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Sechstes Kapitel.

Ein seltsames Duell. Das verhängnisvolle J. Ich kann auch der Peter Gyuricza sein.

 

Noch muß ich eine Episode erzählen, welche die Staffage meiner Komposition ergänzt.

Emerich Vahot hatte, um den Abfall der Zehn wettzumachen, in der jüngeren Generation Rekruten geworben und da einen jugendlichen Humoristen entdeckt, den er als Redakteurgehilfen bei seinem Blatte engagierte. Später ward aus diesem Herrn ein vortrefflicher Schriftsteller, aber zu Beginn war er nichts, als ein wildes Genie. Er wußte keine andere Sprache als die ungarische und die lateinische. Im übrigen war er ein recht guter Junge; er frequentierte unsern »Tisch der öffentlichen Meinung« und brachte sogar einige Gäste mit; einer dieser Gäste war ein Kritiker mit schiefen Schultern, welcher die Bühne aus dem Gesichtspunkte der Grammatik beurteilte. Der andere war der Bagotay Muki. Dieser war zwar kein Schriftsteller, aber weil er mit uns trinken durfte, zählte er sich zu unserer Gesellschaft.

Eines Tages gerieten der Humorist und der Muki aneinander. Muki hatte es für gut gefunden, mit irgend einer Eroberung zu prahlen, der Humorist hatte darüber einen Witz gemacht, daraus hatte sich ein Streit entsponnen, welcher, wie man sagt, bis zu Thätlichkeiten ging. Ich war nicht dabei, habe den Vorfall nur von anderen erzählen gehört. Ohne Zweifel mußte aus der Sache ein Duell hervorgehen.

Spät abends als ich mich schon anschickte, zu Bette zu gehen, erschien der schiefschulterige Kritiker bei mir. Sein Antlitz war noch finsterer als sonst.

»Ich habe Ihnen ein Geheimnis mitzuteilen, erwarte aber von Ihrer Ritterlichkeit, daß Sie es nicht verraten.«

»Mein Wort darauf.«

»Unser Freund wird sich morgen mit Bagotay Muki schlagen, ich bin sein Sekundant.«

»So ist es recht.«

»Sie werden die Güte haben, die Waffen zu leihen.«

»Mein Freund, ich besitze nur eine Pistole und diese ist doppelläufig.«

»So ist's recht.«

»Wie denn nicht! Zuerst wird der eine damit schießen und wenn er nicht trifft, wird er die Pistole dem andern übergeben, damit dieser zurückschieße!«

»Jawohl!«

Der schiefe Kritiker sagte das mit einer so ernsten Miene, daß ich es glauben mußte. Dies war eine ganz neue Art des Zweikampfes und gar kein übler Einfall.

Am folgenden Morgen (ich hatte das Bett noch nicht verlassen) war der Sekundant wieder da und brachte die verhängnisvolle Pistole.

»Es ist geschehen,« sagte er mit trauervoller Würde.

»Was ist der Ausgang?«

»Unser armer Freund ist getroffen.«

»Ist's bedenklich?«

»Die Kugel ist ihm in den Arm gefahren, doch ist sie schon daraus entfernt worden.«

Diese Nachricht erregte meine volle Teilnahme.

Ich kleidete mich rasch an und galoppierte zum Pillwax. Ich fand unsere guten Freunde schon um den »Tisch der öffentlichen Meinung« versammelt; sie alle teilten mein Mitleid für den armen Verwundeten; der Kritiker aber erzählte die Details der betrübsamen Affaire.

Plötzlich sahen wir Degré und Lauka mit großer Heftigkeit hereinstürmen.

»Das ganze Duell ist nichts als Schwindel! Es fehlt ihm nicht das Geringste, er ist nicht verwundet! Er liegt mit verbundenem Arm im Bett, sein Hemd ist blutig, man giebt ihm Eisumschläge und das Ganze ist nichts als eine Komödie!«

Der Sekundant aber behauptete in allem Ernste, sein Klient sei verwundet worden.

»Wir wollen uns überzeugen,« riefen wir.

»Sie werden doch nicht den Verband von der offenen Wunde reißen wollen?«

Da war auch ich entschieden dagegen und ich nahm unseren Kollegen in Schutz. Ich fand auch bald einen anderen Ausweg.

»Wer ist der Arzt, der ihn verbunden hat?«

Der Kritiker nannte mir den Namen des Arztes.

»Kommt, wir wollen zu ihm gehen.«

Dr. K–y war ein ehrenhafter, biederer Mann, der mit Recht die allgemeine Achtung genoß.

Wir drangen mit Brachialgewalt bei ihm ein.

»Antworten Sie uns: Hat der Humorist eine Wunde am Arm?«

»Ja, erwiderte der Arzt.«

»Ist es wahr, daß Sie die Kugel aus der Wunde entfernt haben?«

»Ja.«

»Versichern Sie uns dessen bei Ihrer ärztlichen Reputation?«

»Bei meiner ärztlichen Reputation.«

Damit mußten nun meine Freunde sich zufrieden geben; da gab es kein weiteres Inquirieren.

Als meine beiden Freunde sich entfernt hatten, blieb ich noch eine Weile beim Arzte zurück und sagte ihm:

»Mein teurer Doktor, Sie haben mir auf die Frage geantwortet, wer aus der Wunde unseres Kameraden die Kugel entfernt hat; jetzt antworten Sie mir aber auch auf die Frage, wer die Kugel hineingethan hat?«

»Ei, ei, brummte der Doktor verdrossen; welch ein schlechter Mensch ist doch ein Mensch mit so vieler Phantasie!«

Die Geschichte war nun die, daß unser Humorist und Herr Bagotay Muki einen amerikanischen Zweikampf ausgefochten hatten. Derjenige, der die schwarze Kugel zog, war verpflichtet – nicht zu sterben, sondern sich bei dem Doktor K–y eine Wunde machen zu lassen. Der Doktor machte mit seiner Lancette einen kleinen Einschnitt in der Epidermis, oberhalb des Biceps, legte eine Kugel hinein und nahm sie wieder heraus, dann verband er die Wunde und die verletzte Ehre war wieder hergestellt. Ich möchte mit keinem Worte bestreiten, daß dies das denkbar korrekteste Verfahren sei.

Ich war in meine Heimatsstadt gereist, um mein Advokatendiplom promulgieren zu lassen, eigentlich um mein so lange Zeit nicht gesehenes Ideal wieder aufzusuchen.

Erinnert sie sich noch der Scene unter den Reineclaudebäumen?

Ich ward im Kreise meiner Familie sehr gut aufgenommen. Zum Diner versammelte sich die ganze Verwandtschaft bei meiner Mutter, zum Souper bei meinem Schwager, dem Professor Valy. Hier waren auch die beiden protestantischen Seelsorger eingeladen und einer derselben brachte einen Toast auf mich aus, in welchem er mich » den Sohn eines Vormundes und den Vater zweier Vormünder« nannte. (Dies war eine Anspielung auf das Amt meines Vaters und auf mein neues Schauspiel.) Es war der erste Toast, der mich zum Erröten brachte.

Am folgenden Tage fand die Komitatskongregation Komitatswahlversammlung zur Neuwahl der Beamten. Anmerkung des Herausgebers. statt, an deren Schlusse bei geöffneten Saalthüren mein Diplom promulgiert wurde. An jenem Tage übergab mir meine Mutter den silberbeschlagenen Säbel meines Vaters und den Siegelring, den er einst getragen, mit dem Adelswappen, das in den Karneolstein des Ringes eingraviert war. Ich mag ein noch so großer Demokrat sein, so muß ich doch bekennen, daß ein die Seele stählender Gedanke darin liegt, daß mein Ahn, der besser war als ich, mit diesem Schwerte Recht und Vaterland, Nation und Verfassung verteidigte und daß dieses Siegel für alle Zeiten giltige Rechte sanktionierte. Laut alter Gepflogenheit gebührten Schwert und Siegelring des Vaters dem jüngern Sohne als Erbe: mein Bruder hatte noch zu Lebzeiten des Vaters von diesem Schwert und Siegelring erhalten, als er mit seinem Diplom heimkehrte.

Ich mußte noch bei der städtischen und bei der Komitatsbehörde meine Aufwartung machen. Auch meinen früheren Prinzipal besuchte ich; es hatte auch da ein schönes Mädchen gegeben, dessen Porträt ich verewigt hatte; die Kleine besuchte noch das Kloster; sie hatte keinen Roman, sondern starb früh; so fand sie ihre Seligkeit.

Erst am Nachmittag kam ich zu Erzsike.

Was ist unter allen Freuden der Welt köstlicher, als jenes erste Herzpochen, welches der Jüngling empfindet, wenn er sich nach langer Abwesenheit wieder dem Ideal nähert, von welchem er glaubt, auch dieses habe von ihm geträumt, seitdem man voneinander geschieden! Wohl war unser Scheiden ein plötzliches gewesen; vielleicht auch, daß der Stachel in der Wunde geblieben. Allein, es war ja der eingestandene Zweck meines Scheidens, mir Ruhm, einen Namen, eine Stellung in der Welt zu erringen und nun, da kaum noch anderthalb Jahre verflossen, habe ich all dies errungen. Ich bin Redakteur, habe das Recht, im Plural zu sprechen wie ein König, ja ich habe noch mehr Rechte, denn ein König kann nur die Bauern in Kontribution setzen, ich aber auch die Edelleute.

Ich glaubte, die ganze Welt wäre mein und daß überall, wo ich erschien, der Triumph vor mir und hinter mir einherziehe.

Ich war nach der letzten Mode gekleidet. Die im ganzen Lande berühmte Schneiderfirma »Martinek & Korsinek« hatte Meisterstücke für mich geliefert; meine Füße waren mit Lackschuhen bekleidet; in der Hand schwang ich ein Fischbeinstäbchen mit Goldgriff, dazu Jaquemarthandschuhe. Mein Haar brannte ich mir nicht mehr selbst mit dem heißgemachten Zirkel, wie einst als Patvarist, sondern ein Friseur ringelte es fein säuberlich auf. Auch hatte ich jetzt schon einen hübsch aufgezwirbelten Schnurrbart und ein Rundbärtchen.

Zur Illustrierung des dramatischen Klimax mußte ich mich all dieser Pracht berühmen.

In dem wohlbekannten Salon fand ich die gnädige Mama und die Tante; die Gesellschafterin war zu ihren Verwandten heimgereist.

Nach dem Handkuß, mit welchem ich die Damen begrüßte, war meine erste Frage: »Und Fräulein Erzsike?«

»Sie ist drin in ihrem Zimmer.«

»Darf ich eintreten?«

»O, bitte.«

Es war das denkwürdige Stübchen, in welchem ich ihr Porträt gemalt hatte.

Das Mädchen war allein. Sie saß an ihrem Arbeitstischchen, über den Stickrahmen gebeugt. Sie muß in ihre Arbeit sehr vertieft gewesen sein, sonst hätte sie durch das Fenster sehen müssen, daß ich komme.

Sie hatte eine Perlenstickerei vor sich: wie es schien, sollte eine Brieftasche daraus werden. Als sie meinen Eintritt bemerkte, warf sie rasch ihr Taschentuch über die Arbeit, allein ich hatte Zeit genug gehabt zu sehen, daß sie ein großes »J« sticke. Was könnte dies sonst sein, als der Anfangsbuchstabe meines Namens? In diesem Glauben bestärkte mich der Umstand, daß ihr von mir gemaltes Porträt, auf einer prächtigen, kleinen Staffelei befestigt, auf demselben Tische stand. Es war also etwas da, was in ihr die Erinnerung an mich fortwährend rege erhielt.

Sie grüßte mich freundlich, aber ich merkte durch ihr Lächeln hindurch eine gewisse feindselige Gesinnung. Der Ausdruck dessen liegt in den Augen und geübte Säbelfechter vermögen in den Blicken des Gegners zu lesen, wohin dieser schlagen werde.

Sie fragte mich verschiedene Dinge und ich antwortete auf ihre Fragen mit großer Genauigkeit. Allein, diese Fragen und Antworten waren nur Finten. Es war ein Spiel mit Dolchspitzen.

Endlich kam der erste Hieb.

»Und was macht denn das liebenswürdige Pflänzchen? fragte sie.

In der ersten Überraschung wußte ich nicht, wovon die Rede sei.

»Welches Pflänzchen?«

»Die kleine Theaterfee, für die Sie sich so sehr begeistert haben.«

Da haben wir's! Auch hier wird es mir vorgeworfen. War es nicht genug, daß ich für die schöne Lilla einmal büßte? Vergebens versicherte ich, daß ich die junge Künstlerin nie anders als auf der Bühne gesehen, daß ich sie dort allenfalls sehr verehre, aber im übrigen keinerlei zärtliche Gefühle für sie hege, weder für sie, noch für irgend ein weibliches Wesen in ganz Budapest.

»Lassen wir das!« sagte Erzsike spöttisch. »Wir sind von allem wohl unterrichtet. Und was machen die drei schönen Töchter Ihres Hauswirtes?«

»Bitte, die älteste zählt neun Jahre.«

»Und Ihre fröhlichen Nachbarinnen?«

»Ah, das ist schrecklich!« (Darüber kann ich nicht einmal die Wahrheit erzählen.) Aber ich war ja gerade derjenige ...

»Wegen dessen der Stadthauptmann sich einmengen mußte« ... O, wir wissen alles. Mein kleiner Finger souffliert es mir ...

Ich geriet in große Aufregung. Wer mag mich so eingetunkt haben?

Ihr aber sprühten die Funken aus den Augen.

Ich blieb nicht lange im Zweifel. Es kam ein neuer Besucher, dessen Stimme ich schon aus dem Nachbarzimmer erkannte: es war der Bagotay Muki.

Augenscheinlich war er der »kleine Finger«, der Erzsike alles soufflierte.

Er stürmte ins Zimmer herein und ich muß sagen, daß er wieder »niederträchtig schön« war. Neben seinen Locken verschwanden meine gekräuselten Haare. Auch seine Kleidung war viel »fescher« als die meinige. Dabei war sein Auftreten so sicher! ... Ich hatte kaum den Mut, Erzsike die Hand zu drücken; er aber kniete vor ihr nieder und legte ihr seinen Hut samt seinem Herzen zu Füßen.

»Machen Sie keine Dummheiten!« verwies ihn Erzsike, indem sie auf mich zeigte.

»Servus, Kamerad!« rief jetzt Muki, indem er von meiner Anwesenheit Notiz nahm. »Wo haben wir uns zuletzt gesehen?«

»Auf der Insel Makao.«

Erzsike lachte hell auf. Sie wußte auch, daß es im »Café Pillwax« ein Nebenzimmer gab, wo Makao gespielt wird und Muki zu den regelmäßigen Gästen zählte.

»Ei, du kommst doch dort nicht hin!« sagte Muki geringschätzig.

Er beschäftigte sich auch nicht weiter mit mir, sondern wandte sich zu Erzsike. Er wollte von der Stickerei ihr Taschentuch entfernen, was aber das Mädchen mit aller Kraft zu verhindern suchte.

»Das Ding ist ja doch für mich bestimmt!« rief Muki.

»Warten Sie bis zu Ihrem Namenstage; dann sollen Sie es haben.«

An seinem Namenstage! Wie ein Blitz fuhr es mir durch das Hirn. Mukis ehrlicher Name ist Johann. Das »J« dort ist der Anfangsbuchstabe seines Namens und nicht des meinigen.

Eine furchtbar dramatische Wendung! Mit einem Schlage war Muki der Gescheite und ich der Einfaltspinsel!

Ich mußte in diesem Augenblicke eine sehr kuriose Figur machen, den Typus der albernen Verblüfftheit darstellen.

Um die Situation zu erklären, nahm Muki Erzsikes Hand und führte sie an seine Lippen. So verkündete er mir in aller Form:

»Sie ist meine Verlobte.«

Deshalb also mußte ich die sardanapalischen Anklagen über mich ergehen lassen! Das Bühnenpflänzchen, der Blumengarten, die drei Hausfräulein – sie waren die goldene Brücke für den Rückzug.

Nun faßte ich mich bald und gratulierte den Verlobten.

Jetzt blieb ich erst recht da. Die Leute sollten sehen, daß mir die Sache ganz gleichgültig sei.

»Du weißt wohl sicherlich,« sagte Muki, »was die Ursache meines letzten Duells gewesen.«

»Aha, jenes berühmten Duells?«

»Ich denke, es war berühmt genug. Der arme Junge, den ich dabei in den Arm geschossen, war mir ein guter Kamerad, aber ich hätte ihn über den Haufen geschossen, wenn er mein leiblicher Bruder gewesen wäre, nachdem er über meine Braut sich in respektwidriger Weise geäußert.«

Erzsike sagte mit eitler Selbstgefälligkeit:

»Gehen Sie! Sie sind ein blutrünstiger Mörder!«

Und dies erzählt der Mensch in meiner Gegenwart, der ich die Geschichte dieses ganzen Zweikampfes genau kenne! Wie sehr könnte ich ihn jetzt lächerlich machen, wenn ich erzählen wollte, wie die Sache sich zugetragen! Aber ich thue es nicht; diese beiden sind einander wert.

Ich sagte nur so viel:

»Ich muß zugeben, Freund Muki, daß du in Sachen der Phantasie mir überlegen bist.«

»Vielleicht auch in anderen Dingen,« bemerkte Muki, indem er den Arm gegen mich ausstreckte.

»Das können wir einmal in der Fechtschule versuchen.«

»Ei, was Fechtschule, das Fechten ist Schwindel! Im Ringkampf zeigt sich der Mann. Die moderne Gymnastik ist nichts als Komödie. Es soll mir einer nachmachen, was ich auf meiner Pußta draußen zustande bringe. Ich habe dort einen Rinderhirten, den Gyuricza Peter; mit diesem pflege ich zu ringen und das ist ein gar fester Bursche, der hundert Stück Rinder in Ordnung zu halten weiß. Mit diesem Gyuricza Peter habe ich dreimal gerungen und bin in zwei Fällen Sieger geblieben, indem ich den Kerl auf den Rasen warf.«

»Nun, das ist ein recht netter Zeitvertreib.«

»Mit der Skriblerei und der Farbenkleckserei erlernt man das allerdings nicht.«

Das mußte ich ihm hingehen lassen. Was wahr ist, ist wahr! Nicht nur ist es wahr, daß ich kein Samson bin, sondern es ist überdies auch wahr, daß im Vergleich zu hundert Ochsen mein armer Pegasus ein gar klägliches Zugtier war.

Bagotay Muki aber war mit diesem Triumph nicht zufrieden; er wollte mich ganz vernichten. Als würde er jetzt erst das von mir gemalte Porträt bemerken, wählte er jetzt dieses als Zankobjekt.

»Einstweilen, bis ich das Original besitzen werde, nehme ich dieses Porträt mit,« sagte er.

Erzsike protestierte.

»Nein, nein, das Bild gebe ich nicht her.«

Allein Muki hatte das Porträt schon vom Tisch genommen und hielt dasselbe in die Höhe, so daß Erzsike mit der Hand es nicht erreichen konnte. Sie bat, flehte, zürnte, allein Muki lachte nur und blieb dabei, daß er das Porträt mitnehme.

Jetzt verlor endlich auch ich die Geduld.

»Mein Herr,« sagte ich, ihm meine Hand auf die Schulter legend, »stellen Sie das Porträt wieder hin, ich habe es nicht für Sie gemalt.«

Er schaute mich höhnisch über die Achsel an und meinte:

»Du willst mit mir Händel suchen? Du ... Du Poet!«

Und er warf sich auf mich in der frommen Absicht, mich aus dem Zimmer Erzsikes in den anstoßenden Salon hinüberzudrängen. Als er sah, daß ich Widerstand leiste, faßte er mich mit beiden Armen um den Leib. Ich that dasselbe und wir begannen zu ringen. Das ist freilich keine Produktion, die in das Boudoir einer eleganten Dame gehört, aber es ist doch vorgekommen. Der Muki war wütend, weil ich mich nicht so leicht unterkriegen ließ. Erzsike begann zu schreien und flüchtete in die Fensternische. Ich aber nahm schließlich meine Kräfte zusammen und schleuderte den Muki mit solcher Wucht auf das Kanapee hin, daß sofort die Lehne des Möbelstückes abbrach.

»Nun bin ich einmal der Gyuricza Peter!« rief ich. – Diesen Sieg würde ich für allen Ruhm der Welt nicht eintauschen.

Auf den Lärm dieses Ringens eilten die gnädige Mama und die Tante erschrocken herbei und die Damen waren nicht wenig entrüstet, als sie mich auf der Brust des Muki knieen sahen.

»Laß mich los, Kamerad,« sagte mein Nebenbuhler.

Ich wollte nichts anderes, als das Porträt aus den Händen des Usurpators zurück haben. Das arme Porträt war übrigens in diesem Ringkampfe übel weggekommen; es war zu Boden gefallen und einer von uns hatte den Abdruck seines Stiefelabsatzes darauf zurückgelassen.

Erzsike brach in Thränen aus, als sie diese Havarie bemerkte: die gnädige Mama aber lamentierte über das zerbrochene Kanapee.

Ich suchte Erzsike zu trösten, indem ich ihr sagte, ich würde das Porträt wieder in Stand setzen.

»Aber sie muß doch nicht wieder sitzen?« beeilte sich die Mama zu bemerken.

Sie erschrak, daß ich wieder ins Haus kommen würde und die gute Partie verderben könnte.

»Ich habe auch das damalige Kleid nicht mehr,« fügte Erzsike hinzu.

Ach, jenes gewisse schöne Kleid! Ich wollte, sie hätte es nie gehabt!

Ich beruhigte die Damen, daß ich das Bild zu Hause wieder ausbessern könne und steckte das Porträt in die Tasche. Dasselbe wird wohl nie wieder in diesem Hause erscheinen. Und die Mama und die Tante beschäftigten sich auffällig mit Herrn Muki, indem sie ihm ihr Bedauern zum Ausdruck brachten, worüber jener völlig wild wurde.

Ich trat den Rückzug an, ohne sonderliche Abschiedsversuche zu machen.

Erzsike lief mir nach und indem sie auf der Thürschwelle mich bei der Hand nahm, flüsterte sie mit warmer Betonung: »Nicht wahr, Sie werden mich gut ausbessern?«

»Das Bild, ja.«

Eine Stunde später saß ich auf dem Dampfboot, in Betrachtung der dichten Rauchwolken versunken, die aus dem Schlot hervordrangen und meine Heimatsstadt vor meinen Blicken verdeckten. Mir war, als kehrte ich von einem Leichenbegängnisse zurück.


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