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Erstes Kapitel

Meine Geburt – Mein Vater und seine philosophischen Ansichten. – Theologische Unduldsamkeit in der Pfalz. – Meines Vaters alchymistische Studien und Goldmacherei. – Sein Faktotum Eschenbach. – Meine Mutter. – Meine Tante. – Soviel vermögen Tanten und Gesinde! – Knabenstreiche. – Vorliebe meiner Tante für den Wein, und mein frühzeitiger Durst. – Mein Lehrmeister im Fluchen und Zotenreißen. – Erster Schulunterricht. – Schönschreiben und Latein.

Um meine Lebensgeschichte etwas methodisch einzuleiten, muß meine Erzählung doch wohl von der Zeit und dem Orte anfangen, wo ich geboren bin. Das ist geschehen im Jahre 1758 zu Wendelsheim, einem Orte in der Unterpfalz, der zur Grafschaft Grehweiler gehört. Mein Vater war Prediger dieses Orts und genoß einer ganz guten Besoldung bei einem sehr ruhigen Dienste. Das ist nun freilich in der Pfalz eine seltene Sache, indem die lutherischen Pfarrer durchaus schlecht besoldet und dabei mit Arbeit überladen sind: wenigstens in den eigentlichen Pfälzer Pfarreien, denn die gräflichen und ritterschaftlichen befinden sich besser. Leider aber werden diese besseren Stellen auch jedesmal, wenn eine erledigt wird, an den Meistbietenden verkauft oder ordentlich versteigert. Mein Vater war jedoch so glücklich gewesen, seine Stelle ohne einen Kreuzer Ausgabe dafür zu erhalten, und dies von dem Kurfürsten zu Mainz, der daselbst Patron ist, und der, als Erzbischof einer heiligen Kirche, eine ketzerische Pfarrstelle wohl nicht ohne Geld hingegeben hätte, wenn nicht andere Gründe dagewesen wären. Mein Vater hat mir diese Gründe zwar niemals entdeckt; daß sie aber dagewesen sein müssen, erhellet daraus, daß all und jede gute protestantische Pfarre, welche der Kurfürst zu Mainz vergibt, von alten Zeiten her bis auf den heutigen Tag verkauft wird. Der jetzige Inhaber der Pfarrei zu Wendelsheim hat, wie ich aus Briefen weiß, tausend Gulden rheinisch dafür bezahlen müssen.

Mein lieber Vater hat sich, ohne Ruhm zu melden, von den übrigen protestantischen Herren Pfarrern in der Pfalz merklich unterschieden. Er hatte in seiner Jugend sehr fleißig studiert und besonders die Wolffische Philosophie zu seinem Lieblingsstudium gemacht. Er bekannte mir oft, daß ihn die Grundsätze der Wolffischen Metaphysik dahin gebracht hätten, daß er an den Hauptdogmen der lutherischen Lehre zweifelte. In der Folge, da er sein Studium nicht, nach Art so vieler geistlicher Herren, an den Nagel hängte, untersuchte er alle Dogmen seines Kompendiums und verwarf sie alle, da er sie mit den Sätzen seiner lieben Metaphysik unvereinbar fand. Endlich fiel er gar auf die Bücher des berüchtigten Spinoza, wodurch er ein vollkommener Pantheist ward.

Ich kann dies meinem Vater jetzt getrost nachsagen, da er tot ist und wohl nicht zu vermuten steht, daß ihn die hyperorthodoxen Herren in der Pfalz werden ausgraben lassen, wie dies vor ungefähr vierzig Jahren dem redlichen Bergmeister Schittehelm von Mörsfeld geschehen ist. Es ließen nämlich die protestantischen Geistlichen zu Kreuznach diesen hellsehenden Kopf als einen Edelmannianer Johann Christian Edelmann, bekannter Freidenker, geboren 1698 zu Weißenfels, studierte in Jena Theologie, hielt sich 1735 einige Zeit beim Grafen von Zinzendorf auf und ging 1736 nach Berleburg, wo er an Haugs Bibelübersetzung teilnahm. Er kann als der erste ausgesprochene Gegner des Christentums in Deutschland bezeichnet werden, wenngleich seine zahlreichen Schriften bald vergessen waren. Er selbst wanderte, ein langbärtiger Apostel, in Norddeutschland umher, wurde vielfach verfolgt und vertrieben und erhielt endlich, unter der Bedingung, nichts mehr zu schreiben, den Aufenthalt in Berlin gestattet, wo er am 15. Februar 1767 gestorben ist. L. herausgraben und so dicht an dem Nahefluß einscharren, daß ihn der Strom beim ersten Anschwellen heraus- und mit sich fort riß. Dergleichen Barbarei wird man doch, hoffe ich, am Ende dieses Jahrhunderts nicht mehr begehen.

Sonst war mein Vater sehr behutsam in seinen Reden über die Religion; nur seinen besten Freunden vertraute er dann und wann etwas von seinen Privatmeinungen und bekannte mir oft in traulichen Gesprächen, er wünsche gar nicht, daß sein System Leuten bekannt würde, welche einen moralischen Mißbrauch davon machen könnten.

Mein Vater hatte in den Sprachen und Wissenschaften viel geleistet. Er verstand recht gut Latein und war in den morgenländischen Sprachen, wie auch in der griechischen, gar nicht unerfahren. Seine Predigten waren nicht ausgeschrieben, und das heißt in der Pfalz viel, sehr viel! Denn da reiten die Herren, was das Zeug hält, die alten Postillen zusammen: ja das ist schon ein rechter Mann, welcher aus Martin Jockisch' sel. expeditem Prediger, aus Pastor Gözens Dispositionen oder aus einem anderen Tröster von der Art eine Predigt zu fabrizieren imstande ist. Den meisten Herren muß alles von Wort zu Wort vor der Nase stehen, sonst verlieren sie gleich den Zusammenhang. So war aber mein Vater nicht: er arbeitete seine Dispositionen und Predigten selbst aus und trug weit mehr Moral als Dogmatik vor. Niemals konnte er sich entschließen, die Sabellianer, Arianer, Eutychianer, Pelagianer, Apollinaristen, Deisten und andere alte und neue Ketzer auf der Kanzel zu befehden, nach Art seiner Herren Amtsbrüder, und dieses wollte man eben schon von seiten dieser Herren nicht sehr loben. Sogar beging er den Fehler, daß er die Katholiken und Reformierten ihr Kirchenwesen ruhig für sich treiben ließ: ein Benehmen, das ihn bei den dortigen kontroverssüchtigen Herren vollends in Mißkredit brachte. Aber er bekümmerte sich um die Herren nicht und wandelte seinen Pfad getrost für sich fort.

Außerdem war mein Vater ein unerschütterlicher Freund jeder bürgerlichen und gesellschaftlichen Tugend. Seine Ehrlichkeit kannte ebensowenig Grenzen, als sein Bestreben, gegen jedermann gefällig zu sein und jedem Notleidenden zu helfen.

Dabei hatte mein Vater indes auch seine großen Schwachheiten; aber doch auch nur Schwachheiten und keine Laster. Er war – daß ich nur etwas davon anführe – ein großer Kenner der Alchimie und wollte durchaus Gold machen. Ein gewisser Mosjeh Fuchs, welcher um das Jahr 1760 wegen Geldmünzerei und anderer Halunkenstreiche in Schwaben gehangen worden ist, hatte ihn mit den Geheimnissen dieser edlen Kunst bekannt gemacht. Er fing an zu laborieren und las dabei die herrlichen Bücher des Basilius Valentinus, Baptist Helmontius und seines noch tolleren Sohnes, Meister Merkurius Helmontius, Paracelsus, Becher, Sendivogius – den er besonders hochhielt – und anderer theosophischer, alchimistischer Narren und Spitzbuben. Die Lektüre dieser Scharteken verwirrte ihm den Kopf und machte, daß er jahraus, jahrein den Stein der Weisen suchte und beträchtliche Summen bei dieser unseligen Bemühung verschwendete.

Meine Mutter machte dem verblendeten Mann die triftigsten Vorstellungen, welche nicht selten in Zwist und Spektakel ausarteten; aber alles umsonst. Er laborierte frischweg und versicherte mehr als einmal, daß er das große Magisterium nunmehr gefunden hätte und demnächst Proben davon geben würde. Der Apotheker Eschenbach in Flonheim war meines Vaters treuer Gehilfe. Dieser war bankerott geworden, zwar nicht durch Alchimie, sondern durch sein Saufen und durch die Spitzbübereien des Abschaums aller Spitzbuben, des verstorbenen Rats Stutz in Flonheim. Eschenbach, welcher arm war und keinen Unterhalt wußte, war froh, daß ihn mein Vater zu seinem Kalfaktor, oder wie sie ihn nannten: Kollaboranten und Mitphilosophen aufnahm. Er half nicht nur getreulich laborieren, sondern schaffte noch alle alten vermoderten Bücher herbei, welche die Kunst, Gold zu machen, lehren sollten. Hätte mein ehrlicher Vater statt der Wolffischen Metaphysik die physischen Werke dieses Philosophen studiert, so würde viel Geld erspart und manches nachgerade unterblieben sein. Er hatte einige Jahre vor seinem Tode aufgehört zu laborieren, aber noch 1787, als ich ihn zum letztenmal besuchte, behauptete er, daß die Goldkocherei allerdings eine ausführbare Kunst sei. Es ist nur schade, fügte er hinzu, daß man so viel Lehrgeld geben muß und doch keinen erfahrenen Lehrmeister haben kann.

Meine Mutter, welche noch lebt, ist eine ganz brave Frau, und so habe ich sie immer gekannt. Sie ist eine Enkelin des ehemals berühmten Rechtsgelehrten Johann Schilter von Straßburg. Mein Vater hatte sie aus Liebe geheiratet, und sie schien immer eingedenk zu sein, daß sie ihm nichts zugebracht hatte. Sonst hat sie, wie alle Weiber, ihre kleinen und großen Mängel, die ich eben hier nicht angeben mag.

Von meinen ersten Jahren und meiner früheren Erziehung kann ich nur wenig anführen. Mein Vater hatte eine Schwester bei sich im Hause, welche niemals – wer weiß, warum? – verheiratet gewesen ist. Diese führte die besondere Aufsicht über uns Kinder, war dabei aber so nachgiebig, daß sie alle unsere kleinen Teufeleien nicht nur vor den Augen unserer Eltern fein tantisch verbarg, sondern selbigen nicht selten noch gar Vorschub tat. Und so ward ich früh unter den Bauern als ein Bube Nach der Pfälzer Sprache heißen alle Jungen Buben, die Bauern nennen ihre Söhne so, bis sie heiraten. bekannt, der es, mit den Pfälzern zu reden, faustdick hinter den Ohren hätte und ein schlimmer Kunde werden würde. Noch jetzt erinnere ich mich mit Unwillen oder manchmal mit Wohlgefallen, je nachdem meine Seele gestimmt ist, an die Possen und Streiche, welche ich in meiner ersten Jugend gespielt habe.

Der alte Eschenbach hatte sich einmal entsetzlich betrunken und saß schlafend auf einem Strohstuhl in unserer Scheune. Ich war allein zugegen und bemerkte, daß Wasser von dem Stuhle herablief; husch, nahm ich ihm die Perücke vom Kopf, hielt sie darunter, ließ sie vollaufen, stürzte sie ihm wieder auf den Kopf, doch so, daß der Haarbeutel übers Gesicht zu hängen kam, und entfernte mich. Der alte Säufer erwachte darüber, lief auf den Hof und schrie einmal übers andere: Wer tut mich mit Wasser schütten! Mein Vater erfuhr den Vorgang, und statt mich zu züchtigen, sagte er nichts als: 's ist ein Blitzbube! Hat er den alten Saufaus nicht bezahlt! Habeat sibi.

Meister Trippenschneider handelte mit Essig, Zwiebeln und Salz, welches alles er auf einem Esel herumführte. Einst kam er in unseren Flecken und ging in meines Vaters Haus, um da seine Waren anzubieten. Flugs steckte ich dem Tier angezündeten Schwamm hinters Ohr: der Esel ward wild, warf seine Ladung ab, wobei das Salz verschüttet und die Essigfäßchen zerbrochen wurden. Man untersuchte genau, woher das Tier so wild geworden man aber man fand auch keine Spur von einer Ursache. Meister Trippenschneider erklärte endlich den Zufall aus der Feindschaft der Schlampin, einer alten Frau, welche bei uns für eine Hexe galt. Diese sollte den Esel durch ihre Hexereien so in Harnisch gejagt haben. – Ich für mein Teil freute mich, konnte aber nicht schweigen, und so erfuhr mein Vater den Urheber des Spektakels. Ich erhielt Ohrfeigen zur Belohnung und Meister Trippenschneider Ersatz seines Schadens. Meine Tante pflegte hernach dieses Stückchen als einen Beweis meiner Fähigkeiten anzuführen, wenn sie für gut fand, ihre Affenliebe gegen mich durch Lob zu äußern.

Meine Tante war eine große Freundin vom Trunk, und diese Neigung ging so weit, daß sie sich nicht nur oft schnurrig machte, sondern auch dann und wann recht derb besoff. Mein Vater schloß also, wenn er mit meiner Mutter über Feld ging, den Keller zu und ließ der Tante bloß ihr Bestimmtes. Diese machte aber die Entdeckung, daß eins von den Kellerfenstern ohne eiserne Barren und bloß mit einem hölzernen Gitter verwahrt war. Das Gitter konnte leicht weggenommen werden; ich mußte mich also an einem oben befestigten Seile herablassen. Inwendig öffnete ich sodann die Kellertür, und Mamsell Tante konnte sich nach Herzenslust Wein holen. Für sie selbst hätte es hingehen mögen, denn sie war einmal – wie die meisten Frauenzimmer in der Pfalz – ans Trinken gewöhnt; daß sie aber auch mich, einen Knaben von sechs Jahren, zum Weintrinken anfeuerte, das war im höchsten Grade unrecht. Ich würde sagen, daß es schändlich war, weil sie dadurch den Grund zu vielen meiner folgenden Unfälle gelegt hat; aber ihre Affenliebe zu mir ließ sie bloß auf Mittel sinnen, wie sie mir Vergnügen machen könnte; an nachteilige Folgen dachte sie nicht.

Auf diese Art wurde ich also in der zartesten Jugend ein Säufer! Oft wurde ich durch den Trunk meiner Sinne beraubt, und dann entschuldigte mich die Tante, wenn ja die Eltern nach mir fragten, durch Vorgeben: daß mir der Kopf wehe täte, daß ich schon schliefe usw. Mein Vater erfuhr demnach von meinem Trinken nichts.

Zu den schönen Künsten, womit meine Jugend ausgerüstet war, gehört auch das Fluchen und Zotenreißen. Unser Knecht, Johann Ludwig Spangenberger, unterrichtete mich in diesen sauberen Künsten zu früh und zu viel. Er erklärte mir zuerst die Geheimnisse der Frauenzimmer und brachte mir leider soviel Theorie davon bei, daß ich instand gesetzt wurde, zu den schamlosen Neckereien und Gesprächen des Gesindes In der Pfalz scheinen die Zoten wie zu Hause zu sein; besonders herrscht unter den gemeinen Leuten eine solche Schamlosigkeit im Reden, daß auch ein preußischer Musketier über die unlauteren Schäkereien der Pfälzer Hänsel und Gretel erröten würde. L. mein Kontingent allemal richtig und mit Beifall zu liefern. Und seitdem der Knecht mich so unterrichtete, suchte ich seine Gesellschaft mit aller Emsigkeit und versah ihn mit Tabak aus meines Vaters Büchse; es war natürlich, daß sein Unterricht hierdurch zunahm. Da auch Meister Hans Ludwig wie ein Landsknecht fluchen konnte, so ahmte ich ihn auch hierin so getreulich nach, daß jedesmal, wenn ich redete, das zweite Wort eine Zote und das dritte ein Fluch war. In meiner Eltern Gegenwart entfuhren mir anfänglich auch derlei Unflätereien; da ich aber bald merkte, daß sie das nicht leiden konnten, ward ich vorsichtiger und sprach bescheiden; aber nur in ihrer Gegenwart.

Es läßt sich denken, daß es nicht bloß bei Ludwigs Theorie geblieben ist: ich bekam bald Lust, auch das zu sehen und das zu erfahren, wovon ich so viel gehört hatte. Dazu fand ich Gelegenheit bei einer unserer Mägde, welche gerne zugab, daß ich bei ihr alles das untersuchte, was mir Hans Ludwig als das non plus ultra der höheren Kenntnisse angepriesen hatte.

So war meine erste Erziehung beschaffen, oder vielmehr so wurde das wenige Gute, welches mein Vater durch Unterricht und Ermahnen in mich zu bringen suchte, durch Verführung und böses Beispiel anderer verhunzt und vernichtet.

Ich muß es meinem guten Vater zwar nachrühmen, daß er mich oft und mit aller Herablassung und Sanftmut unterrichtet hat: ja, er hielt mir anfangs keinen Lehrer, weil er glaubte, daß der Unterricht eines Vaters jenem eines Lehrers bei weitem vorzuziehen sei; und darin hatte er nun freilich recht. Allein er hätte mehr auf meinen Verstand und mein Betragen, als auf mein Gedächtnis Rücksicht nehmen und das letztere nicht bloß mit einseitigen Kenntnissen ausfüllen sollen. Denn da unsere Lehrstunden nicht lange dauerten, und ich das, was ich außer denselben auswendig zu lernen hatte, mit meinem ziemlich glücklichen Gedächtnis ziemlich faßte, so entzog ich mich seiner Aufsicht und benutzte meine übrige Zeit, da mein Vater in seiner Studierstube oder im alten Hause mit Goldlaborieren beschäftigt war, zu allerhand kleinen Teufeleien. Meine Mutter gab vollends noch weniger auf die Aufführung ihrer Kinder acht, und so waren wir größtenteils uns selbst überlassen.

Mein Vater setzte ferner, wie viele Väter, die Erziehung in den Unterricht: lernen hieß bei ihm erzogen werden, und ein junger wohlerzogener Mensch bedeutete ihm bloß einen Jüngling, der seinen Cicero und Virgil lesen, die Städte. Flüsse u. dgl. auf der Landkarte anzeigen, die Namen der großen Heroen, die Schlachten bei Marathon, Cannae usw. auf dem Nagel herzählen und dann endlich französisch plappern konnte. Dies, sagte er, ist für einen Knaben genug: das übrige gehört für die höheren Schulen! Wie sehr er hierin geirrt hat, darf ich nicht erst sagen.

Vom Schönschreiben war mein Vater kein Freund; docti male pingunt, sagte er. und so war es hinlänglich, wenn ich nur schreiben, d.h. Kratzfüße machen konnte. Er ging hierbei in seiner Pedanterie so weit, daß er den Verfasser eines mit schönen Schriftzügen geschriebenen Briefes jedesmal für einen Ignoranten erklärte. Diesem Vorurteil meines Vaters verdanke ich es. daß ich immer elend und unleserlich geschrieben und dadurch schon mehrere Flüche und Verwünschungen der Drucksetzer verdient habe.

In die deutsche Schule zum Katechismus oder zum Religionsunterricht wollte mich mein Vater aus guten Gründen nicht schicken. Er war, wie meine Leser schon wissen, Pantheist, mußte folglich die Art, wie man Kindern in den Schulen von der Religion vorschwatzt, von Herzen verabscheuen: ich durfte also den Katechismus nicht lernen und habe ihn auch nie gelernt. Erst in Gießen, als ich Dr. Benners Vorlesungen über die Symbolik hörte, las ich den Katechismus Lutheri mit allem Ernst.

Dagegen wurde schon in meinen früheren Jahren das Latein mit mir angefangen, und zwar aus Amos Comenius' bekanntem Buche, dem Orbis pictus. Ich muß gestehen, daß ich diesem Buche vieles verdanke: es ist das beste, um Kindern eine Menge Vokabeln und lateinische Redensarten spielend und ohne allen Ekel beizubringen. Ein Knabe, der den Orbis pictus treibt, kommt in drei Monaten im Latein weiter, als er durch den Gebrauch der sogenannten Chrestomathien und Lesebücher in einem Jahre kommen kann. Neben dem Orbis pictus wurden die Trichter des Mugelius getrieben, und dadurch ward ich nach dem gewöhnlichen Schlage in der Grammatik fest. Mein Vater hatte den guten Grundsatz, daß die Grammatik das Fundament der Sprachlehre ausmachen müsse.


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