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Als der Schnee zu fallen begann, kam zu mir ein unglücklicher Mensch und weinte vor mir.

Es war die ausgelassene Isabella mit den brennendroten Haaren und den treuherzigen Augen.

Sie weinte, knetete das Taschentuch und weinte es naß.

»Ich habe im Scherz gesagt, er hat mich aus Verzweiflung geheiratet, es ist kein Scherz mehr. O, bin ich unglücklich! Ich habe einen Verrückten zum Manne. Er redet des Nachts im Schlafe, zankt sich mit einer Frau, nennt sie Lügnerin und weint und sagt Liebste, Schönste! Nein, Harry ist verloren, ich sehe es ein. Ich bin ein Surrogat, sonst nichts. Denke dir, ich bin ein Surrogat!«

Sie weinte, weinte.

»Harry ist verloren. Er ist schon seit Jahren verrückt. Wenn er lacht, so ist er betrunken, er trinkt zwanzig Gläschen Kognak an einem Tage! Er kann nicht mehr Geige spielen, sie würden ihn auslachen. Er war aber ein Phänomen! Seine Kompositionen sind nichts wert. Nur manchmal spielt er gut, da spielt er am Abend und ich sitze und höre ihm zu. Er blickt mich an. Ich spiele nicht für dich, sagen seine Augen. Und einmal da sprach er es auch aus – er wollte nicht, aber er sagte es –«

Sie weinte, weinte. Ich unterbrach sie nicht. »Ach, ein paar Wochen, da war es wunder – wunderbar schön! Er sagte, daß ich ihn gerettet habe. Aber nun – er ist tagelang fort, mit dem Automobil. Denke dir, er, der so nervös ist, daß er über keinen Steg gehen kann, jagt durch Nacht und Schnee. Wohin? Ich weiß es nicht. Dann kommt er zurück, dann lächelt er vor sich hin – seine Augen glänzen. Das, das kann ich nicht mit ansehen, dieses Lächeln, diesen Glanz – o!«

Sie weinte, weinte.

»Er ist solch ein guter Mensch, solch ein seelenguter Kerl – so mußte er werden. Ich habe ihn gesehen, vor Jahren, er spielte, ach, das war Jugend, leichter Sinn, Glänzen, Strahlen – und jetzt – –«

Ich fragte sie: »Weshalb verläßt du ihn nicht?«

Sie sah mich an. »Wie? Ja, ich liebe ihn ja!«

Dann sagte ich: »So sei so gut zu ihm als es dir möglich ist. Muntere ihn auf, reise mit ihm, reise wohin er will –«

»Ja, aber, hörst du, Axel, was bekomme ich aber für alle Liebe, ich?«

»Du kannst um ihn sein,« antwortete ich.

Sie sah mich an. Sie verstand es nicht.

»Ich werde zugrunde gehen!« weinte sie. – – –

Ein großer Zauberer hat ein Buch geschrieben, so süß und schön, daß wer es liest sterben muß. Alle lesen es, obgleich sie wissen, daß sie dann sterben müssen.


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