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Siebentes Kapitel.

Maria-Nostra.

 

Ach, welch' lange Zeit ist verflossen, seitdem dies geschehen! Bald zwanzig Jahre! Ein Schwindel erfaßt mich, wenn ich daran zurückdenke.

Ach, wie viele schlimme Jahre, wie viele freudlose Tage!

Wie viele sind von meiner Seite hinweggezogen, denen das Leben eine Freude war und denen die Zukunft lächelte! Ich aber bin dageblieben! ...

Kaum hier und da begegnete ich einer mir ähnlichen ergrauten Gestalt aus der alten Glanzzeit; es thut so wohl, sich jener Tage zu erinnern und zu sagen: »Damals war es doch besser.«

... Vor einigen Jahren habe ich die staatlichen Zuchthäuser besichtigt. Ich war in Szamosujvár und Illava, wo die Aristokratie der Verbrecherwelt beisammen ist, alle jene Gestalten, die zu einer zehn Jahre übersteigenden Kerkerstrafe verurteilt sind, die durch einen Akt der Gnade von Toten in Lebendigtote verwandelt wurden. Interessante Studien aus der Nacht des menschlichen Lebens.

Ich habe auch Maria-Nostra besichtigt, wo die weiblichen Verurteilten untergebracht sind.

Hier führen Nonnen die Aufsicht. Der Besuch der Anstalt ist nur gegen ministerielle Erlaubnis gestattet.

Daselbst herrscht musterhafte Ordnung; die verurteilten Frauen und Mädchen werden sehr human behandelt.

Man geleitete mich durch die Arbeitssäle; in einem derselben wird nur Weißnäherei getrieben; diejenigen, die feinere Arbeiten zu verrichten verstehen, haben ihr besonderes Tischchen.

Vor einem dieser Tischchen blieb ich stehen; hier saß eine Frau, mit der Anfertigung eines Kinderkleidchens beschäftigt.

Die Vorschrift ist die, daß wenn ein Besucher (der wie gesagt, nur mit Erlaubnis von hoher Stelle hierher gelangen konnte) vor dem Tischchen einer Verurteilten stehen bleibt, diese sich sogleich zu erheben und – gefragt oder ungefragt – zu sagen hat, für welches Verbrechen und auf welche Dauer sie verurteilt sei.

Als ich vor dem Tischchen Halt gemacht hatte, erhob sich die Frau.

Ihr Haar war weiß wie Sommerfäden; aber ihre Augen waren noch immer die alten, in ewigem Farbenwechsel lodernden Meeraugen!

Eintönig und düster sagte sie her, was sie zu sagen hatte:

» Ich habe meinen Mann getötet und bin deshalb zu lebenslänglichem Zuchthause verurteilt

Lebenslänglich! – Und das Leben ist so lang!

»Könnte ich in Ihrem Interesse etwas thun?«

»Ich danke. – Ich bin hier gut aufgehoben und habe in der Welt nichts mehr zu suchen.«

Und sie setzte sich wieder an ihren Platz und fuhr in ihrer Arbeit fort.

*

Arme kleine Erzsike!

*

Im vorigen Jahre erhielt ich die Nachricht von ihrem Tode.

Es war ihr letzter Wille gewesen, daß ich allein und kein anderer von ihrem Ableben benachrichtigt werde.

*

Arme kleine Erzsike! Nunmehr kann auch ich dich von der Last deiner Sünde ledig sprechen, wie die Diener der Kirche sagen:

» Ego te absolvo ab omni vinculo excommunicationis, suspensionis et interdictionis, quantum possum et tu indiges – ego te absolvo. Amen

 

Ende.

 


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