Artur Landsberger
Liebe und Bananen
Artur Landsberger

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Sechstes Kapitel.

Bei Paul G. Olem hatte sich kurz vor Djojos Abreise folgendes ereignet:

Wie aus der Erde geschossen, stand plötzlich ein hoch aufgeschossener Amerikaner vor ihm.

»Wie kommen Sie hierher?« fragte Paul G. Olem. »Wer hat Sie hereingelassen?«

»Wenn ich abwarten wollte, bis hohe Herren geruhen, mir Audienz zu erteilen, käme ich wie die Polizei immer einen Posttag zu spät. Das Geheimnis meiner Erfolge ist, stets einen Tag, bevor sich etwas ereignet, da zu sein.«

»Jetzt erkenne ich Sie! Jan Ning-Holl, dessen Lieblingssport es ist, den Amerikanern die Ueberflüssigkeit ihrer Polizei nachzuweisen.«

»Die Polizei hat sich nur in der Verfolgung begangener Verbrechen bewährt. Mein Prinzip ist es, dem Verbrechen vorzubeugen. Damit wird die Polizei allerdings eine überflüssige Behörde.«

»Um mir das zu erzählen, sind Sie vermutlich nicht aus St. Franzisko nach Sumatra gekommen.«

»Sogar im Flugzeug. Auf eigenes Risiko – und obschon mich zu Haus dringende Geschäfte erwarten.«

»Sind Sie einem Aufruhr auf meinen Plantagen auf die Spur gekommen?«

»Da die Zivilisation noch nicht bis zu Ihrer Bevölkerung vorgedrungen ist, haben Sie nichts zu befürchten und brauchen daher auch keine Polizei.«

»Diese scharfsinnige Beobachtung trifft ins Schwarze. Aber sie macht mir Ihr Erscheinen noch unerklärlicher.«

»Ihre Tochter reist nach Europa.«

»Und?«

»Sie werden nicht leugnen, daß Europa ein Muster der Zivilisation ist. Sie wird dort also mancherlei Gefahren ausgesetzt sein – die durch den Eifer und die komplizierte Denkmethode der europäischen Polizei wesentlich erhöht wird.«

»Ich verstehe! Sie wollen Geld verdienen.«

»Ich will, daß Sie Ihre Tochter von dem Augenblick an, wo sie europäischen Boden, also ihr Schiff betritt, für die Dauer ihrer Reise unter meinen Schutz stellen.«

»Wo es keine Möglichkeit zur Flucht gibt, gibt es auch kein Verbrechen. Nirgends ist daher die persönliche Sicherheit mehr gewährleistet als auf dem Meer.«

»Ich kann Ihnen verraten, daß es Banditen gibt, die sämtliche Passagierlisten der befahrenen Strecken genau studieren und auf einer Fahrt von Penang bis Triest mehr Beute machen, als die Bananenladung eines Viertausendtonnenschiffs wert ist.«

»Dazu müßten sie sämtliche Passagiere ausrauben.«

»Im vorliegenden Falle genügt es vielleicht, der Kabine Ihres Fräulein Tochter einen Besuch abzustatten.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Ich sagte Ihnen bereits, daß wir nicht, wie die Polizei, nach einem Einbruch ein Verzeichnis der gestohlenen Gegenstände anlegen, – sondern vorher! Wir führen Listen über die Vermögensstücke von mehr als elfhundert Multimillionären, die, ohne es zu wissen, von unsern Angestellten bewacht werden. Wir inszenieren keine Diebstähle, denn das wäre strafbar, aber wir verhindern sie auch nicht. Bevor die Polizei benachrichtigt ist oder der Betroffene überhaupt etwas davon merkt, daß er bestohlen worden ist, sind wir schon hinter den Dieben her. Diesem Vorsprung verdankt Jan Ning-Holl seine Welterfolge.«

»Wenn Sie uns ohne unser Wissen aus Geschäftsinteresse bewachen, sehe ich nicht ein, warum ich Sie noch ausdrücklich mit der Bewachung meiner Tochter betrauen soll.«

»Wenn wir auch in allen Verkehrszentren unsere Agenten haben – soviel wirft das Geschäft nicht ab, um Einzelpersonen auf wochenlangen Seereisen kostenlos zu bewachen.«

»Wenn ich Ihnen verrate, daß ich meiner Tochter zu ihrem persönlichen Schutz meinen Sekretär Dieferle und zwei malayische Dienerinnen mitgab . . .«

». . . so erlaube ich mir zu erwidern, daß diese auffällige Reisegesellschaft die Sicherheit Ihres Fräulein Tochter eher gefährdet als verbürgt.«

»Was gilt die Wette, daß ihr nichts geschieht?«

»Da ich in dieser Wette die Möglichkeit einer Weltreklame für Jan Ning-Holl erblicke, halte ich jede Summe.«

»Zehntausend Pfund?«

»Einverstanden.«

Paul G. Olem und Jan Ning-Holl reichten sich die Hände.

»Das ist ein Gentlemanabkommen,« sagte Holl. »Ich würde nun gern auch noch ein Geschäft mit Ihnen machen.«

»Welcher Art sollte das sein?«

»Daß Sie Ihr Fräulein Tochter wenigstens während ihres Aufenthaltes in Berlin unter den Schutz meines dortigen Vertrauensmannes stellen.«

»Von welcher Seite aus könnte ihr in Berlin Gefahr drohen?«

»Deutschland ist ein politisch erhitztes Land.«

»Meine Tochter reist aus geschäftlichen und rein persönlichen Gründen.«

»Ich weiß: Liebe und Bananen!«

»Allerdings!«

»In den Augen einer Polizei, die hinter jedem Ei, das eine Henne legt, eine Gefahr wittert, können Liebe und Bananen hochpolitische Bedeutung bekommen.«

Paul G. Olem sprang auf und sagte:

»Sie belieben zu scherzen, Mister Holl!«

Jan Ning-Holl verbeugte sich und sagte:

»Ich habe einen schlechten Tag heute. Vor ein paar Stunden hat mir der Kapitän Habel, der, wie Sie wissen, einen Rekordflug nach Europa unternimmt, die ihm angetragene Bewachung mit der Begründung abgelehnt: in der Luft wäre ein Ueberfall von Indianern und Tigern nicht gerade wahrscheinlich.«

»Sehr wahr und vernünftig!« erklärte Paul G. Olem.

»Ich hoffe auch ihn zu überzeugen,« erwiderte Jan Ning-Holl, verbeugte sich und ging.


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