Artur Landsberger
Mensch und Richter
Artur Landsberger

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XXVI.

Als Rechtsanwalt Dr. Bloch seinen Klienten am nächsten Tage wieder besuchte, erfuhr er durch den Wärter, daß Hilde Gugenzeil dagewesen war und sich lange mit Richard Krüger unterhalten hatte. Er ärgerte sich – und redete sich daher ein, daß es seine Pflicht sei, diesen Verkehr, der Hilde kompromittiere, zu unterbinden. Er wandte sich zunächst an Herrn Gugenzeil. Der ließ sich nicht gern in seinen Gedankengängen, die ganz den Geschäften gewidmet waren, stören. Als Rechtsanwalt Dr. Bloch begann:

»Ich komme in privater Angelegenheit.«

»Nämlich?«

»Es handelt sich um Ihre Tochter.«

»Sie wollen sie heiraten?«

»Ja.«

»In diesen Dingen ist meine Frau zuständig.«

»Ich war schon bei ihr. Sie überläßt es Ihrer Tochter.«

»Sehr gescheit. Ich kann das nur billigen.«

»Ich habe mich damit abgefunden.«

»Sie haben mit meiner Tochter gesprochen?«

»Ja.«

»Was sagt sie?«

»Nicht nein – nicht ja.«

»Begreiflich – wenn man das erstemal vor so eine wichtige Entscheidung gestellt wird.«

»Ich lasse ihr Zeit.«

»Sie kennen ihre Verhältnisse?«

»Das Finanzielle kommt für mich erst in zweiter Linie. Die Hauptsache ist der Mensch.«

»Der Mensch ohne Geld ist aber – kein Mensch.«

»Ich habe eine gute Praxis – sie wird noch besser werden.«

»Meine Tochter ist maßlos verwöhnt.«

»Ich weiß.«

»Sie wird ungern auf ihre Gewohnheiten verzichten.«

»Das soll sie ja nicht.«

»Sie hat von ihrer Großmutter mütterlicherseits her ein Vermögen von fünfviertel Millionen.«

»Donnerwetter!«

»Das wußten Sie gar nicht?«

»Mir genügt, daß Sie ein vermögender Mann sind.«

»Also so ganz ins Blaue hinein heiraten Sie doch nicht?«

»Ich hätte auch ohne . . .«

»Das hätten Sie nicht – und es wäre auch falsch. Ein Mann muß rechnen. Man braucht deshalb die Ehe noch nicht als Geschäft zu betrachten.«

»Ihr Fräulein Tochter hat die freie Verfügung über das großmütterliche Erbteil?«

»In dem Augenblick, in dem sie heiratet.«

»Eine Mitgift Ihrerseits käme dadurch wohl in Fortfall?«

»Ja und nein – je nach den Verhältnissen des Mannes, den sie heiratet.«

»Meine Praxis wirft heute schon siebzigtausend Mark ab.«

»Runden wir die Summe auf hunderttausend ab.«

Rechtsanwalt Dr. Bloch bewegte als Zeichen seines Einverständnisses leicht den Kopf – Emil Gugenzeil machte sich ein paar Notizen und fragte:

»Haben Sie sonst noch etwas auf dem Herzen, Herr Doktor?«

»Ja – und das ist auch der Grund, aus dem ich Sie aufgesucht habe. Denn ich bin nicht gekommen, um über Geld mit Ihnen zu sprechen. Wichtiger ist mir der gute Ruf meiner zukünftigen Frau.«

»Was soll das heißen?«

»Daß Ihr Fräulein Tochter auf dem Wege ist, ihren Ruf zu gefährden.«

»Sagen Sie schon, was Sie meinen.«

»Sie stattet einem Mann Besuche ab, der wegen Raubüberfalls in Untersuchungshaft sitzt.«

»Das ist ja toll! – Wie kommt sie denn zu solcher Bekanntschaft?«

»Ein Jugendfreund – angeblich.«

»Etwa der junge Krüger?«

»Ja.«

»Er war viel bei uns – als Kind – später haben wir ihn aus den Augen verloren. Ich hörte erst wieder von ihm durch die Zeitung. Das ist ja eine gräßliche Sache. Kann man dem Mann denn nicht helfen? – Er hat immerhin in meinem Hause verkehrt.«

»Und das, meinen Sie, berechtigt Ihre Tochter . . .«

»Herr Doktor, solange Sie nicht Mitglied der Familie sind, überlassen Sie es bitte uns, über unseren Ruf zu wachen.«

»Verzeihung.«

»Was meine Tochter getan hat, mag vom gesellschaftlichen Standpunkt aus falsch sein – mir macht es Freude, denn es zeigt mir, daß sie ein gutes Herz hat.«

»Für so einen?«

»Noch ist es ja nicht bewiesen, daß er ein schlechter Kerl ist.«

»Und wenn es bewiesen wird?«

»Dann wird das gesunde Gefühl meiner Tochter schon den richtigen Weg weisen.«

»Ich wußte gar nicht, daß Sie so tolerant sind.«

»Ich habe Vertrauen zu meinem Kind – hätte ich das nicht, würde ich mit engherzigen Verboten auch nichts erreichen.«

»Dann muß man fast wünschen, daß er der verdienten Strafe nicht entgeht.«

»Was haben Sie nur mit dem Menschen? Sind Sie etwa eifersüchtig?«

»Ihr Fräulein Tochter hat mir seine Verteidigung übertragen.«

»Das geht allerdings etwas weit.«

»Und ihre endgültige Entschließung über eine eheliche Verbindung mit mir davon abhängig gemacht, daß es mir gelingt, ihn freizubekommen.«

»Ganz unverständlich.«

Gugenzeil ging an den Apparat und ließ sich mit seiner Tochter verbinden.

»Ich muß dich dringend sprechen, Hilde. Bitte, komm sofort zu mir.«

»Halten Sie es für unbedingt wichtig, daß ich der Unterredung beiwohne?«

»Unbedingt! Ich liebe klare Verhältnisse.« –

Die Zeit, bis Hilde kam, füllten sie mit einem Gespräch über die Strafrechtsreform aus – nur, um die Zeit totzuschlagen. Sie ereiferten sich für und wider die Todesstrafe, führten ohne innerliche Beteiligung hundertmal diskutierte Argumente ins Feld und brachen das Gespräch erst ab, als der Diener die Tür öffnete und Hilde in einem Nachmittagskleid mit schwarzem Chiffonsamt mit seitlich verlängertem Rock und weiten, mit silberdurchwirkter Spitze besetzten Ärmeln ins Zimmer trat. Als sie den Rechtsanwalt Dr. Bloch bei ihrem Vater sah, sagte sie – mehr aus Scherz als daß sie ernstlich es für möglich hielt:

»Sie haben doch nicht etwa um meine Hand angehalten?«

»Ich war so frei.«

»Ist das wahr, Papa?«

»Wundert dich das so?«

»Nach der zwischen Ihnen und mir getroffenen Vereinbarung ist das ein Vertrauensbruch.«

»Da Sie selbst für den Fall, daß ich Ihre Bedingung erfüllte, sich nicht banden, sondern nur in Aussicht stellten, meine Werbung in wohlwollende Erwägung zu ziehen, so hatte ich das Recht, mich nach einem Bundesgenossen umzusehen.«

»Ich kann Ihnen verraten, daß Sie damit Ihre Chancen nicht verbessern.«

»Das klingt sehr selbstbewußt, liebe Hilde. Im übrigen habe ich dich nicht deswegen kommen lassen.«

»Sondern?«

»Um dich zu fragen, wie du dazu kommst, dich mit so großer Wärme für diesen Richard Krüger einzusetzen?«

»Weil ich das Gefühl habe, daß ihm Unrecht geschieht.«

»Ist das der einzige Grund?«

»Nein. Auch um der Mutter zu helfen.«

»Welcher Mutter?«

»Seiner natürlich.«

»Was verbindet dich mit ihr?«

»Das ist die reine Vernehmung. – Habe ich das Ihnen zu danken, Herr Doktor?«

»Ja. Als ich erfuhr, daß Sie diesen Menschen . . .«

»Er ist Ihr Klient – und zwar von meinen Gnaden. – Also was haben Sie Großartiges in Erfahrung gebracht?«

»Daß Sie ihn im Untersuchungsgefängnis besucht haben.«

»Ich habe damit nur Ihre Chancen verbessert. Denn ich habe ihn aus seiner Lethargie gerissen und ihn bestimmt, den Kampf, den er für aussichtslos hielt, aufzunehmen.«

»Haben Sie ihm Versprechungen gemacht?«

»Bin ich Ihnen darüber Rechenschaft schuldig?«

»Wir möchten nur wissen, liebe Hilde, ob du dich lediglich aus Gerechtigkeitsgefühl und Mitleid für diesen Mann einsetzt.«

»Er ist ein Spielkamerad von früher – und ich halte Menschen, die mir Gutes taten, Treue.«

»Was kann der Sohn eines Friseurs dir Gutes getan haben?«

»Das ist nicht so leicht zu sagen. Es sind Erinnerungen an die Kindheit, die sich eben nicht verwischen.«

»Das verstehe ich und es ist ein Zeichen guten Charakters. Trotzdem wäre es mir lieb, wenn du dich etwas reservierter ihm gegenüber verhieltest. Ich kann nicht dulden, daß mein Name in Verbindung mit einem Menschen gebracht wird, der morgen vielleicht im Zuchthaus sitzt.«

»Willst du leugnen, daß er in deinem Hause verkehrt hat?«

»Ich sagte Herrn Dr. Bloch schon, daß mich dieser Umstand verpflichtet, ihm zu helfen. Aber nur, wenn du aufhörst, dich um ihn zu kümmern.«

»Du kämpfst gegen gute Gefühle in mir an, Papa. Das hast du bisher nie getan.«

»Wenn du Gutes tun willst, gibt es dafür unendlich viel Möglichkeiten. Es braucht also nicht ein Mann zu sein, dem das Zuchthaus droht.«

»Ich kann nur helfen, wo ich mitfühle.«

»Du liebst den Mann doch hoffentlich nicht?«

»Die Frage habe ich mir bisher noch nicht vorgelegt.«

»Ich hoffe, du wirst sie dir niemals vorlegen.«

»Möglich. Versprechen kann ich es nicht.«

»Wenn Sie das nicht versprechen können, Fräulein Hilde, müßte ich erwägen, ob ich die Verteidigung nicht besser niederlege.«

»Bitte, erwägen Sie! Aber sofort. Denn Richard Krüger kann nicht einen Tag ohne Anwalt sein.«

»Der Gedanke, mit diesem Menschen in Konkurrenz zu treten . . .«

»Hilde, das meinst du doch nicht.«

»Ich bin mir nicht bewußt, etwas Ähnliches gesagt zu haben.«

»Jedenfalls bleibe ich dabei, entweder du ziehst dich von ihm zurück, oder ich helfe ihm nicht.«

»Papa, das ist nicht dein Ernst.«

»Ich fühle mich ihm durchaus nicht verpflichtet.«

»Du hast doch selbst gesagt, weil er in deinem Hause verkehrt hat . . .«

»Er war ein Kind damals.«

»Er ist es heute noch.«

»Schlimm, wenn die Mutter keinen Mann aus ihm gemacht hat.«

»Sie hat getan, was sie konnte – aber sie ist arm und war müde, wenn sie abends von der Arbeit kam.«

»Das ist traurig. Aber man kann nicht jedem helfen.«

»Er ist nicht jeder – für dich nicht!«

»Was willst du damit sagen?«

»Daß du die Pflicht hast, ihm zu helfen. Glaube es mir – und frage nicht.«

»Hast du ihm etwa ein Versprechen gegeben?«

»Er weiß ja von nichts.«

»Wovon weiß er nichts?«

»Daß du Pflichten ihm gegenüber hast.«

»Ich bitte dich, sage, was du meinst.«

»Der Doktor braucht es nicht zu hören.«

»Ich gehe schon.«

Rechtsanwalt Dr. Bloch wandte sich zur Tür.

»Halt!« rief ihm Hilde nach: »Da Sie sich für mich interessieren, so ist es ganz gut, wenn auch Sie Bescheid wissen.«

Der Anwalt kehrte um und sagte halblaut:

»Ich fürchte das Schlimmste.«

»Auch dann noch werden Sie überrascht sein.«

»Ich habe es geahnt – seit Tagen.«

»Was haben Sie geahnt? Bitte, sagen Sie es!«

»Ich möchte nicht . . .«

»Ich will es wissen.«

»Daß zwischen Ihnen und diesem Herrn Krüger . . .«

»Was ist zwischen ihm und mir?«

»Ersparen Sie es mir.«

»Reden Sie!«

»Daß Beziehungen bestehen – intimer Art.«

»Soll das heißen, daß wir ein Verhältnis miteinander haben?«

»Hatten – nehme ich an.«

»Und das hörst du dir mit an, Vater? – Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Dr. Bloch: Sie sind ein ganz minderwertiger Mensch!«

»Erlauben Sie!«

»Nicht weil Sie mir so etwas zutrauen. Mich kränkt das nicht. Von mir kann jeder denken, was er will. Wenn nur ich mit mir zufrieden bin. Daß Sie mich aber, obgleich Sie so etwas annehmen, zu Ihrer Frau machen wollen, ist ein Zeichen von Minderwertigkeit.«

»Ich bitte Sie, Fräulein Hilde – heutzutage! Was wäre denn schon so Schlimmes dabei?«

»Sie kennen mich, das muß ich sagen! Ich glaube, ich würde Sie sehr enttäuschen.«

»Bestimmt nur nach der guten Seite hin.«

»Ohne Überhebung, Herr Doktor, aber ich habe den Eindruck, daß ich zu schade für Sie bin.«

»Wollen Sie mir glauben, daß ich mich an Ihrer Seite bessern werde?«

»Ich fühle mich nicht dazu berufen, aus Ihnen einen anständigen Menschen zu machen.«

»Hilde, was erlaubst du dir?«

»Ich erleichtere ihm nur den Rücktritt.«

»Aber ich denke ja gar nicht daran.«

»Auch dann nicht, wenn Sie erfahren, daß das großmütterliche Erbteil mir gar nicht gehört?«

»Wie kommst du denn darauf, Hilde?«

»Nun, Herr Doktor, wie gefällt Ihnen das?«

»Sie wollen mich auf die Probe stellen. Aber ich erkläre Ihnen, daß ich auf das Erbteil ganz verzichte.«

»Wovon sollen wir denn leben? Ich bin maßlos verwöhnt. Und, um meinen Luxus aufzugeben, müßte ich in einen Mann schon sehr verliebt sein.«

»Was soll das, Hilde? Wenn du feststellen willst, ob Dr. Bloch dich aus Liebe oder deines Geldes wegen heiraten will, so tu das in anderer Form – und nicht in meiner Gegenwart.«

»Es ist, wie ich sage. Mir gehört weder Großmutters Erbe, noch habe ich von dir etwas zu erwarten.«

»Ja, wem gehört es denn?« fragte Rechtsanwalt Dr. Bloch übereilt.

»Ihrem Klienten Richard Krüger.«

»Laß endlich den Unsinn und sage, was du meinst.«

»Daß Richard euer Sohn ist.«

»So ein Unsinn!«

»Frage Mama, die wird es dir bestätigen.«

»Und du?«

»Wir sind vertauscht.«

Emil Gugenzeil lachte laut auf und sagte:

»Vertauscht! Wie Mäntel, die man in der Garderobe abgibt. – Auf Ideen kommst du! – Aber Sie sehen, Doktor, wie sie ihr Köpfchen anstrengt – nur, um sich Klarheit über Ihre Gefühle zu verschaffen.«

»Richard und ich sind in demselben Haus, am gleichen Tag geboren.«

»Was besagt das?«

»Frau Elsa Krüger . . .«

»Die Friseuse?«

» . . . war mit ihrem neugeborenen Kinde in Mamas Zimmer – unmittelbar nachdem Mama niedergekommen war.«

»Das hat man mir erzählt.«

»Da ihr Kind schwach war und Pflege brauchte, die sie ihm nicht geben konnte, so ist sie auf den Gedanken gekommen . . .«

»Das ist ja furchtbar!« rief Rechtsanwalt Dr. Bloch – während Emil Gugenzeil auf den Sessel sank, den Kopf in die Hand stützte und nach einer Weile sagte:

»Vielleicht kann man das durch Geld aus der Welt schaffen?«

»Das ist eine Idee!« erwiderte Dr. Bloch – aber Hilde sagte:

»Damit ändert man doch nichts an der Tatsache.«

»Was glauben Sie, Fräulein Hilde, wieviel Kinder mit einem falschen Vater herumlaufen?«

»Aber nicht mit einer falschen Mutter.«

»Bin ich dir denn gar nichts, Hilde?«

»Du bist mir viel mehr als du glaubst. Und wenn jemand käme und mir erklärte: Ich bin dein Vater! – es würde das an meinen Gefühlen für dich nichts ändern.«

»Das ist klug gesprochen, Fräulein Hilde.«

»Es handelt sich im Augenblick aber nicht um mich, sondern um – Richard.«

»Weiß er etwas davon?« fragte Gugenzeil – und Hilde erwiderte:

»Nein! Aber es ist meine Pflicht, es ihm zu sagen.«

»Überstürze nichts!«

»Fast ein Menschenalter lang genieße ich etwas, was ihm zukommt – und du sprichst von Überstürzung.«

»Für mich bist du mein Kind – und bleibst es.«

»Wenn Sie gestatten, Herr Gugenzeil, so bereinige ich das mit Frau Krüger. Sie müssen mir nur die Summe nennen, die es Ihnen wert ist.«

»Das ist ja Menschenschacher!« rief Hilde – und zu Dr. Bloch gewandt fuhr sie fort: »Sie werden mir immer unsympathischer.«

Emil Gugenzeil, der gewöhnt war, alles, was an ihn herantrat, kalt zu berechnen, und geschäftlich zu behandeln, fühlte sich zum erstenmal in seinem Leben der Situation nicht gewachsen.

»Für mich liegt der Fall so«, sagte er, »daß ich zu jedem Opfer bereit bin, um mir Hilde zu erhalten. Andererseits kann ich mich nicht darüber hinwegsetzen, daß dieser junge Mann mein Sohn ist und de jure meinen Namen trägt. Ich muß also alles tun, um diesen Namen rein zu erhalten.«

»Bravo, Vater! Und darin werde ich dich unterstützen.«

»Damit, daß du zu ihm läufst und ihn aufklärst, hilfst du ihm nicht. Du verwirrst ihn nur.«

»Wenn ich mir eine Meinung erlauben darf«, sagte Rechtsanwalt Dr. Bloch – »so halte ich es bei dem Tatbestand, der eine Verurteilung wahrscheinlich macht, für geboten, daß der Prozeß unter dem Namen Krüger geführt wird.«

»Man muß eben einen Tatbestand schaffen, der zu einem Freispruch führt«, erwiderte Hilde – aber Rechtsanwalt Dr. Bloch blieb dabei.

»Man kann die Wahrheit, wenn sie so deutlich ist wie hier, nicht vergewaltigen.«

»Wenn Sie das meinen, so entziehe ich Ihnen hiermit den Prozeß.«

»Ich habe die Vollmacht, die nur er widerrufen kann. Und nun, wo ich weiß, daß es Ihr Sohn ist, Herr Gugenzeil, werde ich mich doppelt für ihn ins Zeug legen.«

»Gut!« erwiderte Emil Gugenzeil. »Aber Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich noch eine Kapazität hinzuziehe.«

»Gut, Papa! Wennschon ich fürchte, daß auch der neue Anwalt den Tatbestand als gegeben hinnehmen wird.«

»Ich bitte Sie, Fräulein Hilde, der junge Herr selbst bestreitet ihn ja nicht.«

»Aber die Voraussetzungen bestreitet er – und für die Zusammenhänge hat er keine Erklärung.«

»Es gibt nur eine – genau wie es nur einen Weg gibt, ihn vor dem Zuchthaus zu retten.«

»Nämlich?«

»Ihn für geisteskrank zu erklären.«

»Herr Doktor, das gebe ich nicht zu. Ist er schuldig, so soll er seine Strafe bekommen. Später wird man dann Mittel und Wege finden, ihm eine Existenz zu schaffen.«

»Existenz? Wo er 5/4 Millionen von seiner Großmutter erbt?«

»Davon wird man ihm zunächst nichts sagen.«

Rechtsanwalt Dr. Bloch ging nachdenklich im Zimmer auf und ab. Plötzlich blieb er stehen vor Herrn Gugenzeil und sagte:

»Mir kommt da eine Idee.«

»Nämlich?«

»Die Frau lügt. – Die Not ihres Sohnes hat sie auf den Gedanken gebracht.«

»Das ist eine Infamie!« rief Hilde – aber der Anwalt fuhr fort:

»Wenn man feststellen könnte, daß sie von dem großmütterlichen Erbe wußte.«

»Das weiß wohl jeder im Haus – und sie ist, wie mir meine Frau erzählt, mit unserer Mamsell eng befreundet.«

»Also! Es gewinnt immer mehr an Wahrscheinlichkeit. Ich glaube, es wird gelingen, den Nachweis zu erbringen und die Schwindlerin zu entlarven.«

»Die Frau lügt nicht!« erklärte Hilde mit aller Bestimmtheit.

»Es kommt in diesem Falle ja nicht darauf an, die objektive Wahrheit zunächst zu ergründen, sondern nachzuweisen, daß Frau Krüger unglaubwürdig ist.«

»Doch nur bis der Prozeß vorüber ist«, meinte Emil Gugenzeil – aber der Anwalt erwiderte:

»Weshalb? Was haben Sie für ein Interesse daran, einen Jahrzehnte bestehenden Zustand, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind, zu ändern?«

»Das werde ich mit meinem Gewissen wohl nicht vereinbaren.«

»Dafür werde ich sorgen, Papa.«

»Und ich werde mich mit Frau Krüger in Verbindung setzen«, sagte Rechtsanwalt Dr. Bloch – verbeugte sich und ging.

 


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