Artur Landsberger
Mensch und Richter
Artur Landsberger

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XV.

Als Frau Elsa, beglückt von der zärtlichen Liebe ihres Sohnes und stolz über seine Erfolge, deren Zeuge sie drei Abende und Nächte lang bei Ciro war, nach Berlin zurückkehrte, sagte sie zu Gugenzeils Mamsell, mit der sie die freien Sonntagnachmittage verbrachte:

»Was, glauben Sie, wäre aus dem Jungen geworden, wenn er bei Gugenzeils aufgewachsen wäre?«

»Nichts natürlich – weil man ihn da verwöhnt hätte.«

»Vor allem, weil der Zwang, etwas zu werden und auf eigenen Füßen zu stehen, fortgefallen wäre.«

»Gewiß – aber wie kommen Sie darauf?«

»Weil er doch mit der Hilde an ein und demselben Tag geboren ist.«

»Die beiden kann man doch gar nicht miteinander vergleichen.«

»Weshalb denn nicht?«

»Ein Kind, das so im Reichtum aufgewachsen ist, stellt doch ganz andere Ansprüche ans Leben.«

»Glauben Sie, daß Hilde glücklicher ist als mein Junge?«

»Nee – im Gegenteil. Ein Kind so reicher Eltern ist von der ersten Stunde an bewacht und kann eigentlich nie tun, was es will.«

»Sie glauben, sie hätte es bei mir besser gehabt?«

»In mancher Beziehung schon.«

»Wenn Sie ein Kind hätten und wären arm und könnten ihm nichts bieten und es böte sich die Gelegenheit, es bei reichen Leuten wie Gugenzeils aufwachsen zu lassen . . .«

»Dazu muß man wohl Mutter sein, um zu wissen, was man da täte.«

»Es müßte natürlich glauben, daß Gugenzeils seine Eltern sind.«

»Mein Kind aufgeben? – Nie!«

»Sie täten es nicht? – Auch wenn es für das Kind besser wäre?«

»Ich denke mir, die eigene Mutter ist immer das Beste für ein Kind – auch wenn es kein eigenes Auto und keine seidene Bettwäsche hat.«

»Wenn es aber doch gar nicht weiß, daß es nicht seine Mutter ist – und die Mutter es selbst nicht weiß?«

»So etwas gibt es nicht.«

»Aber wenn es das gäbe – dann hätte das Kind doch nichts entbehrt?«

»Ich weiß gar nicht, was Sie immer reden? Was geht Sie die Hilde an. Seien Sie froh, daß Sie einen so tüchtigen Sohn haben.«

»Er will, daß ich aufhöre zu arbeiten und zu ihm nach Paris ziehe.«

»Denken Sie! Das wäre doch ein Glück für Sie!«

»Ich kann nicht fort von hier.«

»Ja, was hält Sie denn?«

»Ich . . . weiß . . . es nicht. Aber ich hätte Sehnsucht zurück.«

»Und nach Ihrem Jungen sehnen Sie sich nicht? Das finde ich unnatürlich.«

»Gewiß sehne ich mich nach ihm. Ich mache mir sogar Sorgen um ihn. Sie glauben ja gar nicht, wie die Frauen hinter ihm her sind. Und was für Frauen! Sie verwöhnen ihn.«

»Freuen Sie sich doch.«

»Ich habe Angst, er wird mit in den Strudel gerissen. Das sind doch alles Menschen, die nichts tun und nur Geld ausgeben.«

»Dann haben Sie die Pflicht, zu ihm zu ziehen und dafür zu sorgen, daß er nicht unter die Räder kommt.«

»Ich weiß – und ich möchte auch – aber ich kann nicht. – Ich kann nicht fort von hier. Vielleicht, wenn die Hilde einmal verheiratet ist.«

»Was geht denn das Sie an? – Oder . . .?

»Nein! Nein, das ist es nicht.«

»Frau Krüger, Sie sind erkannt! Sie haben sich in den Kopf gesetzt, daß Ihr Junge die Hilde heiratet. – Mir ist schon immer aufgefallen, wie Sie sich für die Hilde interessieren.«

»Daran habe ich bei Gott nicht gedacht.«

»Frau Krüger, Sie sind nicht aufrichtig zu mir.«

»Ich schwöre Ihnen . . .«

»Dann erklären Sie mir, was das bedeutet.«

»Das kann ich nicht.«

»Dann tut es mir leid, Frau Krüger, aber mit unaufrichtigen Menschen will ich nichts zu tun haben.«

Und so kam es, daß diese jahrzehntelange Freundschaft in die Brüche ging.

 


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