Kurd Laßwitz
Sternentau
Kurd Laßwitz

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Der Überfall

Es war gut, daß Harda einen tüchtigen Nachmittagsschlaf hatte halten können; denn ihre Befürchtung, daß die Nacht wenig ruhig verlaufen würde, traf ein. Als sie hinabging, um sich nach dem Befinden der Tante zu erkundigen, fand sie diese zwar beim Kaffeetisch auf der Veranda, aber in sehr ungnädiger Stimmung. In der Depesche von Frickhoff und der plötzlichen Abreise Hermanns sah sie nichts, als ein abgekartetes Spiel, wozu ihre ganze Umgebung sich vereinige, um ihrem Schwager Zusammenkünfte mit seiner »Freundin« zu ermöglichen. Vergeblich setzte ihr Harda auseinander, warum diese Berufung der Aufsichtsräte und die Konferenzen in Berlin geschäftlich absolut nötig und dringend wären, und welche wichtigen Beschlüsse davon abhingen. Zwar wagte Minna nicht mehr, direkte Beschuldigungen gegen Harda auszusprechen, aber sie benutzte irgend eine nebensächliche wirtschaftliche Anordnung, die Harda getroffen hatte, um ihr vorzuwerfen, daß sie ihr die Leitung des Haushalts aus der Hand nehmen und ihre Stellung untergraben wolle. Und dann steigerte sich ihr Unmut zu häßlichen Bemerkungen über Hardas botanische Studien und ihren Aufenthalt im Laboratorium des Doktors, so daß Harda aufstand und ohne ein weiteres Wort die Veranda verließ.

Um sich zu zerstreuen, wollte sie zum Tennisspiel gehen, aber noch ehe sie das Haus verlassen hatte, wurde Besuch gemeldet, den sie empfangen mußte. Er blieb über Abend, auch Minna erschien wieder und erfüllte aufs Liebenswürdigste ihre Repräsentationspflichten, so daß Harda schon zu hoffen anfing, der reizbare Zustand würde vorübergehen. Aber kaum waren, nachdem der Besuch sich ziemlich früh verabschiedet hatte, Minna und Sigi zu Bett gegangen, während Harda noch mit ihren Gedanken beschäftigt angekleidet auf dem Diwan ruhte, als sie die Anzeichen eines nervösen Anfalls der Tante vernahm. So vergingen noch einige Stunden in aufregender Pflege, ehe sich Harda zur Nachtruhe zurückziehen konnte.

Wieder schloß sie Jalousien, Fenster und Vorhänge, drehte das Licht aus und spähte umher, ob sie irgendwo das Leuchten von »Elfen« entdecken könne. Es war nichts zu bemerken. Dennoch ängstigte sie sich vor der Nacht, sie wußte ja, daß die Idonen sich nicht sehen zu lassen brauchten, wenn sie nicht wollten. Aber ihre Müdigkeit war so groß, daß sie sich doch zur Ruhe legte.

Als sie in dem völlig verfinsterten Zimmer erwachte und Licht machte, um die Uhr zu befragen, erkannte sie, daß es zwar noch früh am Tage sei, aber doch schon nach Sonnenaufgang. Sie fühlte sich in dem Gedanken beruhigt, daß die Idonen, wenn sie ihr wirklich etwas antun wollten und konnten, wohl die Zeit des Schlafens dazu benutzt haben würden, und daß sie nun zunächst nichts von ihnen zu fürchten habe. Dennoch konnte sie nicht wieder einschlafen, denn die innern Fragen, die nach einer Lösung verlangten, beschäftigten sie jetzt zu lebhaft.

Was sollte sie Frickhoff antworten? Bis jetzt hatte sie diese wichtige Entschließung immer noch zurückgedrängt. Ihr Herz sprach mit keiner Entschiedenheit, aber durfte sie deswegen ohne weiteres nein sagen? Hatte nicht der Verstand so viel für ein Ja vorzubringen?

Sie wußte, daß ein Nein den Vater kränken, wenigstens ihm wehe tun würde, es mußte die ganze Stellung zu Frickhoff und damit wichtige Interessen nachteilig berühren. Zwar würde der Vater ihren freien Entschluß unter allen Umständen achten, doch hätte sie ihm gern die Freude gemacht – – Aber – hier durfte nur ihr persönlicher Wille entscheiden.

Freiheit, Freiheit! Würde sie die gewinnen, wenn sie den Antrag des Kommerzienrats annahm? Wie oft hatte sie das schon überlegt – jetzt mußte sie sich entscheiden.

Die Freiheit in ihrem Sinne würde sie nicht gewinnen. Gewiß würde ihr Leben nicht unnütz sein, aber darum brauchte sie nicht zu heiraten. Darum brauchte sie nicht das Haus zu verlassen und Sigi und ihre Studien – Nein, nein – das Gespräch mit dem Efeu kam ihr in den Sinn – war Frickhoff der andere, für den sie die Einzelseele dahingeben wollte? War das ein Blühen, wie sie es meinte? Sie achtete in Frickhoff den ältern Freund, sie schätzte ihn – aber daß ihr Gefühl nicht Liebe war, das glaubte sie jetzt zu wissen, denn – ja, warum wußte sie es jetzt? Es traten ihr die letzten Erlebnisse so deutlich in Erinnerung, die Stunden im Laboratorium – Gedanken konnte sie nicht formulieren, es war nur eine Stimmung, eine Sehnsucht, ein Wunsch – ja wenn, wenn –! Aber diesem Gefühlsspiel wollte sie sich nicht hingeben, sich auszumalen, wie es wäre, wenn – nein, das erzeugt so schöne Träume, wilde Träume –

Harda sprang empor. Nein, sie konnte sich nicht entscheiden. Sie wollte warten, bis sie die Antwort von Geo bekommen, bis sie Werner wieder gesprochen hätte. Überhaupt, unter dem Fluche, der auf ihr lag, bedroht von der Feindschaft der geheimnisvollen Elfenmacht, wie konnte sie da sich in das Leben eines andern stellen?

Daß ihr das noch garnicht eingefallen war! Das ging ja nicht. Das war schon ein Grund, wenngleich kein angebbarer, zur Ablehnung gegenüber Frickhoff, auch gegenüber jedem andern. Jedem? Nun ja, wenn einer in der gleichen Not stand – – aber das kam nicht in Frage.

Sie öffnete die Fenster, die Jalousien. Wie herrlich lag der sonnige Sommermorgen vor ihr. Das lockende Grün von Garten und Wald leuchtete in friedlicher Ruhe. Und da schwärmten vielleicht ihre Feinde umher. Wie konnte sie das Frickhoff deutlich machen, wie konnte sie ihm beweisen, welches wundersame Geschick sie von ihm trennte? Nur einer wußte es, aber auch der mußte schweigen, wenigstens vorläufig.

Während sich Harda ankleidete, entwarf sie in Gedanken einen Absagebrief an Frickhoff – immer wieder suchte sie nach neuen Formen verbindlichen, freundschaftlichen Ausdrucks. Dann setzte sie sich hin und schrieb in eilender Hast. Ohne den Brief wieder durchzulesen warf sie ihn in ein Fach ihres Schreibtischs, das sie verschloß.

»Da liege,« sagte sie entschieden. »Wenn ich dich wieder herausnehme, werde ich ruhiger sein und besser wissen, ob ich richtig geschrieben habe. Und nun, hinaus! Was wird der Tag bringen?«

Harda wollte sofort nach dem Frühstück, wobei Tante und Schwester jedenfalls noch nicht anwesend sein würden, nach dem Laboratorium gehen. Denn die neuen Erfahrungen über die Idonen mußten Eynitz sogleich mitgeteilt werden, und das konnte nur mündlich geschehen. Erst als sie sich nach ihrem Hute umsah, fiel ihr wieder ein, daß sie ihn bei ihrer Flucht unter der Buche im Stich gelassen hatte. Sollte sie einen andern aufsetzen? Ach, sie konnte ihn ja nachher dort holen.

In aller Eile frühstückte sie und lief dann den nächsten Weg nach dem Laboratorium. Es war schon sieben Uhr, und da konnte Werner unter Umständen bereits dort sein. Wenn er nun ihre Warnung nicht ernsthaft verstanden hatte? Wenn er in einen Hinterhalt der Elfen gefallen war?

Sie atmete auf, als sie auf ihre hastige Frage vom Diener vernahm, daß der Herr Doktor noch nicht da sei. Den Schlüssel in der Hand wartete sie ein Weilchen an der Tür. Sollte sie sich allein hinaufgetrauen? Eine unbestimmte Angst hielt sie ab, das Zimmer ohne Begleitung zu betreten. Aber den Diener mochte sie nicht rufen.

Bald sah sie Eynitz vom Portierhaus her eilig herankommen. Sie ging ihm langsam entgegen.

Er grüßte mit strahlendem Gesicht.

»Sie sind schon hier? Sie waren so gütig –«

»Ich muß Ihnen einiges mitteilen, ehe wir hinaufgehen,« sagte sie gleichzeitig und fühlte, wie sie errötete. »Ich habe gestern ein seltsames Abenteuer mit den Idonen gehabt –«

»Mit den Idonen? Was ist das?«

»Ja, denken Sie, so nennen sich nämlich die Elfen selbst.«

»Die Gametophyten?« Er blieb staunend stehen. »Wie kommen Sie darauf?« Sein Blick prüfte ihre Miene.

»Ich muß es Ihnen erzählen. Lassen Sie uns langsam noch einmal hier auf und ab gehen. Es droht uns Gefahr.«

Drüben im Maschinenhaus puffte der Dampf, die Treibriemen sausten, nebenan stampften die Pocher. Von der Ferne kreischten die Kreissägen. Über die Schienen schob sich rasselnd ein schwerer Lastzug. Mitten im lauten Getriebe der hastenden, schaffenden Arbeit berichtete Harda klopfenden Herzens ein Erlebnis, das ebenso gewiß und wirklich war wie dieses greifbare Menschenwerk, und doch so fremdartig, daß es jeder Unvorbereitete für eine Märchenphantasie halten mußte. Ein Erlebnis aus einem andern Reiche des Bewußtseins. Von der lebendig fühlenden Natur, von der sprechenden Pflanze, von deren Konflikt mit dem forschenden Menschengeiste kündigten sich hier Tatsachen an, die von der gleichen gesetzlichen Notwendigkeit waren wie diese technischen Umwandlungen der Energien, nur daß sie zum ersten Male mit Menschenhirnen in wirksame Berührung kamen.

Harda berichtete über ihre Erlebnisse unter der Buche und ihr Gespräch mit dem Efeu. Den Inhalt davon deutete sie freilich nur an. Im ganzen wurden Beobachtungen dadurch bestätigt, die Eynitz nicht neu waren. Aber die fremden sprachlichen Ausdrücke wie »Idonen« und »Bio«, die hier eingeführt wurden, erregten seine Aufmerksamkeit höchlichst. Für diese Vorstellungen besaß Harda doch schon in »Elfen« und »Sternentau« ausreichende Bezeichnungen. Wie waren diese neuen Worte zu erklären?

»Wenn ich es mir näher überlege,« sagte Eynitz auf Hardas Frage, »so war eigentlich derartiges zu erwarten. Nehmen wir einmal an, nur um uns ein deutlicheres Bild von dem Vorgange zu machen, die Sprache der Pflanzen bestände etwa in feinsten Druckänderungen in den Geweben, so werden diese bei der Übertragung auf das Menschenhirn in bestimmte Innervationen des akustischen Zentrums umgesetzt, die Ihnen als bestimmte Laute, Worte, zum Bewußtsein kommen. Wenn es sich nun um individuelle Vorstellungen des Pflanzenbewußtseins handelt, um Eigennamen wie »Idonen« und »Bio«, so steht für diese im vorhandenen menschlichen Sprachschatze kein geläufiger Ausdruck zur Verfügung. Sie haben ja Namen dafür selbst erst individuell ersonnen. Da werden also die uns unbekannten Formen der Pflanzenmitteilung durch irgend welche eigentümlichen akustischen Bilder in uns ersetzt werden, die Sie als die Klänge »Idonen« und »Bio« vernommen haben. Ich muß gestehen, daß mir gerade diese Abweichung von Ihrem Wortgebrauch als sicherstes Zeichen erscheint, daß es sich hier um eine selbständige, objektive Manifestation des Pflanzenbewußtseins handelt.«

»Und die andern Stimmen, die auf einmal hineintönten?«

»Das kann ich auch nur so erklären, daß hier herankommende Elfen das Gespräch unterbrachen und deren Äußerungen Ihnen noch übermittelt wurden. Ich zweifle nicht, daß Sie da Bruchstücke des Berichts vernommen haben, den die aus dem Laboratorium zurückkehrenden Elfen erstatteten, und Drohungen der überraschten anderen. Und – Fräulein Harda – die Sache will bedacht werden. Jedenfalls war es sehr recht, ich danke Ihnen herzlich, daß Sie mich hier erwartet haben. Bleiben Sie jetzt hier, bis ich mich von der Lage oben überzeugt habe.«

»Auf keinen Fall,« rief Harda bestimmt. »Es muß jemand dabei sein –«

Eynitz begann zu lachen. »Ich hoffe, wir sehen Gespenster! Wahrscheinlich ist alles unverändert. Also kommen Sie nur mit. Aber Sie müssen mir erlauben voranzugehen. Und wenn Sie sehen, daß ich etwa plötzlich verschwinde, so schellen Sie, bitte, falls Sie noch Zeit haben.«

Sie stiegen die Treppe hinauf und Eynitz schloß die Tür auf. Er blieb in der geöffneten Tür stehen. Harda wollte an ihm vorüber. Da die Läden geschlossen waren, empfing das Zimmer nur durch die offenstehende Tür Licht.

Eynitz hielt Harda an der Hand zurück und zog die Tür hinter sich ins Schloß.

»Es riecht nach Alkohol,« bemerkte Harda.

»Wir müssen zunächst im Dunkeln prüfen, ob Elfen da sind,« sagte er. Sie standen Hand in Hand. Harda fühlte alle Angst vor den Idonen schwinden.

»Ich sehe nichts,« sagte sie. Und ihre Hand ihm mit leisem Druck entziehend, tastete sie nach dem Einschalter. Das Licht flammte auf. Sie lief gleich nach den Fenstern, um die Läden zu öffnen. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Eynitz vor dem Kasten III kniete, der die gefangene Idone enthielt. Sie erschrak, in dem Glauben, er sei vielleicht gestürzt, aber schon hörte sie seine Stimme:

»Sie ist fort! Sehen Sie nur. Eine runde Öffnung, wie herausgesägt aus dem Drahtgitter!«

»Und hier, was ist das?« rief Harda. »Glasscherben!«

»Das Gefäß mit Alkohol, das die tote Elfe enthielt, liegt zerschlagen am Boden.«

Sie sahen sich jetzt weiter im Zimmer um.

Es bot ein Bild der Verwüstung.

Sämtliche Kästen waren erbrochen. Bei einigen waren Stücke aus den Drahtgeflechten entfernt, bei anderen runde Ausschnitte aus den Glasscheiben wie mit dem Diamanten herausgeschnitten.

Das Netz, worin die eine Idone gefangen war, lag zerrissen am Boden. Auch alle andern Netze waren zerstört und entfernt. Ob sich vorher Idonen darin gefangen hatten, war nicht festzustellen. Sämtliche Sporenbecher der vorhandenen Sternentaupflanzen zeigten sich abgeschnitten, auch die Stellen, an denen noch Ansätze dazu keimten, waren verletzt, die Pflanzen selbst jedoch verschont.

Das gesamte Material, das Eynitz in mühevoller Arbeit gesammelt hatte, war verloren. Selbst die Photographieen und Zeichnungen schienen unbrauchbar gemacht, soweit sie sich nicht in dem verschlossenen Schranke befanden. Diesen, die photographischen Apparate und die Mikroskope hatten die Idonen nicht beschädigt.

Mit finsterm Blick starrte Eynitz auf die zerstörte Arbeit. Was nun? war seine erste Sorge. War alles verloren? Würde es unmöglich sein, die Studien fortzusetzen? Würden sich die Idonen dauernd den Menschen entziehen oder gar feindlich gegen sie vorgehen? Die Fähigkeit dazu schienen sie ja zu besitzen. Aber auch dann mußte sich das Problem angreifen lassen. Nur freilich, es war nicht ohne Gefahr.

Und eines – eines war nun vorüber! Die goldnen Stunden an ihrer Seite, dieser beglückende Verkehr mit Harda – nein, sie durfte nicht hier weilen, wo unsichtbare Gewalten tätig waren. Und sie sollte er verlieren? Alles andere schrumpfte auf einmal für ihn zum Unwesentlichen zusammen. Er sah nur Harda. Sorge um ihr Ergehen und die Qual, sie entbehren zu müssen, zerrissen ihm die Seele.

Harda hatte sich an den Tisch gesetzt und stützte die Stirn in die Hände. In ihren Augen fühlte sie Tränen. Sie zog ihr Tuch und tupfte die Lider ab. Dann erhob sie sich. Eynitz trat an sie heran.

»Die Rache der Idonen,« sagte er leise. »Ich trage die Schuld, und doch bin ich nicht schuldig. Wir konnten nicht anders handeln. Aber Ihnen gegenüber bin ich verantwortlich. Ich habe Ihnen Ihre Freude geraubt, den Sternentau. Verzeihen Sie mir. Ich gebe den Kampf nicht auf. Ich will alles tun, Ihnen Ersatz zu schaffen. Noch weiß ich nicht – aber –«

Er stockte und begann wieder mit sich bezwingender Erregung. »Auf Fehlschläge muß man gefaßt sein. Es ist mir ja nur um Ihretwillen. Sie dürfen sich nicht der Gefahr aussetzen. Ach, und das hängt ja alles aufs Engste zusammen mit – mit dem, was Sie – mir geworden sind, was ich nicht entbehren kann – Harda –«

Er faßte ihre Hand und zog sie an seine Lippen.

Harda blickte ihn treuherzig an.

Sie wollte etwas sagen, aber ehe sie das Wort fand, fühlte sie sich an ihn herangezogen. Auf einmal hielten sich beide umschlungen und ihre Lippen konnten nicht sprechen. Eine ganze Weile.

Dann klang es selig: »Harda, meine Harda! Ist es denn möglich?«

Ihre angstvolle Spannung löste sich in einem übermütigen Glücksgefühl.

»Möglich? Möglich? Was wirklich ist, muß wohl möglich sein! Ja, ja!« rief sie. »Aber es ist gefährlich hier.«

»Wir bleiben zusammen.«

Sie lag wieder in seinen Armen.

Plötzlich riß sie sich los und eilte nach einem der Stühle an der Wand, wo sie sich niederließ.

»Bleib dort, bleib!« rief sie ihm zu. »Wenn jetzt Idonen hier sind, sie sehen ja alles!«

»Das ist nun ganz gleichgültig,« sagte er lachend. »Denke mal, wenn sie's ausplaudern wollen, da müßten sie's doch gegen andere tun als wir, das gäbe einen schönen Beweis für ihre Existenz.«

Er setzte sich neben sie und faßte ihre Hand.

»Ach,« sagte sie, »so was wird auch ohne Idonen geschwatzt. Aber es ist ja nun egal. Jetzt wollen wir erst mal aufräumen.«

Sie machten sich an die Arbeit, die freilich manchmal unterbrochen wurde. Aber sie sprachen auch sehr verständig dabei.

»Was müssen das für seltsame Wesen sein, die das Metall und das Glas so ohne Werkzeuge durchschneiden können,« sagte Harda, die Glasdeckel eines Kastens betrachtend.

»Ohne Werkzeuge werden sie nicht sein, sie müssen sich etwas derartiges angefertigt haben, sonst hätten sie die Idone in Nummer drei schon früher befreien können. Ich denke nur, ihre Technik wird nicht wie unsre hauptsächlich eine mechanische, sondern mehr eine chemische sein, durch Säuren und Ätzungen wirkend, wie das ja auch ihrem organischen Zusammenhange mit den Pflanzen entspricht. Ihre Mittel sind andre als die unsren, aber nicht schwächere. Und das ist eben meine Sorge. Sie sind gefährlich. Darum wollte ich dich von hier fort haben. Ich – ich hab's nur nicht zustande gebracht.«

»Ich habe keine Angst mehr. Da sie Intelligenzwesen sind, werden sie wohl noch auf irgend eine Weise mit sich reden lassen.«

»Aber das geht nicht! Laß dir ja nicht einfallen, dich noch einmal von einem Idonen besuchen zu lassen. Man kann nicht wissen, was er dir antut.«

»Dazu habe ich auch gar keine Lust.«

»Vorsichtig müssen wir allerdings sein,« begann Werner wieder. »Zunächst müssen wir zu ergründen suchen, was diese ganze Form des Angriffs bedeutet. Daß sie ihre Gefangenen befreien, ist natürlich. Daß sie auch die Toten wegschaffen, könnte auf Pietätsgründen beruhen, die wir bei Intelligenzwesen annehmen müssen. Warum aber zerstören sie ihre eignen Keime, die Sporenbecher von allen Pflanzen, nicht aber die Pflanzen selbst?«

»Wahrscheinlich wollen sie uns auch alles Untersuchungsmaterial entziehen,« meinte Harda. »Die Photographieen, die Zeichnungen – Woher sie das nur wissen? Und wo sie das hingeschleppt haben mögen? Ach, es ist ein Jammer! Die paar Sachen im Schranke sind älteren Datums und nicht viel wert. Wir haben fast nichts mehr!« Sie seufzte.

Werner legte den Arm um sie. »Ich habe noch was, und für alle Idonen tausche ich's nicht ein, was ich gefangen habe.«

»Das hab' ich freilich auch,« sagte sie glücklich. »Und weißt du,« fuhr sie schelmisch fort, »von diesem ganzen Unglück wollen wir einmal vorläufig gar nichts sagen.«

»Daß uns die Idonen durchgegangen sind? Nun ja, da noch niemand etwas davon weiß, daß wir sie gehabt haben, so können wir natürlich zunächst abwarten, was nun wird. Es gibt ja noch Sternentau im Walde und sonst wo. Aber Emmeyer hat doch die Bilder gesehen.«

»Was weiß denn Emmeyer? Die Photographien konnte er sich nicht deuten, die haben nur wir verstanden. Und die merkwürdigen Früchte, an die er denkt, nun, die haben sich eben zersetzt. Weg sind sie! Mag er die chemischen Konsequenzen ziehen.«

»So einfach wird das wohl nicht gehen,« sagte Werner. »Das bedarf noch weiterer Überlegung. Wir können uns Zeit nehmen, der Bericht kann nun doch nicht abgehen – vorläufig. Aber abgesehen von der Idonenfrage – das andre, was wir noch entdeckt haben –«

Er zog sie an sich. »Was wird dein Vater sagen?«

Sie barg das Gesicht an seiner Schulter und wurde sehr ernst.

»Lieber,« sagte sie, »daran laß uns jetzt nicht denken. Zunächst ist er noch verreist.«

»Aber er kommt bald wieder, und dann geht es nicht anders; ich will doch bei euch verkehren, ich will dich doch haben, du holdseliges –«

»Jetzt noch nicht, noch nicht! Ich bitte dich – ich müßte dir Dinge sagen, die ich noch nicht sagen kann – Sieh nicht so finster aus, ich habe dich ja so lieb! Vertraue mir! Ich weiß noch nicht, wenn es möglich sein wird, aber ich werde dir's sagen, sobald der Vater davon wissen darf. Es ist da eine Sache, von der ich auch zu dir noch nicht sprechen kann, weil's andere angeht.«

»Das ist eine furchtbar schwere Frage! Ich sehe gern klar. Ich kann doch hier in dieser Vertrauensstellung nicht deinem Vater, deiner Familie gegenüberstehen, mit dem Bewußtsein, daß – daß –«

»Daß ich dich lieb habe oder du mich? Nun, da kann ich's ja zurücknehmen – ja? Oder ich kann morgen verreisen. Ich gehe auf die Universität.«

»Nein, nein – das kann ich jetzt nicht ertragen!«

»Nun, dann ertrage das andere!«

»Ach, es ist ja so unaussprechlich herrlich, du Glück! Aber die Klarheit –«

Harda fiel ihm um den Hals. »Muß denn alles klar sein?« fragte sie, ihn küssend.

»Ich weiß nicht,« sagte er unter Liebkosungen. »Aber –«

»Aber – das heißt: Adieu Herr Doktor –«

»Aber ich meine ja nur, wenn nun ein andrer um dich anhält – zum Beispiel –«

»Wird abgewiesen –«

»Aber der Kommerzienrat –«

»Ist schon!«

»Harda!«

»Ja, ja, ja!«


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