Egon Erwin Kisch
Entdeckungen in Mexiko
Egon Erwin Kisch

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Landschaft, geschaffen um des Silbers willen

Bin ich in einer chinesischen Landschaft? In einem von Jules Verne erdachten Land im Innern der Erde? Bei der Wasserpantomime eines kosmischen Zirkus? Alles was ich sehe, ist unbegreiflich und wird noch unbegreiflicher, da ich zu begreifen beginne.

Hier ist ein See, ein großer See. Brücken schwingen sich von einigen Stellen seines Wassers zu anderen Stellen seines Wassers. Anscheinend sind diese Brücken nur zu dem Zweck errichtet, sich zu kreuzen und zu queren. In regelmäßigen Abständen, wie aus ornamentalen Gründen angeordnet, schäumen und sprudeln und strudeln Gischte auf dem Wasserspiegel, der im übrigen glatt ist. Über jedem dieser Gischte kreist ein runder Käfig, in dem Affen oder Papageien zu schaukeln scheinen.

Das Ufer geht auf allen Seiten unvermittelt, ohne Rand, ganz steil und hoch nach oben wie bei einem Kratersee. Auf den fast senkrechten Hängen stehen Hütten, und von unten, vom Ufer ragen Schlote, denen Gase entfahren, über die höchstgelegenen Hütten hinaus.

Ich bin in der Zyanisierungsanlage von Real del Monte, und ich weiß nur, daß die Erze, die dieser mir sinnlosen Landschaft wohl einen Sinn geben müssen, auf dem gleichen Weg hierherkamen wie ich.

Dieser mein Weg hat mit dem ersten Spaziergang durch die Stadt begonnen. Die Naturschätze des Gebiets von Pachuca haben die Schicksale von Völkern und Kontinenten beeinflußt, und doch ist die Stadt armselig, nicht zu vergleichen mit anderen in Mexiko. Kein Palacio, keine Avenida, kein Park, kein anständiges Trinkwasser. Schlecht und spärlich ist die Pflasterung, rings um das Weichbild 121 verpesten die Abwässer der Bergwerksanlagen die Luft. Schön ist nur die Lage der Stadt, aber was diese Schönheit ausmacht, die Häuser auf den Bergeshängen rings um das Tal, erweisen sich in der Nähe als Stätten trostlosen Elends.

Ich kletterte den Förderturm der Grube Loreto hinauf, wollte durch die Rundsicht meine Eindrücke aus der Stadt ordnen. Ich erkannte die Höfe wieder, die ausgedienten Anreicherungsanlagen, Haciendas de Beneficio, in denen Maultiere sich im Kreis bewegt hatten vom sechzehnten Jahrhundert bis zum zwanzigsten, Tag für Tag und Nacht für Nacht, Jahr um Jahr, um das Silbererz zu zerbrechen und mit Quecksilber zu vermengen. Sorgsam wurde das Silber geborgen, achtlos das Quecksilber weggeschwemmt. Ringsumher gibt es Ackerböden, die getränkt sind mit Quecksilber, und vielleicht reicher als die Silbergruben. Aber niemand kümmert sich darum.

Vom Förderturm aus sah ich in das alte massive Haus hinein, wo die Bergwerksgesellschaft Real del Monte ihre Logiergäste unterbringt, neu eintreffende Ingenieure oder inspizierende Beamte. Nicht weit davon: die Ställe für die Pferde, die ganze Wälder nach Pachuca schleifen, damit sie hier unter der Erde als Verstützung enden. Drüben sind die »Cajas«, die Bürogebäude der Kompanie. Dort die Kooperative der Arbeiter. Am Rand der Stadt liegt die Maestranza, Reparaturwerkstätte und Einkaufsstelle für das Werk. Eingekauft werden Maschinen, Sprengstoffe, Chemikalien, Holz.

Zur Maestranza gehört der »Bone Yard«. Da alles in der Gesellschaft, außer den Arbeitern, amerikanisch ist, heißt es »Bone Yard« und nicht Gebeinhaus. Rostig und verbeult liegt darin die Geschichte des Bergbaus: Hacken und Beile, Handbohrer, Drehbohrer, Revolverbohrer und elektrische Bohrapparate, Steinbrecher, Pochwerke, Kugelmühlen und so fort, Epochen einer Technologie, die sich nur um Zerhacken und Zerbohren und Zerkleinern dreht, sich modernisierte, aber im Grund die gleiche blieb. 122

In einer der verlassenen Haciendas ward eine anglikanische Betstube eingerichtet für die Cornwalliser Bergleute, die im vorigen Jahrhundert hier tätig waren, auf der anderen Seite ein Freimaurertempel für die Amerikaner, die jetzt hier tätig sind. Hinter Real del Monte buckelt sich ein Hügel, dessen Gipfel noch grün ist. Oben liegt der Friedhof der Protestanten und der Freimaurer, eine Krone geschmiedet aus Steineiche und Nadelbaum. Immer waren die Ingenieure und Vorarbeiter Ausländer. Zuerst kamen sie vom Erzgebirge her, aus den sächsischen und böhmischen Bergwerken, aus Kuttenberg, Pribram, Zinnwald, Joachimsthal und Freiberg, aus den Ketzerländern der Hussiten und I.utheraner, weshalb ihre Namen in den Inquisitionsakten immer wiederkehren.

Drüben im Westen, schon im Nachbarstaat, auf dem Marktplatz von Sultepec, steht seit 1733 ein Bergmann als Brunnenfigur, – sicherlich das älteste proletarische Monument auf dieser Hemisphäre. Der alte Kumpel, der übrigens ein junger Kumpel ist, steht da mit aufgekrempelten Ärmeln und in hohen Stiefeln, wie sie niemals ein Indio trug, den Hammer hält er geschultert, den langen Meißel fest in der Linken. Mit seiner breiten Nase und seinen Locken erinnert er mich an einen Jugendgenossen aus Kladno, der von Hitlers Gestapo hingerichtet wurde, und immer, wenn ich durch Sultepec komme, grüße ich ihn mit »Zdar buh«, dem böhmischen Bergmannsgruß.

Von meinem Aussichtspunkt konnte ich weit übers Land schauen, auf Fördertürme anderer Gruben: die »Veta Vizcaína«, über die Humboldt so viel des Lobes sagte, daß sich die ehrwürdige Londoner City in abenteuerliche Spekulationen stürzte; die »Purísima Grande«, wo Bartolomeo de Medina seine ersten Experimente mit dem Patio-Verfahren begann; die »Santa Gertrudis«, die 1879 fallierte, für dreitausend Pesos verkauft wurde, und aus der die neuen Besitzer binnen dreizehn Jahren 25 Millionen Pesos scheffelten. 123

Ich stieg von der Höhe des Förderturms zur Erdoberfläche hinab und ging zum Schacht. In einem Sturz, schneller als die Schwerkraft, fiel ich dem Mittelpunkt der Erde entgegen. Dann schritt ich stahlhelmbewehrt die Stollen ab, wobei ich mich an die Beschreibung der Silberhütte in Heinrich Heines Harzreise erinnerte. Ich traf kein Idyll an. Kein Zitherspiel hallte von den Silberwänden wider, im Stollen wird kein Tisch gezeigt, an dem ein leutseliger Herzog inmitten getreuer Bergknappen zechte, hier hausen keine Heinzelmännchen und selbst einem Heine käme hier kein zärtlicher Gedanke an des Bergmanns Töchterlein.

Nur die Altäre in den Nischen der Wände, bestrahlt, papierblumengeschmückt und groß wie Kapellen, könnten den, der es wollte, zu romantischen Gedanken bewegen. Neben den Heiligenbildern brennen geweihte Kerzen, – solange die Kerze am Stolleneingang brennt, kann dem Spender vor Ort nichts geschehen, ein sicheres Glückauf ist ihm verbürgt.

Früher sei das Kerzengeschäft besser gegangen, klagte mir eine Verkäuferin auf dem Weg zur Grube, »die Männer verlassen sich heutzutage mehr auf die Gewerkschaft als auf die Jungfrau von Guadalupe«. Damit schien die Kerzenfrau aussagen zu wollen, daß das sehr dumm von den Männern sei. Denn die Gewerkschaft mag für Arbeitsschutz, für Gasmasken gegen Silikosis und für Verkürzung der Arbeitszeit sorgen, aber ist sie denn allmächtig? Sie richtet ja nicht einmal gegen das Labor Department der Gesellschaft viel aus, das durch gewiegte Juristen, Arbeitsrechtler und andere Mittel mit den Vertretern der Gewerkschaft die Verhandlungen führt.

*

Ich tappte, Grubenlampe am Bauch, Helm auf dem Schädel, Bleistift in der Hand, vierhundert Meter unterhalb 124 des Tageslichts durch die Irrgänge. Ich suchte nach dem Neuen in diesem alten Werk. Gewiß, die Kompressoren hatten noch nicht gerattert als hier Chichimeken und Tolteken nach Silber gruben. Die Dynamitschüsse hatten noch nicht gedröhnt in Cortez' Tagen. Unter dem Regime der Grafen von Regla brauste noch nicht alle 55 Sekunden ein Zug heran mit Kippwagen, die ihre Flanken öffnen und einen Darminhalt von fünfeinhalb Tonnen ausschütten mit einem Getöse, als zerbräche die Erdkugel und als krachten ihre Trümmer gleichzeitig in die kosmische Tiefe.

Die Leitungskabel, die, geladen mit fünfzig Volt, gefährlich knapp über den Köpfen verlaufen, gab's noch nicht, als der Freiberger Bergassessor Humboldt hier einfuhr, und keine elektrischen Signale leuchteten damals auf. Auch bohrte sich der Förderschacht noch nicht einen halben Kilometer tief ins Fleisch der Erde. Noch war die unheimliche Bahn nicht gebaut, die ohne Menschen durch den Berg jagt, elektrisch ablädt und sich auf der Drehweiche eines Gespensterbahnhofs elektrisch umdreht, um neue Ladung zu holen.

Das abgeladene, grob gebrochene Erz saust auf laufendem Band seiner Zermahlung zu. So schnell auch die mineralen Passagiere auf ihrer Berg- und Talbahn vorbeirasten an mir, der ich am Rand der Strecke vorwärts balancierte, sie fanden noch Zeit, mich zu steinigen, es prasselte nur so auf meinen Schutzhelm, und Funke auf Funke versuchte meine Augen zu treffen.

An der Endstation des Rollbandes, bei den Steinbrechern und Kugelmühlen, geriet ich vom Steinregen in die Schlammtraufe. Alles war in Schlamm eingehüllt: die motorisierten Monstermühlen, der Fußboden, auf den sie montiert sind, das Röhrenwerk, das sie mit Erz füttert, die Leitern und Stiegen, die auf die Plattformen hinaufführen und vor allem die Menschen, die hier arbeiten. Schlamm, Schlamm und wieder Schlamm, Schlamm-Menschen und Schlamm-Maschinen auf Schlammboden. 125

Drinnen in den Eingeweiden der stählernen Schlammungetüme krachte es ohne Pause. Was Jahrmillionen lang auf dem Bergesgrund als Felsenmauer, als einziges Stück dastand, »fest wie Erz«, ward vor kaum einer Stunde auseinandergehackt, und nun müssen die Teile des Ganzen, Ich gegen Ich, aufeinander losschlagen, um sich noch mehr zu verstümmeln. Keine der unter kannibalischem Brüllen ratternden Brechmaschinen begnügt sich mit der ihr zugemessenen Verkleinerung; sie speit das halbzerbissene Produkt in den Schlund der Nachbarmaschine, welche das Kauwerk fortsetzt und sich in die nächste übergibt, bis alles pulverisiert ist und nur ein gelber Schleim übrigbleibt.

Ich war benommen von diesen letzten Szenen des Silberdramas, von der auf dem laufenden Band und von der auf dem Schüttelboden, ich war benommen, das gestehe ich ein. Ich hatte kaum Zeit darüber nachzudenken, ob all das neu sei oder ewig alt. War es nicht schon immer so, daß man – wenn auch freilich nicht mit solchen Motoren, solchem Stahl und in solcher Dimension – das Erz zerschlug, zur Schütte und zur Mühle brachte und verschlemmte, um Silber herauszuholen?

Was ich heute und hier sah im »Fortune Level«, dem vierten oder fünften Stockwerk, spielte sich vor fünfzig Jahren im sechzig Meter höhergelegenen Geschoß ab, und zur Zeit, als Heine in die Silberhütte einfuhr, sah es hundertzwanzig Meter zu meinen Häupten genau so aus wie im Harz. Die Produktionsmittel haben sich modernisiert, die Arbeitsbedingungen verschärft und die Profite erhöht, – aber das sind Unterschiede bloß in Ausmaßen und Quantitäten. Es gibt nichts Neues unter der Erde.

*

Nur dieser See ist neu, dieser chinesische See mit den nirgendwohin führenden, sich kreuzenden Brücken, mit den Gischten in regelmäßigen Abständen. 126

Die geometrische Anordnung der Gischte hilft meinem verwirrten Blick sich zu entwirren. Es ist ein künstlicher, sicherlich ein zweckdienlicher See, und er setzt sich aus riesigen Zisternen zusammen. Ihre Tangenten sind die Brücken und ihre Zentren sind die holzvergitterten Treibräder, die ich für Volièren oder Affenkäfige hielt und die den Wirbel machten.

Eine der Zisternen trägt über ihrem Mittelpunkt keinen rotierenden Käfig, sondern ein Haus. Ein Haus aus Holz und Glas. Ich gehe hinüber in dieses Haus aus Holz und Glas, das Kanzleigebäude und Kommandobrücke zugleich ist, die Betriebsleitung der Zyanisierungsanlage. Der Kanzleichef oder Kapitän erklärt mir, wie das Gestein aus der Grube fährt, die Leidensstationen bis zu dem Augenblick, da dem erzenen Leib die silberne Seele entschwebt.

Begonnen hat die Zyanuration schon in jenen wackelnden Kugelmühlen, in denen ich Felsen knacken hörte, und wo eine Sintflut von Schlamm alles überströmte. Dort drinnen, so lerne ich nun, schlagen nicht nur Mangan und Stahl und Eiserne Birne und motorisch betriebene Stampfen und rotierende Pocheisen auf das Erz ein, sondern auch chemische Mittel helfen bei dieser Folterung.

Die zwanzig metallenen Rundtürme am Ufer des Sees, jeder sieben Meter im Durchmesser und zwanzig Meter hoch, nehmen das zerpochte und geschlemmte Erz in hermetischen Gewahrsam. In den Bergwerksanlagen aller Welt heißen diese Riesenzylinder »Pachuca-Tanks«. Respektvoll schaue ich auf sie, die Stammväter des Geschlechts, die den Namen Pachuca über Meere und Berge trugen. Eine andere mexikanische Silberstadt, Parral, ist Taufpatin der Parral-Pumpen; überall beherrschen mexikanische Ausdrücke die Montanistik, »patio«, »arrastra« und »cazo« sind in Amerika wie in Europa Benennungen von Verfahren.

Mit ausgestrecktem Arm erläutert der Ingenieur sein Wasserreich. Täglich schluckt der See 3700 metrische Tonnen Erz, aus denen das Silber zu lösen ist. Wie wenig Silber, ein 127 halbes Kilogramm auf eine metrische Tonne! Und wieviel Arbeitskräfte und wieviel Arbeitsgänge und wieviel Maschinen und Ingredienzien sind dazu nötig. Dennoch kann die U.S. Smelting and Refining Company in Salt Lake City (USA.), der jetzt Real del Monte y Pachuca (Mexiko) gehört, ganz schöne Dividenden ausschütten von dem, was täglich in den See geschüttet wird.

Die eisernen Schwimmtanks, die zusammen den See ergeben, haben die gleiche Tiefe, aber verschiedene Aufgabenkreise. In den Primärtanks schwabbelt Schaum, der aussieht wie ein riesiges Gehirn, und schwimmt von dort in die Sekundärtanks hinüber, um fünfzig Stunden lang mit Zyankali ausgelaugt zu werden. Dadurch löst sich das Silber. Wie aber kriegt man es aus der Flüssigkeit? In den Filtertanks saugt eine Vakuumpumpe die Lösung, die so dünn ist, daß ein Laie sie für pures Wasser halten würde, durch 1117 Filterblätter, bis alles Unflüssige in ihnen geblieben ist. Zinkstaub wird beigemengt und wieder entzogen, welch letztere Gelegenheit das Zyankali dazu benützt, gemeinsam mit dem Zinkstaub das Weite zu suchen – ihre Verbindung mit dem Silber hat sie allzuvielen Strapazen ausgesetzt. Zurück bleibt das Silber und – Gold. Des Goldes ist wenig in der Silbermine, wenigstens verhältnismäßig. Aber wie man sagt, deckt das bißchen Gold, das sich täglich in den Filterblättern findet, die ganzen Kosten des Bergwerksbetriebes, so daß der Gewinn an reinem Silber der reine Gewinn wäre.

Das Gold mit dem Silber zusammen, so wie es aus dem Zyanisierungsprozeß hervorgeht, wirkt noch nicht so verlockend wie es sollte. Es sind Klumpen schwarzen Kotes, die von neuem durch Filterpressen gejagt werden müssen, wobei der Rest der Feuchtigkeit ausscheidet. Der feste Rückstand wird mit Borax und Zink in dem Ofen des Schmelzraumes gebraten, bis der Braten gar ist. Dieser Braten aus Gold und Silber ist aber noch immer ungenießbar für den Magen der Finanz. Zum Glück ist die Raffinerie nahe mit 128 ihrem Salpeter und ihrer Elektrolyse, durch die sich schließlich goldenes Gold und silbernes Silber voneinander trennen.

Der See lächelt nicht und ladet nicht zum Bade. Wenn man schön schillerisch sprechen will, muß man sagen, es rast der See und will sein Opfer haben. Bereitwillig erläutert der Ingenieur, warum der See rast. Weil das Zyankali nicht die Kraft hat, ohne Luftzufuhr Silber und Gold aus dem Schlamm zu lösen, gibt es Flügelpumpen und Kompressoren, und aus ihnen schießt die zusammengepreßte Luft durch Röhren in die Tanks.

. . . und will sein Opfer haben. Manchmal, an heißen Tagen, senkten sich durstige Vögel auf den See herab. So viel Wasser! Kaum aber hatten sie ihren Schnabel genetzt, fielen sie tot in den See, gefällt vom Zyankali. Seither scheint es sich in der Vogelwelt herumgesprochen zu haben, daß diese Wässer gesundheitsschädlich sind. Nur vor kurzem kam eine Taube an Tank Nummer sieben, wahrscheinlich eine ortsfremde, verirrte Taube. Nach kaum einer Minute fischte man sie heraus, sie war schon tot.

Ich frage, warum überall Vorschriften hängen, Rettungsgürtel zu tragen, und Anweisungen für Erste Hilfe.

Das müsse so sein, erklärt der Ingenieur, damit kein Vorwurf erhoben werden kann, wenn etwas passieren sollte. Aber es sei noch nie etwas passiert. »Sehen Sie, hier habe ich auch eine Apotheke, auch nur so. Drei Gegengifte für den Fall einer Vergiftung: Eisensulfat, Kaliumhydroxid und Magnesiumoxyd – zum Donnerwetter, da liegen ja leere Schachteln! Da hat ein Dummkopf jemandem ein Mittel gegeben und nachher die leeren Schachteln wieder in die Apotheke gesteckt.«

Aus sechstausend Mann besteht die Belegschaft von Real del Monte. Davon sind nur ein paar hundert in der Zyanisierungsanlage beschäftigt, bei Mischungs- und Reinigungsarbeiten. Die Chemie braucht weit weniger menschliche 129 Arbeitskraft als die Mechanik und arbeitet gründlicher. In den vierhundert Jahren, seit Real del Monte in Betrieb steht, ist niemals so restlos extrahiert worden wie jetzt. Aus dem Erz, das in die Tanks kommt, kann kein Atom Silber verlorengehen.

Und in Zukunft?

In wenigen Jahren wird Real del Monte erschöpft sein. 130

 


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