Artur Landsberger
Liebe und Bananen
Artur Landsberger

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Neuntes Kapitel.

Curt Dubois war ein Mann schneller Entschlüsse. Das nicht alltägliche Schicksal hatte ihn dazu gemacht. Widerstände liebte er und das Wort »unmöglich« hatte er längst aus seinem Sprachschatz gestrichen. Als er jetzt in die Wohnung von Harry Sülstorff eilte und erfuhr, daß der »in Geschäften« nach Hamburg zu seinem Vater gereist sei, beschloß er sofort, ihm zu folgen.

»In Geschäften?« fragte er zweimal den Diener, der auf sein ungläubiges Gesicht schließlich erwiderte:

»Sie scheinen noch nicht zu wissen, wir sind seriös geworden.«

»Gehen die Geschäfte des Herrn Papa etwa schlecht?« fragte der gescheite Curt – und der Diener legte die Hand auf den Mund und erwiderte:

»Wir sind diskret. Aber im Vertrauen: sie könnten besser gehen.«

»Armer Harry!« entfuhr es Curt. Doch der Diener verbesserte schnell:

»Schöner Harry!«

»Schönheit ohne Geld ist bei einer Frau ein Kapital,« erwiderte Curt. »Bei einem Mann nicht. Leider!« – und er spielte damit deutlich auf sich an. Dann ließ er sich ans Telephon führen und stellte die Verbindung mit dem Chef des Hauses Garis Sons her.

»Der Chef persönlich,« meldete sich am Telephon, worauf Curt erwiderte:

»Sie sprechen mit ihrem Modeanwalt.«

Darauf der Chef:

»Herr Baron, die neuen Modelle aus Paris sind eingetroffen. Bevor ich sie auszeichne, benötige ich Ihr Gutachten.«

Curt entnahm aus der Antwort, daß sich bereits die ersten Kundinnen im Salon befanden, für die die Worte des Chefs bestimmt waren.

»Bedauere, ich muß heute noch Kellner spielen und kann daher erst morgen meine Stellung bei Ihnen antreten,« log Curt, der nach Hamburg wollte.

»So! So! Sie haben ein Telegramm von der spanischen Infantin. Selbstredend müssen Sie da sofort nach Paris – und zwar per Flugzeug –, danken Sie Ihrer Königlichen Hoheit, daß sie Garis Sons mit ihrem Vertrauen beehrt. Aber fordern Sie die gleichen Preise, die meine Kundschaft in Berlin bezahlt.«

»Eine goldige Type sind Sie!« rief Curt in den Apparat, – »wie ist's mit einem Vorschuß, Goldfasänchen?«

Garis lag es auf der Zunge, in den Apparat zu schreien:

»Herr! Sie sprechen mit ihrem Chef.« – Aber das Tuscheln seiner Kundinnen, die erregt und interessiert dem Gespräch folgten, ließ ihn erwidern:

»Waaas? die Kronprinzessin von Schweden bittet um Ihren Besuch? – Ausgeschlossen! Sie fahren nicht nach Kopenhagen.«

»Stockholm ist die Hauptstadt von Schweden,« berichtigte der Baron.

»Was ist die Haupt . . . sache ? Natürlich! Zu Besuch in Stockholm.«

»Aus Stockholm.«

»Das bleibt sich gleich, ob Stockholm oder Kopenhagen, Sie sind kein Reisender! Sie sind mein Modeanwalt! Was sage ich? – mein? – der Modeanwalt sind Sie! Verstehen Sie? Was Kainer und Elsa Herzog und Poiret zusammen sind, das sind Sie! Und wer von Ihnen beraten sein will, hat zu uns zu kommen.«

»Ein geliebtes Herz sind Sie, Garissohnchen!« erwiderte Curt.

»Was heißt hier Herz? Mit Gefühl macht man keine Geschäfte. Sie sind mein Modeanwalt und kein Prophet, und wenn es sich zehnmal um 'ne Kronprinzessin handelt – der Berg mag zum Propheten gehen, der Modeanwalt erwartet die Prinzessin bei Garis Sons.«

Der Chef von Garis Sons war Choleriker. Er redete sich in Feuer und glaubte dann, was er sagte. Er hing den Hörer an und verbeugte sich vor den Damen, die jedes seiner Worte mit einem leichten Nicken des Kopfes begleitet hatten.

»Ich weiß, was ich meiner Kundschaft schuldig bin. Ich habe, ohne meine Preise zu erhöhen, die größten Opfer gebracht, um den Baron,« – den Namen wußte er längst nicht mehr – »an mein Institut zu fesseln. Aber nicht, damit er bei Königinnen und Prinzessinnen herumreist. Seine Kunst, sein Genie gehören Ihnen! Er soll Sie beraten und anziehen.«

Und während er bei den Damen das Interesse für den Baron bis zur höchsten Neugier steigerte, saß der bereits im Hamburger D-Zug.

Bei Max Sülstorff Söhne erfuhr er, daß Harry im Begriff stand, nach Genua und von dort mit dem nächsten Postdampfer nach dem Osten zu reisen. In der Uhlenhorster Villa sagte man ihm, daß der junge Herr den ganzen Tag über mit seiner Equipierung beschäftigt sei. Er ermittelte ihn mit Hilfe des Telefons in einem Tropen-Ausrüstungsgeschäft und jagte ihm dorthin nach. Der Prokurist gab ihm ein an Harry gerichtetes Telegramm mit, das schon seit Tagen im Büro des alten Sülstorff gelegen hatte.

»Sie, Baron?« empfing ihn Harry, der gerade seinen Tropenhelm aufprobierte, durchaus kameradschaftlich, und reichte Curt die Hand. »Wie finden Sie, daß mir der Helm steht?«

»Eine Nuance, in der man Sie noch nicht gesehen hat! Sie müssen auf einen Run sämtlicher Photographen des Kontinents gefaßt sein.«

»Er macht alt. Finden Sie nicht? Er verursacht Schatten unter den Augen und gibt dem Gesicht etwas Starres.

»Martiales! Sieghaftes!« sagte Curt.

»Möglich! Aber auf Kosten des Charmes, auf den ich in erster Linie meine Erfolge bei Frauen zurückführe. Wäre ich verurteilt, zeitlebens einen Tropenhelm zu tragen, ich hätte mich auf brutal umgestellt, was bestimmt bequemer ist als ewig zu lächeln.«

»Und bei den Frauen womöglich noch beliebter.«

Harry übte vor dem Spiegel und zog Grimassen.

»Ich glaube – ich glaube, es geht,« sagte er freudig, verfiel aber sofort wieder in sein Lächeln, trampelte wütend auf und rief:

»Ekelhaft! Ich kann mich gar nicht mehr lächeln sehen.«

»Stellen Sie sich vor, Sie gingen in Sumatra spazieren, lediglich mit einem Rackett bewaffnet, und Ihnen käme ein ausgewachsener Tiger entgegen – es könnte auch eine Tigerin sein.«

Harry zitterte in den Knien.

»Durch Furcht würden Sie das Tier nur reizen! Sie müssen ihm starr und drohend in die Augen sehen.« – Er machte es vor. – »So etwa!«

Harry übte sein neues Gesicht.

Als sie auf die Straße traten, sagte Curt:

»Also von heute ab: der brutale Harry. Das ist auch praktischer. Denn Schönheit ist ein Attribut der Jugend – Brutalität dagegen an kein Alter gebunden. – Man vermutet dahinter Intellekt, während man Schönheit beim Manne mit Dummheit identifiziert. Aber ein Mann, der schön und brutal ist, wird stets unwiderstehlich sein.«

Wir wissen, weshalb Curt, gegen seine Gewohnheit dem schönen Harry so zum Munde redete. Harry, der die Zusammenhänge nicht kannte, hätte zum mindesten aufhorchen und stutzig werden müssen. Aber es ging ihm wie Oel ein. Sprach Curt doch nur aus, was Harry dachte und wünschte. Es war daher verständlich, wenn er ihn jetzt beinah freundschaftlich bat, ihn auch zu seinem Schneider und Friseur zu begleiten. Denn der veränderte Gesichtsausdruck erforderte auch einen anderen Schnitt der Kleidung, bestimmt aber des Haares, dessen weiche Wellen einen Charakter verrieten, den er nun plötzlich nichtssagend und beinahe albern fand.

Es dauerte wohl anderthalb Stunden, bis sie zum Essen kamen. Da erst stieß Curt, als er seine Handschuhe auszog und in den Ulster stecken wollte, auf das Telegramm. Er entschuldigte sich und gab es Harry. Der erwiderte:

»Es wird ja nicht so wichtig sein.«

Sie legten ab und setzten sich. Harry bestellte, ohne auf die Karte zu sehen, Hummer, Filetbeefsteak und Ale – dann erst öffnete er das Telegramm und las:

Harry Sülstorff in Firma Max Sülstorff Söhne
                                                              Hamburg.

Falls Sie annähernd so sind, wie ich Sie mir nach dem Bilde im The Newyorker äußerlich und als Mensch vorstelle, halte ich hiermit um Ihre Hand an. Ich treffe auf der »Venezia« am 11. April in Triest ein und fahre von dort mit dem nächsten Zuge nach Berlin. Welche Heiratspläne Sie immer haben mögen, bitte, tun Sie keinen entscheidenden Schritt, bevor Sie mit mir gesprochen haben. Unser Schiff ist am 21. März in Colombo, wo ich hoffentlich ein Telegramm von Ihnen vorfinde, Shake hands Djojo, Tochter von Paul G. Olem. Sumatra.

Harry lächelte weder, noch sah er brutal aus. Er zeigte sein drittes Gesicht. Das Telegramm warf ihn um. Das Denken setzte aus. Die Buchstaben des Wortes Djojo tanzten vor seinem Gesicht herum. Er sah eine Plantage von Bananen, die kein Ende nahm. Und unter den Bananenbäumen inmitten einer Schar von Tigern lustwandelte die braune Frau eines wilden Stammes, unbekleidet und mit Schmuck behängt. Sie hielt in der Hand ein Exemplar des »The Newyorker«, auf dessen Titelseite groß sein Bild war. Mit einem Jagdmesser schnitt sie das Bild aus und befestigte es an dem Stamm eines der Bananenbäume. Dann führte sie vor dem Bild einen wilden Tanz auf. Das Bild wurde größer, wuchs menschengroß empor, begann zu leben. Er, Harry, lehnte an dem Baum. Vor ihm tanzte die Frau, und brüllten die Tiger.

»Was ist Ihnen?« fragte der Baron, und Harry lallte:

»Djojo.«

Curt beugte sich über den Tisch, las das Telegramm, lachte laut auf und sagte laut:

»So eine Frechheit!«

Das riß Harry aus seinem Dämmerzustand. Er schüttelte sich, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, richtete sich auf, sah den Baron groß an und fragte:

»Was war?«

»Das Telegramm hat Sie aus der Fassung gebracht.«

»Richtig! Das Telegramm! Es ist mir in die Glieder gefahren. Ich habe Sie für Djojo und die Hummern für Tiger gehalten und das Lokal für einen Wald von Bananen.«

Er sagte es ganz ernst, und dem Baron wurde etwas unheimlich. Er hob das Sektglas und sagte:

»Prost!«

Noch etwas benommen, stellte Harry das Glas wieder hin und sagte halblaut:

»Das ist eine nette Geschichte!«

»Sie kennen sie gut?«

»Wen?«

»Diese Djojo.«

»Nichts weiß ich von ihr. Ich habe sie nie gesehen.«

»Ein schlechter Witz also.«

»Ich fürchte, ein ernster.«

»Wie können Sie das auch nur eine Minute lang ernst nehmen? Penang – wenn ich nicht irre, in nächster Nähe des Golfstromes – vierzig Grad Réaumur im Schatten. Da brütet das menschliche Gehirn Dinge aus, von denen es fünf Minuten später nichts mehr weiß. Ein Scherz vermutlich, eine Wette an Bord. Sie denken doch nicht etwa daran, darauf zu antworten?«

Harry, undiszipliniert im Denken, suchte Zusammenhänge.

»Von wann ist das Telegramm?«

Curt suchte den Postvermerk.

»Nanu? 18. März? Und heute haben wir den 11. April. – Unbegreiflich! Aber, um so besser! So kommen Sie gar nicht erst in die Verlegenheit, zu antworten. Das Schiff ist seit drei Wochen von Colombo fort.«

»Trifft demnach heute in Triest ein – oder ist gestern schon eingetroffen.«

»Djojo – sicherlich ist das ein fingierter Name – oder haben Sie schon mal gehört, daß jemand Djojo heißt? – Ist irgendeine überspannte Amerikanerin.«

»Tochter von Paul G. Olem, Sumatra,« – wiederholte Harry.

»Sumatra ist groß.«

»Paul G. Olem ist noch größer.«

»Sie kennen ihn?«

»Max Sülstorff Söhne sind ihm auf Gnade und Ungnade ausgeliefert.«

Curt erschrak. Jetzt zum ersten Male, seitdem er mit Harry zusammen war, dachte er daran, aus welchem Grunde er überhaupt nach Hamburg gefahren war und ihn aufgesucht hatte. Harry hatte es verstanden, ihn vom ersten Augenblick an derart in seine Angelegenheiten hineinzuziehen, daß er gar keine Zeit gehabt hatte, an sich und seinen Auftrag zu denken. Er war im Gegensatz zu Harry an scharfes Denken gewöhnt. Daher sagte er sich: Wenn Max Sülstorff Söhne Hamburg der Firma Paul G. Olem auf Sumatra, und Max Pika Berlin der Firma Max Sülstorff Hamburg auf Gnade und Ungnade ausgeliefert ist, dann ist auch Max Pika Berlin von G. Olem auf Sumatra abhängig. Hier also waren die Interessen miteinander verknüpft – zum mindesten aber bestand die Möglichkeit, einen Zusammenhang zu schaffen.

Aber auch Harry hatte sich bemüht, die Zusammenhänge zu erfassen.

»Hinter dem Telegramm,« sagte er und dachte laut – »steckt der alte G. Olem. Sicherlich ist sie schief oder hat einen Buckel. Vermutlich beides. Trotz ihres Geldes also findet sie nicht einmal auf Sumatra einen Mann. Sie ist eine Halfkast. Und die Mutter ist eine Tamile oder eine Chinesin. Eine Million zweimalhunderttausend Mark schulden wir der Firma. Das ist also der Kaufpreis, den sie für mich bieten. Vielleicht zahlen sie noch ein paar hunderttausend Mark darauf. Den Scheck trägt sie in ihrem Sarong. Ich sehe schon, wie unsere Kinder als Halbaffen von einem Bananenbaum zum anderen hüpfen.«

»Sie halten es für möglich, daß Sie auf diesen Handel eingehen?« fragte Curt.

»Ich habe bis heute ausnahmslos meinem Vergnügen und dem Sport gelebt. Es fragt sich, ob ich die Pflicht habe, der Firma und meinem Vater das Opfer zu bringen.«

»Das ist nicht ganz klar und auch nicht ganz ehrlich. Lediglich aus moralischen Gründen brauchen Sie es nicht zu tun. Aber Sie belügen sich selbst. Denn Sie bringen das Opfer nicht nur der Firma, sondern sich selbst – sofern Sie es nicht vorziehen, wie ich, Kellner oder männlicher Mannequin zu werden – wozu ich Ihnen nicht rate.«

Jetzt erst kam es Harry so eigentlich zum Bewußtsein, mit wem er eigentlich am Tische saß.

»Sie bleiben darum doch immer Baron Dubois.«

»Stimmt! Während Sie als Ex-Tennismeister bald vergessen wären. Und weiter: selbst, wenn Sie das Opfer bringen, würden Sie als Mann dieser Frau damit doch unter Ihr jetziges Leben einen Strich machen müssen – sportlich sowohl wie gesellschaftlich.«

»Schauderhaft!« stöhnte Harry.

»Ich hingegen habe dies Opfer bereits gebracht – und längst auf alles das, was Ihr Leben ausmacht, Verzicht geleistet. Für mich wäre es in gewisser Hinsicht sogar eine Restitution. Die Aussicht, auf eine große Plantage in Sumatra wäre für mich ein Glücksfall und die Erfüllung eines Wunsches, den ich seit Jahren hege. Was für Sie ein Niedergang wäre, bedeutet für mich einen Aufstieg.«

Harry erregte sich an dem, was der Baron sagte.

»Sie haben recht! Ich begreife! Ich verstehe! Sie wollen statt meiner. Ich sage nicht nein. Ich bin Egoist. Meine Eltern haben mich verwöhnt. Die Frauen nicht minder. Aber – aber« – ihm kamen Bedenken – »nur, um die Frau loszuwerden, damit ist die Firma Max Sülstorff Söhne noch nicht saniert.«

»Selbstredend wäre das der Preis, den ich für dies Arrangement bezahle.«

»Ausgezeichnet! – Ober! Eine Flasche Sekt! – Der Baron wird ihr lieber sein als der Kaufmannssohn.«

»Sie vergessen: Sie hat sich in Ihr Bild verliebt. Sie redet sich also ein, daß der Mann, den sie liebt, Harry Sülstorff ist. Die Mentalität der Frau verlangt also, daß ich ihr zunächst mal als der schöne Harry gegenübertrete.«

»Aber das Bild!«

»Ist ihr nur ein Vorwand! Im übrigen: können Sie zwei Schwarze oder zwei Japaner voneinander unterscheiden? Wenn Sie den einen nur dem Bilde nach kennen, den anderen überhaupt nicht gesehen haben, bestimmt nicht. Genau so geht es den Farbigen mit uns. Und dann« – er betrachtete Harrys Bild in dem »The Newyorker« – »blonde Männer mit so regelmäßigen Gesichtszügen gibt es Tausende. Hauptsache, ich übernehme Ihre Frisur, trage Tennisdreß und lächele. Wenn eine Frau sich während einer dreiwöchentlichen Seefahrt täglich einredet, einen bestimmten Mann, den sie nie gesehen hat, zu lieben, so liebt sie ihn wirklich – ist daher also blind. Im übrigen hat sie sich sicherlich eine ganz bestimmte Vorstellung von dem Idol ihrer Liebe gemacht, das weder Ihnen noch mir gleicht. Sie werden ihr daher genau so fremd und unähnlich erscheinen wie ich.«

»So ein Zufall! So ein Glück!« sagte Harry und stieß mit dem Baron an. Und dann fragte er plötzlich und unvermittelt:

»Ja, sagen Sie, Baron, darum sind Sie doch vermutlich nicht nach Hamburg gekommen?«

Und nun erzählte Curt von den Nöten der Familie Pika und von Pina Jeff.

Harry war infolge des Sekts und über die für ihn so günstige Lösung der Krise in hoher Stimmung.

»Es lebe Pina!« rief er, setzte aber sogleich das Glas wieder hin und fragte: »Ja, was wird aus ihr, wo Sie doch nun die Farbige heiraten?«

»Alles Gute ist nie beisammen,« erwiderte Curt. »Sie wird sich damit trösten, die Eltern aus geschäftlichen Nöten befreit zu sehen und weiter ihrem Beruf nachgehen. Ich kann auch ohne sie leben.«

Weder Harry noch Curt gaben sich Rechenschaft darüber, was für ein groteskes und gewagtes Spiel sie hier bei Hummer und Sekt in Szene setzten.

Die erste Aufgabe war, die Verbindung mit Djojo herzustellen. Ein telephonischer Anruf beim Vertreter des Lloyd Triestino sagte Ihnen, daß die aus Japan heimkehrende »Venezia« noch heute im Verlauf des Tages in Triest zurück erwartet werde. Also drahteten sie, nachdem sie verschiedene Fassungen verworfen hatten, schließlich dreifach dringend:

Passagier Djojo Olem an Bord der »Venezia«.
                                      Lloyd Triestino Triest.

Liebe Djojo! Falls Sie annähernd so oberflächlich sind, wie ich Sie mir nach Ihrem Telegramm aus Penang, das ich eben erst erhalte, vorstelle, schlage ich Ihre Hand aus. Da ich hinter der ungewöhnlichen Art Ihrer Werbung aber immerhin eine originelle Frau vermute, habe ich den Wunsch, Sie kennen zu lernen. Wo kann das geschehen? Mit Handkuß Harry S.

»Das kann ganz lustig werden,« meinte Harry, und Curt erwiderte:

»Vielleicht für Sie, für mich weniger. – Meinen Sie, daß man Ihren Vater einweiht?«

»Ausgeschlossen! Der muß zunächst glauben, daß ich mich opfere. Denn er würde nie in ein Geschäft einwilligen, – das nicht fair ist.«

Sie fuhren nach dem Essen in das Büro von Max Sülstorff Söhne. Harry stellte den Baron als einen alten Bekannten vor, zog dann Djojos Telegramm aus der Tasche, legte es dem Alten vor und sagte:

»Ich fahre also nicht.«

Der Alte warf kaum einen Blick auf das Papier, sprang auf und rief den alten Prokuristen in das Büro:

»Habe ich Ihnen nicht ausdrücklich verboten, meinem Sohn das Telegramm auszuhändigen?« fuhr er ihn an.

»Im Interesse der Firma Max Sülstorff Söhne hielt ich mich verpflichtet . . .«

»Sie sind entlassen! – Das heißt: nein! Ich vergaß, mein seliger Vater hat Sie engagiert, also habe ich kein Recht, Ihnen zu kündigen.«

»Ich gehe von selbst.«

»Jetzt, wo Sülstorff Söhne in Schwierigkeiten sind, wollen Sie die Firma im Stich lassen. Das hätte ich von Ihnen zu allerletzt erwartet.«

»Da man es mir unmöglich macht, der Firma aus ihren Schwierigkeiten herauszuhelfen.«

»Sie haben vollkommen recht,« sagte Harry. »Ich kenne meine Pflicht und erfülle sie.«

»Du willst dich verkaufen?«

»Vielleicht gefällt sie mir – oder wir einigen uns auf einer anderen Basis.«

»Ich nehme das Opfer nicht an.«

»Es kann nur von einem Opfer gegenüber der Firma Max Sülstorff Söhne die Rede sein,« erwiderte Harry, »deren Repräsentant ich genau so gut bin wie du. Hast du dich nicht vierzig Jahre lang für die Firma geopfert? Und mein Egoismus würde auch in diesem Falle nichts dagegen haben, daß du statt meiner dies Geschäft tätigst. Ich fürchte aber, daß Djojo damit nicht einverstanden wäre.«

»Junge, du sprichst wie ein Mann! Mehr noch! Wie ein Kaufmann! Wo hast du das plötzlich her?«

»Es wächst der Mensch mit seinen höheren Zwecken!« erwiderte Harry. Und während der Baron, unangenehm berührt, dachte: was für ein falsches Pathos! – drückte der alte Sülstorff seinem Sohne die Hand und sagte:

»Ich danke dir! – im Namen der Firma!«

Gräßlich, diese Szene! dachte Curt – und ihm war, als wenn aus einer Ecke des Zimmers eine tiefe Stimme rief: »Achtung! Großaufnahme!«


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