George Kennan
Zeltleben in Sibirien
George Kennan

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32. Kapitel.

Nach der Abfahrt der »Jackson« sehnten wir uns nach der Ankunft unserer eigenen Schiffe und dem Ende unserer langen Gefangenschaft zu Gischiginsk. Acht Monate andauerndes nomadisches Lagerleben hatte eine Abenteuerlust und ein Aufregungsbedürfnis in uns geweckt, die nur in fortwährendem Reisen Befriedigung finden konnten, und sobald unserem Faulenzerleben der Reiz der Neuheit abging, wurden wir des Nichtsthuns müde, und die Ungeduld verzehrte uns bald. Die Belustigungen von Gischiginsk hatten wir zum Überdruß genossen, alle von der »Jackson« importierten Zeitungen gelesen und ihren Inhalt bis in die kleinlichsten Einzelheiten besprochen, jeden Fußbreit Land in der Nachbarschaft der Niederlassung besichtigt und alles, was unser Scharfsinn nur erdenken konnte, versucht, um die Zeit totzuschlagen. Aber die Tage schienen endlos, die heißersehnten Schiffe kamen nicht, und die Moskitos und Schnaken machten uns das Dasein zur Last.

Gegen den zehnten Juli erhebt sich der Moskito – jener Fluch des nordischen Sommers – aus dem feuchten Moos der niederen Ebenen und bläst sein schrilles Horn, um der ganzen lebendigen Natur seine siegreiche Auferstehung und seine Bereitwilligkeit anzumelden, zu sehr billigem Preise Menschen und Tieren musikalische 303 Unterhaltung zu gewähren. Wenn das Wetter ruhig und warm, ist in drei bis vier Tagen die ganze Atmosphäre buchstäblich mit Wolken von Moskitos angefüllt, und vier Wochen lang verfolgen sie jedes lebende Wesen mit einer unausgesetzten, blutdürstigen Hartnäckigkeit, die kein Mitleid kennt. Entkommen ist unmöglich, Verteidigung nutzlos; überall hin verfolgen sie ihr unglückliches Opfer, und ihre unermüdliche Ausdauer überwindet jedes Hindernis, das ihnen menschlicher Scharfsinn in den Weg legt. Rauch von gewöhnlicher Dichtigkeit behandeln sie mit verächtlicher Gleichgiltigkeit; Moskitonetze wissen sie listig zu umgehen, oder nehmen sie mit Sturm; der Mensch kann ihrer beharrlichen Verfolgung nur zu entrinnen hoffen, wenn er sich lebendig begräbt. Vergeblich trugen wir Gazeschleier über dem Kopfe, vergeblich verbargen wir uns in »Pologs« von Baumwollzeug. Die Menge unserer kleinen Angreifer war so groß, daß sie früher oder später eine unbewachte Öffnung entdeckten, und gerade, wenn wir uns am sichersten glaubten, wurden wir von einem neuen und unerwarteten Angriff plötzlich überrascht und aus unserem Zufluchtsorte vertrieben. Ich weiß, daß Moskitos zu dem landläufigen Begriff von Sibirien nicht passen, aber nie habe ich in einem tropischen Lande dieselben in solch ungeheueren Mengen vertreten gesehen, wie in Nordostsibirien im Monat Juli. Sie machen an manchen Stellen die großen Moostundren ganz unbewohnbar und zwingen selbst die pelzbedeckten Renntiere, Schutz in der kühleren Atmosphäre der Berge zu suchen. In den russischen Niederlassungen quälen sie Hunde und Vieh; letzteres rennt toll vor Schmerz wütend umher und erkämpft sich oft mit verzweifelter Anstrengung einen Platz im Rauche des Feuers. Selbst noch so weit nördlich, wie Kolymsk an der Küste des Eismeeres, sind die Eingeborenen bei stillem, warmem Wetter gezwungen, ihre Häuser mit qualmenden Feuern zu umgeben, um sich und ihre Haustiere vor der unaufhörlichen Verfolgung des Moskitos zu beschützen.

Zu Anfang Juli schlossen alle Bewohner von Gischiginsk mit Ausnahme des Gouverneurs und einiger 304 russischer Kaufleute ihre Winterwohnungen und begaben sich in ihre Sommer-»Letowas« oder Fischstationen an den Ufern des Flusses, um die Ankunft des Lachses zu erwarten. Da uns das verlassene Dorf recht langweilig war, gingen Dodd, Robinson, Arnold und ich an die Flußmündung und schlugen unsere Residenz in dem leeren Warengebäude der Regierung auf, das wir auch während der Anwesenheit der »Hallie Jackson« bewohnt hatten.

Ich will nicht bei dem eintönigen, unbehaglichen Leben verweilen, das wir während des nächsten Monats führten. Es kann in vier Worten zusammengefaßt werden: Unthätigkeit, Enttäuschung, Moskitos, Elend. Nach Schiffen auszuspähen war unsere einzige Pflicht, Moskitos bekämpfen unsere einzige Zerstreuung, und da erstere nie erschienen und letztere nie verschwanden, waren beide Beschäftigungen gleich nutzlos und unbefriedigend. Zwanzigmal am Tage hüllten wir uns in Gazeschleier, banden unsere Kleidung am Handgelenk und den Knöcheln fest und kletterten mühsam auf die Höhe des steilen Ufers, um nach Schiffen auszuschauen; aber zwanzigmal kehrten wir enttäuscht in unsere kahlen, ungemütlichen Zimmer zurück und machten unserer Entrüstung über das Land, die Telegraphengesellschaft, die Schiffe und die Moskitos Luft. Wir hatten die Empfindung, als ob wir aus dem Gedränge der geschäftigen Welt ausgestoßen, unsere Plätze von anderen ausgefüllt und wir selbst in Vergessenheit geraten wären.

Der Oberingenieur unseres Unternehmens hatte fest versprochen, daß, sobald das Eis dies zulasse, Schiffe mit Leuten, Material und Vorräten zur sofortigen Inangriffnahme der Arbeit zu Gischiginsk und an der Anadyrmündung eintreffen sollten; aber es war jetzt August, und dieselben waren nicht erschienen. Wir ergingen uns in Vermutungen, ob die Schiffe vielleicht verloren gegangen, oder das ganze Unternehmen aufgegeben worden; aber als Woche auf Woche verging, ohne Nachricht zu bringen, verloren wir schließlich alle Hoffnung und fingen an zu diskutieren, ob es nicht ratsam sei, jemand 305 in die Hauptstadt Sibiriens abzuschicken, um die Gesellschaft auf telegraphischem Wege über unsere Lage zu unterrichten.

Ich muß Major Abaza die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er während der ewig langen Monate des Wartens sich nie entmutigen ließ und nie in Frage zog, daß die Gesellschaft das begonnene Werk mit Ausdauer vollenden werde. Die Schiffe konnten sich verspätet haben, es konnte ihnen ein Unglück zugestoßen sein; aber er hielt es nicht für möglich, daß man auf das Unternehmen verzichtet habe, und setzte während des Sommers seine Vorbereitungen zu einer weiteren Winterkampagne fort.

Zu Beginn des August kehrten Dodd und ich, des Ausschauens nach Schiffen, die nie ankamen, und die, wie wir fest glaubten, überhaupt nicht ankommen würden, müde, zu Fuß nach der Niederlassung zurück und ließen Arnold und Robinson allein auf dem Wachtposten an der Flußmündung.

Am späten Nachmittag des 14., als ich emsig beschäftigt war, Karten zu zeichnen, die unsere Erforschungen vom letzten Winter erläutern sollten, stürzte unser Kosak in atemloser Eile ins Zimmer und schrie: »Puschka! sudna!« – eine Kanone, ein Schiff! Da wir wußten, daß mit Arnold und Robinson drei Schüsse als Zeichen verabredet waren, daß ein Schiff in den Golf einfahre, liefen wir schnell hinaus, um auf den zweiten Schuß zu horchen. Wir brauchten nicht lange zu warten. Ein zweiter, schwacher Knall ertönte in der Richtung des Leuchtturmes, nach kurzem Zwischenraum von einem dritten gefolgt, so daß kein Zweifel blieb, die lang ersehnten Schiffe mußten angekommen sein. Unter großer Aufregung wurde ein Boot hergerichtet; wir setzten uns auf unsere Bärenfelle auf dem Boden und befahlen unseren Kosakenruderern loszulegen. Bei jeder »Latova«, Fischstation, flußabwärts wurden wir mit dem Rufe begrüßt: »Sudna! Sudna!«, ein Schiff, ein Schiff! und bei der letzten – Volynkina – wo wir unsern Leuten einen Augenblick Rast gönnten, vernahmen wir, das Schiff sei 306 von den Hügeln aus zu sehen, es hätte an der Insel Matuga, ungefähr zwölf Meilen von der Flußmündung, Anker geworfen. Da es also kein falscher Alarm war, eilten wir mit verdoppelter Geschwindigkeit vorwärts und landeten in Zeit von fünfzehn Minuten an der Spitze des Golfes. Arnold und Robinson hatten sich mit dem russischen Piloten Kerrillof bereits im Regierungswalfischboot nach dem Schiff begeben, so daß uns nichts anderes übrig blieb, wie die Anhöhe des Ufers zu erklimmen und ihrer Rückkehr sehnsuchtsvoll und ungeduldig entgegenzuharren.

Es war schon spät am Nachmittage gewesen, als das Signal für ein Schiff in Sicht gegeben worden, und als wir an die Flußmündung gelangten, war es nicht weit mehr von Sonnenuntergang. Das Schiff, eine große Bark, lag mitten im Golf ruhig vor Anker, ungefähr zwölf Meilen entfernt, mit einer kleinen amerikanischen Flagge an der Gaffel. Wir konnten das Regierungswalfischboot am Hinterteil des Schiffes befestigt sehen und wußten, daß Arnold und Robinson an Bord sein mußten; aber die Boote des Schiffes hingen noch an den Davits, und es wurden offenbar keine Vorbereitungen zum Landen gemacht. Der russische Gouverneur hatte uns das Versprechen abgenommen, daß wir, wenn das signalisierte Schiff Wirklichkeit und kein Wahn sei, noch drei Schüsse abfeuern würden. Häufige Enttäuschung hatte ihn von der Unzuverlässigkeit menschlicher Aussagen in Bezug auf Ankunft von Schiffen in diesem besonderen Hafen überzeugt, und er hatte nicht vor, in einem lecken Fahrzeug die Reise nach dem Leuchtturm zu unternehmen, ehe er seiner Sache sicher war. Da kein Zweifel mehr herrschte, luden wir die alte rostige Kanone, stopften sie voll nassen Grases, um ihre Stimme zu stärken, und gaben die gewünschten Signale, welche krachend von jedem felsigen Vorgebirge der Küste wiederhallten.

Im Verlauf einer Stunde erschien der Gouverneur, und ehe es dunkel ward, kletterten wir alle nochmals auf das steile Ufer, um einen letzten Blick auf das Schiff zu werfen, ehe es in der Dunkelheit unsichtbar 307 wurde. An Bord desselben war kein Zeichen von Thätigkeit, und die späte Stunde machte die Rückkehr Arnolds und Robinsons vor dem nächsten Tage unwahrscheinlich. Wir begaben uns daher wieder in das leere Regierungsgebäude oder »Kazarme« und ergingen uns die halbe Nacht in Vermutungen über die Ursachen der verspäteten Ankunft des Schiffes und die Nachrichten, die es überbringen würde.

Beim ersten Schein des Zwielichtes kletterten Dodd und ich abermals auf die Anhöhe, um Gewißheit zu erlangen, daß das Schiff nicht wie der fliegende Holländer im Schutze der Dunkelheit verschwunden sei und uns um eine Täuschung reicher gemacht habe. Unsere Befürchtung war grundlos. Die Bark lag nicht nur an demselben Platze, sondern während der Nacht waren noch andere Schiffe angekommen. Ein großer Dampfer mit drei Masten von annähernd 2000 Tonnen Gehalt lag außerhalb des Hafens, und in einer Entfernung von wenigen Meilen strebten drei kleinere Boote der Flußmündung zu. Diese Entdeckung brachte keine geringe Aufregung hervor. Dodd stürzte den Hügel hinunter nach dem »Kazarme« und rief dem Major schon von weitem zu, daß ein Dampfer im Golf und Boote fünf Meilen vom Leuchtturm entfernt seien. Einige Augenblicke später waren wir alle auf dem höchsten Punkt des Ufers versammelt, stellten Vermutungen über den rätselhaften Dampfer auf, der uns so überraschte, und beobachteten das Näherkommen der Boote. Das größte war jetzt nur noch drei Meilen entfernt, und unsere Gläser ließen uns in dem regelmäßigen Ruderschlag die geübte Mannschaft eines Kriegsschiffes und an den eigentümlichen Epauletten seiner Passagiere russische Offiziere erkennen. Der Dampfer war offenbar ein Kriegsschiff, aber weshalb es in diesen fernen, wenig besuchten Teil der Erde gekommen, suchten wir vergeblich zu enträtseln.

Eine halbe Stunde später befanden sich zwei der Boote dem hohen Ufer des Leuchtturmes gegenüber, und wir begaben uns in großer Aufregung hinab an den Landungsplatz, um sie zu erwarten. Seit vierzehn Monaten hatten 308 wir keine Nachricht aus der Heimat erhalten, und die Aussicht auf Briefe und baldige Beschäftigung entschuldigt wohl zur Genüge unsere ungewöhnliche Erregung. Das kleinste Boot stieß zuerst ans Ufer, und als es auf dem sandigen Strande knirschte, sprang ein Offizier in blauer Marineuniform heraus und stellte sich als Kapitän Sutton, von der »Clara Bell«, Bark der russisch-amerikanischen Telegraphengesellschaft, vor, die zwei Monate mit Hilfsmannschaft und Material zum Bau der Linie von San Franzisco aus unterwegs gewesen. »Wo sind Sie den ganzen Sommer geblieben?« fragte der Major, indem er dem Kapitän die Hand schüttelte; »wir haben seit Juni immerfort Ihre Ankunft erwartet und waren fast der Meinung, die Gesellschaft habe das Unternehmen aufgegeben.« Kapitän Sutton erwiderte, alle Schiffe der Gesellschaft seien mit Verspätung von San Franzisco ausgelaufen, und außerdem hätten ihn gewisse Umstände in Petropawlowsk aufgehalten, worüber der Major in den mitgebrachten Briefen Näheres finden werde. »Was für ein Dampfer liegt jenseits der »Clara Bell« vor Anker,« fragte der Major. »Das ist die russische Korvette »Warag« aus Japan.« – »Aber was will sie hier?« – »Das sollten Sie wissen, Herr Major,« versetzte der Kapitän mit belustigtem Lächeln; »so viel ich höre, erwartet sie Befehle von Ihnen; ich glaube, die russische Regierung hat sie beauftragt, sich am Bau der Linie zu beteiligen; wenigstens hörte ich so, als wir ihr in Petropawlowsk begegneten. Sie hat einen russischen Kommissär und einen Korrespondenten des »New-York Herald« an Bord.« Das waren unerwartete Neuigkeiten. Wir hatten zwar gehört, daß die russischen und amerikanischen Marineabteilungen Befehl erhalten, Schiffe nach dem Behringsmeer zu senden, um der Gesellschaft bei den Sondierungen und dem Legen des Kabels zwischen der amerikanischen und sibirischen Küste behilflich zu sein, aber nicht erwartet, eines dieser Schiffe in Gischiginsk zu sehen. Die gleichzeitige Ankunft einer beladenen Bark, einer Dampfkorvette, eines russischen Kommissärs und eines Korrespondenten des »New-York Herald«, das 309 sah geschäftsmäßig aus, und wir gratulierten uns gegenseitig zu den verbesserten Aussichten der sibirischen Abteilung.

Das Boot der Korvette war nun auch gelandet, und nachdem wir mit Herrn Anossof, Oberst Knox, dem Korrespondenten des »Herald« und einem halben Dutzend russischer Offiziere, die fließend englisch sprachen, Bekanntschaft gemacht, schickten wir uns an, die lang ersehnten Briefe zu lesen.

Die Nachrichten, sofern sie die Angelegenheiten der Gesellschaft und die Aussichten des Unternehmens betrafen, waren sehr befriedigend. Oberst Bulkley, der Oberingenieur, war auf seinem Wege nordwärts in Petropawlowsk angefahren und hatte uns von da durch die »Warag« und die »Clara Bell« ausführliche Einzelheiten über seine Bewegungen und Anordnungen mitgeteilt. Drei Schiffe, »Clara Bell«, »Palmetto« und »Onward«, waren mit sechzig Mann und entsprechender Ladung, im Werte von 60 000 Dollars, von San Franzisco nach Gischiginsk gesandt worden. Eines derselben, die »Clara Bell«, welches Unterlagen und Isolatoren an Bord hatte, war schon angekommen, und die beiden anderen mit Proviant, Draht, Instrumenten und Leuten waren unterwegs. Ferner war ein viertes Schiff mit dreißig Beamten und Arbeitern, einem kleinen Flußdampfer und einer ganzen Ausrüstung von Werkzeugen und Vorräten an die Anadyrmündung geschickt worden, wo Lieutenant Bush es in Empfang nehmen würde. Die Korvette »Warag« war von der russischen Marineabteilung beauftragt, bei der Legung des Kabels in der Behringsstraße Hilfe zu leisten; da aber das in England bestelle Kabel noch nicht angekommen war, fehlte es für die »Warag« an Beschäftigung, und Oberst Bulkley hatte dieselbe mit dem russischen Kommissär nach Gischiginsk dirigiert. Wegen ihres großen Tiefgangs – zweiundzwanzig Fuß – mußte dieselbe fünfzehn bis zwanzig Meilen von der Küste des ochotskischen Meeres entfernt bleiben und konnte uns natürlich nicht von großem Nutzen sein; aber ihre bloße Anwesenheit mit einem besonderen russischen Kommissär an Bord verlieh 310 unserem Unternehmen einen gewissen gouvernementalen Anstrich, der uns den Lokalbehörden und dem Volke gegenüber von großem Werte sein mußte.

Major Abaza hatte beabsichtigt, nach der Ankunft eines Schiffes der Gesellschaft sofort nach der russischen Stadt Jakutsk an der Lena zu reisen, fünf- bis sechshundert eingeborene Arbeiter zu mieten, dreihundert Pferde zu kaufen und für deren Verteilung längs der ganzen Linie Sorge zu tragen. Besondere Umstände machten seine Abreise zur Zeit der Ankunft der »Warag« und der »Clara Bell« zur Unmöglichkeit. »Onward« und »Palmetto« wurden noch mit wertvollen Ladungen erwartet, deren Verteilung längs der Küste des ochotskischen Meeres er persönlich zu beaufsichtigen wünschte. Er beschloß deshalb, seinen Ausflug nach Jakutsk auf später zu verschieben und einstweilen mit den zwei Schiffen zu seiner Verfügung zu leisten, was in seinen Kräften stünde. Die »Clara Bell« hatte auch einen Werkführer und drei oder vier Arbeiter mitgebracht, und Major Abaza beschloß, dieselben unter dem Kommando von Lieutenant Arnold nach Jamsk zu schicken, wo sie so viele eingeborene Arbeiter wie möglich in Dienst nehmen und Vorbereitung von Telegraphenstangen und Stationshäusern in Angriff nehmen sollten. Die »Warag« sollte mit Vorräten und Depeschen für Mahood nach Ochotsk fahren, wo derselbe seit fünf Monaten ohne Nachrichten, Geld oder Vorräte lebte und nahezu entmutigt sein mußte.

Am Tage vor der Abreise der »Warag« wurden wir alle von den geselligen und liebenswürdigen Offizieren derselben zu einem Abschiedsessen eingeladen, und obgleich unsere kärglichen Mittel uns nicht erlaubt hatten und erlauben würden, denselben eine ähnliche Aufmerksamkeit zu erweisen, zögerten wir nicht, die freundliche Einladung anzunehmen, und uns wieder einmal an den Genüssen des civilisierten Lebens zu erfreuen. Fast alle Offiziere der »Warag«, einige dreißig, sprachen geläufig englisch; das Schiff war luxuriös ausgestattet, Militärmusik begrüßte uns mit »Heil Columbia«, als wir an Bord kamen, und spielte während der Tafel Stücke aus Martha, Traviata und Freischütz; 311 kurz, alles trug dazu bei, unseren Besuch auf der »Warag« zu einer schönen Erinnerung unseres Aufenthaltes in Sibirien zu machen.

Am folgenden Morgen um zehn Uhr kehrten wir auf die »Clara Bell« zurück, die Korvette dampfte langsam in See, die Offiziere schwenkten ihre Hüte als stummen Abschiedsgruß vom Decke, und die Militärkapelle spielte »Stets blüh' euch Glück und Segen«, eine bittere Ironie auf unsere einsame, freudlose Verbannung. Es war eine schwermütige Gesellschaft, die an jenem Nachmittage in die kahlen Räume des Regierungsvorratshauses zu einem Nachtessen von Renntierfleisch und Kohl zurückkehrte.

Die »Clara Bell« wurde sobald wie thunlich in die Flußmündung gebracht, ihre Ladung gelöscht, und mit der nächsten Hochflut am 26. August segelte sie mit Lieutenant Arnold nach Jamsk, so daß in Gischiginsk nur die ursprüngliche, kamtschadalische Abteilung, Dodd, der Major und ich, zurückblieb. 312

 


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