Artur Landsberger
Mensch und Richter
Artur Landsberger

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XXII.

Rechtsanwalt Dr. Bloch war nicht wenig erstaunt, als der Bürodiener ihm den Besuch Hilde Gugenzeils meldete. Er empfing sie sofort, obschon im Sprechzimmer mehrere Klienten auf ihn warteten. Er begrüßte sie mit den Worten:

»Wie kommt der Glanz in meine Hütte?« – Und sie erwiderte:

»Wie kommt Herr Dr. Bloch dazu, einen Klienten vor den anderen zu bevorzugen? Wäre ich einer von denen, die da draußen warten, ich ließe es mir nicht gefallen.«

»Es geschieht das erstemal in meiner siebenjährigen Praxis. Und es wird stets geschehen, wenn Sie kommen.«

»Kein Schmus! Ich komme tatsächlich als Klient.«

»Herrlich! Das Vertrauen.«

»Nur in Ihre anwaltlichen Fähigkeiten. Außerhalb des Büros sind Sie ein Windhund.«

»Ich schwöre Ihnen: nur bis zu der Stunde, wo Sie . . .«

»Dann haben Sie noch eine lange Sumpfzeit vor sich.«

»Für die Sie die Verantwortung tragen.«

»Abgelehnt. – Aber vielleicht bieten Sie mir einen Stuhl an.«

Als sie saß, zündete sie sich eine Zigarette an und sagte:

»Sie müssen mir helfen.«

»Haben Sie jemand totgefahren?«

»Nicht ganz. – Ich nehme an, Sie haben von dem Fall Richard Krüger gelesen.«

»Der Raubüberfall im D-Zug?«

»Sie werden nachweisen, daß es keiner war.«

»Ich? – Wieso?«

»Ich übertrage Ihnen hiermit die Verteidigung dieses Herrn Krüger.«

»Was haben Sie denn mit diesem Verbrecher zu tun?«

»Richard Krüger ist kein Verbrecher.«

»Ach ich verstehe! Also auch Sie! – Von Ihnen hätte ich das nicht gedacht.«

»Was soll das heißen?«

»Die große Mode! Verkehr mit Verbrechern. Besuch von Kaschemmen und Ganovenbällen.«

»Ich bin nicht für Sensationen.«

»In welchem Verhältnis stehen Sie denn zu diesem . . . Richard Krüger?«

»Eifersüchtig?«

»Nur um Ihr Seelenheil besorgt.«

»Für meine Seele sorge ich schon. Da lasse ich niemanden hineinblicken. Einen Mann, der mich heiraten will, schon gar nicht. – Aber verlieren wir nicht die Zeit. Sparen Sie sich alle unnötigen Fragen und übernehmen Sie seine Verteidigung. Mir liegt sehr viel daran, daß Richard Krüger nicht verurteilt wird.«

»Weiß Ihre Mutter, daß Sie bei mir sind?«

»Nein! Und sie darf es auch nicht erfahren.«

»Eine Jugendliebe?«

»Vielleicht. – Aber, was geht das den Anwalt an? Ich schicke Ihnen die Mutter, von der Sie alles Nötige – auch über den Menschen – erfahren.«

»Sie wissen nichts von ihm?«

»Ich weiß nur, daß er ein anständiger Mensch ist.«

»Er hätte demnach in Trance oder in sinnloser Trunkenheit gehandelt?«

»Das zu ergründen, ist Ihre Sache. Dafür werden Sie bezahlt.«

»Von wem?«

»Von mir.«

»Sie zahlen für diesen . . .«

»Ersparen Sie sich alle Verwunderung. Sie erschweren sich damit nur den Fall. Es muß Ihnen genügen, daß Sie auf dem Wege zu mir ein sehr großes Stück weiterkommen, wenn Sie den Mann freibekommen.«

»Das ist mir mehr wert als alles andere, – obschon ich ein wenig bekümmert bin.«

»Worüber?«

»Daß ich die Motive nicht kenne, aus denen Sie sich für den Mann so einsetzen – oder tun Sie es für die Mutter?«

»Für beide.«

»Was in meinen Kräften liegt . . .«

». . . wird geschehen. Ich weiß. Und was kostet der Spaß?«

»Sie gestatten, daß ich das aus Liebe zu Ihnen als ein Vergnügen betrachte, für das ich mich nicht honorieren lasse.«

»Das verpflichtet ja.«

»Das soll es.«

»Wie ungeschickt, das zu sagen. Jedenfalls bestehe ich darauf, daß Sie nicht einen Pfennig weniger fordern als von jedem andern.« – Sie zog ein Scheckbuch aus ihrer Handtasche und sagte:

»Bitte, diktieren Sie.«

»Sie brauchen doch nicht vorher . . .«

»Ich möchte Ihren Eifer anstacheln.«

»Der ist nach dem, was Sie mir für den Fall des Gelingens in Aussicht stellten, bereits mit 120 Kilometern Geschwindigkeit angekurbelt.«

»Damit kein Irrtum unterläuft: ich habe gesagt, Sie sind auf dem Wege zu mir eine große Strecke weiter.«

»Das genügt mir.«

»Vom Ziel habe ich nichts gesagt.«

»Im Finish bin ich Meister.«

»Sie sind ein Optimist. Und damit Sie nicht übermütig werden, stelle ich den Scheck nur auf 1500 Mark aus. Ich hatte eigentlich an das Doppelte gedacht.«

»Wenn Sie schon dreitausend geschrieben haben . . .«

»Ich habe noch nicht! Aber ich werde.« – Sie schrieb, stand auf und überreichte ihm den Scheck. Es schien, daß sie jetzt um mehr als eine Nuance kühler war.

»Ich hoffe sehr, daß ich das Schicksal meines Freundes in gute Hände gelegt habe.«

»Wenn jener Mann Ihr Freund ist – was bin dann ich?«

»Ein Kandidat – eventuell ein aussichtsreicher.«

 


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