Kurd Laßwitz
Sternentau
Kurd Laßwitz

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Schlechtes Wetter

Über dem Feste der Wiesberger Erholungsgesellschaft waltete ein Unstern. Die Verschiebung war zwar beschlossen worden, aber den neuen Termin festzustellen, machte große Schwierigkeiten. Allerlei lokale und persönliche Hindernisse und Rücksichten ließen es unmöglich erscheinen, einen bestimmten Tag jetzt schon anzugeben, und es wurde vorläufig zunächst nur verabredet, daß das Waldfest jedenfalls im Juli stattfinden solle.

Harda Kern hatte die Gelegenheit benutzt zu erklären, daß sie nicht wüßte, ob sie so lange in Wiesberg bleiben würde, und daß sie jedenfalls bäte, statt ihrer Sigi in das Komitee aufzunehmen, was auch geschah. Sigi hatte zwar zuerst, als ihr Harda diese Absicht auf ihrem Zimmer privatim mitteilte, ihre Schwester einfach für verrückt erklärt. Aber als Harda sie neben sich zog und ihr im Vertrauen gestand, daß sie Frickhoff einen Korb gegeben und sich mit Doktor Eynitz heimlich verlobt hätte, da war ihr Sigi unter Küssen um den Hals gefallen und hatte sich ihr ganz zur Verfügung gestellt.

Harda wollte sich nicht gesellschaftlich verpflichten, da sie nicht wußte, ob es ihr nicht in der Tat ratsam erscheinen würde, für einige Zeit das Haus zu verlassen – Besuche bei Verwandten gaben stets einen Vorwand – falls bei der Rückkehr des Vaters Schwierigkeiten entstehen sollten. Im Grunde war es ihr störend, sich jetzt mit soviel Äußerlichkeiten zu beschäftigen, da ihr Innenleben ganz anders in Anspruch genommen war. Neben den Pflichten des Hauses und dem Gedanken an Werner und die Idonen blieb ihr auch wirklich kein Interesse mehr für die übrige Geselligkeit.

Geo Solves hatte am Nachmittage im Laboratorium eifrig Eynitz' Bericht über die Sternentau-Frage studiert und sich mit Harda eingehend ausgesprochen. Als später Eynitz kam, begrüßte er ihn herzlich und überließ dann die Liebenden sich selbst. Er ging nach dem Riesengrab hinauf und saß dort lange allein. Unsichtbar schwebten Idonen um den Sinnenden, und Gedanken banden Seel' an Seele.

Den Abend brachte Geo bei Kerns zu, wo auch Eynitz sich einstellte. Hier verabschiedete er sich von der Familie; denn er hatte die Absicht, schon am andern Morgen nach seinem Wohnort zurückzukehren. Harda aber erklärte er, daß er jeden Augenblick bereit sei, nach Wiesberg zu kommen, falls sie ihn benachrichtige, daß sie es wünsche, und daß er bald auf längere Zeit in seinem Landhäuschen einkehren werde.

Am Tage nach Geos Abreise meldete ein Telegramm, daß Kern in der Nacht von Berlin zurückkehren werde. Jetzt sandte Harda ihren Brief an Frickhoff ab, der, wie sie wußte, noch länger in Berlin aufgehalten war, so daß Frickhoff ihren Brief erst erhalten konnte, wenn sich der Vater schon nicht mehr dort befand. Es war ja natürlich, daß Frickhoff nicht eher eine Antwort erwartete, als bis Harda mit ihrem Vater Rücksprache genommen hatte. Dies aber wollte Harda gerade vermeiden. Der Vater sollte sich einer fertigen Tatsache gegenüber befinden.

Als sie den Vater am Morgen nach seiner Rückkehr beim Frühstück herzlich begrüßte, hielten sie beide die übliche kurze Unterredung, die sich diesmal ihrerseits nur auf Geos Besuch bezog, während der Vater ihr in fröhlichster Stimmung mitteilte, daß nunmehr alle noch schwebenden Abschlüsse zu seiner großen Zufriedenheit erledigt wären. Schon hatte Kern seinen Hut aufgesetzt, als Harda unvermittelt fragte:

»Hat der Kommerzienrat mit dir nicht – nicht über mich gesprochen?«

Kern sah sie erwartungsvoll an und schüttelte den Kopf.

»Nämlich,« fuhr sie dann fort, »er hat inzwischen schriftlich – um mich angehalten, aber – ich kann nicht – ich habe »nein« gesagt – hier ist sein Brief und meine Antwort – die Reinschrift hab' ich gestern schon abgeschickt – sei nicht böse Vater – es ging nicht –«

Sie fiel ihm um den Hals, küßte ihn und war im Augenblick darauf schon im Hause verschwunden.

* * *

Es war gut, daß die Erholungsgesellschaft ihr Fest verschoben hatte. Denn an dem Tage, auf den es ursprünglich festgesetzt war, trat ein vollständiger Wetterumschlag ein. Wind und Regen rauschten in den Bäumen des Parkes, die Temperatur sank so stark, daß man selbst auf der Veranda nicht sitzen konnte, und im Wohnzimmer der Villa mußte in den nächsten Tagen das Holzfeuer im Kamin lodern. Die Idonen besserten an ihren Wohnungen und überlegten mit Sorgen, wie das werden solle, wenn diese Wetterlaunen des Planeten sich häuften. Einige schlugen vor, in die Höhle im Felsen zu ziehen, die sie bisher schon mehrfach zu technischen Arbeiten benutzt hatten.

Schlechtes Wetter herrschte auch in den Hellbornwerken und in der Familie. Kern ging mit umwölkter Stirn umher, seine Zeit war mehr wie je in Anspruch genommen, und seine kurzen Scherze bei Tische klangen gezwungen.

Über Hardas Ablehnung des Frickhoffschen Antrages hatte er kein Wort verloren. Er teilte nur trocken mit, Frickhoff habe geschrieben, daß er eine längere Reise nach dem Norden anträte und jedenfalls während dieses Sommers seine Villa in Wiesberg nicht mehr beziehen werde.

Bald darauf wußte Harda den Vater abzupassen und fragte ihn bittend, ob er ihr zürne, ob er ihretwegen so verstimmt sei. Da streichelte er ihr die Wangen und sagte: »Nein, mein Kindel, nicht deswegen. Es tut mir sehr leid, das will ich dir offen sagen. Daß Frickhoff jetzt nicht hier ist und auch so bald nicht wieder herkommt, ist mir aus verschiedenen Gründen störend. Aber du armes Kind hast mir schon so viel von deiner Freiheit geopfert, daß ich nicht mehr verlangen darf.« Und abbrechend fragte er.

»Was machen denn deine Studien?«

Sie erzählte Verschiedenes wenig klar durcheinander und fühlte, daß sie dabei errötete, aber sie bemerkte auch, daß der Vater nur halb hinhörte und jedenfalls nicht an das dachte, was sie beschäftigte. So fing sie denn an, ihn geschickt auszufragen, und nach und nach erfuhr sie, was ihn bedrückte.

Zunächst die private Sorge. Daß Minna wieder eine besonders unglückliche Periode hatte, wußte Harda natürlich, da sie selbst nicht am wenigsten darunter litt. Jetzt erkannte sie den Grund dazu in dem Umstande, daß die Verhandlungen nicht vorwärts kommen wollten, die Kerns Rechtsanwalt in seinem Auftrage mit der Dame in Breslau führte. Die Forderungen waren so hohe, daß es vorläufig unmöglich war, darauf einzugehen.

Immerhin fühlte sich Harda einigermaßen durch die Haltung des Vaters beruhigt, es schien ihr, als mache er sich mit dem Gedanken vertraut, sein Versprechen gegen Minna zu erfüllen, wenn nur erst die äußeren Umstände sich günstiger gestalteten.

Zu diesen privaten Sorgen kam eine ernste geschäftliche. Die ersten im Großen angestellten Versuche mit dem neuen Stoffe, dem Resinit, auf das man als Ersatz für Kautschuk so hohe Hoffnungen gesetzt hatte, waren fehlgeschlagen. Die Masse erfüllte nur einen Teil der Anforderungen, die man daran stellen mußte. Sie war allerdings plastisch, biegsam und von geringerem spezifischem Gewicht als der Kautschuk, doch war diese Leichtigkeit nicht den Erwartungen entsprechend, und vor allem fehlte dem Stoff nach der Härtung derjenige Grad von Elastizität, den man verlangte. Irgend etwas hatte im Großen versagt, was die kleineren Proben im Laboratorium voll geleistet hatten. Das kostete Hunderttausende. Es mußten aufs neue Versuche gemacht werden, aber noch wußte man nicht, wo die Ursache des Mißerfolges zu suchen sei.

Das war natürlich eine große Sorge für Kern, um so mehr, als darüber nichts verlauten durfte. Auch Harda fühlte sich bedrückt. Und doch konnte nichts ihr das innere Glücksgefühl rauben, das sie in ihrer Liebe erfüllte. Die heimlichen Stunden im Laboratorium blieben ungestört. Aber die trübe Stimmung des Hauses lag über Hardas Leben.

Nur ein Mitglied in der Familie war unberührt und gleichmäßig fröhlich und heiter. Sigi sang und scherzte, sobald sie zu Hause war, sie trug die Kosten der Unterhaltung, wenn die Familie ohne Gäste sich versammelte. Freilich war sie nicht viel zu Hause. Ihre Gesangstunden und ihr Sprachunterricht in der Stadt beschäftigten sie am Morgen, und wenn das Wetter nicht erlaubte, Tennis zu spielen, so hatte sie dann immer unerschöpfliche Besorgungen in der Stadt oder Komiteesitzungen mit den Freundinnen. Denn die Vorbereitungen zu dem Waldfeste gingen weiter, und es mußte wohl Großartiges geplant sein, wenn man aus der Zeit schließen durfte, die Sigi ihrer Aufgabe zu widmen schien.

Eine eigentümliche Beobachtung hatten Harda und Eynitz im Laboratorium gemacht. An allen den Stellen, an welchen die Sporenkapseln des Sternentaus abgeschnitten worden waren, zeigten sich langsam hervorquellende Tropfen eines Milchsaftes, der bald darauf eintrocknete, und einen festen Verschluß der Wunde bildete. Harda war es zuerst an den Pflanzen in ihrem Zimmer aufgefallen. Aber auch überall dort, wo zufällig ein Einschnitt in die Pflanze stattgefunden hatte, wurde dieser Milchsaft abgesondert und trocknete dann zu einer harzigen Masse ein. Ob dies früher schon so gewesen sei, konnte sich Harda nicht erinnern; jedenfalls war es ihr nicht aufgefallen. Es war ja auch selten vorgekommen, daß die Pflanze verletzt wurde. Jedenfalls war die stark bemerkbare Absonderung des Saftes erst eingetreten, seitdem die Erzeugung von Sporenbechern vollständig verhindert worden war. Eynitz zweifelte nicht, daß sich hier eine Reaktion des Sternentaus auf die Unterbrechung des normalen Fortpflanzungsprozesses zeigte, eine Ausscheidung der einmal im Pflanzenkörper angehäuften Vorratsstoffe, die nicht mehr zur Bildung der fein differenzierten Idonenkörper benutzt werden konnten.

Natürlich hatte Eynitz alsbald die Aufmerksamkeit des Chemikers auf diesen Milchsaft gelenkt, und Dr. Emmeyer bemühte sich, seine Zusammensetzung und seine Eigenschaften zu ergründen. Auch hatte Eynitz mikroskopisch die Gefäße nachweisen können, in denen der Saft im Pflanzenkörper sich absonderte. Emmeyer hoffte, irgend eine große Entdeckung an dem noch unbekannten Stoffe zu machen und hatte ihm vorläufig zu Ehren des Ros stellarius Kern den Namen »Rorin« gegeben. Seit einiger Zeit äußerte er sich gar nicht mehr über seine Versuche, doch arbeitete er rastlos. Wenn Harda ihn befragte, glänzte sein Gesicht freudig, aber er sagte immer nur »danke, danke – gut, ganz gut«, und schützte dringende Geschäfte vor.

Der Juli hatte schon begonnen, da endlich besannen sich die tiefen Zyklonen, die vom atlantischen Ozean herkommend Deutschland mit Sturm und Regen beschenkten, ihre Zugstraße höher nach Norden zu verlegen. Ein weites Hochdruckgebiet begann wieder seinen Einfluß auf das Wiesberger Tal auszuüben, Sigi wurde immer zuversichtlicher in ihren Behauptungen über das Wetterglück des Waldfestes, und Harda hielt es für angemessen, doch noch einmal Forschungen nach dem Verbleib ihres Sommerhutes anzustellen.

Die Idonen hatten sich bisher so zurückhaltend gezeigt, daß die Liebenden in ihren Besorgnissen sich sehr beruhigt fühlten und es fast bedauerten, gar keine Anhaltspunkte mehr für neue Untersuchungen zu finden. Deswegen getraute sich Harda wieder einmal nach ihrem Lieblingsplatze. Da sie gerade die Zeit dazu wählte, in der Eynitz mit Erledigung seiner Praxis fertig zu sein pflegte, so hielt er es für seine unbedingte Pflicht, Harda den unbekannten Gefahren nicht ohne seinen Schutz sich aussetzen zu lassen. Er traf sie, als sie eben das Gatter zum Stege aufschloß. Der Zufall war nicht so überraschend, wie es den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung entsprach, da Eynitz schon mehrere Minuten in Sicht des Steges promeniert und dadurch die Zahl der günstigen Fälle eigenmächtig gesteigert hatte.

Das Paar ruhte auf der Bank unter der Buche, wobei sie sorgfältig umspähten, ob sie auch niemand belauschen könne, und begann dann das Gebüsch zu durchstöbern. Daß der Hut noch gebrauchsfähig sein würde, wenn er gefunden werden sollte, nahm Harda allerdings nicht mehr an, nachdem er zwei Wochen bei häufigem Regen im Freien gelegen hatte, aber sie hätte doch gern gewußt, was aus ihm geworden war.

Den Hut fanden sie nun allerdings nicht. Auffallend jedoch war die Menge des vom Sternentau ausgeschwitzten und eingetrockneten Milchsaftes, der in kleinen Perlchen von Erbsengröße sich an den feinen Zweigen der Pflanze fand, so daß sie eine kleine Tüte voll dieser Substanz sammeln konnten.

Schon wollte Harda den Rückweg antreten, als Eynitz zu ihr sagte. »Weißt du noch, am ersten Tage, als du mich in die Höhle zum Leuchtmoos führtest? Laß uns das wieder einmal ansehen.«

Sie schlichen Hand in Hand in den finstern Eingang und gewöhnten ihr Auge an die Dunkelheit. Dann blickten sie in die Tiefe hinab.

Dort funkelte es wieder in grünlichem Lichte, aber es schien eine Veränderung gegen früher vorgegangen. Einerseits zeigte sich der vom Leuchtmoos erfüllte Raum verringert, andererseits aber nach vorn hin ausgedehnt. Erst nach längerer Beobachtung wurde es ihnen klar, daß sich im vorderen Teil der Vertiefung Wasser angesammelt hatte. Es bildete eine glatte, vollständig ruhige Fläche, in der das Moos an den dahinter ansteigenden Felsen sich spiegelte, so daß es mit seinem Spiegelbild ein Ganzes auszumachen schien.

Ein dunkler Gegenstand verdeckte den Lichtschimmer ungefähr in der Mitte des Raumes, und dasselbe wiederholte sich im Spiegelbilde. Um diesen herum erkannte man bei aufmerksamer Betrachtung einen unbestimmten Schein, der sich vom Hintergrund des Leuchtmooses schwach dunkelrötlich abhob.

»Es werden doch nicht Idonen hier sein!« rief Harda, unwillkürlich sich näher an den Geliebten drängend.

»So sieht es nicht aus,« sagte Eynitz. »Aber ob es nicht mit ihnen zusammenhängt, das müssen wir zu erforschen suchen.«

Harda hatte ihr Gesicht näher an den Boden gebracht.

»O sieh doch,« rief sie. »Hier im Wasser um den dunklen Fleck dieses feine Gewebe, wie Spitzen, oder Filigran – das regelmäßige Muster – wie ein Korb baut es sich auf –«

Eynitz bückte sich ebenfalls. »Das ist das Spiegelbild des verschwommenen Heiligenscheins um den Gegenstand dort oben,« bemerkte Eynitz verwundert. »Und das sieht man nur so deutlich im reflektierten Licht? Seltsam – von hier oben sieht man es kaum noch –«

Er dachte nach. Dann griff er in die Tasche und zog Wachsstreichhölzer hervor.

»Mag es uns das Märchen des Leuchtmooses und der schlummernde Riese verzeihen, aber hier müssen wir die Leuchte der Wissenschaft hochhalten – richtiger gesagt: tief.«

Damit brannte er das Zündholz an und streckte den Arm nach unten aus. Die Vertiefung war durchaus nicht so bedeutend, wie sie im Schein des Leuchtmooses aussah. Im nüchternen Lichte des Wachskerzchens erkannte man deutlich, was da lag.

»Mein Hut!« rief Harda überrascht.

»So ist es, hurrah!« lachte Eynitz. »Aber – halt –« setzte er ernster hinzu. »Da ist etwas Wichtiges. Das Spitzengebäude, das wir vorhin sahen, ist verschwunden. Siehst du es noch?«

»Nein. Auch nicht im Spiegelbilde.«

Eynitz warf das abgebrannte Lichtchen fort. Nach kurzer Ruhepause der Augen sah man wieder vor dem Glitzern des Leuchtmooses das schleierhafte Gewebe, aber nur um das Spiegelbild des Hutes.

»Wir müssen das Ding heraufholen,« sagte Eynitz.

»Natürlich, ich will meinen Hut haben,« scherzte Harda.

Eynitz gab ihr die Streichholzbüchse. Sie leuchtete, er kletterte vorsichtig hinab. Das Wasser war ganz flach. Bald konnte er den Hut, den er äußerst bedachtsam nur von unten unterstützte, hinaufheben.

»Nur unten anfassen,« rief er Harda zu, »damit der Aufbau nicht verletzt wird.«

Sie brachten den Hut glücklich herauf. Als das Lichtchen verlosch, erkannte man im Dämmer der Höhle überhaupt nur ungefähr die Umrisse des Hutes. Aber brachte man ihn direkt vor das Leuchtmoos, so trat der Aufbau schattenhaft hervor. Nur unter einem ganz bestimmten Winkel sah man in dem vom Wasser reflektierten Lichte deutlich die feinen Zeichnungen, und zwar in rötlicher Farbe.

Sie staunten das Wunder an.

»Grünlich hier und da rötlich,« sagte Harda.

»Im gewöhnlichen Lichte sieht man's nicht, nur vor dem Leuchtmoose – was heißt das?« bemerkte Eynitz. »Dieses Licht enthält hauptsächlich Strahlen, die vom Blattgrün ausgehen. Wenn man die übrigen vom Spektrum ausscheidet, wird man diese Beleuchtung auch künstlich erhalten können. Aber das Merkwürdigste! Irgend etwas Genaueres zeigt sich nur, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel gespiegelt ist – das ist also polarisiertes Licht – – hm! Da muß eine ganz merkwürdige Verbindung von Polarisation und Absorption zusammenwirken. Der Aufbau wird aus einem doppelbrechenden Stoffe bestehen. O – da fände sich vielleicht ein Weg – – Wenn nun der eine gebrochene Strahl rot wäre – das Blattgrün enthält ja rote Strahlen –« Er verfiel in Nachsinnen und schwieg.

»Ob man das Gewebe auch fühlen kann?« fragte Harda.

»Erst wollen wir das Ganze ans Tageslicht befördern,« meinte Eynitz. Er leuchtete mit den Streichhölzern. Sorgfältig, als hätte sie eine Last zu balanzieren, trug Harda den Hut auf den flachen Händen bis zum Ausgang der Höhle. Eynitz bog die Zweige der Buchenbüsche auseinander. Der Hut wurde an den Tisch getragen und wie ein Heiligtum hingelegt. Man sah nichts als den Hut. Jeder hätte lachen müssen, der die Feierlichkeit beobachtet hätte, womit dieser moderne Damenhut, der sichtbare Spuren künstlicher Verbiegung trug, auf dem Tisch deponiert wurde.

»Er muß schon vor dem Regen in die Höhle gebracht worden sein,« sagte Harda. »Ich muß mal tasten.«

Und ehe Eynitz sie hindern konnte, hatte sie ihre Hände dem über dem Hut vermuteten Aufbau genähert.

»Ich fühl's,« rief sie überrascht. »Das ist ja ganz fest! Wie ein Drahtgitter. Man kann alles abtasten. Aber sehen kann man nichts.«

Nun überzeugte sich Eynitz auch von der Tatsache.

»Der Stoff muß dieselbe Lichtbrechung besitzen wie die atmosphärische Luft,« sagte er.

»Was kann das sein?« fragte Harda.

»Meiner Ansicht nach gar nichts anderes, als eine Baulichkeit der Idonen, sagen wir ein Nest, wozu sie aus irgend einer Ursache deinen Hut als Untergrund geeignet gefunden haben.«

»Manchmal glaubt man ja einen Schimmer zu sehen,« bemerkte Harda. »Hier und da Reflexe. Aber nur ganz undeutlich. Doch jetzt – siehst du nicht auch?«

Die Sonne war bisher noch hinter Wolken verborgen gewesen. Jetzt trat sie hervor und bestrahlte das grüne Buchenlaub. Der Reflex fiel auf den Tisch. Und wirklich sah man da schwach, ganz schwach, dasselbe Gitterwerk wie in der Höhle.

Die Sonne verbarg sich wieder und damit verschwand die Erscheinung.

»Was tun wir?« fragte Harda.

»Wir transportieren das Ganze sorgfältig ins Laboratorium, dort werden wir es näher studieren. Ich habe einen Plan. Es scheint, deine Hüte bringen mir Glück.«

»Aber so können wir doch mit dem Hute nicht durch die Fabrik ziehen?«

»Nein, wir werden einen großen Pappkasten herschaffen. Ich will gleich hinuntergehen, du mußt inzwischen unsern Schatz bewachen.«

»Weißt du, sagte Harda, »da will ich lieber den Karton besorgen, bleib du hier. Es wird nicht lange dauern. Übrigens – bis an unsern Garten können wir ja doch den Hut auch so tragen. Schwer ist er nicht.«

»Du hast recht.«

Harda beugte sich nochmals mit dem Gesicht nahe herab, wo sie den Bau mit der Hand fühlte. Die Sonne war wieder hervorgetreten. Der grüne Buchenschein bestrahlte ihr Haupt.

Eynitz neigte sich zu ihr nieder. Er küßte leise ihr Haar.

»Ich glaube, Lieb, du hast Idonenhaar. Es schimmert so geheimnisvoll grünlich wie der Schein des Idonengespinstes. Hier aber halte ich beides. Das ist mein Schicksal.«


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