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XXVI.
Klara an Klairant.

Du zitterst nicht mehr, mir zu sagen, daß du morgen gegen den Feind aufbrichst? du freuest dich, daß du bei der Avantgarde stehst? – Und ich liege mitten in der Nacht, bleich, gequält von Angst, verfolgt von tausend wimmernden Stimmen eines blutigen Schlachtfeldes, verzweifelnd, auf den Knieen, und erflehe jammernd vom Himmel nur den kleinsten Strahl der Hoffnung. »Morgen, morgen,« ruf ich, »geht er dem Feinde entgegen!« und ich bedenke nicht, daß dieses schrekliche »Morgen« schon vorüber ist, daß du jezt, da ich für dich bete, zittre, verzweifle, daß du jezt vielleicht schon da liegst, starr – O, ich Unglükliche!

Klairant! wie war es möglich! Warum schriebst zu mir nicht schon lange, daß du Soldat werden wolltest? Meine Thränen, meine Angst, hätten dich in Chatillon zurükgehalten. Das schrekliche »morgen!« hätte dann nicht mein Gehirn zerrüttet, mein Herz zerschmettert, mein ganzes Wesen vernichtet. Warum behieltest du nicht wenigstens den Brief noch einige Stunden, und schreibst in ein Paar Worten! »Das schrekliche morgen ist vorbei; ich bin gesund!« Warum machst du mir diese folternde, entsezliche Angst? Mein Herz schlägt laut an meine Brust, so oft jemand die Lippen öffnet; ich zittre, daß er sagen wird: Klairant ist todt! Sieht jemand mich an, so werde ich bleich, weil ich glaube, er will mir deinen Tod ankündigen. Ein neues Zeitungsblatt erregt in mir immer ein Fieber. Jezt brenne und glühe ich vor Hize, dann bin ich starr und todt vor Kälte. Ich kann nicht essen; es ist, als ob der Schmerz mich sättigte. Und dabei jagt eine matternde Unruhe mich unaufhörlich hin und her.

Klairant, es ist nicht Liebe, was dich treibt; nein, thörichter, grausamer Ehrgeiz. Laß mich dir den Preis sagen, um den du kämpfest. Meine Angst um dich wird noch den zarten Faden meines Lebens zerreissen; du wirst den Lorbeer, den du erfechten willst, unter die Blumen mischen, die eine mitleidige Hand in meinen Sarg streuet, und Verzweiflung wird der Lohn seyn, den du am Ende davon trägst! – Mit Triumph willst du mich in dein freies Vaterland führen? Unglüklicher! Triumph? Ich will lieber unbemerkt mit dir bis ans Ende der Erde fliehen, als mit diesem Triumphe die Stufen eines Thrones betreten. Und würde ich ihn denn bei meiner unaussprechlichen Angst, bei meiner Verzweiflung, erleben? Ich bin matter, als du glaubst. Bedenke, Klairant, welche Erschütterungen mein Herz schon ertragen hat! Bedenke, daß ich jezt immer bei meinen Eltern bin; daß ich jede Thräne in mein Herz zurükdrängen, die Angst meiner Seele wie ein Verbrechen verbergen muß. Ich lächle; und bei jedem Lächeln fühle ich einen Faden meines Lebens zerreissen.

Ich bitte und beschwöre dich bei meiner Liebe! schreib deiner Klara bald, und gieb ihr Trost, daß sie nicht durch dich verzweifeln muß! Was hat meine Liebe mit Schlachten, mit Blut zu schaffen! Klairant, jezt fordere ich mit tief aufgereiztem Herzen von dir, meine Liebe zu vergelten, und die Waffen niederzulegen, die du nie erheben kannst, ohne mein Herz zu treffen. Jezt ruft deine Klara, deine Geliebte, in Ernst dir zu: »Kennst du ein Vaterland, Grausamer, ohne mich?« – Antworte, Klairant! müßtest du mir nicht alles, alles aufopfern? O, soll ich mit dir rechnen?

Klairant, mußt du mich täuschen, wie mein Kind täuscht? »Du könntest meinen Bruder retten.« Wohl! aber kannst du ihn nicht eben so gut ermorden? und wäre dann nicht eine neue Scheidewand zwischen mir und dir: das Blut meines Bruders und deines Freundes? Könnte ich je in Arme sinken, die meinen Bruder ermordet hätten? – O, mein Vater sieht mich theilnehmend an, meine Mutter ist von meiner Liebe gerührt, Lucie weint Thränen um mich, Alles beklagt mich; und dir allein muß ich zurufen: Klairant, du hast kein Gefühl!

Soll ich dir meinen Zustand beschreiben? Für meine Sinne ist nichts mehr da; alles um mich her zerrinnt vor meinen Bliken, wie Gespenster, die nach und nach verschwinden; meine gedankenlose, verirrte Seele wohnt nur auf dem Schlachtfelde, wo du liegst, und beschäftigt sich mit deinen Seufzern, deinem Röcheln, mit dem Blute, das aus deinen Wunden dringt. – Hier hast du ein Bild von mir. Wenn du kannst, so denke dir auch meine Empfindungen! Ich schlafe des Nachts kaum einige Augenblike; denn meine leichte Deke liegt so schwer wie ein Fels auf mir. Ich schaudre, wenn ich einen Blik in den Spiegel werfe; meine Augen sind hohl, meine Wangen bleich. Ach, Klairant, der Tod hätte nicht viel mehr zu thun, wenn er mich zu seiner Beute machen wollte.

Weiter, Klairant, habe ich dir nichts zu sagen. Ich streke meine Arme nach dir aus, und bete. Wie ich für dich gelebt habe, für dich allein, so kann ich auch für dich sterben, und meine Lippen werden noch im Tode sagen: ich liebe dich, Klairant! O, schreib mir, und leg die Waffen nieder.

 

*

 


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