Kurd Laßwitz
Sternentau
Kurd Laßwitz

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Zur Erde

Bio war ein stattlicher Baum in einem Haine gleichartiger Rankenbäume, an deren Zweigen sich hier und da jene blauen Sporenbecher in verschiedenen Entwicklungsstadien zeigten. Die allgemeine Bezeichnung für die pflanzliche Stufe der den Neptunsmond bewohnenden lebenden Wesen ist »Fyten«. Die Idonen pflegen ihre Fyten ehrfurchtsvoll. Sobald sie irgend wo einen jungen Rankenbaum im Aufkeimen bemerken, sorgen sie für sein weiteres Gedeihen. Nur die Aussaat dieser Keime selbst, ob sie überhaupt zu einer Entwicklung gelangen, überlassen sie einer höheren Macht. Sie halten es für einen Frevel, hier in die unbekannten Pläne des Himmelskörpers mit ihrer eignen, doch immerhin beschränkten Überlegung einzugreifen.

Fänu und Fren senkten ihren Flug bis an die Wurzel des Baumes. Dort ließ Fänu sich nieder. Sie blickte hinaus in das grünende Laubdach und hinab auf den Boden und sagte dann:

»Mutter, wir grüßen dich. Wir bringen zu dir zum ersten Mal das Geheimnis des Schleiers, damit du es segnest, ehe wir es hinsenden auf die dunklen Wanderwege der Hoffnung.«

»Sei willkommen, Kind, und du, Fren, Genosse ihres Glücks und ihrer Freiheit.«

So sprach Bio, langsam, wie Pflanzen pflegen. Es war eine feierliche Handlung, zu der sie die Idonen empfing. Die schöne Freiheit beider Generationen kam ihnen hier zu erhebendem Bewußtsein, und die Pflanze fühlte sich dabei im Stolze der Vermittlerin zwischen Natur und Würde.

»Ich erwidere euern Gruß,« fuhr Bio fort, »ich, die ich wachse im Reiche der bauenden Welt. Euch baute ich empor aus der Tiefe des Planetenmondes, damit ihr lebt im goldenen Reiche des schönen Scheins. In euerm Denken schafft ihr eure Welt, euer spielendes Wollen ist holdeste Erfüllung des Gefühls. Was ihr tut, ist des Planeten lebendig freie Freude. Ihr schwebt durch die Höhen, frohe Idonen, und Glück und Würde ist in euch geeint. Mit euch erleb' ich Höhe und Glück. Freudig nun streut aus der Gemeinsamkeit höchste Blüte, streut aus ins Unbestimmte zur Bestimmung.«

»Wir danken dir, Mutter. Sage uns noch den Segen des ewigen Werdens!«

Wieder begann Bio:

»Aufs neue erhebe sich der Kreislauf. Ins Unbestimmte schweben die Zellchen des Lebens, die euerm seligen Bunde entsprungen sind, ob sie vergehen und einzeln schwinden, ob sie bestehen und wurzeln im Boden, der uns trägt.

Nehme er gnädig und fördernd sie auf, daß sie gedeihen zum grünenden, blühenden Baume!

Fülle er sie wieder mit der Urkraft des Schaffenden, tränke er sie mit der Seele des gemeinsamen Lebens aller Wesen, die im Sonnenreiche zusammenwirken!

Gehet hinaus, Endliches zum Unendlichen, daß es neu geboren kehre, Unendliches ins Endliche!

Denn das ist der Sinn des Gottes.

Nicht uns läßt er leben, sondern er lebt in uns, und wir sind es, als die er sich wandelt, der Schöpfende, von Wirklichkeit zum Spiel, vom Spiele zur Wirklichkeit.

Werden und Scheinen ist unser Wandel, Götterleid und Götterlust. Flieget empor, Fänu und Fren!

Von der Höhe der Wolken gleite schwebend hinab die Frucht des seligen Scheins, um wieder zu werden und zu wachsen im Pflanzengrunde!«

Schweigend erhob sich das Paar und flog weiter noch manche Strecke. Dann hielten sie an und wandten sich dem Planeten zu, dessen Scheibe groß und still in ihrem milden Lichte herüberschien.

In ihnen glühte der Stolz der Idonen, die Leben ausstreuen zum Ewiglebenden, hingeben und nicht verlieren, was Leben ist. Denn Leben ist Schein und Schein ist Leben. Nicht tötet eines das andere, beide sind sie das ewig Schaffende. Sie lösen sich ab wie zwei treue Freunde in der Arbeit. So schreitet das Einzelbewußtsein, in dauerndem Wechsel immer neu sich selbst gestaltend, von dem einen Reiche zum andern. Höher und höher arbeitet sich in Leib und Seele die Anpassung des Lebendigen an gehofftes Unendliches, immer wieder neu sich verjüngend im Pflanzenwachstum, dann neu sich erhebend im Reiche des freien Gedankens zur Götterwonne, und keine Träne fließt hier mehr dem Leiden.

So deutet der Glaube der Idonen die Natur ihres Sternes.

Fänu wehte mit dem Schleier zur Sonne hin – –

Das Glück schwebte in der Luft. Ihr Glück im Herzen kehrten sie heim.

* * *

Aus Fänus wehendem Schleier war ein durchscheinendes Etwas hinausgeschwebt ins Wolkenreich. Das löste sich auf in Millionen unsichtbarer kleinster Zellchen, die Dauersporen der Pflanze Bio vom Neptunsmond.

Diese kleinen Körnchen besaßen einen Durchmesser, der nur etwa den sechstausendsten Teil eines Millimeters betrug. Sie waren also kleiner als die Wellenlänge des Lichts und nahe an der Grenze dessen, was das beste Mikroskop dem Menschenauge noch zu zeigen vermag. Und doch waren sie nicht kleiner als die kleinsten Pflanzensamen, die auf der Erde vorkommen, und jedes umfaßte noch viele Millionen Molekeln.

Die Schar dieser kleinsten Hüllen schlummernden Lebens schwebte in der Atmosphäre des Neptunsmonds.

Lange mochten sie hier verweilen, von jedem leisesten Luftzuge umhergetrieben und zerstreut, und nur langsam, ganz langsam konnten sie auf den Boden sinken, wo dann einzelne so glücklich sein mochten, auf fruchtbarem Lande sich festzusetzen und aufzuwachsen zum Rankenbaum.

Weiter war der Mond auf seiner Bahn um den Neptun geschritten, und einige der kleinen Wandersporen waren auf die Nachtseite geraten, die jetzt weder von der Sonne noch vom Planeten erleuchtet wurde. Hier kamen sie in elektrische Entladungen der hohen Schichten der Mondatmosphäre, durch die sie eine Abstoßung erlitten und fort vom Monde und vom Planeten in den leeren Weltraum hinausgetrieben wurden.

Aber auch der Weltraum ist nicht ganz leer. Staubteilchen verschiedener Größe, auf verschiedene Weise verdunstet und entflohen von den Weltkörpern, schweben darin umher. Je nach ihrer Masse werden sie durch die Schwerkraft nach der Sonne hingezogen, oder sie werden, wenn sie zwischen gewissen Grenzen der Kleinheit liegen, durch den Strahlendruck der Sonne von ihr abgestoßen.

Die Dauersporen des Rankenbaums Bio besitzen eine Größe derart, daß für sie der abstoßende Strahlendruck der Sonne, eine Folge der Energiestrahlung dieses heißen Weltkörpers, die Anziehungskraft der Sonne überwiegt. Sie wurden also von der Sonne fort in den Weltraum getrieben, aus dem Anziehungsbereich des Neptun und aus unserm Sonnensystem überhaupt hinaus, und mögen dort irgend einmal in die Herrschaft eines fremden Sternes geraten.

Einer aber dieser kleinen Keime traf, als er eben weit genug vom Neptun entfernt war, um nicht wieder zurückzufallen, auf ein Staubteilchen, das seines Weges zur Sonne zog; denn dieses war tausendmal so schwer und groß als das Samenkörnchen. Freilich wollte das nicht viel sagen; es blieb immer noch selbst unsichtbar klein, da sein Durchmesser nur den sechshundertsten Teil eines Millimeters betrug; aber gegen das Samenkörnchen war es doch ein Riese. Die kleine Dauerspore blieb an dem Staubteilchen haften. Dadurch wurde sie mit ihm nach der Sonne hin angezogen. Sie trat ihre Reise nach dem Innern unsers Planetensystems an.

Genau läßt es sich ausrechnen, wieviel Zeit ein Körnchen dieser Größe braucht, um von der Nähe des Neptun der Sonne zuzufliegen. Nach einundzwanzig Jahren war es noch so weit von ihr entfernt wie der Planet Uranus, nach weiteren zwölf Jahren hatte es die Saturnbahn passiert, vier Jahre brauchte es noch bis zur Bahn des Jupiters, und zwei weitere bis es von der Sonne so weit abstand wie der Mars. Bis jetzt war es glücklich ohne Aufenthalt mit immer gleichmäßig wachsender Geschwindigkeit geflogen und hatte keinerlei Abenteuer erlebt. Keiner der Planeten, deren Bahnen es passierte, hatte es gestört, denn sie befanden sich gerade auf weit entlegenen Strecken. Auch die vielen kleinen Asteroiden waren ihm nicht gefährlich geworden, nur einer hatte ihm eine unbedeutende Abweichung versetzt. Aber, ein Vierteljahr etwa, nachdem es die Marsbahn verlassen, näherte sich das Staubteilchen mit seinem Sporenkörnchen einem größeren Planeten, der gerade auf die Stelle zueilte, wo es seine Bahn zu kreuzen hatte. Hier erhielt es eine starke Ablenkung. Die Anziehung des kräftigen Planeten zwang es, ihm entgegenzueilen. Es schoß auf ihn zu und geriet zwischen die äußerst dünn verteilten Molekeln seiner äußersten Atmosphäre. Es befand sich auf der Erde.

Die Dauerspore des Rankenbaums Bio enthielt keine Spur von Feuchtigkeit. Infolge dessen schadete ihr die Kälte des Weltraums nichts, so tief auch seine Temperatur sank. Zwar ward das Körnchen von der Sonne bestrahlt, aber bei seiner Kleinheit gab es diese Wärme sogleich wieder durch Ausstrahlung ab. So war es unversehrt zwischen die äußersten Schichten der Erdenluft gelangt.

Beim weiteren Eindringen prallten immer mehr Luftteilchen auf das Staubkörnchen und erwärmten es stark. Dabei löste sich die Dauerspore von ihrem Weltraumfahrzeug, dem Staubteilchen, ab und schwebte wieder auf eigene Faust in der Atmosphäre. Sie vermochte einen guten Teil Stöße der Luftmolekeln zu vertragen. Ihre Kleinheit half ihr auch jetzt, so daß sie ohne Gefährdung sich der Temperatur der umgebenden Luft anpaßte. Unversehrt und heil schwebte sie über einem Waldgebirge.

Wolken ballten sich zusammen, es regnete. Ein schöner runder Tropfen riß den Weltwanderer herab und klatschte auf die Blätter einer alten Buche. Mehr und mehr Tropfen fielen und schwemmten die Spore abwärts bis auf den Boden. Unmittelbar an der Wurzel einer Efeupflanze, die an der Buche emporgeklettert war, haftete die Spore im erweichten Humusboden und kam zur Ruhe.

Vierzig Jahre hatte die Reise gedauert. Aber auf solche Abenteuer sind die Dauersporen vieler Pflanzen eingerichtet. Bios Samenkörnchen hatte die Zeit glücklich überstanden, ohne seine Keimkraft einzubüßen. In tiefstem Schlummer lagen in ihm alle Energien, sich gegenseitig im Gleichgewicht ihrer Spannungen haltend. In ihnen waren in ruhendem Zustande die Spuren des Lebens bewahrt, die sich dem Geschlechte der Pflanzen auf dem Neptunsmond eingegraben hatten in Billionen Jahren, von jenen Urzeiten, in deren Verlauf ihre Vorfahren allmählich bis zu den Müttern des Idonengeschlechts aufgestiegen waren, bis zu den Erlebnissen ihrer unmittelbaren Eltern, Frens und Fänus. Natürlich nicht alle, aber alle die, welche erforderlich waren, um die Lebensprozesse zu wiederholen, deren Ergebnis sich als Aufbau eines Rankenbaumes vom Geschlechte Bios zeigte. Es war nur nötig, daß die äußern Bedingungen eintraten, jene Prozesse auszulösen, die schlummernden Spannungen zu erwecken und neue Energien in ihren Wirkungskreis hineinzuziehen.

Und die Zeit kam. Die Feuchtigkeit des Bodens lockerte die feste Hülle der Spore. Zahllose Bakterien begannen ihre Zersetzungsarbeit in der Umgebung. Die Zelle vom Neptunsmond regte sich in der Fremde. Sie wuchs, teilte sich, teilte sich wieder, und die neue Genossenschaft kam zum Lichte. Die ersten grünen Körnchen färbten das erste Blättchen. Ein junges Biopflänzchen war aufgesprossen auf Erden.

Mühsam war sein Lebenswerk. Der Buchenschatten und die Deckung durch den Efeu schützten es, sonst hätte es sich in der Sonnennähe des Erdplaneten nicht halten können. Die Stärke der Schwerkraft zog es zur Erde nieder, als Ranke mußte es am Boden kriechen, das sich auf dem Saturnsmond stolz als Baum in die Höhe gerichtet haben würde.

Aber doch hatte es die Bedingungen günstig getroffen. Am Efeu konnte es sich von der Bodennässe emporrichten. Brutknospen wuchsen hervor, fielen ab und wurden von Wind und Wasser zerstreut. Im Winter ruhte alles. Jedoch im Frühjahr grünte die Pflanze wieder auf und strebte kräftiger zur Höhe. Wo Brutknospen zufällig unter eine Efeupflanze geraten waren, sproßten aus ihnen neue Rankenpflänzchen empor. So gab es einzelne Stellen im Walde am Riesengrab, wo Nachkommen Bios, der Pflanze vom Neptunsmond, gediehen. Noch war sie von keinem Menschen bemerkt, unscheinbar unter dichtem Efeu versteckt. Aber im zweiten Jahre entwickelte sich etwas Neues. Blaue Glöckchen brachen hier und da an den Ranken der Pflanze hervor. Sie bereitete sich, das neue Geschlecht zu erzeugen, die Idonen, die als freie Vernunftwesen auf dem Neptunsmond herrschen.

Würden sie auch auf der Erde bestehen können?

In diesem Jahre kam es noch nicht dazu, die blauen Becher fielen ab, die silberweißen Fäden, die sich gezeigt hatten, verdorrten. Aber im folgenden Frühjahr sproßten neue Kapseln hervor und öffneten sich.

Die Pflanze hatte sich jetzt schon weiter verbreitet. Denn die schönen blauen Becher waren einem jungen Mädchen aufgefallen; sie hatte Ableger der Ranken unter Efeupflanzen gezogen. Die fremde Pflanze aber nannte sie Sternentau. Auch in ihrem Zimmer wuchs ein solches Pflänzchen mit blauen Kapseln.

Und als der Juni ins Land kam, öffneten sich die Becher, die freilich nicht die Größe gewonnen hatten, wie in ihrem Ursprungslande. In einer warmen Sommernacht wuchs es zuerst an einem geöffneten Becher im Schutze des Zimmers schwellend hervor und trennte sich von der Pflanze, noch unbemerkt von dem Mädchen, ein schwach leuchtendes Wesen, eine schwebende Elfe, Fänus Enkel, die erste Idone auf der Erde. Und in den folgenden Nächten kamen nach und nach immer mehr der pflanzensprachkundigen Vernunftwesen hervor, auf dem Friedhof, im Schlafgemach und zuletzt an der Stammutter beim Riesengrab.

Die junge Idone – denn es war ein Idone weiblichen Geschlechts – fand zwar, als sie zur vollen Entwicklung gekommen war, die Überlieferung des Idonentums in sich vor, die durch die Spore vom Neptunsmond mitgebracht war, aber alles, was sich auf die Erde bezog, war ihr natürlich vollkommen fremd. Denn solange der Sternentau es nicht selbst bis zur Produktion von Idonen gebracht hatte, war ihm auch eine irgendwie nähere Verständigung mit den Pflanzen der Erde nicht möglich. Das änderte sich jetzt. Der Sternentau vermochte mit dem Efeu zu sprechen und konnte nun den Idonen übermitteln, was er von den Pflanzen der Erde erfuhr. Allerdings wußte gerade Kitto, der Efeu in Hardas Zimmer, verhältnismäßig wenig von der Pflanzenwelt draußen; denn da die Sprache durch die Wurzeln im Boden vermittelt wurde, die hier infolge der künstlichen Einpflanzung und Hegung im Zimmer von der Muttererde getrennt waren, so blieb der Verkehr zwischen Kitto und Ebah eigentlich auf die Stunden beschränkt, in denen der Efeu einmal bei Regen in den Garten gestellt wurde. Aber der Sternentau hatte jetzt die Sprache der irdischen Pflanzen durch Kitto gelernt, und dies genügte, um der jungen Idone den Verkehr mit den Pflanzen der Umgegend zu ermöglichen.

Nachdem es der Idone schmerzlich zum Bewußtsein gekommen war, daß sie sich unter völlig fremdartigen Verhältnissen befand und daß sie ganz allein stand, ohne jede Hilfe und Gesellschaft gleichartiger Wesen, hatte sie beim Morgengrauen durch das geöffnete Fenster das Zimmer verlassen und war so Hardas Beobachtung entgangen. Harda fand nur die vertrocknete Kapsel.

Unsichtbar schwebte die junge Idone durch die Luft und suchte nach dem Efeu am Riesengrab, Kittos Mutter. Dort, so hatte ihr Kitto gesagt, würde sie noch anderen Sternentau finden. Auch die geöffneten Kapseln in Hardas Zimmer ließen sie schon hoffen, daß sie bald verwandte Wesen in diesem fremden Lande besitzen würde. Bis dahin traute sie nach Idonenart auf die eigne Kraft und suchte sich nach Möglichkeit über die Verhältnisse zu unterrichten.

Zunächst gab sie sich selbst einen Namen – denn das war das Recht der Idonen – und nannte sich Ildu, das bedeutet in der Sprache der Idonen »die einzige«. Sie bemerkte sogleich, daß sie sich gar nicht auf dem Neptunsmond befinden könne, denn die Helligkeit des Tages und die Schwere waren viel mächtiger. Da sie aber bei ihrem Fluge nur von ihrem relativen Gewicht zur Luft abhängig war, und die Luft von nahezu gleicher Zusammensetzung zu sein schien wie auf dem Neptunsmond, so erschwerte ihr dies die Bewegung nicht wesentlich. Nach längerem Suchen war sie zur Buche gelangt und hatte dort durch Ebah und Bio auch von Harda gehört und über die Menschen einiges erfahren, soweit die unklaren Vorstellungen der Pflanzen das gestatteten. Sie war dann in Hardas Zimmer zurückgekehrt, und als diese selbst dort eingetreten war, hatte sich Ildu für kurze Zeit auf Hardas Haupt niedergelassen. Zufällig geschah dies in dem Augenblicke, als Ildu zu Kitto über ihre Unterredung im Walde sprach, worin Ebah ihrer Liebe und Sorge für Harda Ausdruck gegeben hatte. Bei dieser Berührung fiel es Ildu auf, daß in ihr ganz neue Gedanken geweckt wurden, die nur von einer Gegenwirkung des menschlichen Gehirnes ausgehen konnten, sie wußte jedoch nicht, daß gleichzeitig in Harda die Gedanken Ildus in menschlicher Vorstellungsform reproduziert wurden. Ildu war in gewissem Sinne nicht weniger überrascht und erschrocken als Harda bei diesem ihrem ersten »Anfall«, nur daß diese von der Existenz der Idone nichts wußte. Aber auch der Mensch war für Ildu ein vollständig rätselhaftes und unheimliches Wesen.

Die Idone zog sich aus dem Hause zurück und beschloß, in stillem Nachdenken nach Idonenart für sich zu verweilen, bis sie Genossen fände, mit denen sie sich beraten könne. Doch flog sie dabei aufmerkend in der Umgegend umher, lauschte den Stimmen des Waldes und versuchte in ihrer lebhaften Phantasie zu ermitteln, auf welchen Planeten sie wohl geraten sei. Alles war so massig und schwer, blendend war der Tag, aber um so dunkler die Nacht. Müde wirbelten ihre Ruderfüßchen durch die Erdenluft.

In der nächsten Nacht endlich, als sie den Sternentau besuchte, von dem ihr der Efeu unter der Buche gesagt hatte, daß er unter Hedo auf einem grünen Hügel wachse, da jubelte sie auf; da fand sie eine Anzahl junger Idonen, die eben ihre Kapseln verlassen hatten, und in ihren Reigen sich mischend konnte sie den Erstaunten schon manch wichtige Aufklärungen erteilen über die plumpe und rohe Welt, in der sie sich fanden. Viel Erfreuliches ergab sich dabei freilich nicht. Zeigte sich doch die Körpergroße der Idonen hier geringer, als sie nach der ererbten Vorstellungsweise in ihrer Heimat zu sein pflegte, während die Bodenformen viel gewaltigere waren. Die Idonen planten, daß sich ein Teil von ihnen in der Umgebung von Bios Standplatz Wohnungen bauen sollten, um eine Stammkolonie zu bilden; die übrigen wollten weiter hinaus zur Erforschung der Menschen ziehen unter Führung zweier Idonen, deren Namen Elsu und Gret waren.


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