Artur Landsberger
Liebe und Bananen
Artur Landsberger

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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Und so wäre es am Ende zu einem politischen Skandalprozeß, zu diplomatischen Verwicklungen und am Ende gar zu einem neuen Weltkrieg gekommen, wenn nicht einer gewesen wäre, der die Fäden von Anfang an in der Hand gehabt und die Zeit nunmehr für gekommen gehalten hätte, den Knoten, den er geknüpft hatte, zu durchschneiden.

Von den elf Figuren dieses Spiels erfreuten sich nur noch zwei der Freiheit. Eine davon war Djojo, der die Polizei bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Vermutlich hatte man sie nicht einmal für die Zofe Miß Olems, sondern für eine Hotelangestellte gehalten.

Daß Djojo sich in dem Hotel, in dem sie soeben nur durch einen Zufall der Verhaftung entgangen war, nicht wohl und sicher fühlte, ist begreiflich. Sie verließ es also, ohne zu bemerken, daß in der Mittelallee der Straße Unter den Linden ein Bandit in völlig abgerissener Kleidung stand, der den Hotelausgang beobachtete, als er sie herauskommen sah, lächelte und sich auf gleicher Höhe mit ihr auf der Mittelpromenade in der Richtung Tiergarten in Bewegung setzte.

Auf der Charlottenburger Chaussee zwischen Siegesallee und der großen Querallee sprach er sie an.

»Darf ich Ihnen meinen Schutz anbieten?«

Djojo blieb verdutzt stehen. So sprach kein Mann, der aussah wie der.

»Danke,« sagte sie. »Ich fürchte mich nicht.«

»Auch nicht vor mir?«

»Nein,« sagte sie und ging weiter.

Er blieb neben ihr.

»Man ist in den Straßen Berlins nicht so sicher wie in dem Urwald von Sumatra.«

Djojo blieb abermals stehen, sah ihn an und fragte erstaunt:

»Sie kennen mich?«

»Woraus schließen Sie das?«

»Weil Sie – weil ich . . .« – Sie zog vor, zu schweigen und weiterzugehen. Da er neben ihr blieb, so sagte sie nach einer Weile: »Ich möchte allein sein.«

»Sie sind allein!« sagte er so bestimmt, daß sie fragte:

»Wie meinen Sie das?«

»Ein Mensch wie ich zählt doch nicht.«

Djojo nahm ein Geldstück aus der Tasche und reichte es ihm.

Er lehnte ab, zog aus der Tasche einen Ring mit einer schwarzen Perle und sagte:

»Entschuldigen Sie die vorübergehende Entziehung. Es kam mir nicht auf den Ring an – er war nur Mittel zum Zweck. Der Zweck ist erreicht – bitte!«

»Mein Ring!« rief sie, und er erwiderte:

»Nicht so laut! Hier gibt es Geheimpolizisten. Wenn die uns hören, verhaften sie Sie.«

»Mich?«

»Aber ja! Haben Sie noch immer nicht bemerkt, daß die Polizei stets die Falschen festnimmt?«

»Wer sind Sie?«

Der Bandit zog eine Taschenlaterne hervor, beleuchtete sein Gesicht und sagte:

»Bitte, beachten Sie meine Nase.«

»Der Biß! –Sie sind . . .«

»Die Zigeunerin der »Venezia«.«

Da sie um Hilfe rufen wollte, so hielt er ihr die Hand vor den Mund und sagte:

»Nicht doch! Wenn die Polizei uns sieht, glaubt sie, ich gehöre zu Ihnen und verhaftet uns beide.«

»Sie Bandit! Sie sind an allem schuld.«

»Stimmt! Ihr Instinkt ist verblüffend. Auf logischem Wege hätten Sie nie darauf kommen können.«

»Was haben Sie mit meinem Schmuck gemacht?«

»Alles das will ich Ihnen in Ruhe erzählen, wenn Sie mich in meinem Hotel aufsuchen.«

»Sie wohnen in einem Hotel?«

Ein Pärchen kam vorbei – ohne auf sie zu achten. Djojo stürzte auf die beiden zu und rief:

»Helfen Sie mir, den Mann verhaften!« – und im selben Augenblick rief sie laut: »Hilfe!!«

»Sie sind wahnsinnig!« rief der Bandit und lief längs des Reitweges davon. Djojo hinter ihm her. – Auf das Rufen hin kam aus dem Tiergarten eine Polizeistreife und verhaftete das Liebespaar.

In der Nähe des großen Sterns versperrte der Bandit einem Auto den Weg, so daß der Chauffeur gezwungen war, langsam zu fahren. Aber noch bevor er hielt, schwang er sich auf den Führersitz, versetzte dem Chauffeur einen Kinnhaken, schob den Bewußtlosen zur Seite und fuhr mit ihm davon.

– Djojo lief ein paar Schritte hinter ihm her. Als sie die Aussichtslosigkeit sah, ihn zu erreichen, schwang auch sie sich auf ein fahrendes Auto, redete auf den Chauffeur ein und zwang ihn mit vorgehaltenem Revolver, dem Auto des Banditen zu folgen. Die Charlottenburger Chaussee herunter, durch das Brandenburger Tor und die Linden entlang ging die Jagd, über den Schloßplatz in die Königstraße hinein. Die Entfernung der beiden Wagen verringerte sich – schon schien es, als würde Djojos Wagen den des Banditen überholen – jetzt waren sie auf gleicher Höhe – Djojo beugte sich hinaus, – wollte den Sprung auf das andere Auto wagen – da gab es einen Knall – ihr Chauffeur stoppte – der Wagen stand.

Djojo war abgesprungen und lief aussichtslos wieder hinter dem Wagen her. An der nächsten Ecke hielt ein Dogcart, in dem eine Dame saß, die Zeitung las. Djojo spannte mit ein paar geschickten Griffen das Pferd aus den Deichseln, schwang sich auf den Rücken des Pferdes und galoppierte hinter dem Auto her, während die Dame in ihrem pferdelosen Dogcart ahnungslos über ihrer Zeitung saß.

Der große Verkehr am Bahnhof Alexanderplatz brachte das Auto und die Reiterin einander wieder näher. Mit einem Vorsprung von kaum zehn Pferdelängen verschwand das Auto in dem Torweg eines großen Gebäudes. – Djojo folgte im Renngalopp. Sie befand sich plötzlich auf einem Riesenhof, auf dem Dutzende von Autos standen. Sie versuchte, sich zu orientieren, sah noch, wie der Bandit am Ende des Hofes eine breite Treppe hinaufstürmte, wollte eben nachjagen, als ein Polizist ihr in die Zügel fiel und fragte:

»Was suchen Sie hier?«

Djojo wies auf die Treppe und erwiderte:

»Den Banditen, der da eben . . .«

»Sie scheinen nicht zu wissen, wo Sie sich befinden.«

»Wo denn?« fragte Djojo und der Beamte erwiderte:

»Auf dem Polizeipräsidium.«

Djojo fühlte ein Schwindelgefühl und fürchtete, vom Pferd zu fallen. – Der Polizist besah sich das Pferd genau:

»Ohne Sattel,« sagte er. »Und statt der Zügel eine Leine. – Das Pferd haben Sie gestohlen!«

»Ich habe doch nur diesen Banditen . . .«

»Steigen Sie ab! Sie sind verhaftet!«


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