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Zehntes Kapitel.

Unstätes Leben. – Mein Freund, der Baron von F. – Wie man einen Duzbruder bekommt. – Ein Kuppler und Stellenvermittler für Geistliche in einer Person. – Erbauliches Gespräch. – Unterhandlungen wegen des Kaufes einer Pfarre. – Reise nach Franken. – Mein Vikariat in Obersaulheim. – Heiratspläne. – Ich mache mir mächtige Feinde und werde meiner Vikarstelle enthoben. – Mein Vater sagt sich von mir los.

Nachdem ich in Darmstadt durchgefallen war, durchirrte ich, aus Langerweile und Unlust gegen das Daheimsitzen, die ganze umliegende Gegend, unstät und flüchtig, fast wie Kain. Meine vielen Bekannten in dem Kreise erleichterten mir mein Leben, und oft verflossen drei bis vier Wochen, ehe ich wieder der Wohnung meines Vaters zueilte. Dieser war zwar mit meinem Umherlaufen wenig zufrieden, weil er es aber dem Mißmut zuschrieb, den ich seiner Meinung nach über mein Mißgeschick empfand, so ließ er's, unter der väterlichen Einschränkung, keine Exzesse zu machen, gut sein. Aber wenn ich beim Chirurgus L., im »Bock« zu Flonheim oder sonst in einer Kneipe kampierte, so wurde nicht nur sehr scharf gezecht, sondern auch anderer Unfug getrieben.

Ich verlor durch dieses rohe und unbestimmte Leben nach und nach alle Achtung für meinen Kandidatenstand, und da galt es mir gleich viel, mit wem ich umging, wovon ich redete und wie ich mich betrug. Ich saß oft ganze Nächte in den Bauernkneipen und redete mit den besoffenen Kerls über allerlei. Die Leute hörten mich immer gern schwatzen, und da ich in jener Gegend für einen Gelehrten passierte, so schätzten sich´s fast alle für eine Ehre, wenn ich bei ihnen saß und mit ihnen zechte. Meine Freunde ermahnten mich zwar oft angelegentlich, anders und besser zu werden, wenigstens den Besuch der Wirtshäuser einzustellen. Allein es half nichts: ich estimierte mich selbst nicht mehr, wie sollte ich also für meine Reputation sorgen!

Schon seit einigen Jahren war ich auch mit einem gewissen Baron v. F. aus M. bekannt. Dieser Edelmann war zwar katholisch, aber seiner Praxis zufolge ein Freigeist, zwar mehr aus Leichtsinn und Spottsucht, wie viele dergleichen Helden – denn auch der Unglaube hat seine blinden Anbeter –, als aus Grundsätzen. Er war ein ausgemachter Wüstling, der ganze Tage bei Wein und in Gesellschaft feiler Menscher, nach denen er ohne alle Delikatesse jagte, zubrachte. Zotenreitzen und Fluchen waren seine schönen Künste, und seine einzige Wissenschaft bestand darin, daß er Tag und Nacht auf den Strich ging, Mädchen wie Lerchen fing und ihnen die Taille verdarb. Sonst war er ein ganz guter Mensch, d.h. ganz so, wie wollüstige und kreuzliederliche Leute zu sein pflegen: sie teilen mit, was sie haben, und freuen sich, wenn sie für ihr Geld einen Zirkel gleichgesinnter Menschen errichten können, die ebenso ausschweifen und tollieren wie sie.

Ich kannte ihn schon seit länger, aber unsere Hauptfreundschaft kam, während ich kurze Zeit im Dorfe Udenheim Vikar war, auf folgende Weise zustande. Pastor Jacobi in Niederolm hatte eine Base oder Nichte bei sich, die zwar nicht schön war, übrigens doch Reize genug hatte, junge Leute lüstern zu machen. Ich verkehrte in diesem Hause, das ich, da Udenheim nur eine Stunde weit davon liegt, öfters besuchte. Einst, da ich dahin geritten war und nach abgelegter Visite meinen Gaul aus dem Wirtshaus wieder abholen wollte, rief mich von einem Fenster desselben aus Baron F. an und nötigte mich, auf sein Zimmer zu kommen. Ich tat's, und es wurden zuerst einige Gläser Wein verschänkt. Hernach fragte er sogleich, wen ich besucht hätte, und auf meine Antwort, daß ich beim Pastor gewesen wäre, kam er außer sich und rief: »Ei Schwerenot! da haben Sie ja auch das hübsche Fratzchen gesehen? Schwerenot! wenn ich doch auch da könnte bekannt werden!«

Ich: Das können Sie leicht. Gehen Sie nur hin; der Pastor ist ein höflicher, freundlicher Mann.

Er: Herr, schaffen Sie mir die Bekanntschaft, und – ich verschreibe Ihnen Leib und Seele, wie man sie dem Teufel verschreibt.

Ich: Die Verschreibung ist unnötig. Wissen Sie was? Auf den Sonntag kommt Mamsell Jacobi mit der Tochter des Chirurgus nach Udenheim zu mir. Kommen Sie auch, und Ihre Bekanntschaft ist gemacht.

Er: Topp! Freund! Ihr seid mein Mann. (Greift nach dem Glase.) Auf gute Freundschaft, du und du!

Ich: Blox! Da hab´ ich wieder einen neuen Duzbruder!

Er: Kerl! hol mich der Teufel – bist mein Mann. Nur halt Wort und sei gescheit! – Auf den Sonntag puncto ein Uhr bin ich bei dir.

Meine Akquisition war gut, denn Herr von F. hat mir, solange ich mit ihm umgegangen bin, viel Freundschaft erwiesen.

Nachdem ich in Darmstadt nicht hatte reüssieren können, und mich, wie schon gesagt, in der Gegend unstät umhertrieb, traf ich einst meinen teuren Baron F. beim Lizentiaten M. in Kreuznach, der ein sehr fideler Bruder war.

»Ei, du infamer Schlingel,« schrie er mir entgegen, als ich ins Zimmer trat, »wo kommst du her? Hab' dich ja wer weiß wie lange nicht gesehen! Wollt', der Teufel holte dich!«

Das war nun so ein Kompliment! Aber in unseren Zirkeln waren sie nicht besser gebräuchlich. Ich erzählte ihm mein in Darmstadt gehabtes Malheur. Der Baron geriet in großen Zorn und schimpfte derb über die Kabalen, denn er hatte auch Gefühl, und rechtes Gefühl für das Schickliche und Menschliche.

»Nun,« fuhr er fort, »mußt du mit nach Mainz; ich hoffe, für dich alten Schweden etwas tun zu können.«

Ich mußte auch wirklich mit nach Mainz; hier lebten wir mehrere Tage fidel, und ich gedachte meines Unglücks nicht, denn der Baron machte mir Vergnügen von allerlei Art. Einmal sagte er mir, er wolle einen Kerl kommen lassen, mit dem man den Teufel im freien Felde fangen könnte. Einen solchen Menschen mocht' ich gern einmal sehen, und siehe da! dieser Teufelsjäger war der schon oben beschriebene Mosjeh Brandenburger. Hier ist unser Gespräch:

Baron: Höre, du Höllenbrand, du ordentlicher und außerordentlicher Ambassadeur des Satans, willst du mir zu Diensten sein?

Brandenburger: Von Herzen gern, gnädiger Herr, mit meinem Blute –

Baron: Hat den Henker von deinem Blut! Glaub, hast so nur Wagenteer in den Adern. – Zwei Dinge sollst du mir ausrichten. Einmal besorgst du einige ordentliche Menscher auf den Abend in Dillmanns Garten.

Brandenburger: Blox! gnädiger Herr, da hab' ich Ware! – Mein Seel: Ware, wie Sie noch nicht gesehen haben! – Herrliche Mädel! – Blox! wenn Sie sie sehen, die Augen stehen Ihnen auf, wie einem abgestochenen Kalbskopfe.

Baron: Gut! aber Kerl, wenn die Canaillen nicht koscher sind, so brech' ich dir deinen verfluchten Hals und schicke dich einige Tage früher zum Teufel, verstehst du mich? – Fürs andere will ich dich fragen, ob du keine lutherische Pfarre vakant weißt, da für den (auf mich zeigend).

Brandenburger: O Herr Baron, dazu soll Rat werden. Blox, wenn der Herr Geld anwenden kann und will, so wird's nicht fehlen. Morgen sag' ich Ihnen davon mehr. (Ab.)

Wir marschierten gegen Abend nach Dillmanns Garten, und der Bube hatte Wort gehalten: es waren wirklich einige Mädchen da, dem Gesicht und der Taille nach ganz niedliche Nymphen, welche, sobald wir ankamen, sich zu uns setzten und uns die Zeit so vertrieben, wie man es nur von dergleichen Geschöpfen erwarten kann. Wir blieben die ganze Nacht in diesem Garten, und Herr von F., der die Zeche allein gutmachen wollte, mußte den Morgen gegen 18 Gulden bezahlen, die Gratiale abgerechnet, welche die Mädchen außerdem nebenher bekommen hatten. Wie viel kostet doch Wollust und Ausschweifung nicht! –

Brandenburger besuchte uns den anderen Tag und berichtete uns, daß der Graf Schönborn, Wiesentheidscher Linie, der seine Güter in Franken, oberhalb Aschaffenburg, hat, eine lutherische Pfarre zu vergeben hätte; daß aber der Prediger noch lebe, jedoch den Tod schon auf der Zunge habe, bald abfahren müsse usw. Die Pfarre habe der Graf dem Domvikar Stark übergeben, und diesem erlaubt, ein Subjekt zu wählen und sich von diesem die Gebühren bezahlen zu lassen. Mein F. fand die Sache etwas unglaublich und drohte, dem Brandenburger Nase und Ohren abzuhauen und ihn noch obendrein zu kastrieren, wenn er uns hinterginge. Aber Brandenburger blieb dabei, es sei wahr.

Wir zogen Erkundigung ein, und Herr Stark versicherte, daß Brandenburger wahr geredet habe, daß er es auch wohl zufrieden sei, wenn ich die Pfarrei mit 200 Dukaten bezahlte und erhielte, da sie jährlich 600 Gulden eintrüge usw. Ich äußerte meine Verwunderung gegen Baron F., daß ein angesehener Geistlicher, wie Herr Stark, gegen einen Hurenspediteur, wie Herrn Brandenburger, vertraut sein könnte.

»Ja,« war des Barons Antwort, »da verstehst du den Henker davon! – Die Pfaffen müssen dergleichen Gesindel auf ihrer Seite haben, denn woher bekämen sie sonst ihre Menscher?«

Ich schrieb nun an meinen Vater den Vorfall, doch ließ ich den schuftigen Brandenburger aus dem Bericht. Er antwortete mir wieder, daß er es herzlich gern sähe, wenn ich könnte befördert werden, damit ich nur einmal aus dem liederlichen und wüsten Leben herausgerissen und in eine bestimmte Rennbahn versetzt würde. Ich sollte die Sache mit Herrn Stark gewiß machen, aber auch mit dem Grafen in Mainz, damit das Ding am Ende nicht auch wieder schief ginge; er würde dann, im Fall die Pfarrei mir wirklich konferiert sein würde, das Geld schon bezahlen. Nun wurde ein Aufsatz gemacht, Stark und ich unterschrieben, und Baron F. signierte ihn qua testis. F. schlug mir nun vor, eine Tour nach Franken zu machen, wohin er mich begleiten wollte, um die Pfarrei zu besehen. Mir behagte der Vorschlag, und die Reise ging vor sich. Weil ich ganz nach Burschenart gekleidet war, einen grünlichen Flausch trug, nebst gestreifter Weste, gelben ledernen Beinkleidern, großen Stiefeln nebst einem derben Hieber an der Seite, so ward es mir leicht, mich für einen jenaischen Studenten auszugeben; auch mein Reisegefährte oder vielmehr Reisepatron tat dasselbe. Innerhalb drei Tagen kamen wir in dem Ort an, wo ich nach Brandenburgers Anstalten für die Zukunft den Bauern das Evangelium predigen sollte. Das Dorf hieß, wenn ich nicht irre, Uthoffen und war eben keins von den angesehensten, ob es gleich auch nicht zu den schlechtesten gehörte. Früh morgens, nachdem wir den Abend im Wirtshaus brav gezecht und gespeist hatten, fragte der Baron den Wirt nach dem Befinden des Pfarrers, ob er noch hübsch gesund sei usw. Die Antwort war, daß er zwar gesund, aber schon äußerst alt wäre und es wohl nicht lange mehr machen könnte. Diese Nachricht war mir eben nicht unangenehm. Wir besuchten nun den alten Herrn, F. als Baron Soundso, und ich in schwarzem Gewände als dessen Schloßprediger, und fanden in ihm einen Greis, der zwar kein gelehrter, aber doch ein sehr ehrlicher, aufrichtiger und freundschaftlicher Mann war. Er fühlte sich durch so vornehmen Besuch sehr geehrt und suchte uns nach Kräften zu bewirten.

Nachdem wir uns in Uthoffen zwei Tage lang aufgehalten und von allem unterrichtet hatten, benutzten wir die Gelegenheit, eine Reise durch das Frankenland zu machen, besuchten auch Würzburg und Erlangen, und trafen erst ungefähr nach sechs Wochen wieder in Mainz ein, nachdem wir viele Umschweife und lustige Streiche verübt hatten.

In Mainz statteten wir dem Herrn Grafen von Schönborn und dem Vikarius Stark Bericht von unserer Reise ab und erhielten von beiden die tröstliche Antwort, daß, wenn der alte Prädikant abfahren würde, keiner als ich die Pfarre, versteht sich gegen Erlegung von 200 Dukaten oder 1000 rheinischen Gulden, erhalten sollte. Brandenburger besuchte mich gleich den Tag nach meiner Ankunft in Mainz und erzählte mir mit Entzücken, daß er, wie er sich ausdrückte, ein gewaltiges Mensch für mich aufgetrieben hätte, dessen Vermögen an barem Gelde sich an 6000 Gulden beliefe. Es war eine Müllerstochter im Ingelheimer Grund. Brandenburger verlangte, ich sollte, um die Sache bald in Richtigkeit zu bringen, sogleich mit ihm hingehen, aber ich hatte keine Lust dazu, weil er als mein Freiwerber und Unterhändler ein zu jämmerlicher Schuft war. Gesprochen hatte er den Müller wirklich meinetwegen, auch fürchterlich von mir aufgeschnitten; dies hörte ich nachher von anderen.

Mein Vater war mit meiner donquichotischen Reise nach Franken sehr wenig zufrieden, und er hatte recht. Er kannte mich und mußte sich's schon zum voraus vorstellen, daß ich auf meiner Wallfahrt viele und mannigfaltige Suiten gespielt habe.

Während meiner Abwesenheit hatte der alte Pfarrer Köster zu Obersaulheim, einem rheingräflichen Dorfe, um einen Substituten oder Vikarius angehalten, das Konsistorium in Grehweiler hatte mich zu dieser Stelle ausersehen, und mein Vater drang darauf, daß ich sie annehmen sollte. Sie war auch wirklich des Annehmens wert. Ich hatte da freie Station, d.h. meinen Kaffee, der aber in jenen Gegenden nicht so frequent geschlürft wird, wie in Preußen und Sachsen, meinen Tabak und Wein, mein Reitpferd zum Vergnügen, monatlich 6 Gulden Geld, und endlich alle bei der Pfarrei einlaufenden Akzidenzien. Dafür hielt ich nur Sonntags eine Predigt und nachmittags entweder Kinderlehre oder eine sogenannte Betstunde. Kurz, diese Stelle war nicht unrecht, und ich sistierte mich daher bei dem Konsistorium. Meine Bauern zu Obersaulheim waren mir sehr gewogen; denn ich war gegen sie freundlich und tat auf das Ansehen eines Gelehrten, in welchem Rufe ich bei ihnen stand, Verzicht. Bauern dulden an ihrem Pastor gern alle Fehler, wenn er nur, wie sie sagen, was gelernt hat. Sie entschlossen sich, mich dahin zu bringen, die Tochter des Pfarrers Köster zu heiraten und mir auf diese Art die Hoffnung der Nachfolge zu sichern. Der Schulz und noch einige andere Bauern baten mich daher, in einer dazu angestellten Zusammenkunft, ihnen einen Weg zu zeigen, wie dies Ding am besten zu bewerkstelligen wäre.

Ich schlug vor, daß sie meinetwegen eine Bittschrift beim Konsistorium zu Grehweiler eingeben möchten. Freilich hatte mein Herz gegen die Verbindung mit Mamsell Küster gar sehr viel einzuwenden; sie war wenigstens sechzehn Jahre älter als ich, und dann hatte sie auch nicht die geringste Spur von Schönheit. Sonst schien es ein gutes und stilles Geschöpf zu sein, aber mir wollte sie nicht gefallen, ohnerachtet ich doch auch gar nicht der Kerl war, der viel Wahl vor sich hatte. Ich hatte schon mehrmals eine beinahe festgegründete Hoffnung verloren, war als ein Libertiner bekannt und hatte blutwenig Freunde von Einfluß. Da dachte ich denn, es sei besser, in einen sauren Apfel zu beißen, als gar Hungers zu sterben – und so faßte ich den heldenmütigen Entschluß, durch den Kanal der Mamsell Katharine in den Schafstall der Herde Christi einzugehen, und mein Kreuz als Jünger und Apostel Jesu geduldig auf mich zu nehmen und zu tragen.

Mein Vater hatte gegen diesen Entschluß sehr viel zu erinnern, doch wollte er mir nicht zuwider sein, ebenso dachten auch die Brüder der Mamsell, ohne es mir gerade unter die Augen zu sagen, allein die Mamsell dachte selbst weit anders als wir alle. Sie fand, daß sie für mich und ich für sie von Gott gemacht wäre; daß ein junger Mensch von dreiundzwanzig und ein zahnloses Frauenzimmer von vierzig Jahren ein allerliebstes Pärchen machen würden, und in dieser Voraussetzung fing sie an, die Verliebte und Zärtliche zu spielen. Ihr Schöntun kam aber sehr närrisch heraus und quälte mich ganz abscheulich. Und ich glaube, für jeden braven deutschen Kerl ist nichts unerträglicher und ekelhafter, als Schmeicheleien, Küsse und zärtliches Necken eines verliebten und empfindsamen Weibsbildes, für welches man nichts empfindet.

So wenig Wahrscheinlichkeit auch da sein mochte, daß die Sache zustande kommen würde, so betrachtete sich doch Mamsell Katharinchen schon als meine wirkliche Braut und verlangte daher, eifersüchtig wie alle alten Jungfern, von allen meinen Schritten und Tritten genaue Rede und Antwort.

Die Bauern ließen indes eine Bittschrift verfertigen und reichten selbige beim Konsistorium zu Grehweiler ein. Der Rat Dietsch war mir nicht abgeneigt, und. wäre es auf ihn allein angekommen, so hätt' ich die Pfarre erhalten; aber das Konsistorium konnte nicht resolvieren, sondern mußte die Sache dem Administrator überlassen, meinem Feinde. Ich hatte zwar diesen Mann meines Wissens nicht beleidigt, allein ich stand bei ihm in sehr üblem Kredit. Hiernach ließ sich schon vermuten, daß mein unmittelbares Gesuch nicht durchgehen würde; indes, da die Bauern supplizierten, so gab ich nicht alle Hoffnung auf.

Die Antwort der Kommission erfolgte bald und erklärte, daß die Pfarre Obersaulheim schon längst an den Prediger Wagner vom Minister versprochen sei, und ich keine Hoffnung dazu bekommen könnte. Wagner hatte nämlich Herrn von Zwirnlein einige Dutzend Goldfüchse zugeschickt.

Also auch diese meine Hoffnung war verschwunden und mit ihr auch meine Anhänglichkeit an Mamsell Katherinchen. Sie machte mir anfangs zärtliche, hernach gröbere Vorwürfe, und endlich sprach sie, zu meiner Freude, gar nicht mehr mit mir.

Mein Vater war höchst unzufrieden mit meiner Lage, noch viel unzufriedener als ich selbst. Ich tröstete ihn mit meiner Hoffnung, eine Pfarre in Franken zu erhalten; aber diese beruhigte ihn nicht, er meinte, das Ding verzögere sich. Er kränkte sich auch sehr, daß alle seine Ermahnungen nichts fruchteten, bat mich mit Tränen in den Augen, eine andere Lebensart anzufangen, hübsch auf meinem Vikariate zu bleiben, fleißig zu studieren und so die bösen Gerüchte nach und nach verrauchen zu lassen; allein er predigte tauben Ohren. Teils hatte ich selbst keine Achtung mehr vor mir, teils hatten mir eine falsche Eigenliebe und ein unkluger Dünkel den Kopf so verrückt, daß ich bloß mir folgte.

So gleichgültig ich indes gegen die Zensuren meiner Feinde war, so lieb war es mir doch, wenn ich auch an ihnen Fehler entdecken konnte. Ich wußte, Zwirnlein wollte mir nicht wohl; dies war mir schon Grund genug, die Konduite und Prozeduren desselben, womit er die Rheingrafschaft administrierte, auszuspionieren. Ich erkundigte mich bei den Bauern nach ihren Klagen, und fand so viel krumme Wege und Gänge der Zwirnleinschen Justiz, daß selbst ich darüber erschrak. Außer vielen anderen Ungerechtigkeiten nur dies:

Die Gemahlin des auf die Festung gebrachten Rheingrafen und seine damals noch unverheiratete Tochter Luise, wie auch des Grafen Schwester Charlotte, mußten allen Drang und alle Insolenzien von diesem stolzen Administrator leiden, der besonders die letztere seine schwere Hand fühlen ließ, indem er ihr oft ihr Geld vorenthielt, unter dem Vorwand: es sei nichts in der Kasse. Die gute Charlotte mußte daher oft darben und von ihren groben Gläubigern sich schrecklich quälen lassen.

Ich war sehr eifrig, alles dies zu verbreiten und meine Glossen darüber zu machen, welche allemal zum Nachteil des Herrn Administrators ausfielen. Ich griff auch seinen intimsten Freund, den Kammerrat Fabel zu Grehweiler, an. Dieser Mann, gelehrt bis an den Hosenknopf und stolz wie Goliath, hatte einen Schneidermeister gedrückt und ihm unrecht getan. Der Schneider war mein Gevatter; ich machte ihm also eine Schrift an die Kommission, worin ich des Kammerrats Intrigen schilderte, wie sich's gebührte. Fabel erfuhr den Verfasser und ward mir spinnefeind.

Nun erhielt ich um Martini 1781 ein Schreiben von der Kommission, des Inhalts, daß Seine Durchlauchten, der Herr Fürst von Nassau-Weilburg, mit höchstem Unwillen vernommen habe, wie der Kandidat Laukhard noch immer das Vikariat in Obersaulheim verwalte, welches ohne großes Aergernis und Skandal der christlichen Gemeinde nicht mit angesehen werden könne. Der Kandidat sei als ein Mensch bekannt, der ganz und gar keine Religion habe – der über die heiligsten Geheimnisse der christlichen Lehre öffentlich spotte – überdies ausschweifend lebe – dem Trunk sich ergebe – Pasquillen auf andere schmiede, und sogar die Kanzel zum Tummelplatz seiner skandalösen Auftritte mache; deshalb trügen Seine Durchlauchten dem Konsistorium auf, den bisherigen Vikarius Laukhard zu removieren und ein anderes unbescholtenes Subjekt an die Stelle zu setzen.

Herr von Zwirnlein hatte mir diesen Befehl des Fürsten, den er selbst geschmiedet und diesem Herrn nur zur Unterschrift vorgelegt hatte, abschriftlich zugeschickt und mir es freigestellt, ob ich entweder freiwillig oder gezwungen meinen Posten verlassen wollte. Ich wählte natürlich das erste, schrieb dem Administrator, daß er einen Vikarius schicken könne, welchen er wolle, ich ginge gern weg. Dann hielt ich zuallerletzt noch eine Predigt über den Vorzug des Sünders vor dem Gerechten, die ich selbst ausgearbeitet und äußerst vorzüglich zugerichtet hatte.

Auf diese Art war nun auch mein Glückstern in unserer Grafschaft untergegangen. Sobald mein Vater diese Nacht des Mißgeschicks wahrnahm, schrieb er mir einen Brief und bat mich, seiner für jetzt zu schonen und ihm nicht eher wieder vors Angesicht zu kommen, als bis er's erlauben würde.


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