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Freymäurer-Lied

Die alte Finsterniß entwich;
Die Wüste ward erhellt:
Da baute Gott, der Schöpfer, sich
Zum Tempel diese Welt.

In Eintracht wandelte die Schar
Der lichten Sterne fort;
Und Liebe, lauter Liebe war
Das große Schöpfungswort.

Auf Erden mußt' ein Paradies,
Ein Liebestempel blühn,
Wo jedes Lüftchen ruhig blies
Durch's friedenvolle Grün;

Wo in der Unschuld Heiligthum
Das Lamm bey Tiegern ging,
Wo Zweig an Zweig, und Blum' an Blum'
In Liebesknoten hing.

Hier sollten, gleich dem Sonnenstrahl,
Die Seelen alle rein,
Auf jedem Berg, in jedem Thal
Die Menschen Brüder seyn.

Vergebens, ach! es floh zu bald,
Es floh die goldne Zeit;
In's Reich der Liebe trat Gewalt;
Der Tempel war entweiht.

Wenn aber seliges Vertraun
Nicht ganz die Erde ließ,
So laßt uns wieder auferbaun
Ein Wonneparadies.

O selig , drey Mahl selig ist
Das Plätzchen unter'm Mond,
Wo sich mit Einfalt Wahrheit küßt,
Bey Liebe Treue wohnt;

Der Große mit dem Niedern geht,
Ihn brüderlich umarmt,
Des Schwächern, der um Beystand fleht,
Ein Stärkrer sich erbarmt;

Am Morgen, wenn des Landmanns Lied
Aus voller Scheun' erklingt,
Die Witwe nicht gen Himmel sieht,
Und matt die Hände ringt;

Am Abend, wer sein graues Haar
Mit Ehr' im Stillen trägt,
Sich nach so manchem sauren Jahr
Nicht trostlos niederlegt!

Wohlauf, ihr Brüder! laßt uns so,
Beharrlich im Vertraun,
In unserm Paradiese froh
Den Liebestempel baun.

Mag er im Erdenschatten hier
Nur unvollendet stehn!
Einst über Sternen werden wir
Den bessern Tempel sehn.


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