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Der neue Pygmalion

»Mich nun verlassen? Cynthio!
Mich nun auf ewig? Liebst du so
Die zärtliche Rosette?
Belohnst sie mit Verrätherey,
Und achtest nicht ihr Klaggeschrey
Am naßgeweinten Bette?

Verschmähst getreuer Liebe Gunst,
Da sie, behülflich deiner Kunst
Den Marmor zu beleben,
Zu deinen Venusbildern dir,
Was schön und artig war an mir,
In Unschuld Preis gegeben?

Wohlan, Verräther! so vergiß,
Wer diese Hülle mir entriß
Mit seinen Schmeicheleyen.
Und ach! mit Küssen ohne Zahl,
Wer durfte mir zum ersten Mah!
Die junge Brust entweihen?

Du fliehst Rosettens Angesicht?
O Cynthio! so sprachst du nicht,
Als ich, von deinem Flehen
Erweicht, die Hülle faßte, ging,
Und meine Heiligen behing,
Aus Furcht, sie möchten sehen;

Als noch mein unverstellter Blick
Zu manchem hohen Meisterstück
Am Morgen dich entzückte;
Als ich, sobald der Abend kam,
Das Werkzeug deinen Händen nahm,
Und dich mein Kuß beglückte.«

»Verzeih, Geliebteste! verzeih;
Mein Ruf ist eine Wüsteney,
Verborgen deinen Küssen:
In Wäldern muß ich, fromm und wild,
Für jedes allzu schöne Bild,
Nach dir geformet, büßen.

Im Himmel, o du gutes Kind!
Bekenn' es nur, im Himmel sind
Nicht Heben und Dianen;
Da treffen wir uns wieder an:
Ich will indeß, so gut ich kann,
Für uns die Wege bahnen.«

Das treue Mädchen weinte Blut;
Und dennoch wandelte, voll Muth,
Der Heilige von dannen,
Bereits im Haar den goldnen Schein,
Im Kopfe nichts als Engelein,
Agnesen und Susannen.

Nach einer kurzen Reise kroch
Er in ein dunkles Felsenloch,
Und baute seine Zelle.
Zusammen trug er in den Wald
Sich Steine dann, die wurden bald
Zur artigen Capelle.

In tiefer Reue schnitzt' er nun,
Vom Bethen dann und wann zu ruhn,
Sich eine Magdalene,
Mit blonden Locken, dünner Tracht,
In allen Theilen wohl gemacht,
Bis auf die kleinste Thräne.

Sie lag am Felsen jämmerlich,
So schön, daß auch ein Türke sich
Mit ihr betrübet hätte.
Und wißt ihr, wem sie ähnlich war?
An Auge, Busen, Mund und Haar,
Der weinenden Rosette.

»Was seh' ich? Welche Prüfung? O!
Der Himmel will, deß bin ich froh,
Die stolze Brust zermalmen.
Ich folge williglich.« Er bringt
Das Bild in sein Capellchen, singt
Ihm lauter Klage-Psalmen;

Und pflegt es, mit geweihter Hand,
Und schenkt ihm täglich allerhand
An Blumen und an Kerzen;
Er seufzet, kniet ohn' Unterlaß;
Jedoch auf einmahl schreckt ihn was
In seinem bangen Herzen.

Er geht, mit Zweifeln angefüllt,
Und sucht, und flieht das schöne Bild,
Verändert ihm die Stelle;
Berührt es, jammert, bebt zurück,
Und schließet jeden Augenblick,
Und öffnet die Capelle.

Berühmt im ganzen Lande ward
Herr Cynthio, mit seinem Bart,
Und seiner Magdalene.
Da kamen Pilger weit und breit,
Matronen voller Heiligkeit,
Und manche junge Schöne.

Die opferten. Was half es ihm?
Und was dem innern Ungestüm
Sein Bethen und Casteyen?
Er schmachtet, er verzehrt sich ganz;
Kein Fasttag und kein Rosenkranz
Vermag ihn zu befreyen.

An einem frühen Morgen schlug
Sein Herz ihn wach, der Arme trug
Ein Lämpchen in die Mette:
O Bild: so reitzend warst du nie!
Sein Geist verirrte sich, er schrie:
Ach heilige Rosette!

Und alsobald erwärmte sich
Der Marmor; seine Blässe wich,
Der Busen schien zu beben;
Die Augen glänzten allgemach;
Da lächelte das Bild, und sprach:
O Cynthio, mein Leben!

Rosette war es. Sie vergaß
Den Liebling nicht. Rosette saß
Bey seiner Magdalene.
Vergönne, daß, in frommer Ruh,
Ich mit den Heiligen, wie du,
Geliebter! mich versöhne.

Zu deinen Bildern hielt ich still,
Wenn du sie formtest; und ich will
Zur Buße mich bequemen;
Du magst zu einer Ursula,
Walpurgis und Cäcilia,
Von mir die Züge nehmen.

Das that er; und im ganzen Land,
Auf Märkten und an Wegen, stand,
Von allen um die Wette
Bekränzt, in Weihrauch eingehüllt,
Mit einer Glorie, das Bild
Der lachenden Rosette.


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