Artur Landsberger
Liebe und Bananen
Artur Landsberger

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Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Zwanzig Minuten später ließ sich bei dem Polizeiassessor Falk von Stein ein Herr melden, der seine Karte sonderbarerweise nicht offen, sondern in einem Briefumschlag abgab. Er sah aber so vornehm aus und trat so bestimmt auf, daß der Polizeidiener eine dem Assessor übergeordnete Stelle in ihm vermutete und, die Hände an der Hosennaht, mit dem Brief in das Zimmer seines Chefs ging.

Als der die Karte aus dem Umschlag genommen und gelesen hatte, sprang er auf und rief erregt:

»Wie? – Er selbst?«

Der Polizeidiener drückte die Knie noch strammer durch und sagte:

»In höchst eigener Persönlichkeit.«

»Wer ist mit ihm?«

»Ein Paket.«

»Was?«

»Ich wollte sagen, der Herr haben ein Paket unter'm Arm, das mir einen sehr verdächtigen Eindruck macht.«

»Sie sind blödsinnig! Wissen Sie, wer der Herr ist: Jan Ning-Holl! Der berühmteste Detektiv der Welt!«

»Beamter?«

»Nein.«

Der Polizeidiener zog etwas verächtlich die Schultern in die Höhe. Als er aber hörte, daß das jährliche Einkommen dieses Mannes auf zwei Millionen Dollar geschätzt werde, nickte er mit dem Kopf und meinte:

»Na, so'n Mann kann dann ja auf die Pension verzichten.«

Jan Ning-Holl wurde sofort vorgelassen, und es entwickelte sich folgendes Gespräch:

»Ich habe mir immer einmal gewünscht,« begann der Assessor, »Sie persönlich kennen zu lernen.«

»Und ich freue mich, Ihnen gleich bei unserer ersten Begegnung dienlich sein zu können. Sie sind einem bolschewistischen Putschversuch auf der Spur.«

»Ich schmeichle mir.«

»Leider ist die Spur falsch.«

»Ich habe untrügliche Beweise.«

»Die habe ich. Und da ich in Europa nicht auf Erfolge aus bin, einem jungen Beamten aber gern die Karriere erleichtere . . .«

»Sie kennen mich?« fragte der Assessor geschmeichelt.

»Ich beobachte Sie, kenne jede Ihrer Amtshandlungen in dieser Putsch- oder nennen wir sie lieber Bananenaffäre.«

»Sie sind demnach auch der Bedeutung des Wortes Bananen auf die Spur gekommen?«

»Eine gurkenähnliche, drei- bis sechskantige, etwa in zwanzig Arten im tropischen Asien, auf den Inseln des Stillen Meeres, in Australien und Afrika . . .«

Der Assessor wurde unruhig, aber Jan Ning-Holl fuhr fort:

». . . heimische Frucht.«

»Das weiß ich. Das weiß jedes Kind. Aber im übertragenen Sinne, als Deckname, was bedeutet es da?«

»Kommt für diesen Fall gar nicht in Frage, da die von Ihnen verhafteten Sülstorff und Paul G. Olem nicht verschleierte, sondern der ganzen Welt bekannte Bananenleute sind.«

Der Assessor machte ein nachdenkliches Gesicht, wehrte sich aber und sagte:

»Sülstorffs sind vorläufig nur des Diebstahls verdächtig.«

»Herr Kollege! Ein Kaufmann vom Range Max Sülstorffs schleicht sich nicht in das Hotelzimmer einer Dame, um zu stehlen. Daß er hingegen Miß Olem, der Tochter seines bedeutendsten Geschäftsfreundes einen Besuch abstattet, ist selbstverständlich.«

»Wer ist dann Ihrer Ansicht nach der Dieb?«

»Eben dieser Groß-Verbrecher, der alle diese Leute, die sie festsetzten, für seine Zwecke benutzte, ohne daß sie selbst es merkten.«

»Und dieser Groß-Verbrecher – wo ist der?«

»Ich liefere ihn Ihnen aus.« – Er wies auf das Paket, das er immer noch unter dem Arm hielt und sagte: »Ich bin ihm direkt auf den Fersen, ganz dicht.«

»Nicht möglich!« rief der Assessor überrascht.

»Bitte, führen Sie mich zu Ihren Gefangenen!« – Und als sie auf dem weiten Flur waren, auf dem die Zellen lagen, sagte er: »Lassen Sie mir bitte Mister Paul G. Olem vorführen!«

»Sie nannten schon vorhin seinen Namen. Ja, wenn der da wäre, hätte ich mir auch gesagt, meine Spur ist falsch.«

»Er ist da!«

»Ein Flugzeugmechaniker, der sich den Namen zugelegt hat.«

»Darf ich ihn sehen?«

»Bitte!«

Er ließ die Zellen 7 und 4 öffnen. Die Gefangenen Kapitän Habel und Pina Jeff traten heraus – und kannten sich nicht. – Der Assessor strahlte. Aber Jan Ning-Holl streckte der Nr. 7 die Hand hin und sagte:

»Herr Kapitän Habel! Ja, wie kommen denn Sie hierher?«

»Holl!« rief der Kapitän, froh, endlich identifiziert zu werden. Er wies auf den Assessor und sagte wütend:

»Das fragen Sie den Herrn da. Der wird es zu verantworten haben.«

»Aber . . .« – stotterte der Assessor und wies auf Pina. »Fräulein Djojo Olem . . .«

»Was?« riefen beide. »Das soll Miß Olem sein?«

»Lassen Sie die Dame durch Nr. 10 identifizieren,« sagte Holl.

Und als der alte Pika aus der Zelle trat und sie sah, rief er laut:

»Pina!«

Die warf sich schluchzend an seinen Hals und sagte:

»Vater! Was hast du denn getan, daß sie dich verhaftet haben?«

»Das ist ja furchtbar!« klagte der Assessor. »Wenn das wirklich seine Tochter – und nicht Miß Olem ist.«

Aber Holl schonte ihn nicht und sagte:

»Genau so unschuldig sind die Insassen aller anderen Zellen.«

Da kam dem Assessor ein Gedanke, den er für den rettenden hielt.

»Seeräuber! Name unbekannt!« rief er und wies auf Zelle 1. »Das ist er!«

Holl erwiderte lächelnd:

»Lassen wir ihn identifizieren.«

»Durch wen?«

»Durch Paul G. Olem und Miß Djojo.«

»Wo wollen Sie die hernehmen?«

»Bitte, lassen Sie die junge Dame vorführen, die vor einer halben Stunde wegen Pferdediebstahls hier verhaftet worden ist.«

Es dauerte kaum zwei Minuten, da erschien, mit Handschellen versehen, Miß Djojo.

»Nie wieder Europa!« schrie sie. »Wenn ich wieder frei bin, hetze ich sämtliche Schimpansen Sumatras auf diese Europäer, damit sie ihnen Kultur beibringen. Kein Wadai behandelt seine schwarze Frau wie ihr Europäer uns Weiße!«

Auf diese lärmend laut hervorgebrachten Worte hin, begann in Zelle 1 und 8 ein Toben. In Zelle 1 raste ein Wilder gegen die Tür, sprengte sie, rief:

»Miß Djojo!« stürzte auf sie zu und zerrte mit den Zähnen an ihren Fesseln.

Aber auch Nr. 8 sprengte die Tür. Der breitschultrige Paul G. Olem kam wie ein Raubtier aus seiner Zelle:

»Was geht hier vor?«

»Vater!« rief Djojo, die Dieferle von ihren Fesseln befreit hatte, während Holl sich im Hintergrunde hielt und unauffällig Zelle nach Zelle öffnete.

Der Assessor hielt sich kaum noch auf den Beinen. Mit letzter Kraft fragte er – und wies auf Nr. 1:

»Und – wer – ist das?«

»Dieferle, mein Sekretär!« erwiderte Paul G. Olem drohend – »den ich jetzt auf Sie hetzen werde.«

Da trat Jan Ning-Holl vor, legte die Hand auf den Alten und sagte:

»Lassen Sie das, Herr Paul G. Olem! Sie wissen nun, wie gefährlich so eine Reise ist – und wie leicht man in Europa mit den Behörden in Konflikt gerät.«

»Das ist doch der . . .!« riefen Djojo und Dieferle, während der alte Olem sagte:

»Holl, das haben Sie . . .«

». . . gut gemacht,« fiel er ihm ins Wort. – »Nicht wahr, das wollten Sie doch sagen?«

Paul G. Olem beherrschte sich. Auch Djojo und Dieferle schwiegen. Denn sie sahen, daß er der Herr der Situation war. Holl aber zog einen Ledersack hervor und überreichte ihn Miß Djojo.

»Ihr Schmuck, Miß Olem« – und zu dem Alten gewandt fuhr er fort: »Ich verzichte auf den Lohn. Aber, nicht wahr, für die Rückreise stellen Sie sich und Ihre Tochter unter meinen Schutz?«

»Für mein ganzes Leben,« erwiderte Paul G. Olem. – Dann trat er an seine Tochter heran und fragte: »Und du? Hast du auch die Wahl für dein Leben getroffen?«

Djojo wandte sich um. Der Kapitän stand neben Komteß Olga, der schöne Harry dicht neben Pina Jeff. Djojo ging auf den russischen Baron zu und sagte:

»Hätten Sie Lust, mit uns nach Sumatra zu gehen?«

»Gern!« erwiderte Curt Dubois, wandte sich an Pina und fragte:

»Du hast ja wohl nichts dagegen?«

»Sie bleibt bei mir!« erklärte Harry. »Und damit Max Sülstorff Söhne wieder rentabel werden, gebe ich den Sport auf und gehe in die Firma.«

»Ich weiß ein Mittel, das sicherer ist,« sagte der alte Paul G. Olem. »Wir legen unsere Geschäfte zusammen! Olem, Sülstorff & Co. Bananen. Export, Engros und Detail. – Das Co. sind Sie, Pika!«

Alle schienen von dem Ausgang befriedigt. Auch zwischen Komteß Olga und dem Kapitän schienen sich unter Befürwortung Alberts, des Amerikaners, freundschaftliche Beziehungen anzubahnen. Nur der Polizeiassessor schwankte noch.

»Ich bin Ihnen dankbar,« sagte er zu Jan Ning-Holl. »Aber die Aufklärung ist doch nur zum Teil erfolgt. Wo ist der Verbrecher?«

Alle stutzten.

Jan Ning-Holl aber wickelte das Paket aus und breitete den Inhalt über einen Kleiderständer, den er in die Mitte des Zimmers rückte. Der Bandit erstand von neuem – und Holl sagte:

»Miß Djojo! Mister Dieferle! Denken Sie sich den passenden Kopf dazu. Wer ist das, der dort vor Ihnen steht?«

»Der Seeräuber! – Der Bandit!« – riefen beide und sahen dann merkwürdig lange den Kopf Jan Ning-Holls an – als wenn sie ihn sich von dem lebenden Körper fort und für Augenblicke auf den Kleiderständer hinauf dachten.

Holl aber wandte sich an den Assessor und sagte:

»Sie sehen! Die Verkleidung, in denen er alle seine Taten ausgeführt hat, ist bereits in meinen Händen.«

»Das genügt für meine Rehabilitierung,« erwiderte der Assessor, »auch wenn er Ihnen entwischen sollte.«

Die Gefangenen wurden entlassen – und die zehn Zellen standen wieder leer.


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