Jean Paul
Dr. Katzenbergers Badereise
Jean Paul

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41. Summula

Drei Abreisen.

Unter dem frischen, wehenden, lebensfrohen Abendhimmel fanden beide den Doktor und den Zoller. Theoda erinnerte sich sogleich an Theudobachs Versprechen, dem letzten die langsame Fußreise abzunehmen, und berichtete dem Zoller das Anerbieten. Er verbeugte sich häufig, aber der Doktor nahm das Wort: »Du möchtest nur gern, ich merk' es, recht bald ans Wochenbett deiner Bona kommen und zum Patchen. Hältst du aber die Nacht-Strapaze aus?« Sie erschrak ordentlich, denn sie hatte, als sie zuerst die Bitte für Mehlhorn getan, daran keinen andern Anteil für sich erwählen können als den, tags darauf allein die Fußreise zu machen. »O Fräulein!« sagte der Hauptmann bittend und plötzlich so aufgeheitert, als er eine Minute vorher bewölkt geworden von der Aussicht, daß er, gemäß seinem Versprechen der Abreise und Fracht, eben jetzt, da ihm Sonne, Mond und Sterne über Maulbronn aufgegangen, nichts davon vor der Hand wegzufahren habe als den Umgelder. Theoda sann einen Augenblick nach, sah ihren Vater an, fragte noch einmal den Zoller: ob ihm ein zweites Nacht-Wachen nicht beschwerlich sei, und gab, da er versetzte: »Im mindesten nicht, da man ihn ja nachts tagtäglich wecke«, leise die Antwort: »So wie Sie denn wollen, Vater!«

Alle waren nun zufrieden mit ihren Perspektiv-Malereien – die Liebenden mit der steilrechten Himmelfahrt, Mehlhorn mit der waagrechten, Katzenberger mit der Aussicht in eine Höllenfahrt zu Strykius als ein auferstandner Gekreuzigter.

Theoda nahm ihren Vater noch beiseite und bat ihn mit mehr Ernst als gewöhnlich um einen leichten Gefallen; sie habe, sagte sie, allerdings noch französisches Blut genug, um ihre unerschrockne Mutter nachzuahmen, die ihr von ihren kühnen Reisen mit Männern erzählt habe, nur aber an diesem Orte, wo die Menge ihre öffentliche Verwechslung des Hauptmanns mit dem Dichter nicht vergessen, wohl aber mißdeuten werde, sei es nötig, daß er ihre Abreise einige Tage verschweige und daß sie jetzt zu Fuß ins nächste Dorf vorausgehen dürfe, indes beide Herren während des tumultuarischen Abendessens abreisen könnten, um weniger bemerkt zu sein. – –

»Was willst du denn eigentlich? (fragte Katzenberger) Ich tu's ja.« Sie mußte ihm noch kühner die Bitten wiederholen. – »Und weiter nichts? – Wahre Weiber-Schulfüchserei! So laufe nur, denn etwas ist doch daran, an deinem Zartgehör; ich sogar höre ungern mich verleumden von Rezensenten: geschweige ein Mädchen; empfindliche Ohren sind bei Mädchen so gut wie bei Pferden gute Gesundheit-Zeichen. Nur vergiß nicht – setzt' er noch dazu bei ihrem Abschiede – schändlich vor lauter Lieben und Lieben den Vater und dich.« – »O Vater!« sagte sie. – »Ja du ganz besonders (fuhr er fort); oder was gilt denn dir Vaterliebe, Gesundheit und Wirtschaft und alles gegen deine – Bona? Sag' es.« Denn nur letzte hatt' er gemeint.

So flog sie denn noch seliger aus dem Badorte hinaus als in denselben hinein, nachdem sie vorher dem Dichter von Nieß seine falschnamigen Geschenke zurückgesandt. Jeder gute Mensch, sogar ein böser, der sie, einsam und ihrer Mutter ihr Seelen-Glück mit betenden Tränen zuschreibend, auf dem Wege nach dem nächsten Dorfe hätte laufen und sich anstrengen sehen, hätte ihr nachgewünscht: »So werde nur recht glücklich, du furchtloses und schuldloses Mädchen! Es wäre für einen, der dich kennt, zu hart, dich im Unglück und das kalte Messer des Grams in deinem Rosen-Herzen zu sehen. Nein, ihr Liebenden, in dieser nie wiederkommenden Nacht sprecht euch beide selig und heilig, in höherem als römischen Sinn!«

Theudobachs Wagen rollte schon hinter ihr, da sie kaum das Dörfchen erlangt hatte.


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