unterscheide. Meinetwegen! entgegne ich, indessen sehe ich diese Folgerung nicht recht ein. Im Systeme der Gelegenheitsursachen stimmen die Substanzen überein, weil Gott immer diese Übereinstimmung hervorbringt, in dem neuen Systeme aber findet sich dies nicht, und der Unterschied der beiden Systeme hinsichtlich dieses Punktes ist um so offenkundiger, da der Urheber des Einwurfs die natürliche Übereinstimmung für unmöglich erklären will. Vergleiche weiter unten die fünfte Schwierigkeit. Auf jeden Fall werde ich nicht bekümmert darüber sein, wenn jemand das System der Gelegenheitsursachen in einer Weise auffassen will, die dasselbe in mein System umgestaltet.

Die zweite Schwierigkeit (S. 233) besteht in einer andern Frage: Ob nämlich die Seele bei der Hervorbringung ihrer Empfindungen frei ist oder nicht? Mir scheint, eine Frage ist kein Einwurf: Indessen antworte ich darauf, und die Antwort ist leicht. Die Seele ist frei bei den freiwilligen Handlungen, bei denen sie deutliche Gedanken hat und Vernunft zeigt; die nach den Körpern geregelten verworrenen Vorstellungen aber entspringen vorhergehenden verworrenen Vorstellungen, ohne daß es notwendig ist, daß die Seele sie wolle und sie vorhersehe. Obgleich ihr daher die Schmerzen nicht deshalb zustoßen, weil sie sie will, stoßen sie ihr doch nicht ohne Grund und Ursache zu, weil die Folge der verworrenen Gedanken eine die Bewegungen des Körpers vorstellende ist, wobei die Menge und Kleinheit dieser Bewegungen keine deutliche Wahrnehmung derselben gestattet. Verworren nennt Leibniz, wie später noch näher erörtert werden wird, die klaren Vorstellungen, bei denen die Merkmale, welche zur Unterscheidung der Sache von andern dienen, nicht einzeln aufgezählt werden können; daher ist ihm z. B. das aus der Ferne vernommene Brausen des Meeres eine verworrene Vorstellung, weil es durch das Rauschen vieler Wellen hervorgebracht wird, deren einzelne Anteile an dem verursachten Geräusch sich nicht feststellen lassen; s. Anm. 116. Diese verworrenen Vorstellungen nun spiegeln die Körperwelt ab und entspringen in der Seele ohne deren Wissen und Wollen: ihnen gegenüber ist daher die Seele nicht frei, während sie frei ist bei allen den Handlungen, bei denen sie deutliche Vorstellungen hat. Allerdings steht diese Behauptung im Widerspruch mit der angenommenen unwandelbaren Bestimmtheit der Reihenfolge der Vorstellungen in der Seele, Leibniz hatte sich indessen dermaßen in sein System hineingelebt, daß ihm dieser Widerspruch niemals zum Bewußtsein kam.

Die dritte Schwierigkeit (S. 234) besteht darin, daß es dem Urheber der Einwürfe scheint, als bestehe bei meinem Systeme keine wahre Freiheit. Das ist jedoch ein Vorurteil, dessen Grund nicht einzusehen ist. Wenn ich, wie er anführt, gesagt habe, »daß es nicht von der Seele abhängt, sich Empfindungen zu verleihen, die' ihr behagen« -- habe ich da nicht recht gehabt? Geht etwa unsere Freiheit in irgendeinem Systeme bis zu diesem Punkte? Und würde das nicht eine Unumschränktheit sein wie die Gottes? Die Anführung dieses Umstandes ist nicht ein Einwurf gegen mein System, sondern ein Einwurf gegen die Freiheit, die man hier in einem übertriebenen Sinne nimmt. Ich sagte ferner: »Der gegenwärtige Zustand jeder Substanz ist eine natürliche Folge ihres vorhergehenden Zustandes.« Nun ist aber, behauptet man, eine natürliche Folge eine notwendige Folge. Das räume ich jedoch durchaus nicht ein, und es wundert mich, daß man überhaupt dergleichen Behauptungen aufstellt, um mir Irrtümer beimessen zu können. Was natürlich ist, ist der Natur der Sache angemessen, das Notwendige dagegen ist wesentlich und kann nicht geändert werden. Die Blätter der Bäume sprossen natürlich hervor und verfehlen nicht, abzufallen. Es ist natürlich, daß die Bösen Verbrechen begehen, aber es ist nicht notwendig, daß sie sie begehen. Ebenso ist es der Beschaffenheit der Tugend natürlich, gute Handlungen zu erzeugen – sind diese Handlungen darum weniger frei? Ferner sagte ich, »daß jede vorhergehende Vorstellung auf die folgenden Einfluß hat, gemäß einem Gesetze der Ordnung, das bei den Vorstellungen wie bei den Bewegungen besteht«. Schließt das Gesetz der Ordnung die Freiheit aus? Handelt Gott nicht immer diesem Gesetze gemäß? Die verworrenen Vorstellungen sind wie die Gesetze der Bewegung geordnet, die sie vorstellen. Die Bewegungen der Körper werden durch die bewirkenden Ursachen erklärt, in den deutlichen Vorstellungen der Seele aber, bei denen Freiheit besteht, kommen auch die Endzwecke zum Vorschein. In der einen dieser Reihen herrscht indessen ebensoviel Ordnung wie in der andern. Ich bin ein wenig erstaunt, fast nur Einwürfen zu begegnen, die höchstens den Schein für sich haben. Die Grenzbestimmung, die Leibniz an dieser Stelle zwischen den Begriffen des Natürlichen und des Notwendigen vornimmt, ist wenig haltbar, denn eben das, was in seinem Sinne einer Sache angemessen ist, ist ihr auch wesentlich und kann nicht geändert werden. Ist es z. B. einem Baume natürlich oder angemessen, zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Verhältnissen sein Laub zu wechseln, so ist dieser Wechsel ihm wesentlich, und sein Ausbleiben würde dem Begriff widersprechen, den wir von jenem Baume haben: ein verdorrter Baum ist so wenig ein Baum, wie ein toter Mensch ein Mensch ist. Ebenso ist es den Bösen nicht bloß natürlich, daß sie böse handeln, sondern wesentlich ? handelten sie nicht böse, so wären sie überhaupt keine Bösen. Das Gesetz der Ordnung schließt also im Bereiche seiner Wirksamkeit allerdings die Freiheit aus, und ist die Seele diesem Gesetze unterworfen, wie Leibniz annimmt, so kann von einer Freiheit bei ihren Entschlüssen nicht die Rede sein, vielmehr sind dieselben diesenfalls notwendige Folgen der vorhergehenden Vorstellungen, wobei die Notwendigkeit uns nur deshalb verborgen bleibt, weil wir nicht die ganze Reihe jener vorhergehenden Vorstellungen zu überblicken vermögen. Vgl. Theodizee, 1. Bd., Erl. 23, 37.

Vierte Schwierigkeit (S. 235). Das neue System, auch wenn es möglich wäre, ist doch nicht das, welches Gott gewählt hat, weil es seiner nicht würdig ist. Infolge übermäßigen Weingenusses entsteht eine Störung in den Lebensgeistern eines Menschen. »Ist es nun wahrscheinlich«, sagt der Urheber des Einwurfs, »daß dergleichen Verschrobenheiten nur natürliche Folgen der Beschaffenheit jener Seele seien und daß sie sich in dieser Hinsicht nur den Gesetzen anpaßt, die Gott ihr gegeben hat? Das macht seiner Weisheit viel Ehre!« Dieser Ausruf wird fallen, sobald man nur im geringsten darüber nachdenkt. Wenn eine Störung in den Körpern entsteht, so ist es natürlich, daß unsere verworrenen Vorstellungen dieselben darstellen. Überdies ist sowohl die Natur des Körpers wie die der Seele verderbt, und ihrer Natur gemäß paßt die Seele sich nicht immer den Gesetzen Gottes an: diese Verderbtheit ist eine Folge der Freiheit. Zur Zeit der Abfassung der Antwort an Lami war Leibniz bereits mit der Ausarbeitung der Theodizee beschäftigt: daher erklärt es sich, daß er hier nicht mehr streng an der vorherbestimmten Harmonie festhält, sondern die Freiheit ganz im gewöhnlichen Sinne nimmt. Denn wenn die vorherbestimmte Harmonie zur Zeit des Sündenfalls bestand, so mußte, da die Seele keinen Einfluß auf den Körper hat, der Körper der Eva von vornherein so eingerichtet sein, wie es zum Apfelessen nötig ist; wäre nun aber die Seele Evas bei diesem Entschlusse wirklich frei gewesen, so hätte Gott denselben nicht vorhersehen können (s. Theodizee, 1. Bd., Erl. 111, 113, 120) und also auch die Bewegungen des Körpers nicht danach anzuordnen vermocht. Leibniz ist daher genötigt, sein System beiseite zu schieben und sowohl die Freiheit im gewöhnlichen Sinne wie die gegenseitige Beeinflussung zwischen Körper und Seele anzuerkennen: denn die Verderbtheit der Seele durch den Sündenfall kann nur dadurch erklärt werden, daß man dem Leibnizschen Systeme gemäß annimmt, Gott habe jede Seele von vornherein so eingerichtet, daß sie sich vom Augenblick des Sündenfalls ab dem Bösen zuneigte – dann erscheint aber die vorherbestimmte Harmonie in einem für die göttliche Güte und Weisheit sehr bedenklichen Lichte; oder man muß annehmen (wie dies Leibniz in der Theodizee B. § 112 wirklich tut), die Verderbtheit sei eine natürliche Folge des Apfelessens ? das ist aber ohne den Einfluß des Körpers auf die Seele nicht möglich. Vgl. Anm. 104. Dem neuen System die Schuld dafür beimessen, heißt, demselben alle die Unzuträglichkeiten aufbürden, die in der Natur der Dinge zutage treten und statthaben, welches System man auch anwenden mag. Ganz ebenso wird man bei dem gewöhnlichen Systeme fragen können, warum Gott den Körper und die Seele derart geschaffen hat, daß infolge der Einwirkung aufeinander, die ihnen jenem Systeme zufolge natürlich ist, Unordnungen eintreten. Noch weit schlimmer aber ist es im Systeme der Gelegenheitsursachen, wo man zu behaupten wagt, jene Unordnungen seien unmittelbare Folgen der beständigen Einwirkungen Gottes: das heißt in der Tat immer nach der Ursache des Übels fragen. Will der Urheber des Einwurfs vielleicht die Sache der Manichäer vertreten, indem er bestreitet, daß diese Unordnungen, die zu den Werken Gottes hinzugetreten sind, seiner Weisheit Ehre machen? Muß man nicht vielmehr mit St. Augustinus einräumen, daß die anscheinenden Unordnungen durch eine größere Ordnung gut gemacht werden?

Als fünfte Schwierigkeit betrachte ich das, daß der Autor ein wenig später darauf zurückkommt, die Möglichkeit des neuen Systems zu bestreiten, und dabei leugnet, daß Gott einen Automaten schaffen könne, der imstande ist, alles das ohne Vernunft auszuführen, was der Mensch mit Vernunft ausführt. Auch Herr Bayle bestritt dies: aber es nimmt mich wunder, daß man der Macht und der Weisheit Gottes Schranken zu setzen sich erkühnt, und zwar ohne irgendeinen Beweis dafür beizubringen, ganz abgesehen davon, daß es zahllose Beispiele von derartigen Werken Gottes gibt, die noch weit mehr ausführen. Was den Fötus bildet, ist ein Automat, dessen Künstlichkeit alles übersteigt, was der Mensch mit der Vernunft ausführen kann: das schönste Gedicht oder jedes beliebige andere Geisteswerk kommt dem nicht nahe. Allerdings geschieht das vermöge einer göttlichen Vorherbildung, aber in der vorherbestimmten Harmonie ist ganz dasselbe der Fall.

Die sechste Schwierigkeit besteht darin, daß die. Gesetze der Harmonie nicht weise sind, wie es scheint. Die Wesen trachten sich zu erhalten, und dennoch gibt es Körper, die Schmetterlinge z. B., die sich in die Flammen stürzen, dennoch gibt es Seelen, die sich in bittere Empfindungen versenken. Ein seltsames Gesetz, meint man, das eine Seele nötigt, einen guten Gedanken fallenzulassen, sobald sie von einer Nadel gestochen wird. Ein seltsamer Einwurf vielmehr! Der Autor merkt gar nicht, daß derselbe gegen alle Systeme und namentlich gegen das seine gemacht werden kann. Herr Bayle hat besser getan, indem er mir die Einwürfe dieser Art ersparte, wie er tun zu wollen von vornherein erklärte. Will man etwa Gott tadeln, weil er die Dinge so gemacht hat, daß die Schmetterlinge sich verbrennen, während sie sich zu wärmen trachten, und weil er auch unsere Seelen zum Teil an die Bewegungen des Körpers gebunden hat? Ob das durch eine täglich erneute Einwirkung oder durch die im voraus festgesetzte Harmonie geschieht – immer ist es der Natur der Dinge gemäß. Und warum soll denn die Natur der Seele derselben im neuen Systeme mehr Vollkommenheit verleihen, als Gott selbst ihr unmittelbar im Systeme der Gelegenheitsursachen verleiht? Und ist es nicht weit härter, wenn man behauptet, Gott binde beständig durch eine unmittelbare Handlung die Seele an einen zerrütteten Körper, als wenn man sagt, die Seele sei durch ihre verderbte Natur daran gebunden? Ist etwa das neue System mehr als die andern verantwortlich dafür, wenn die Körper kraft der Naturgesetze sich bisweilen zerstören, indem sie sich zu erhalten trachten? Man darf immerhin behaupten, daß die Weisheit Gottes im System der Harmonie, wo alles durch Gründe verknüpft ist, die der Natur der Dinge entnommen sind, besser zutage tritt als im System der Gelegenheitsursachen, wo alles durch eine willkürliche Gewalt gezwungen wird.

Die siebente Schwierigkeit bietet das, was den tüchtigen Urheber der Einwürfe am meisten befremdet hat, nämlich daß ich den Geschöpfen eine gewisse tätige Natur, eine Kraft, eine von der Macht Gottes verschiedene Wirksamkeit beilege. Aber tue ich nicht in dieser Hinsicht nur das, was beinahe alle Philosophen, alle Kirchenväter, alle Theologen zu allen Zeiten getan haben? Und um die Wahrheit zu sagen, so ist die entgegengesetzte Ansicht mir völlig unbegreiflich. Wenn wir handeln, so haben wir das Vermögen zu handeln; handeln wir nicht, so sündigen wir auch nicht. Wenn die entgegengesetzte Ansicht auf die Spitze getrieben würde, so könnte sie, ohne daß man's dächte, zu einer gefährlichen Lehre führen. Wer behauptet, daß Gott der einzige Handelnde sei, kann sich auch leicht so weit hinreißen lassen, mit einem sehr verrufenen neuern Autor zu behaupten, daß Gott die einzige Substanz sei und daß die Geschöpfe nur vorübergehende Modifikationen sind, denn bis jetzt ist die Substanz durch nichts besser gekennzeichnet worden als durch das Vermögen, zu handeln. Bezüglich dieses Punktes vergleiche man die Abhandlung Über die Natur an sich, Nr. XVII unserer Übersetzung. – Der »sehr verrufene neuere Autor« ist natürlich Spinoza.

Als achte Schwierigkeit rechne ich das, was der Autor über die Wunder sagt. Er will sein System von der Beschuldigung der Wunder befreien, erklärt aber nicht zutreffend, was ein Wunder ist. Auch Herr Bayle hat hier fehlgeschossen. Ihnen zufolge ist das Wunder nur eine Ausnahme von der Regel oder den allgemeinen Gesetzen, die Gott willkürlich aufgestellt hat: Wenn Gott es sich daher zum allgemeinen Gesetze gemacht hat, immer den Körper mit der Seele oder die Seele mit dem Körper in Übereinstimmung bringen zu wollen, so liegt darin kein Wunder mehr, und in diesem Sinne würde sich das Wunder von einer andern Handlung Gottes nur durch eine äußere Bestimmung, nämlich durch seine Seltenheit unterscheiden. Ich räume jedoch weder ein, daß eine derartige Regel ein Naturgesetz sein würde noch daß die allgemeinen Gesetze der Natur rein willkürlich sind. Gott ist nicht durch eine unbedingte Notwendigkeit, wohl aber durch einen Grund, der seiner höchsten Weisheit gemäß ist und durch eine gewisse Rücksicht auf die Übereinstimmung mit der Natur der Dinge zu ihrer Aufstellung bewogen worden. Daher ist das Wunder nur deshalb eine Ausnahme von diesen Gesetzen, weil es sich nicht aus der Natur der Dinge erklären läßt. Und wenn Gott beschlossen hätte, fortwährend irgendeinen Vorgang bestehen zu lassen, der wenig mit dieser Natur übereinstimmte, so würde er daraus kein Naturgesetz gemacht, sondern beschlossen haben, ein beständiges Wunder zu verrichten und immerfort selbst Hand anzulegen, um das hervorzubringen, was über die Kräfte der Natur gehen würde. Eben das würde aber im System der Gelegenheitsursachen statthaben, wenn die Seele und der Körper immerfort miteinander übereinstimmten, ohne daß ihre Natur und das, was man davon begreifen kann, sie dazu führte, sich in Übereinstimmung miteinander zu setzen, d. h., wenn die Maschinerie des Körpers diesen nicht bestimmte, das zu tun, was die Seele will, und wenn die natürliche Aufeinanderfolge der verworrenen Vorstellungen der Seele diese nicht bestimmte, sich das vorzustellen, was im Körper vorgeht. Hier noch ein bequemeres Beispiel, das den Unterschied zwischen einem Naturgesetze und einer allgemeinen Regel, deren Ausführung immerwährende Wunder erfordern würde, noch besser klarmachen wird. Wenn Gott ein Gesetz machte, wonach jeder freie oder nicht behinderte Körper sich bestreben müßte, sich von selbst im Kreise um einen bestimmten Mittelpunkt zu bewegen, ohne daß sonach zu begreifen wäre, durch welches Mittel und wie die Sache vor sich ginge, so würde, behaupte ich, dies Gesetz nur durch fortwährende Wunder ausgeführt werden können, weil es nicht mit der Natur der Bewegung der Körper übereinstimmt, wonach ein in der Bogenlinie bewegter Körper seine Bewegung in der geraden Tangente fortsetzt, wenn nichts ihn daran hindert. Ein solches Gesetz, welches die Kreisbewegung vorschriebe, würde also nicht natürlich sein, sofern die Natur des Körpers so wäre, wie sie jetzt ist. Daher genügt es nicht, um die Wunder zu vermeiden, daß Gott ein bestimmtes Gesetz aufstelle, wenn er nicht auch den Geschöpfen eine Natur verleiht, die zur Ausführung seiner Anordnungen befähigt ist. Es ist das gerade, als ob jemand sagte, Gott habe dem Monde befohlen, frei in der Luft oder im Äther einen Kreis um die Erdkugel zu beschreiben, ohne daß es weder Engel noch Geist, der ihn leitet, noch eine feste Sphäre, die ihn trägt, noch einen Wirbel oder eine flüssige Sphäre, die ihn fortreißt, noch Schwere, Magnetismus oder irgendeine andere aus den Gesetzen der Mechanik erklärbare Ursache gäbe, die ihn hindere, sich von der Erde zu entfernen und in der Tangente des Kreises davonzueilen. Ableugnen, daß das ein Wunder wäre, hieße auf die geheimen Fähigkeiten zurückgreifen, die durchaus unerklärlich und heute mit vielem Rechte verrufen sind. Über diese Bestimmung des Begriffs der Wunder ist das Nötige bereits in Anm. 51 und 59 bemerkt worden.


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