Jean Paul
Dr. Katzenbergers Badereise
Jean Paul

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Und sogar mir Ehrenmitglied kann, freilich mit Einschränkung, darin mit gehuldigt werden! Oder ist nicht jeder lebende Liebling-Kopf ohne dieses vorgeschlagene Zurückdatieren seiner Unsterblichkeit sonst zu schlimm daran in seinem Schlaf- oder Wachrock, den er mit bloßen Knochen in Reih und Glieder stellt, wenn aus dem Gefängnis-Temple seiner Wirklichkeit erst nach dem Tod ein besserer Tempel, aus einer streitenden Kirche eine triumphierende werden soll?

Nun hätten wir endlich alles in die Konföderation-Rotunda abgeliefert, was nur von Belang zu haben wäre – man müßte denn darin, um nur das beschwerliche geldfressende Verherrlichen auf einmal und auf immer abzutun, sogar für zukünftige Köpfe etwas leisten und auf eine mir ganz unbekannte Weise sie früher auf die Nachwelt bringen wollen, als sie in der Welt erschienen wären, indem man ordentlich, wie freudetrunken, es zu meinem Erstaunen auf ein Allerheiligen-Fest anlegt. Ich meines Orts habe gar nichts dawider.

Ich gestehe, überschaue ich dies alles kaltblütiger: so werd' ich leicht von dem hölzernen Hering, der gewöhnlich als Herold und Repräsentant ganzer eßbaren Heringtonnen an den Kauffenstern hängt, auf den Gedanken geführt, ob nicht ebenso alle große Männer auf einmal durch einen allgemeinen großen Mann, durch eine Simultan- und Kompagnie-Bildsäule – alle gewaltigen Walfische durch einen hölzernen – so darzustellen und zu verewigen ständen, als das noch größere Torenreich in Italien durch die bekannten vier komischen Masken, indem man für jede der vier Fakultäten eine ernste Maske, einen ernsten Truffaldino für die theologische u. s. w. wählte. Diderot begehrt so statt der Einzelwesen ganze Stände auf die komische Bühne gebracht.

Doch werf' ich dies alles hin für Klügere als ich. Die Mansfelder täten mir überhaupt zu wehe, wenn sie mir die Torheit unterschöben, daß ich auf irgendeinem meiner Vorschläge steif bestände. Mir ist wahrlich jeder gleich; ich gebe ja nur Winke; ein sehr schwaches Verdienst, da man zum Winken mehr die Augenlider als die Augen gebraucht. Wie gewagt ist nicht folgender Wink!

Zwölftausend Gulden Tax – 1200 Gulden Subskription-Regal dem Vizekanzler (was dies ist, weiß ich selber nicht, ich schreibe es bloß ab) – 600 dem Sekretär – und 1200 Kanzlei-Jura müssen nach der »erneuerten Chur-Mainzischen Reichshofkanzlei-Taxordnung von 1659 den 6. Jan.« durchaus in Wien dafür entrichtet werden – (und mich dünkt ganz billig, da man neuerer Zeiten in Paris oft vielmal so viel abliefern mußte, um nur ein Fürst zu bleiben) –, wenn man einer werden will. Ich glaube indes, so viel Nachschuß wäre wohl der Mansfelder Operationskasse noch einzutreiben möglich, daß Luther ziemlich hoch davon könnte in Fürstenstand erhoben werden, besonders da verstorbene Genies nicht mehr verlangen können – sobald man lebendige nur adelt –, als daß sie gefürstet werden. Ich füge diesen Vorschlag für Luther vergnügt dem Gelde bei, das schon eingekommen. Ein Mann wie Luther, welcher die Steigbügel, die sonst Fürsten dem Papste unterhielten, abschnitt und ihnen reichte, damit sie selber aufstiegen, verdient wohl am ersten zu dem nacherschaffen zu werden, was er selber wieder schuf – zum Fürsten.

Ich erwarte eher alles andere von der Reichshofkanzlei als – den Adel nicht ausgenommen – Weigerungen, verdrüßliche Mienen, abgeschlagen wie gebeten, Sätze des Widerspruchs, und zwar bloß darüber und darum, weil Luther schon tot sei. Wenn ers ist, wie ich einräumen will, so ist dergleichen seiner Standerhöhung nicht mehr nachteilig als ein ähnlicher Tod den vier bürgerlichen Ahnen, die geadelt einem neuen Edelmann unter der Erde vorausgeschickt und untergebettet werden. Was den Beweis fürstlicher Einkünfte anlangt, den Luther in Wien zu führen hat, so tut der Reformator nur dar, daß er in Eisleben keinen Heller Ausgaben hat im Sarge; – wodurch er so ein herrliches Nivellieren zwischen Einnahme und Ausgaben beweiset, daß ihm wohl wenige Fürsten gleichkommen dürften. – Stammbäume werden gewöhnlich mit einer Null von den Wappenkünstlern angefangen – wie oft von den Zweigen fortgepflanzt –; bei dem verewigten Luther würde sie ja ebensogut den Ewigkeitzirkel, seinen Ehering und den päpstlichen Fischerring und überhaupt viel bedeuten.

Ich las bisher zu meiner Freude manchen Vorschlag, an Luthers Prunktempel etwas Reelles, Nutzenhaftes, irgendein Schul- oder Armenhaus anzuschlingen, damit das dulce sich auf einem utile höbe. Ich glaube darin mein Deutschland wiederzuerkennen, das ich so oft eine lebendige Wirtschaft-Teleologie hieß im besten Sinn. Wenn wir schon in der Poesie, den Bienen gleich – die daher auf unsern Krönungmantel zu sticken wären –, auf der Rose der Schönheit nur den Honigtau des Nutzens suchten: so wird uns diese kamerale Kenntnis wohl mit mehr Recht in gemeinern Verhältnissen von jedem zugemutet. Wir dürfen gern den ordentlichen Regen himmlisch-rein, tau-schimmernd und frühling-duftend finden; aber er kann uns nicht gleichgültig statt durstig machen gegen zwei wichtigere Strichregen im Jahre 1665Tharsanders Schauplatz ungereimter Meinungen. I. S. 365., wovon der eine in Naumburg, nach Happel, in schönblauer Seide, der andere in Norwegen, nach Prätor, in gutem Kammertuch niederfiel, von welchem sich der damalige Dänenkönig zwanzig Ellen kommen lassen. Aber wollte ein solcher Tuch-Landregen einmal eine Armee in der Revue bedecken, o Gott! – – Ohnehin gibts mehr unnütze als nütze Sachen in der Welt. Nimmt man es scharf: so möchte man über dergleichen Tränen vergießen – und dabei wünschen, daß letztere gleich den Hirschtränen zu etwas Brauchbarem würden, zum Bezoar; und wenn das wenige Kochsalz (samt dem Natrum, phosphorsaurem Kalke und Kali), was Scheidekünstler aus den Zähren ziehen, in Betracht käme gegen die Meersalzlager an Frankreichs Küsten, so würde mit Vergnügen selber der kalte Holländer sowohl vor Schmerzen über gegebene Themen weinen als vor Lust.

Die deutsche wahre Achtung für Nutzen (in Norden besteht er aus Pelz und Fraß) verkenne man also auch im Vorschlag nicht, Luthers Ehrenkirche noch, wie so immer den Kirchen, ein Schulhaus anzuheften, wenns geht. Ich glaube indes, man wird – weils nicht geht, wegen Schwäche der Sürplüskasse – vor der Hand die Kirche weglassen und sich auf das Schulhaus einschränken, dessen Antlitzseite Luthern vorläufig zugeeignet werden kann. Warum wendet man überhaupt nicht die öffentlichen Gebäude, die doch einmal gemauert werden müssen, zu den nötigsten Ehrenpforten großer Männer an und adressiert bloß das Portal? Die Nation suche doch für ein Spinnhaus, das sie erbauet, einen großen Theologen und zeige, wie Nationen danken – für ein Schlacht- oder ein Gebeinhaus einen Generalissimus – ein Harzhaus, ein Findelhaus ehre einen großen Humanisten und der Pranger einen gewöhnlichen Rezensenten – eine Irrenanstalt greife nach ihrem Philosophen, und für den seltenen Dichter wird sich immer ein Stockhaus, Hospital und Armenhaus mit einem Eingange finden. Auf diese Weise dürfte vielleicht die Vermählung der Schönheit mit dem Nutzen, der Unsterblichkeit mit der Sterblichkeit wohl so weit fortzutreiben sein, daß wir sogar Götter- oder Heroenstatuen als Schnellgalgen für Leute kurzer Statur oder als Pranger für langgewachsene verbrauchen lernten.

Erbärmlich ists überhaupt, daß man so viel köstliches Geld zu Verewigungen verschwenden muß, z. B. zu teuern Statuen, die man anderswo – in Arabien, in Eisländern, in bremischen Blei-Kellern und in den syrakusischen Katakomben – umsonst haben könnte, wenn man, da es doch keine ähnlichere Statue von einem Menschen gibt als ihn selber, nämlich seinen Leib, jeden Unsterblichen, wo nicht einbalsamiert aufstellen könnte, doch ausgebälgt. – Warum haben wir Mumien ohne Namen und doch Namen ohne Mumien? –

Ich merke endlich an, daß für Luther zu viel Krönmünzen ausgeworfen daliegen. Ein Knoten ins Schnupftuch für 6000 Rtlr., um jenen nicht zu vergessen; eine Denkmünze, aus 6000 eingeschmolzen, ist viel. Warum denket überhaupt der Deutsche in und außer Mansfeld auf einmal so hoch hinaus und schleudert sechstausend Taler für einen Lorbeerkranz eines Kopfes hin, wofür die Lorbeerwälder ganzer rezensierender Redaktionen feilstehen? –

Ist denn Luther nicht ohnehin schon im größten Tempel aufgestellt, den jemand verlangen kann – da Gott selber keinen größern kennt –, im Tempel der Natur? Wie sticht nicht jedes Mansfelder Gebäude ab gegen das Weltgebäude! – Aber zweitens, ist nicht jede Unsterblichkeit für den, der das savoir vivre (das Lebendigbleiben) versteht, fast um nichts zu haben? –

Ein Schneider in Rom scherzt nach Gelegenheit – eine alte unkenntliche Bildsäule steht neben seiner Haustüre – siehe, auf einmal ist sein Name verewigt, welcher Pasquino bekanntlich genug heißt. Eine Königin, die Gemahlin Franz I. von Frankreich, speist gern eine gewisse Pflaume – jetzt wächst ihr Name ewig als Obst am Pflaumenbaum Reine Claude. Der Bruder Ludwigs XIV. merkte dies bei Lebzeiten und aß eine andere Pflaumenart mit Lust – siehe, auch er hängt verewigt an seinem Lorbeer- und Pflaumenbaum als Monsieur, sogar nach der Revolution. – Kato, Cäsar, Pompejus sind noch heute jedem Jäger bekannt und lebendig, weil ihre Schweiß- und Hatzhunde so heißen, so wie in Schottland die alten Heroen durch die fortgesetzten Hunde, die sie zu Gevatter bitten, noch lange leben werden.

Ich wollte, ich hätte in meiner Jugend Voltairen beleidigt: so hätt' ich nicht nur den deutschen Fürsten bekannt werden können, sondern auch der Nachwelt. Die gedachte Berliner Vogelspinne werfe Goethen ein Fenster ein oder laufe ihm kalt an der Wade hinauf: so wird sie in den Spiritus einer Xenie gesetzt und konserviert sich darin trefflich. Warum überhaupt so viele Umstände und Krönstädte gemacht, da eine Krönstätte, deren Breite nicht über das Thronglied hinauszureichen braucht, schon auslangt und nachhält? Diana hatte winzige Taschen-Tempelchen von Silber, als Göttin. Nun so nehme Luther als Mensch mit seinem Katechismus als kleinem Tempelchen des Ruhms und Ehrensäulchen vorlieb oder (wie es Voltaires-Kästchen gibt) mit Luthers Katechismusglas. Ja, fertigt nicht die Cansteinsche Bibeldruckerei (nebst Waisenhaus) seinen Seelenadelbrief jedem aus? – Und hat nicht schon Dr. Seiler eine gute Bibelanstalt zum Eintreiben von Luthers Krönkosten gemacht und diese eingesteckt?

Wollen wir aber alle etwas Ausgezeichnetes für seinen Namen tun: so fragt sich – denn es kostet wenig –, ob wir nicht, den Sinesern gleich, die ihren großen Männern zu Ehren Türme errichten, Luther zu Ehren die Kirchtürme der lutherischen Konfession als Ehrensäulen seines Namens betrachten und annehmen wollen. Welche Menge Säulen! Ja man könnte noch weiter gelten – die Kosten lasse ich immer nicht wachsen – und, so wie es Rousseaus-, Voltaires-, Shakespeares-Gassen gibt, nach Ähnlichkeit der Judengassen, Luthers- oder gar Lutheraner-Gassen in Eisleben eintaufen, es sei nun im preußischen Anteil in der Neuhälfte der Siebenhitze, oder im kursächsischen in der Vorstadt Nußbreite, oder in der Alt-, in der Neustadt oder auch in Dresden und sonst, zum Beispiele in den verschiedenen Buchhändlergassen, welche so sehr für und von Luther leben. –

Findet ein Mansfelder Gesellschafter die Ehre zu winzig, so sag' ich: Herr, wenn noch neben Gassen sich ganze Länder und Kreise nach Luther nennen, was will er mehr oder Er?


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