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Elftes Kapitel

Baron von F.s Ansichten über den Adel. – Einladung nach Guntersblum. – Ich werde Jäger und Kellermeister. – Ein Schurkenstreich. – Liebeleien. – Wiedersehen mit Theresen. – Neue Pläne zur katholischen Kirche überzutreten. – Falschheit des katholischen Pfarrers. – Abschied von Theresen.

»Weißt was Neues, Herr Bruder?« schrie ich, als ich einige Tage nach meinem Unfall in das Zimmer des Barons F. trat: »In meinem Lande ist's alle; werd' nimmermehr Pfaffe!«

Baron: Da ist denn auch kein groß Unglück geschehen! Kannst ja sonst was werden.

Ich: Ja, was denn? In der Kurpfalz hab' ich mich verschandlappt.

Baron: Nun, was hast du denn angestellt? Hast doch nicht gemordet? Und Huren, Saufen, Spektakeln wird da nicht hoch gerechnet.

Ich: Sieh, ich hab' mit dem Kandidaten Hundel in Korrespondenz gestanden und hab da manchen Beitrag für sein Buch geliefert, das hernach ist konfisziert worden. Hundel selbst hat sich müssen skissieren, wenn er dem Galgen oder doch ewiger Gefängnisstrafe entgehen wollte.

Baron: Hast recht; in Kurpfalz kommst, hol's der Teufel, nicht an! Da mögen sie keine Leute haben, die ihnen auf den Magen sehen. Würdest nicht 'n Nachtwächterdienst kriegen!

Ich: Und in meinem Lande verfolgt mich der Administrator von Zwirnlein.

Baron: Von Zwirnlein? Ach, der neugebackene Edelmann? Höre, Bruder, so 'n Adel, wie der, soll nichts gelten. Unser Adel, schau, das ist 'n Adel. Vor dreihundert Jahren waren schon F. Domherren hier, zu Köln, zu Worms, Speier und an mehr Stiftern. Einer aus unserer Familie war Bischof zu Würzburg und ein anderer Bischof zu Speier, und noch ein anderer Abt in Fulda. Schau, Brüderchen, das ist ein Adel. Der deutsche Adel ist nirgends besser, d. i. älter, als an den Domstiftern; es können da bloß uralte Familien Eingang finden. Und die Ahnenprobe, welche bei der Aufnahme vorgenommen wird, ist so streng, daß jeder Querbalken im Stammbaum entdeckt wird. Daher ist der Ahnenstolz der Familien in Mainz, Würzburg, Köln, Münster, Paderborn, unaussprechlich, und ein solcher Ritter wie Dalberg, Dienheim, Schönborn, Ely, Bibra – kurz ein Ritter, dessen Wappen in der Domkirche befindlich ist, wird um alles in der Welt nicht mißheiraten; ja er wird eine Gräfin und selbst eine Prinzessin ausschlagen, wenn ihr Stamm nicht die erforderlichen Ahnen zählt. – Das gilt sogar von den dortigen protestantischen Edelleuten, die stiftsmäßig sind. Es könnte ja kommen, meinen diese, daß einmal einer von ihren Nachkommen katholisch würde, und dann könnte er ja nicht Domherr, Bischof oder Kurfürst werden! L. Aber so 'ne neue Noblesse ist nicht wert, daß man sie nennt.

Ich: Du hältst also nichts auf neuen Adel?

Baron: Nicht eine taube Haselnuß. Schau an, wir sind gute Freunde; du bist bürgerlich und ich bin stiftsmäßig. Das tut aber nichts; ich bin dir gut und habe keine Schande von deinem Umgang. Aber wenn ich mit einem neuen Edelmann konversieren und Freundschaft machen wollte: mein Seel! unser ganzer Stiftsadel würde sich darüber mokieren. – Aber wieder auf dich zu kommen, was willst du nun anfangen?

Ich: Das weiß ich selbst nicht.

Baron: Hör', Bruder! Du wartest auf die Pfarre in Franken, bleibst aber indes bei mir und lachst den Herrn von Zwirnlein und seinen Anhang aus: Hast mich verstanden?

Ich: O ja; aber wie sollte ich –

Baron: Davon schweige mir. Ich will keine Komplimente; bin ein ehrlicher Kerl und mein's, hol' mich der Teufel, gut mit dir. Schau, ich reise nächstens nach Straßburg, du gehst mit, und da wollen wir alle Grillen vergessen und lustig leben, wie die Vögel im Hanfsamen.

Auf diese Art hatte ich also einen Freund in meinem F. gefunden, der mir Aufenthalt gab, daß ich nicht nötig hatte, meinem Vater durch meine Gegenwart noch trübere Tage zu machen, als er wirklich schon erlebte.

Während dieser Zeit erhielt ich einen Brief vom Blumenwirt Schmid in Guntersblum, der voll Enthusiasmus war. Man habe, hieß es, gehört, daß man mir die Kanzel verboten und alle Hoffnung zu einer Versorgung genommen hätte. Das Ding habe meine Freunde in Guntersblum, namentlich den Major von Goldenberg, den Wirt Bechtel und ihn, Schmid, so sehr geärgert, daß sie beschlossen hätten, sich meiner anzunehmen; ich sollte nur kommen, man würde mir schon Mittel geben, den Schaden zu ersetzen und meine Feinde auszulachen.

Die Bitte, bald zu kommen, war so dringend gemacht, daß ich gleich den andern Tag die fünf Stunden von Mainz aus nach Guntersblum ging. Schmid empfing mich mit der lebhaftesten Teilnahme und mit tausend Flüchen gegen alle, die mich meiner und seiner Meinung nach gedrückt hätten. Aber hier in Guntersblum fände ich alles, was ich wünschen könnte. Zuvörderst hätte der Major dafür gesorgt, daß ich bei ihm wohnen könnte, bis sich etwas für mich ergeben würde; ich fände da guten Tisch, rechten Wein und ein seines Logis. Das Ding gefiel mir schon nicht recht: lieber wäre ich bei meinem Baron geblieben. Der Major war zwar ein ehrlicher, braver Mann, ohne Stolz und ohne Grobheit, aber an Jahren waren wir zu weit auseinander, als daß wir hätten Vertraute werden können: und Vertraulichkeit hab' ich immer gesucht, habe sie sogar oft für Freundschaft gehalten und mich dabei gar häßlich betrogen. Demohngeachtet ging ich zum Major, welcher mich auf's beste bewillkommte und von dem Herrn von Zwirnlein eben nicht mit Achtung redete.

»Sie sollen bei mir bleiben,« fuhr er fort, »und bei mir alles finden, was Sie verlangen: gut Essen, derb nämlich, aber wenig Gerichte; guten Wein, Guntersblumer nämlich, und das in vollem Maße, soviel in den Bauch hinein geht, und eine gute Pfeife Tabak. Aber da Sie das Ding wohl nicht werden umsonst haben wollen, so übernehmen Sie meine Jagd und besorgen meinen Keller und lehren meine Mädel ein bissel Französisch und auf der Landkarte. Wollen Sie das, mein Lieber?«

Ich schlug ein und war froh, daß ich mich an einen fremden Ort bequem aufhalten konnte, ohne meinen Wohltätern lästig zu sein.

Ich war also freiherrlicher Jäger, Sprachlehrer und Oberkellermeister. Letztere Stelle war freilich besser und minder beschwerlich als erstere, doch muß ich's selbst von mir rühmen, daß ich auch dieses Aemtchen mit vieler Treue versehen habe – vielleicht bloß deswegen, weil ich keine Notwendigkeit vor mir sah, meine Pflicht zu verletzen. Ich habe oft nachgedacht, warum ich zu einer Zeit fähig war, Lumpenstreiche auszuüben, die ich zu einer anderen um keinen Preis würde getan haben. Ich kann mir noch nicht alles erklären; aber diese Betrachtung macht mich äußerst nachgiebig gegen andere, besonders solche, die aus Zerrüttung ihrer ökonomischen Umstände pflichtwidrig zu handeln genötigt werden.

Ich schrieb meinem lieben Baron meine neue Station, welcher sehr unzufrieden damit war und mich bloß unter der Bedingung dableiben ließ, daß ich ihn wöchentlich einmal besuchen sollte. Mein Vater gab seine Einwilligung leicht und ermahnte mich im flüchtigsten Ton von der Welt, eine ordentlichere Lebensart anzufangen. Ich denke, der gute Mann tat das nur so zum Schein, weil er glaubte, es sei doch jede ernsthafte Ermahnung an mir verloren. Wie wehe das einem Vater tun muß!

Meine Geschäfte betrieb ich anfangs sehr ämsig; ich ließ mir einen grünlichen Ueberrock machen, kaufte mir einen runden Hut, welchen ich mit einer goldenen Borte auszieren ließ, und ging in diesem Ornate tagtäglich auf die Jagd. Die Titulaturen »Vikarius« und »Kandidat« verbat ich mir überall, indem sie mich nur an meine Fatalitäten erinnerten. Ich kann eben darum noch nicht begreifen, wie manche abgedankte Offiziere und Beamte ihre Titulaturen so eifrig suchen aufrecht zu erhalten, da es doch sehr oft eine Art von Vorwurf für sie ist, wenn man sie noch so nennt, wie man in ihrem Dienste sie nannte.

Das Ding mit meiner Jägerei machte Aufsehen, und es fing an, zu scheinen, als wenn selbst Herr von Zwirnlein die Metamorphose aus einem Kandidaten in einen Jäger eben nicht hätte haben wollen; denn der Sekretär Schlosser schrieb an meinen Vater, meine Lage könnte immer noch verbessert werden, ich müßte nur eine Supplik eingeben, hübsch pater peccavi sagen und hernach von neuem Gehorsam versprechen; alsdann würde alles schon gut gehen. Allein das war mir erstlich nicht gelegen, und meine übrigen Zerstreuungen verhinderten vollends alles.

Der Wirt Schmid mag es doch nicht so gut mit mir gemeint haben, als er sich anstellte. Denn ich war kaum vierzehn Tage in Guntersblum, als er mir einen Schurkenstreich zumutete, den ich beinahe hätte ausführen helfen, wenn der Major, der davon erfuhr, mir nicht sehr ernstlich abgeraten hätte. Ich sollte nämlich den Kaiserlichen Notarius spielen, und in Gesellschaft einiger Halunken einen guten ehrlichen Mann um zehn Faß Rheinwein betrügen helfen. Für meine Dienste sollte ich 50 Gulden erhalten, hätte aber vielleicht auch, wenn's herausgekommen wäre, aufs Schloß marschieren müssen. Der Bubenstreich ist hernach ohne mich doch ausgeführt worden.

 

Seit meiner theologischen Donquichoterei in der Pfalz hatte ich Theresen wenig gesehen, und aller vertraulicher Umgang, aller Briefwechsel hatte schon längst aufgehört. Meine Zerstreuungen waren zu groß und meine Bekanntschaften zu ausgebreitet, als daß ein so sanfter Affekt, wie die Liebe, in meiner Seele noch hätte haften können. Freilich dachte ich noch dann und wann ans gute Kind, aber beim Andenken blieb's. Ich hatte eine Menge Frauenzimmerbekanntschaften gemacht, und, wo ich hinkam, fand ich so was zum Zeitvertreib. Das waren nun freilich Liebschaften nach der Pfälzer Mode, wobei bloße Sinnlichkeit, oft bloße Langeweile ins Spiel kamen. Bei dergleichen Affären bleibt man so kalt wie Eis: man lügt da was her von Liebe, von Treue, aber in einer Stunde kommt man sonst wohin, und alles wird vergessen. Ich wenigstens kann mich nicht erinnern, daß meine Lorchen, Malchen, Karolinchen, Lutschen und andere mich auch nur um eine Viertelstunde Schlaf gebracht hätten.

Es müssen noch eine Menge Liebesbriefe und billets doux von mir in der Pfalz sich vorfinden: daß sie sollten vernichtet sein, kann ich deswegen nicht glauben, weil das Pfälzer Frauenzimmer dergleichen Sächelchen gern aufhebt, um bei Gelegenheit mit Eroberungen Parade zu machen. Ich habe eine große Menge ähnliches Zeug gehabt, wovon ich leicht eine Sammlung, so groß wie die des Cicero, in sechzehn Büchern hätte machen können.

Daß Thereschen von meiner Flatterhaftigkeit Nachricht eingezogen und sich darüber nicht wenig gekränkt habe, hab' ich hernach von ihr selbst erfahren. Therese war kein Mädchen vom gewöhnlichen Schlage: sie dachte gesetzt und hatte natürliche wahre Empfindung. Schade für das herrliche Geschöpf, daß ihre Neigung gerade auf mich gefallen war! Wie glücklich hätte sie einen Würdigeren machen können!

Im November 1781 wollte ich dem Pfarrer Stuber in Flonheim meine Aufwartung machen: ich hörte, daß des katholischen Pfarrers Vetter, ein alter Duzbruder von mir, auch da sei, lief hin, und – wie erschrak ich, als ich im Pfarrhause meine Therese erblickte. Kaum konnte ich sprechen, doch endlich ward mir's wieder etwas leichter. Theresens Vater, ein vertrauter Freund des Pastors, verwies mir ganz höflich meine wenige Aufmerksamkeit, und wunderte sich, daß ich ihn in so langer Zeit nicht besucht hatte. Ich entschuldigte mich, so gut ich konnte, und versprach, auf der Rückreise bei ihm vorzusprechen.

Drei Tage brachte ich in Flonheim zu, und dann nahm ich meinen Wanderstab wieder zur Hand. Ich ging durch Theresens Dorf, aber erst ins Wirtshaus, wo ich mir in einigen Schoppen Wein Mut trank: und so schlich ich unter großem Herzklopfen nach Theresens Wohnung. Der Alte empfing mich freundlich und ließ mich gleichsam absichtlich bald darauf mit seiner Tochter allein.

Einige Minuten war unser Gespräch allgemein, dann fing das gute Mädchen bittere Klagen über mich an, und rückte mir meine Vergehungen und Versündigungen recht eindringlich vor. Ich räumte alles ein, klagte mich selbst an und schilderte ihr meine Lage, die ich freilich selbst verschuldet, ja schon um sie allein verdient hätte, mit recht grellen Farben. Mädchen von Theresens Art sind gute Kinder! Sie ward jetzt weich und fing an zu weinen; ich weinte bald mit, erhielt Vergebung und hieß wieder lieber Junge, lieber Fritz, wurde geduzt und geküßt und schwamm von neuem in lauter – unverdienter Seligkeit! Daß ich versprechen mußte, Mittel und Wege aufzufinden, um unsere Verbindung bald möglich zu machen, versteht sich von selbst. Ich mußte auch schwören, wenn man mir ein Mittel von der Art anzeigen würde, ohne Bedenken einzuwilligen. Ich tat das alles herzlich gern und war froh, daß ich für so viele Sünden so wenig bestraft wurde.

Der Kapuziner Hermenegild war aus dem Alzeyer Kloster versetzt worden; also konnte mir dieser mit seinem Mentorrat nicht weiter beistehen. Aber der Pastor Neuner war noch übrig. An diesen schrieb ich einen ellenlangen lateinischen Brief und bat um Auskunft. Seine Antwort war nicht sehr erfreulich: ich hätte in der Pfalz zu viele Feinde, um auf eine Versorgung rechnen zu können, jedoch würde mein Uebertritt zur katholischen Kirche wieder viele meiner Feinde mit mir aussöhnen. Ich besuchte also gleich Herrn Neuner selbst, mußte aber da eine scharfe Predigt wegen meiner Atheisterei anhören. Ich erwiderte, daß ein Protestant als solcher nichts anderes sein könnte, als ein Freigeist oder ein Dummkopf. Diesen Satz hatte ich aus P. Neumeyers Buch aufgefangen. »Ein Protestant,« sagte ich, »ist ein Christ, aber ohne Fundament. Er nimmt die Bibel als göttlich an, welche doch ohne das Zeugnis der Kirche kein Ansehen haben kann. Der heilige Augustin sagt ja selbst, er würde dem Evangelium nicht glauben, wenn ihn nicht das Ansehen der Kirche dazu bestimmte. Hierzu kommen die großen Uneinigkeiten und Zänkereien unter den Protestanten selbst. Wer soll da recht haben: Luther oder Calvin? Sehen Sie, Herr Pfarrer, den Ursprung meiner Freigeisterei? Aber im System der katholischen Kirche finde ich alle Zweifel gehoben und ebensoviel Gewißheit, als in Kästners Geometrie.«

Herr Neuner schien mit diesem Gallimathias zufrieden zu sein und versprach, sich bestens zu meinem Vorteil zu verwenden; allein, obgleich die katholischen Pfaffen gern ihre Kirche zu mehren suchen, sei's auch mit unwürdigen Mitgliedern, so muß doch diese Mehrung einem größeren eigenen Interesse nicht zuwider sein. Und das war der Fall bei Herrn Neuner: er hatte nämlich einen anderen Herrn im Sinne, der ihm eine Partie für Thereschen zu sein schien. Und so suchte er mich zu untergraben.

Zugleich ging ich nun auch meinen Baron F. an, mich irgendwo unterzubringen.

Baron: Ja, Bruder, das Unterbringen so auf der Stelle, das ist nun so eine Sache; ich weiß dir, mein Seel, nicht zu raten.

Ich: Nicht? Und hast Freunde von Einfluß? Deinen Oheim, den Domherrn – deinen Vater –

Baron: Ja, freilich: aber im Erzstift! Du weißt ja, Bruderherz, kein Protestant kann da ankommen.

Ich: Wohl! Wie aber, wenn ich katholisch würde?

Baron (erstaunt): Du – katholisch?

Ich: Warum nicht!

Baron: Weil du 'n gescheuter Kerl bist: weil du 'n Freigeist bist: weil du scheinst Ehre im Bauch zu haben!

Ich: Ist's denn so unehrlich, wenn man die Religion ändert?

Baron: Allerdings, wenn's geschieht, um Geld, Amt oder 'n Mensch zu bekommen. Pfui! (Spuckt aus.)

Ich: Aber Bruder, wenn man glücklich werden kann!

Baron: Ei was! glücklich kannst du doch werden: brauchst nicht gerade erst einen Lumpenstreich vorzunehmen. Ja, wenn du bei'n Lutheranern verfolgt würdest, oder sie dir deine natürliche oder bürgerliche Freiheit widerrechtlich beschränkten, dich drückten oder dir dein ruhiges Fortkommen unter sich erschwerten, da ließ ich's noch gelten: aber so – kann ich´s unmöglich billigen. Ich bitte dich daher, schweig mir von den Possen still! Und führst du ja so etwas aus, so sag ich dir gerade ins Gesicht: wir sind geschiedene Leute!

Also war's mit F. nichts.

Pastor Neuner aber, statt für mich zu agitieren, fing nun an, meine Lebensart und meinen Charakter bei meinem Mädchen anzuschwärzen und mich als einen schuftigen Kerl hinzustellen. Aber da kam er schön an! Meister Neuner verzweifelte schon an dem Fortgang seines Geschäfts, besonders, da er erfuhr, daß ich den Herrn Amtmann öfters besuchte und er mich jedesmal freundlich aufnähme. Lange verbarg man mir seine Tücke, bis endlich Therese mir riet, mich vor dem Pfaffen in acht zu nehmen; so und so spräche er von mir, und das und das wäre seine Absicht. – Ich ward grimmig böse und schrieb ihm gleich einen Brief voll Gift und Galle, worin ich ihm die derbsten Titel beilegte. Dies wirkte beim Pfaffen; er begab sich sogleich zu meinem Vater und verriet den ganzen Handel. Dieser wurde nur noch mehr gegen mich aufgebracht und schickte mir ein lateinisches Billett, worin er mir befahl, sogleich zu ihm zu kommen, um ihm Rechenschaft über eine Sache abzulegen, welche er wegen der Größe der Bosheit nicht glauben könne.

Ich erschrak freilich sehr über dies Zettelchen und konnte mich durchaus nicht entschließen, der Einladung meines Vaters, den ich schon seit einigen Monaten nicht gesehen hatte, Gehör zu geben. Ich antwortete also ganz kurz: mir wäre nicht recht wohl, sobald mir aber besser sein würde, käme ich gewiß.

In der Bedrängnis meiner Seele lief ich zu Thereschen; aber auch da war ein großer Brief von meinem Vater; ich konnte das Ding nicht aushalten. Der alte Amtmann gab mir harte, sehr harte Worte, Therese schwamm in Tränen, und ich stand da, wie vom Blitz gelähmt und sprachlos.

Endlich lief ich fort und ging zum Schulzen, wo ich meine Grillen in Wein zu töten suchte. Gegen Abend fuhr ich ab und traf mein Mädchen noch einmal auf meinem Wege, eine halbe Stunde von ihrem Dorfe. Wir sprachen wenig und weinten desto mehr. Therese versprach mir, auf keinen Fall in Pastor Neuners Vorschlag einzuwilligen. Das edle Mädchen hat auch Wort gehalten; des Pfarrers Schützling, Mosje Firlefanz, bekam den Abschied, und vor fünf Jahren, als ich die Pfalz besuchte, war Therese noch ledig. Ich weiß, daß mehrere um sie geworben haben, daß sie aber jeden Antrag dieser Art verboten hat. Ich bin nicht stolz genug, dieses ihr standhaftes Betragen ihrer Liebe gegen mich zuzuschreiben: aber etwas muß doch mein Andenken dabei bewirkt haben.

Der Baron F. ward endlich noch mein Trost in dieser meiner Verlegenheit, welche mir zentnerschwer auf dem Herzen lag. Gedrängt von innen und außen, besuchte ich ihn neuerdings und erzählte ihm alles, was mir begegnet war und was ich noch weiter befürchtete. Der Baron schien anfänglich gerührt, legte aber die ganze Sache bald auf die leichte Achsel, nahm mich mit in Dillmanns Garten und mußte da so viel Schnurren und Schnaken anzugeben, daß ich beim Wein – Vater und Theresen und Verlegenheit und alle Welt vergaß und so selig ward, als irgend ein Ratsherr in Addera je sein konnte. So ging das Leben einige Tage fort. Darauf gab F. mir zu verstehen, daß ich ihn bald nach Straßburg begleiten sollte, und daß wir da hoch leben würden. Das Ding gefiel mir: ich sagte sogleich ja und nahm meinen Rückweg nach Guntersblum. Einige Tage hernach erschien mein Herr von F. und forderte, daß ich sogleich aufpacken sollte: es ginge vorwärts. Herr von Goldenberg sah es freilich nicht gern, daß ich ihn, seine Jagden und seinen Keller verlassen wollte: aber er mußte es schon geschehen lassen und sich damit trösten, daß ich bald würde zurückkommen.


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