Ernst Kossak
Prof. Eduard Hildebrandt's Reise um die Erde
Ernst Kossak

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XXI.

Die What-Pagode. In den Königl. Elephantenställen. Wasserpartie nach Pratlat. Sommertracht der Weißen und Schuhzeug. Im Hause des siamesischen Kapellmeisters. Der Orestes und seine Cockroaches. Full dress. Der Anfang des Hundejahres. Neujahrs-Galadiner. Spalier der Garden. An drei Tafeln. Mongkut's Ballettänzerinnen.

Außer den klimatischen Leiden habe ich den stillen Kummer zu tragen, im Schooße der üppigsten Natur den größten Theil des Tages unthätig zubringen zu müssen. Nur in den Stunden von fünf bis sieben Uhr Morgens ist es möglich, im Freien zu arbeiten, von da an wird man durch die steigende Temperatur genöthigt, so leicht wie möglich gekleidet still im Schatten zu sitzen und zur Kurzweil das untergeordnete Thierleben rings umher zu beobachten. Aber nicht immer erwacht man zeitig genug. Wenn man sich bis zwei Uhr Morgens schlaflos auf dem Lager gewälzt hat, verschläft man meistens die Arbeitsstunde. Die armen Hausthiere können sich ebenso wenig wie wir an das unselige Klima gewöhnen. Die Hühner fallen nicht selten, wie unsere Sperlinge in strenger Winterkälte, plötzlich todt nieder; nicht besser ergeht es den Hammeln, 278 die aus China importirt und mit Reis und Erbsen ernährt werden. Welche unsägliche Mühe es kostet, die Wiederkäuer am Leben zu erhalten, habe ich schon angeführt. Nur die Schweine ertragen die Hitze ohne erhebliche Beschwerde, sind daher auch das hauptsächlichste Schlachtvieh der Hauptstadt und ihrer Umgebungen.

Am 14. März stand ich kurz nach vier Uhr Morgens auf und machte mit einigen Bekannten Ausflüge nach den bemerkenswerthesten Tempeln Bangkoks. Die dreihundert Fuß hohe What-Pagode hatte ich schon gleich nach meiner Ankunft gesehen und ihre Ornamentik aus blau und weiß gemustertem groben Porzellan bewundert, jetzt besuchten wir zunächst den berühmten Tempel, in welchem ein unförmliches Abbild des Buddha in einer Länge von 175 englischen Fuß und 50 Fuß Höhe auf einem niedrigen Postament lagert. So viel ich durch die Vergoldung der Statue erkennen konnte, ist dieselbe aus Backsteinen aufgemauert. Andere Tempel sind mit Hunderten vier Fuß hoher vergoldeter Bildsäulen des Gottes gefüllt. Im Ganzen sind alle diese religiösen Gebäude nicht von erheblicher Größe, und die Reisebeschreiber übertreiben wohl, wenn sie die vor manchen Tempeln stehenden Götzenbilder mit den Kolossen Altägyptens vergleichen. Einmal unterweges statteten wir auch den Elephantenställen des Königs einen Besuch ab. Wir fanden einige mit Stoßzähnen bewaffnete Exemplare, die zum Theil mit goldenen Ringen geschmückt waren. Wohlgemerkt sind die Landeskinder verpflichtet, diesen Bewohnern des königl. Marstalles dieselben Huldigungen darzubringen, wie dem Könige. Während unserer Fahrt auf dem Strome sahen wir nicht weniger als vier Böte 279 umstürzen, doch wurde die Mannschaft stets gerettet. Der Hauptgrund derartiger Unglücksfälle liegt offenbar in der Bauart der Böte; der untere, also wesentliche Theil derselben besteht in den meisten Fällen nur aus einem ausgehöhlten Baumstamme. Einige Tage später sah ich auf den königl. Werften zwei dieser Kanoes, die bei einer Länge von 115 und 125 Fuß gleichfalls nur aus einem einzigen Teckstamme angefertigt waren.

Am 15. März, einem Sonntage, hatte Herr Markwald aus Berlin mich nebst drei anderen Herren zu einer Wasserpartie geladen. Wir fuhren um sechs Uhr Morgens ab, kürzten eine Krümmung des Stromes durch einen Kanal ab und kamen um acht Uhr in Pratlat an. Der von ungefähr 10,000 Einwohnern bevölkerte kleine Ort ist eine Festung, würde aber einer Belagerung von europäischen Streitkräften schwerlich länger als eine Viertelstunde widerstehen können. Wir statteten sogleich dem Gouverneur einen Besuch ab, trafen ihn jedoch nicht zu Hause. Dafür machten wir den anwesenden Gemahlinnen des hochgestellten Militärs unsere Aufwartung. Es waren ihrer zwölf und jede trug einen Säugling an der Brust, doch stimmte die Carnation der holden Kleinen so wenig überein, wie die der geräucherten Flundern, welche auf den Fischmärkten unserer Seestädte feilgeboten werden. Dem Vernehmen nach ist der Gouverneur von Pratlat sehr stark verheirathet und rekrutirt unaufhörlich unter der weiblichen Bevölkerung des Ortes für seinen Harem. Die Zahl seiner Frauen soll über Hundert betragen. Die, ihren Eltern mit Güte oder Gewalt entführten Mädchen werden in dem Alter von 10 bis 13 Jahren in dem Hause des Gouverneurs zu 280 Tänzerinnen und Orchestermitgliedern ausgebildet, denn der edle Kriegsmann unterhält auch ein eigenes Theater. Nächstdem besuchten wir den Polizei-Präsidenten, welchen wir gleichfalls nicht zu Gesichte bekamen, doch wurden wir von den älteren Ehefrauen, die sämmtlich Betel kauten, sehr zuvorkommend empfangen und mit Cocosmilch bewirthet, die jungen Damen und etwa zwanzig Sprößlinge des Beamten rissen dagegen mit lauten Schimpfreden: »weiße Teufel!« vor uns aus und rannten in den Garten. Wir durften ihnen nicht folgen, da die bejahrteren Hausmütter zugleich die Stelle der Ehrenwächterinnen ihrer Colleginnen bekleiden, und namentlich die europäischen Courmacher fernzuhalten haben. Im Allgemeinen ist es jedoch nicht schwer, sich im nationalen Sinne in Siam zu beweiben. In allen Familien sind die Töchter vom zehnten Jahre an käuflich, und ein Angebot von 100 bis 200 Dollars pflegt in den meisten Fällen zu genügen. Es gehört zur Tagesordnung, die Schönen nach einiger Zeit wieder in das Haus ihrer Eltern zurückzusenden. Um halb ein Uhr Mittags langten wir, mit namenlosen Kopfschmerzen behaftet, wieder in Bangkok an. In meinem Zimmer hatten inzwischen zwei farbenprächtige Chamäleons ein Unterkommen im Schatten gesucht, doch gelang es mir nicht, eines der flinken Geschöpfe zu erhaschen. Abends durchschritten wir das Wäldchen von Mangos, Bambusrohr, Areka- und Cocospalmen, Ananas und Bananen, das unser Haus vom Strome trennt, und hofften etwas frische Luft zu schöpfen; es war ein vergeblicher Versuch. In der stillen, schwülen Atmosphäre glaubte man die Bananen wachsen zu sehen. Wir saßen an der pfeilschnell vorbeischießenden Strömung und 281 transspirirten, wie in einem russischen Dampfbade. Meine europäische Fußbekleidung bereitet mir obenein mancherlei Verlegenheiten. Ich bin außer mit Stiefeln nur mit Lederschuhen versehen, und muß in Bangkok auf die Anwendung der Wichse verzichten. Man trägt hier durchweg leinwandene Schuhe, deren Obertheil täglich mit angefeuchtetem Thon überstrichen wird. Die hier ansässigen Europäer haben auch ihre ganze Toilette danach eingerichtet. Sie tragen weiß baumwollene Jacken und dito Beinkleider, die gleich der Leibwäsche täglich zweimal gewechselt werden. Die Beschaffung eines ausreichenden Vorrathes an frischer Wäsche ist jedoch nur bei der hiesigen Menge der Domestiken möglich. Ein eiliger Reisender muß diesem Comfort entsagen; ich suche mir mit leichtwollenen hellfarbigen Kleidern zu helfen. Nicht selten, wenn ich auf meinem delphischen Dreifuß unter dem Sonnenschirm sitze, der Schweiß von der Stirn auf die Aquarelle rinnt, und Cockroaches oder Ameisen mir die eben aufgetragenen Farben dicht vor dem Pinsel wegfressen, zuweilen selbst das Papierblatt vor Hitze sich zusammenrollt, muß ich an die heimathliche Kritik denken. Die Herren würden gewiß so manche Schwäche derartiger Arbeiten nachsichtiger beurtheilen, wenn sie die unsäglichen Schwierigkeiten der Anfertigung erwägen wollten. Mit den hiesigen Gewohnheiten werde ich nach und nach bekannter. Es wird in Bangkok unglaublich viel gestohlen, aber Niemand, selbst wenn es den Dieb zu ermitteln gelingt, erhält sein Eigenthum zurück. Die Behörde belegt es endgültig mit Beschlag. Auf unserer Partie nach Pratlat fanden wir vor der Thür des Polizei-Präsidiums, das mehr einem Schweinestalle, als einem Staatsgebäude glich, 282 ein weinendes Mädchen, dem seine Ohrringe gestohlen worden waren. Man hatte den Dieb entdeckt und ihm das gestohlene Gut abgenommen, doch konnte sich der Herr Polizei-Präsident nicht entschließen, der Besitzerin dasselbe auszuliefern. Wir suchten sie zu beruhigen, indem wir ihr in dem nächsten Kramladen ein paar neue Ohrringe kauften.

Der Dampfer aus Hongkong ist angekommen, und ich habe, um nicht einem Anfall von Fieber oder Dysenterie zu erliegen, sogleich mein Billet gelöst und mit der unglaublichen Summe von 31 Pfd. Sterling 4 Schillinge bezahlt. Aehnliche Prellereien sind in europäischen Gewässern ganz unbekannt. Am Nachmittage des 18. März forderte der französische Consul mich auf, mit ihm den königlich siamesischen Kapellmeister zu besuchen. Wir fanden einen ältlichen Herrn, der sich von seinen Hausgenossen dieselben Ehren, wie die Könige des Landes, erweisen ließ. Die eben anwesenden Mitglieder der Kapelle bestanden aus alten Weibern und jungen Mädchen, das Hauptinstrument war eine Art Harmonika, deren metallene Schaalen – ich zählte neunzehn – mit zwei Klöppeln geschlagen werden und innerhalb eines runden fußhohen Korbes aufgestellt sind, in dessen Mitte der Spieler hockt. In einer ähnlich construirten Harmonika wird das klingende Princip durch geglättete Bambusscheiter gebildet. Die Blaseinstrumente beschränkten sich auf eine mißtönende Rohrpfeife. Der Chef der Kapelle, über dessen Compositionstalent ich mir kein Urtheil anmaßen darf, schien mit der Vervollkommnung der landesüblichen Orchestration angelegentlich beschäftigt zu sein. Er zeigte uns eine von ihm construirte Pauke, in der ich eine große Sardinenbüchse wiederzuerkennen glaubte. 283 Bei dem engen künstlerischen Gesichtskreis, den ihm die siamesische Musik gestattete, ging der Herr Capellmeister sehr bald auf mein Schuhzeug über, und erkundigte sich ausführlich nach den Preisen und der Dauerhaftigkeit. Dann zeigte er uns ein auf dem Nippestisch stehendes Paar Gummischuhe. Die schöne Welt von Bangkok hält dieselben für die eleganteste Fußbekleidung, und auch unser Künstler betrachtete sein Kleinod mit vielem Stolz. Denselben Tag benutzte ich noch zu einer Zeichnung der Flußufer und schwimmenden Stadt vom Verdeck des nordamerikanischen Kauffahrers Orestes aus, allein die unübersehbare Menge der Cockroaches verscheuchte mich. Wenig besser ging es mir am nächsten Morgen, wo ich schon um Sonnenaufgang an Bord des Orestes zurückkehrte, um die angefangene Aquarelle zu vollenden. Ich war genöthigt, die frechen Insecten mit dem Pinsel oder der Bleifeder von dem Blatte abzuwehren. Als das Tiffin aufgetragen wurde, zu dem mich der Capitän eingeladen, fielen sie in Geschwadern über kalte und warme Speisen her, ja es kam mehrmals vor, daß sie sich zwischen Messer und Gabel wagten und Opfer ihrer widerlichen Gier wurden. Sogar dem Capitän schien die Sache zu arg, er legte das Messer aus der Hand und sagte, er habe große Lust, den Orestes anzubohren und für einige Zeit zu versenken, um sich so des unleidlichen Ungeziefers zu entledigen. Der ergrimmte Amerikaner beschuldigte die Cockroaches, ihm Tinte und Papier, Stiefeln und Schuhe, ja die Haare vom Kopfe und die Nägel von den Zehen wegzufressen, es fehlte nicht viel, so hätte er ihrem Appetit einen, an seinem blauen Frack fehlenden Messingknopf zur Last gelegt. Ich pries mich glücklich, 284 meine Aquarelle im Kampf mit den Käfern leidlich vollendet zu haben und floh.

Als ich um zehn Uhr Vormittags nach Hause kam, fand ich eine geschriebene Einladung des Königs vor. Sie war von dem Oberbefehlshaber der Truppen, der rechten Hand des Herrschers ausgestellt und lautete auf die Räumlichkeiten im Schloßgarten des Palastes. Ich war zu einem Galadiner befohlen. Unter der Einladung stand »full dress«, also schwarzer Frack, weiße Cravatte und Ordens-Decorationen. Bei dem Gedanken: schwarzer Frack und enges Halsband, bei einer Temperatur von dreißig Graden Reaumur, ward mir dunkel vor den Augen und schwollen die Adern auf meiner Stirn. In Erwägung, daß es den Zweck meiner Reise verfehlen hieße: wollte ich mich dieser Festlichkeit entziehen, beschloß ich der Einladung zu folgen, um Sr. Majestät Mongkut nicht zu erzürnen. Hatte ich doch schon die Betheiligung an einer mehrtägigen Elephantenjagd, die der König sich vorgenommen, mit den höflichsten Worten abgelehnt. Das Galadiner fand zur Feier des Neujahrsfestes statt, das in Siam auf unseren 20. März fällt; ich durfte mich auf solenne Ceremonien vorbereiten. Hier trägt jedes Jahr einen charakteristischen Namen. Das Schweinejahr war verflossen; wir begannen heute das Hundejahr. Dem höfischen Gebrauche nach werden an diesem Tage alle anwesenden europäischen Notabiliäten, nebst den hohen Staatsbeamten und Spitzen der Behörden, eingeladen, bei Tafel zu erscheinen. Nach beendeter Toilette holte mich Sir Robert in seinem Boote ab, wir besahen die nahe am Schloßgarten einstallirten neuen Elephanten des Königs, den chinesisch zoologischen 285 Garten und befanden uns an Ort und Stelle. Allmälig versammelten sich die Großen des Reiches, darunter ein älterer Bruder des Königs, die Räthe der Krone, und jene Staatsmänner, die einige Jahre vorher Europa als Gesandte besucht hatten. Der ganze vornehme Cirkel war hosenlos und ging barfuß. An solchen Galatagen verbindet die Etikette Sr. Maj., die Gäste noch länger als gewöhnlich warten zu lassen. Wir mußten über zwei Stunden hindurch antichambriren. Um sechs Uhr erschien endlich König Mongkut in der Mitte seiner Getreuen. Seine Tracht war, wenn mich mein Gedächtniß nicht täuscht, etwas reicher, als bei der neulichen Audienz, er trug zur Feier des ersten Tages im Hundejahre leichte Strohpantoffeln und hatte sich mit dem goldenen Schleppsäbel fester denn sonst umgürtet. Ein ansehnliches Gefolge begleitete ihn. Trotzdem die Sonne sich schon zum Untergange neigte, wurde über seinem Haupte doch ein unförmlich großer, rothseidener, schwer mit Gold gestickter Parasol gehalten, halb neben, halb vor ihm her schritten zwei Leibgardisten mit Revolverbüchsen, dicht hinter ihm aber rutschten zwei Lakayen mit goldenen Spucknäpfen in den Händen auf den Knieen. Diese Möbel waren unumgänglich nothwendig, da der König fortwährend Betel kaut. Das Format der Spucknäpfe war indessen nicht praktisch, sie glichen dickbäuchigen Vasen mit dünnen Hälsen, in denen man Bouquets aufbewahrt, und es mochte nicht leicht sein, sie auf allen Vieren so geschickt zu transportiren, daß Sr. Maj. sich ihrer jeder Zeit bedienen konnte. Es war deshalb nicht zu bewundern, wenn König Mongkut zuweilen, statt in die Spucknäpfe, in die Gesichter ihrer Träger spuckte. Hinter diesen kroch ein 286 kleiner Trupp Lakayen, der mit Theebüchsen, Kuchentellern, Cigarrenkisten und Feuerzeug beladen war. Die Nachkommenschaft der Krone Siams war heute spärlicher vertreten, der König wurde nur von vierzehn seiner Lieblingskinder umgeben, die zur Feier des Tages reichgekleidet und safrangelb geschminkt waren, aber dessen ungeachtet gleich über meine Taschen herfielen. Es blieb mir Unglücklichem abermals nichts übrig, als den engen Rock zuzuknöpfen, denn ich hatte wieder nicht daran gedacht, mich mit Geschenken für die Kleinen zu versehen. Die Verachtung, mit der mein vermeintlicher Geiz sie erfüllte, ließ sich auf ihren kleinen Gesichtern deutlich lesen. Unter den minorennen Prinzen war keiner, der nicht während der Empfangscour Betel kaute, oder eine große Cigarre rauchte.

Der König schritt durch ein Spalier seiner etwa ein halbes Bataillon starken Leibgarde, und eine Musikbande, die von einem Engländer eingeübt worden war, blies ganz erträglich: God save the queen. Sir Robert zeigte mir einen der schwarzen Posaunenvirtuosen, der sich bei den ersten Uebungen auf seinem Instrumente einen Bruch geblasen hatte. Jetzt näherte sich der König unserer kleinen Gruppe und richtete an jeden einige verbindliche, aber unverständliche Worte. Der Bruder des Königs und die eingeborenen Staatsmänner lagen unterdessen im Staube, doch war der Boden weithin mit neuen Matten bedeckt. Die Europäer, welche der König zu hohen Würden erhoben, erwiesen ihm nicht diese demuthsvollen Ehrenbezeugungen.

Es waren im Freien drei Tafeln aufgestellt, und mit vielen hundert Lampen und Lichtern begann jetzt eine Illumination aller benachbarten Gebäude, die bei der Windstille 287 des Abends einen seltenen Effect hervorbrachte. Eine der im Ganzen für hundert Personen gedeckten Tafeln war für uns Europäer bestimmt, wir setzten uns zu Tisch, doch nahm der König und sein hohes Gefolge noch nicht Platz. Es ist eine der höchsten Ehrenbezeugungen, wenn Se. Maj. die Gäste zuerst zu bewirthen gebietet. Der Tisch war sauber gedeckt und nach englischer Sitte servirt, zwei mäßig große gebratene Schweine standen mit Kopf und Schwanz auf den Flanken, umgeben von gekochten und gebratenen Hühnern, vielen Assietten voller Cottelettes, Reis mit Curry, und einer unübersehbaren Menge von kleinen Näpfchen voller Süßigkeiten und orientalischen Würzen. Die Zwischenräume waren mit Weinflaschen ausgefüllt; da gab es Ale, Bordeaux, Brandy, Champagner und Sherry im Ueberfluß. Sämmtliche Speisen hatte man aber so stark mit Knoblauch vermischt, daß ein nordischer Gaumen sie fast ungenießbar fand. Die beiden Braten wurden von dem siamesischen General-Feldmarschall zerlegt. Se. Excellenz entwickelten dabei eine seltene Kunstfertigkeit, da sie Jahre lang auf Postdampfern als Koch gedient hatten. Ursprünglich war der General Unteroffizier in der französischen Armee gewesen und hatte dem Ausexerciren der siamesischen Garde die Beförderung zu seinem hohen Posten zu verdanken. Er trug den Stern des Elephantenordens auf der linken Brust, und hantierte mit dem Vorschneidemesser eben so geschickt, wie mit dem Degen und der Muskete. In Zwischenräumen von acht bis zehn Minuten trat der König an unseren Tisch und füllte die Wein- oder Wassergläser mit Cognac, in dem wir ihm auf seine undeutlich gelallten Toaste Bescheid thun mußten. Für das Maß und Format der Gläser 288 besaß Se. Maj. nur ein äußerst geringes Unterscheidungsvermögen, dagegen irrte er sich niemals in den Getränkesorten; er griff stets mit sicheren Händen die Cognacflasche heraus und ließ nie einen Tropfen in seinem Glase übrig. Wie entsetzte ich mich aber, als der Allergnädigste mit seinen großen schweißigen Händen in die Schüsseln griff, aus Reis, Fleisch und Sauce einen Knödel von der Größe eines mäßigen Hühner-Ei's zusammenkleisterte und in den Mund seiner Lieblingsgäste schob. Sir Robert und ich entgingen dieser väterlichen Abfütterung eben so wenig, wie der General-Feldmarschall. Noch heute erscheint der unselige Bissen des Neujahrsfestes zuweilen in meinen Träumen und schwillt mir im Munde zu Riesengröße an.

Der Tafel gegenüber war eine Bühne errichtet, auf der die Ballerinen des Königs ihre Pas und Posen aufführten. Sobald wir abgegessen hatten, hieß Se. Maj. uns Cigarren anzünden und geleitete uns in allerhöchster Person auf die Bretter, um die nähere Bekanntschaft der jungen Künstlerinnen zu machen. Außer prächtigen, meistens knapp anliegenden Gewändern, trugen sie obeliskenartige hohe Mützen und mehrzöllige lange rückwärts gekrümmte Nägel aus polirtem Silber. Der König nahm die den Tänzerinnen von mir ertheilten Lobsprüche höchst gnädig auf, schmunzelte wohlgefällig und gab mir, wie bei der ersten Audienz, einen Puff in die Seite. Sir Robert sah nach seiner Uhr und hielt sie ans Ohr; wir hatten dieses Zeichen verabredet, wenn die Zeit unserer Entfernung gekommen sein sollte. Es war neun Abends und noch hatte weder der König, noch einer der siamesischen Staatsbeamten gespeist. Wir baten um unsere Entlassung und Se. Maj. nöthigte uns 289 nicht, länger zu bleiben. Nach mehreren treuherzigen Händedrücken wurden wir verabschiedet und von mehr als hundert schwarzbraunen Kerlen, die brennende Fackeln in den Händen schwangen, durch das Spalier der unter Gewehr stehenden Garde nach dem Ufer geleitet, wo Sir Roberts Boot unser wartete. Alle Tempel und Paläste der Umgegend waren gänzend illuminirt. König Mongkut liebt das Ceremoniell und sucht es auf geistreiche Weise zu nüanciren. So groß die Ehre ist, in seiner Gegenwart allein zu speisen, eine noch größere Auszeichnung ist es, wenn der König sich an dem Tische des Gastes niederläßt und an dem Mahle Theil nimmt. Dies geschieht jedoch nur in Fällen ausgezeichnet guter Laune, und pflegt Se. Maj. alsdann die Verleihung des Elephantenordens vierter Klasse hinzuzufügen. Müde des schwarzen Fracks und der weißen Cravatte, entkleidete ich mich und legte mich um zwölf Uhr zu Bette. Der zur Bewegung der Punka commandirte Kuli hatte mich schon seit einer Stunde erwartet und war so schlaftrunken, daß er gar nicht bemerkte, als ich mich niederlegte. Trotzdem blieb der Fächer in fortwährender Bewegung. Der Cognac, mit dem der Landesherr das Hundejahr begrüßt hatte, that auch an mir seine Wirkung; ich versank augenblicklich in einen tiefen Schlaf, aus dem ich erst gegen sechs Uhr erwachte. Jetzt lag der Punkaschwinger vor meinem Bette auf der Erde und schnarchte. Ich ließ ihn schlafen und lauschte dem Morgengesange der in unserer Nähe wohnenden amerikanischen Missionaire und ihrer chinesischen und siamesischen Schüler. Die armen Geistlichen geben sich alle erdenkliche Mühe mit der Erziehung derselben. Sie lehren die Männer lesen, 290 während die Frauen die siamesischen Weiber im Nähen unterrichten. Die Missionaire selber sind nicht gut dotirt, doch erhält die Familie für jedes neugeborene Kind eine Gehaltszulage von fünfzig Dollars. Wer den Tabak und Brandy vergütigt, durch welche sie zuerst die Neulinge anlocken, vermag ich nicht anzugeben. Oft wird ihre Großmuth mit Undank belohnt, und die Novizen bleiben wieder fort, sobald die Rationen herabgesetzt werden, oder die Branntwein- und Tabaksvorräthe vielleicht gar ausgehen. Daß die Frauen der Missionaire die Weiber im Nähen unterweisen, kann ihnen nicht hoch genug angerechnet werden. Unter fünftausend Töchtern Bangkoks kann höchstens eine nothdürftig die Nadel führen, und alle Herren- und Damenschneider sind aus Madras in Vorderindien eingewandert. 291


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