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10. Capitel.
Die Ankunft.

Sir Robin Munro hatte in Begleitung seines Dieners den englischen Boden fast zu gleicher Zeit mit Ellen verlassen, aber von Southampton aus, einen dort anlegenden deutschen Schnelldampfer benutzend, von welcher Fahrgelegenheit jene nichts gewusst, und war noch einige Stunden vor ihr in New-York eingetroffen.

Hier hatte er nichts zu thun. Er fuhr mit der Bahn direct nach Indianopolis, gemäss der Abmachung mit Starke die erste grosse Station, wo er die Ankunft der Radfahrer erwarten und die Anweisungen ausführen sollte, welche ihm von Starke brieflich oder telegraphisch zugehen würden.

Gerade, wie er die letzte Vorstadt New-Yorks hinter sich hatte, stand er aufrecht am Fenster und sah die Beiden auf der Landstrasse halten. Es war zu spät, Ellen musste ihn erkannt haben, er winkte ihr zu. Es war ihm fatal gewesen, aber was half's? Und einmal bekam sie es doch zu wissen; als unsichtbarer Schutzgeist konnte er doch nicht um sie schweben.

Nun befand er sich in Indianopolis. Diese Stadt mit dem wild-romantischen Namen ist der Kreuzungspunkt von acht oder neun Eisenbahnen und hat 105 000 Einwohner, also sind auch genügend Hôtel s vorhanden, und das dem Vorausreisenden von Starke empfohlene, in welchem möglicher Weise auch Ellen logiren würde, war eines der grössten und besten.

Die Wartezeit schätzte er auf mindestens 18 Tage, da mussten sie aber wie die Pferde rennen.

In Nordamerika war der Baronet noch nicht gewesen, somit lernte er hiermit zum ersten Male das Leben in einem amerikanischen Hôtel kennen. Der Engländer ist auf Reisen nicht sehr verwöhnt, wenigstens was die Behandlung anbetrifft; das sieht man ja auf den englischen Passagierdampfern, wo der Steward der unbedingte Tyrann ist, der manchmal nicht nur andeuten, sondern wirklich sagen kann: »Du hast einfach zu essen, was ich Dir vorsetze, und wenn's Dir nicht passt, so spring über Bord« – und wenn deshalb auch viele Engländer die deutschen und holländischen Linien vorziehen, eingehen werden die englischen noch nicht, die Engländer sind es eben gewöhnt; auch im englischen Hôtel herrscht sehr strenge Hausordnung, und die Engländer müssen so behandelt werden, sonst hauen sie sofort über den Strang – ein längerer Aufenthalt in einem amerikanischen Hôtel aber ist selbst für den phlegmatischsten Engländer eine Qual.

Es giebt nur einen Satz für volle Pension pro Tag, ob mit Zimmer in der Beletage oder im zehnten Stock hinten heraus, ganz gleichgültig, es geht nur nummerweise, hier ist der Mensch überhaupt nur ein Sträfling mit einer Nummer.

»Haben Sie Werthsachen bei sich? Hier abliefern! Jetzt wird gespeist! Marsch, nun in den Smokingroom! Marsch, nun hier hinein! Marsch, nun da hinein! Umziehen zum Concert! Anzug: schwarzer Frack, geblümte Weste, weisse Beinkleider, Lackschuhe, Chapeau-claque.«

Es ist dies kein Scherz. In New-York und anderen Städten mit internationalem Gepräge giebt es natürlich auch Hotels nach französischem oder deutschem Muster, aber so geht es auch im vornehmsten Yankee-Hotel New-Yorks noch zu. Beim Glockenzeichen hat man in den Speisesaal zu gehen, während der Fütterung werden die Thüren des Käfigs wieder geschlossen; wer zehn Minuten zu spät kommt, erhält nichts mehr; auf dem Zimmer oder anderswo wird nicht servirt – aber auf die Rechnung kommt es selbstverständlich. Ja, man kann nichts dagegen machen – und es kommt häufig genug vor – dass man mitten in der Nacht einen wildfremden Menschen als Schlafcollegen in sein Bett gesteckt bekommt – und der Amerikaner, wenn auch ein feingebildeter, verwöhnter Mann, findet gar nichts dabei. Das sind eben Auswüchse einer von Holzhackern gegründeten freien Bürgerrepublik. Frankreich, weil es keinen König hat, ist ja gar keine Republik.

Zum Glücke für Sir Munro war sein Hôtel wenig besetzt, so hatte er nur massig unter der Tyrannei der allgewaltigen Kellner zu leiden.

Es kam kein Brief, kein Telegramm. Munro wurde immer besorgter. Hatte die Geliebte ihren Wahnwitz schon mit dem Leben gebüsst? Endlich ein Brief aus Wheeling. Was, wie war das möglich? Die Beiden rannten ja toller als die Pferde. Da mussten sie ja den Tag 50 bis 60 Meilen gemacht haben – und das hält wirklich kein Pferd aus. Sir Munro schüttelte den Kopf und kratzte sich hinter den Ohren.

Der Brief enthielt kein Wort davon, wie es ihnen, wie es Miss Howard ginge, was Ellen sagte, dachte. Ja, hatte denn Starke seine Begleiterin überhaupt noch an der Seite? Wheeling, eine ansehnliche Stadt in Ohio, hängt mit »Rad« zusammen, und Starke bestellte auch nichts weiter als ein neues Rad, eine gewisse Marke, mit einigen Abänderungen daran, mit zwei auswechselbaren Kettenrädern; seine Angaben waren ganz genau, der Brief wimmelte von Zwölftelzollen, aber sonst sparte er die Tinte auf's äusserste. Nicht einmal »hochachtungsvoll« oder etwas Aehnliches schrieb er vor seiner Unterschrift. Noch viel weniger hielt er es für nöthig, von den Gefahren zu schreiben, in denen seine Schutzbefohlene schon geschwebt hatte; keine Andeutung davon.

Was aber sollte Sir Munro nun mit diesem Briefe anfangen? Laufmantel, Felgen, Kettenspanner, sogar Lenkstange – waren ihm ganz unbekannte Begriffe.

»Dick!«

Der kleine magere Dick erschien. Wie der Engländer es fertig gebracht hat, die Namen so zu verdrehen, dass z. B. aus Robert Bob und aus Richard Dick geworden, ist dem Schreiber dieses nicht bekannt.

Ueber Dick's Geburt lagerte ein geheimnissvolles, undurchdringliches Dunkel. Er wusste nicht, wer seine Eltern waren, noch wo er geboren war, nicht einmal den Erdtheil kannte er. Doch ein ausgesetzter Prinzensohn war er nicht; er gehörte einfach zur weitverbreiteten Sippschaft des fahrenden Volkes; als zartes Kind hatte er lallend die internationale Gaunersprache gelernt.

Aber wer kann für seine Geburt! Einmal hatte Sir Munro auf der Strasse sein Portemonnaie verloren, und ein kleiner, schäbig gekleideter Mann, dem der Hunger aus den Augen sah, brachte es ihm in sein Haus. Die Visitenkarte sei darin gewesen – und auf die Belohnung wartend blieb der kleine Mann stehen. Der englische Baronet brauchte lange, lange Zeit, um zu erfassen, was der Mann denn eigentlich wolle, und als kein Zweifel mehr bestand, dass jener das gefundene Portemonnaie dem ermittelten Besitzer zurückbrächte und eine Belohnung erhoffte, und als sich Munro auch noch vergewissert hatte, dass jener bei gesundem, normalem Verstande war, da rannte er, die Hände in den Hosentaschen, aufgeregt im Zimmer hin und her.

»Was sind Sie denn für ein Landsmann?«

»Ich bin ein Engländer.«

»Sie – Sie wollen ein Engländer sein? Ach, gehen Sie doch!!! Sie fordern eine Belohnung, weil Sie mein Portemonnaie mit zehn Pfund gefunden haben? Und Sie wollen ein Engländer sein? Ach, machen Sie mir doch nichts weiss!«

So ging es noch längere Zeit weiter, Munro konnte sich gar nicht wieder beruhigen, und der kleine arme Mann, der sich in diesem Prunkzimmer nicht wohl fühlte, beschloss schon, anstatt die verdiente Belohnung zu fordern, wozu er doch gewiss berechtigt war, die Flucht zu ergreifen, als sich zum Glück noch rechtzeitig der Irrthum aufklärte.

Natürlich zürnte ihm Sir Munro nicht, dass er wage, einen Finderlohn zu verlangen, sondern er konnte nicht begreifen, wie ein Engländer ein gefülltes Portemonnaie, welches er aufhebt, dem bekannten, ihm aber fremden Besitzer zurückerstatten kann, und nun gar noch in London!

Damit soll allerdings durchaus nicht gesagt sein, dass jeder Engländer ein Spitzbube sei. Das Abliefern ist in England eben nicht Mode. Was verloren ist, ist verloren; wer es findet, dem gehört's, und wer es nicht nöthig hat, der bückt sich überhaupt niemals.

Aber schön war das doch. Sir Munro begann vor Rührung beinahe zu weinen, vor Stolz über seine ganze Nation. Dick gab nähere Auskunft über sich: von Profession Artist, Akrobat, speciell Schlangenmensch, jetzt ginge es ihm herzlich schlecht, schon lange kein Engagement – und als er vernahm, dass er hier Diener werden könne, gestand er, dass er zwar vielleicht in England geboren sein könne, vielleicht aber auch anderswo.

»Sie sind Engländer. Verstanden? Sie sind ein Engländer! Ich engagire Sie hiermit – halt, noch nicht. Fahren Sie Rad?«

»Wie Euer Gnaden wünschen.«

»Fahren Sie Rad? frage ich. Antwort. Ich nehme keinen Diener, dulde keine Person um mich, welche Rad fährt.«

»Ich glaubte, Euer Gnaden meinten, ich müsste Rad fahren können, und ich hätte es schnell gelernt ...«

»Um Gottes Willen! Also Sie können gar nicht Rad fahren? Dann sind Sie engagirt. Sie werden es gut bei mir haben, Ihr monatlicher Gehalt beträgt zwei Pfund, davon aber werde ich das erste Jahr, immer ein Pfund abziehen, bis ich also zwölf Pfund Sterling als Depositum in Händen habe, und sobald ich einmal bemerke, dass Sie auf einem Rade sitzen oder sich auf ein Rad setzen wollen, oder eine Radfahrer-Zeitung lesen, oder mit einem radfahrenden Subject verkehren, oder vor einem Schaufenster mit Fahrrädern stehen, oder sonst etwas thun, sprechen, denken, was mir Ihr Interesse an ein-, zwei-, drei- oder vierrädrigen Fahrrädern verräth – alsobald sind Sie entlassen und Ihr Depositum ist mir verfallen. Haben Sie mich verstanden?«

Der Schlangenmensch klappte zusammen, dass sein Haar den Boden berührte.

So war Dick in Sir Munro's Dienst gekommen, schon vor vielen Jahren, und hatte sich nach und nach zum Leibdiener aufgeschwungen, der seinen Herrn auch immer auf Reisen begleitete. Er war ein anstelliger Bursche, konnte Manches, was andere Menschen nicht können, nicht erlernen, und wenn sie sich auch noch so grosse Mühe geben. Ausser seiner Muttersprache beherrschte er vollständig Englisch und Zigeunerisch, sprach auch recht gut Deutsch, Französisch und mit dem Bauche. Er konnte sich wie ein Regenwurm zusammenkrümmen, sich mit dem Fusse die Nase putzen, konnte seine Zunge eine Elle weit aus dem Munde ziehen und Anderes mehr, und im Uebrigen war er ein geschickter, gewandter, treuer, zuverlässiger Diener, wenn es sich auch mit der Zeit herausstellte, dass es Dick faustdick hinter den Ohren hatte. Gar so schlimm hatte es sein Herr auch nicht gemeint, in's Dampfbad brauchte er nicht gleich zu gehen, wenn er aus Versehen einmal ein radelndes Individuum gestreift hatte, aber Dick's Hass gegen Alles, was mit dem Radfahren zusammenhing, wurde womöglich hoch grösser als der seines Herrn, z. B. rührte er das appetitlichste belegte Butterbrod nicht mehr an, wenn es zufällig in eine Radfahrer-Zeitung eingewickelt war, lieber wäre er verhungert.

Und nun machte sein Herr solche Geschichten! Ja, die Liebe, die Liebe! Aber, der scharfsinnige Dick ahnte schon, welch ganz besonderer Zweck hier noch vorläge.

Der Gerufene war also erschienen.

»Weisst Du, was ein Laufmantel ist?«

»Wahrscheinlich ein Mantel, welcher läuft, Euer Gnaden.«

»Hm. Und eine Lenkstange ist eine Stange, welche lenkt. Das ist wahrscheinlich vorn das Ding, mit dem sie es immer gerade so einrichten, dass sie Jeden in's Kreuz rennen, der über die Strasse will. Ich soll nämlich ein Rad kaufen und einige Abänderungen daran treffen lassen. Ja, nun werde aber Jemand klug daraus! Hier lies diesen Brief.«

Dick nahm und las ihn, schon hierbei eine Grimasse des Abscheus nach der anderen ziehend, und wie er den Brief auf den Tisch legte, wischte er sich sorgfältig die Hände am hinteren Theile der Hose ab.

»Weisst Du, was das Alles bedeutet?«

»Nein, Euer Gnaden. Ich habe von so etwas gar keine Ahnung.«

»Ja, wie soll ich nun dem Fahrradhändler oder dem Mechaniker begreiflich machen, was da dieser Starke Alles verlangt?«

»Geben Euer Gnaden doch dem Manne selbst den Brief, der wird es schon verstehen.«

»Richtig, auf diesen Gedanken hätte ich selbst kommen können. Weisst Du was, Dick, nimm Du mit Deiner Geschicklichkeit die Sache in die Hand, erkundige Dich, wo so ein Ding, wie gewünscht wird, zu haben ist, sprich mit dem Schlosser, zeig' ihm den Brief, und so weiter. – Ich verlasse mich auf Dich.«

Dick nahm den Brief zwischen seine äusserstenFingerspitzen, entfernte sich und meldete nach einer Stunde, er hätte die betreffende Marke gefunden, jenes Geschäft sei mit einer Reparatur-Werkstatt verbunden, der Brief sei verstanden worden und die gewünschten Abänderungen würden schnellstens ausgeführt werden.

Schon am anderen Tage erhielt Sir Munro einen zweiten Brief. Starke wünschte einen Anzug aus hellgrauem oder hellgelbem Lodentuch gemacht zu haben, gab ebenso kurz und ebenso genau das Maass dazu an, oben und unten, hinten und vorn.

»Hm,« brummte Munro, »den muss er aber eigentlich selbst bezahlen, das gehört mit zu seinen Spesen.«

Diesmal rief er nicht nach Dick, sondern begab sich selbst nach dem nächsten grossen Schneidergeschäft, wünschte einen Anzug nach Maass, zeigte den Brief mit den ungeheuer vielen Zahlen vor.

»Soll das ein Badecostüm werden?« fragte der Zuschneider. »Da würde ich statt des Loden ...«

»Nein, nein, kein Badecostüm, wo denken Sie hin! Ein Reiseanzug, so ein Anzug für so einen Radfahrermenschen.«

»Für einen Knaben?«

»I wo, der Mann ist einen Kopf grösser als ich, mit solchen Schultern. Ist denn das Maass nicht genau angegeben?«

»Das Maass ist wohl sehr genau genommen worden, aber sollte der Anzug nicht vielleicht für eine Dame bestimmt sein?«

Munro sank etwas zusammen, neigte den Kopf und legte die Hand an das Kinn.

»Ach ja,« sagte er kleinlaut, »es dürfte auch eine Dame sein.«

So kam es, dass der Lodenanzug doch noch glücklich für Ellen und nicht für Starke gefertigt wurde, und der Baronet dachte seufzend: »Also er hat ihr das Maass sehr genau genommen! Hm, eine dumme Geschichte, so eine Radreise.«

Von nun an regnete und regnete es Tag für Tag, und Munro konnte mit Recht annehmen, dass dieses schnelle Fliegen jetzt aufhören würde. Eine Nachricht erhielt er nicht mehr. Einmal musste Starke doch noch depeschiren, nämlich wenn er den nächsten Ort mit einer Telegraphenstation passirte, damit Munro seine Braut mit gebührender Aufmerksamkeit empfangen konnte. Alles war genau ausgemacht, dann würden die Radfahrer in drei bis vier Stunden hier sein, aber bis dahin war noch lange Zeit. Munro erwartete noch nicht dieses Schlusstelegramm. Während dieser Regenzeit hatte er zufällig Engländer kennen gelernt, welche in Indianopolis wohnten, ohne sich amerikanisirt zu haben, war in altenglische Familienkreise eingeführt worden, man kam dem Baronet mit Hochachtung entgegen, hier fühlte er sich heimischer. Im Hôtel schlief er fast nur noch, und wenn ein Brief oder Telegramm ankam, Dick wusste ihn immer zu finden.

Endlich brach wieder ein schöner Tag an, welcher Alles in's Freie lockte. In dem grossen Villengarten, noch etwas vor der eigentlichen Stadt an der Landstrasse gelegen, hatte die Mittagssonne den Rasenplatz getrocknet, eine Gesellschaft von jungen Herren und Damen tummelte sich darauf zum lustigen Spiel. Es war eine Art Haschens, nur dass immer je ein Herr und eine Dame Hand in Hand zusammen laufen mussten, auf dass die Kräfte gleichmässiger vertheilt würden.

Sie lachten und scherzten und jubelten, und Niemand gewahrte die beiden schmutzbedeckten Radfahrer, welche an dem Gartengitter entlang mühsam auf der durchweichten Landstrasse fuhren, gefolgt von einem gelben Hunde mit schwarzen Beinen.

»Das gilt nicht, das gilt nicht, Sir Munro! Sie haben Ihre Dame losgelassen.«

»Aber mich nicht von ihr getrennt,« rief Munro lachend zurück, »denn ich bin mit Miss Hildyard durch Ihnen nur unsichtbare Bande verknüpft.«

»Es ist Sir Munro,« sagte Starke, »ich rufe ihn.«

»Nein, auf keinen Fall!« befahl Ellen herrisch. »Wir wollen ihn nicht in seinem Vergnügen stören. Was geht er mich überhaupt an?«

Und Starke hielt sich nicht auf. Ein Telegramm für Sir Munro, die Ankunft gegen 2 Uhr meldend, musste schon vor vier Stunden in seinem Hotel angekommen sein, und wenn er keine Maassregeln traf, dass ihm dies sofort nachgesandt wurde, falls er das Hotel verliess, so schadete ihm seine kleine Lection nicht, auf dass er das nächste Mal sich besser auf den Empfang vorbereite.

Noch zwei Kilometer Fahrt, dann sprang Ellen vor dem Western-Hôtel ab, um sofort in die Kniee zusammenzubrechen; Starke kam zu spät, um sie zu halten, und wenn sie auch gleich wieder auf den Füssen stand, es war doch ein Zeichen von grosser Schwäche gewesen.

Im Portale stand Dick und riss die Augen weit auf.

»Was, ist das nicht – ist das nicht ...?«

Dann rannte er spornstreichs davon nach der ihm bezeichneten Villa, und da sah er auch schon durch das Gartenthor seinen Herrn sich mit jungen Damen herumjagen.

»Sie sind da, sie sind schon im Hôtel!«, schrie Dick athemlos durch das Gitter.

Munro glaubte seinen Augen und Ohren nicht zu trauen, als er Dick sah, ihm diese Meldung bringend. Aber er musste es wohl glauben, Starke hatte ihm kein Telegramm geschickt, und zwei Minuten später rannte der englische Baronet, alles Andere vergessend, wie ein Wettläufer neben seinem Diener der Stadt zu.

Grafik10

Als er an der Portierloge vorübereilte, hielt ihm der Pförtner ein zusammengefaltetes Papier entgegen.

»Heute Morgen ist eine Depesche für Sie angekommen, Sir Munro.«

»Was?! Und Du hast nichts davon gewusst?« schrie dieser Dick an.

»Ich bin immer im Hôtel gewesen, mir ist keine gegeben worden,« versicherte Dick.

»Warum haben Sie meinem Diener die Depesche nicht gegeben?« fuhr der Baronet den Portier an.

»Sie haben mir nichts davon gesagt, dass ich Ihrem Diener Briefe oder Telegramme aushändigen soll,« war die kühle Antwort.

»Was, ich hätte Ihnen nicht drei Mal – nein, ein Dutzend Mal gesagt, Sie sollten alle Postsachen sofort diesem Manne aushändigen, wenn ich nicht im Hôtel bin?« schrie Munro mit weinerlicher Stimme.

Der Portier wollte sich auf nichts entsinnen können, und es half auch nichts mehr, dass Munro jetzt ausser sich war – er wünschte dem pflichtvergessenen Manne noch eine schreckliche Krankheit, dann stürmte er die Treppe hinauf nach Ellens Zimmer, welches er von einem Kellner erfragte.


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