Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Dichter

Eine Oper, gespielt in der Unterwelt.

Vorbericht.

Das nachstehende Gedicht erschien im Jahre 1772 und hatte zur Absicht, nicht einzelne Dichter zu verspotten; sondern die damahls immer zunehmende Nachahmungssucht einer Menge von Scribenten, welche bald in diesen, bald in jenen Modeton einstimmten, in ihrer Lächerlichkeit darzustellen. Weil es aber um Allegorien eine mißliche Sache ist, so wurde meine Dichter-Oper größten Theils mißverstanden, und sogar auf eine für mich nachtheilige Weise ausgelegt. Dieses nöthigte mich, einem späteren Abdrucke folgenden Inhalt der Oper voranzuschicken, dessen die jetzigen Leser noch weniger, als die Leser jener Zeit, entbehren können.

Inhalt.

Erster Auftritt. Das erste Zeitalter der Poesie, voll Unschuld und Naivetät. Zweyter Auftritt. Die unweisen Nachahmer des weisen Young, nebst ihren Gehülfen, und ihrem Anführer, welcher eben so wenig, als das Gerücht des Virgil, die Zwietracht des Ariost u. s. w. eine wahre Person ist. Belagerung des Sitzes der Freude. Dritter Auftritt. Die Belagerung aufgehoben. Den Nachtgespenstern wird ein freyer Abzug verstattet; nur bleiben einige finstere Moralisten und unberufene Richter des Schönen, voll eingebildeter Erhabenheit, zurück. Vierter Auftritt. Die Empfindung steigt vom Himmel. Unglückliche Nachahmer von Yorick. Mystisch empfindsame Leute. Fünfter und letzter Auftritt. Die griechischen Götter in ihrem Tempel. Ungedungene Barden, welche denselben zerstören wollen. Es sind diejenigen, die nicht, wie unsere guten Dichter, sich in die alten Zeiten versetzen, und Freyheit und Vaterlandsliebe mit eigener Stärke besingen – sondern mitten in dem heutigen deutschen Reiche, mit ihrem Eichenkranze, der Neuheit wegen, herumlaufen.

*

Daß, in dem finstern Tartarus,
Den Jünglingen und Schönen
Noch Kränze blühen – Scherz und Kuß,
Und Freudenlieder tönen:
Das glaubten, ohn' es selbst zu sehn,
Die lieben Alten, in Athen,
Und sagten's ihren Söhnen.

Ich selber ... Ob in's Reich der Nacht
Mich, in verborgnen Gängen,
Ein goldner Zweig hinabgebracht; M. s. Virgil. Aeneid. Lib. VI. 136 sqq.
O Zauber von Gesängen;
On nur ein Traum ... Genug! ich sah
Bey Saitenklang, zur Opera
Sich leichte Schatten drängen.

Die Bühne war ein Blumenfeld,
Gebaut von Schäferinnen:
Hier tanzten um ein kleines Zelt,
Die nackten Huldgöttinnen,
Mit jedem Hirten-Ton vertraut;
Und Tempel wurden ausgebaut
Den holden Pierinnen.

Es ließen Mädchen um ihr Herz
Die Liebesgötter losen;
Der Jüngling klagte seinen Schmerz
Dem Frühling, unter Rosen;
Und unsre Sänger wurden nie,
Durch eine lange Threnodie,
Berühmte Virtuosen.

Sie konnt' ein ländlich frohes Spiel
Zum Lobgesang entzünden;
Sie priesen, ohne das Gefühl
Der Engel zu ergründen,
Den Gott, den jede Nachtigall,
Das Veilchen, und der Wasserfall
Einfältiglich verkünden.

Auf einmahl trübte sich das Meer:
Gethürmte Wolken zogen,
Und Stürme taumelten daher
Auf himmelhohen Wogen:
Da kam, von Sonnen-Untergang,
Bey schrecklichem Trompetenklang,
Ein Engel angeflogen.

Und Meilen lange Worte rief
Des Engels blasse Lippe:
Memento mori schallte tief
In's Thal, von jeder Klippe.
Da wandelten die Säulen sich
An allen Tempeln, sichtbarlich,
In schauernde Gerippe.

Der Tempel Dächer trugen sie
Auf ihren Todtenköpfen,
Und ragten, mit gesenktem Knie,
Hervor aus Aschentöpfen.
Mit kleinen Mumien im Arm,
An sie gelehnet, stand ein Schwarm
Von wimmernden Geschöpfen.

Die Lustgefilde waren stumm;
Die Klagen sonder Ende:
Man weinte, wußte nicht warum;
Und frommer Priester Hände
Bemahlten, zu der Götter Ruhm,
In ihrem dunklen Heiligthum
Mit Phosphorus die Wände.

So mancher Sänger schon fing an,
Die Leyer zu bekreuzen;
Entfloh, durch seinen Talisman,
Der Liebe süßen Reitzen;
Und hob in Thürmen voller Graus,
Zum Zeitvertreibe, Nester aus
Von Eulen und von Käuzen.

Mit Zaubertrommeln in der Hand
Durchliefen Myriaden
Gespenster das bedrängte Land,
Und warnten es vor Schaden;
Und sprachen von Cometen-Schein
Die Liebesgötter, groß und klein,
Empfahlen sich zu Gnaden.

Man sah die guten Kinderchen
In Myrthenwälder hüpfen,
Und neben ihnen Grazien
In keusche Bäder schlüpfen.
Sie weihten sich des Jünglings Herz,
Und lehrten, unbereuten Scherz
An hohe Weisheit knüpfen.

Den Liebesgöttern folgten bald
Die sanften Musen schüchtern
An ihren Quell, in ihren Wald,
Umtanzt von ihren Dichtern;
Und athmeten der Rose Duft:
Da füllten Geisterchen die Luft
Mit gräßlichen Gesichtern.

Die machten sich ein Flügelpaar
Von schwarz gefärbten Federn,
Und eilten, in gedrängter Schar,
Zu jenen stillen Bädern;
Belagerten der Freude Sitz
Mit künstlichem Theater-Blitz
Und großen Feuerrädern.

Ihr Feldherr saß auf einem Sphinx,
Und wußte sich zu brüsten;
Als Räthe standen, rechts und links,
Gelehrte Cabalisten:
Indeß, in unbesorgter Ruh,
Die Liebesgötter immerzu
Gen Himmel sahn, und küßten.

Der jüngste hob, mit leichtem Schwung,
Mit Einfalt in der Miene,
Sich aus der Büsche Dämmerung:
Und sieh! der kleine Kühne,
Den Hirtenknaben ähnlich, griff
Nach seiner Schäferflöte – pfiff ....
Verwandelt war die Bühne.

Gespenster trommelten nicht mehr;
Die Schanze war zerbrochen;
Die Krieger fürchteten sich sehr,
Und hatten sich verkrochen;
Und alle Lüfte wurden hell,
Und alle Tempel sanken schnell,
Mit ihren Todtenknochen.

Jedennoch rühmten hier und da
Propheten ihre Gaben,
Und drohten mit Anathema
Der Venus holden Knaben;
Sie waren voll geheimen Lichts,
Und wollten, aller Orten, nichts,
Als ihre Weisheit haben;

Und überall, und überall
Die Regeln ihrer Stoa,
Und immer hohen Harfenschall,
Und Lieder von Eloa;
Und, an der leichten Gondeln Statt,
Die Cypria zum Fahrzeug hat,
Den Kasten ihres Noah. Die Roachide von Bodmer, obwohl sie, als Heldengedicht, mit Recht getadelt wurde, und im Ganzen nicht gefallen kann, hat dennoch einzelne wahrhaft poetische Stellen. Auch sollte dieser Spott nicht der Roachide selbst, noch weniger ihrem ehrwürdigen Verfasser gelten; sondern den damahligen Dichterlingen, die sich nur in stolpernden Hexametern hören ließen, und jede Messe mit Patriarchaden überschwemmten.

Den weisen Männern unterbrach
Die herrlichsten Sentenzen
Ein Mädchen, welches nach und nach,
In frisch gepflückten Kränzen,
Auf einer Wolke niederstieg:
Man sah der Liebe schönsten Sieg
Die offne Stirn umglänzen.

Es schien ein Nektar-Tropfen noch
Den Rosenmund zu netzen,
Und unser Erden-Frühling doch
Ihr Auge zu ergetzen;
Und ihr getreuer Blick verhieß
Den Himmel, welchen sie verließ,
Mit allen seinen Schätzen.

Ihr Busen war zur Hälfte bloß;
Man sah, zu ihren Füßen,
Mit weißen Täubchen in dem Schooß,
Sich zarte Sylphen küssen;
Doch sollten edle Seelen nur,
Vertraut mit Unschuld und Natur,
Im Stillen sie begrüßen.

Umsonst! Es tönte gleich daraus
Ihr Nahme zehnfach wieder;
Es nannte sie der Bäche Lauf;
Sie nannten alle Lieder.
Empfindung rauschte jedes Thal
Die Lungen Sänger allzumahl
Umarmten sich, wie Brüder.

Sie redeten geheimnißvoll
Mit jedem Amorettchen;
Sie brachten reichlich ihren Zoll
Von Thränen jedem Blättchen;
Und machten sich, in freyer Luft,
An irgend einer Felsenkluft,
Bey Mondenschein, ihr Bettchen.

Dann irrten sie durch Busch und Feld,
Und suchten neue Spuren;
Und tappten, in der Unterwelt,
Nach höheren Naturen;
Und schnitten, wachend und im Traum,
Empfindungen in jeden Baum,
In mystischen Figuren.

Sie fanden alles minder schön,
Und wollten alles bessern;
Allmächtig ihr Gefühl erhöhn,
Und jeden Wald vergrößern.
Es floß der Quell, die Wachtel schlug,
Es blies nicht zauberisch genug
Der Zephyr an Gewässern.

Ein Schüler der Urania
Kam her aus dunklen Fernen;
Er trug ein Örgelchen, und sah,
Bey Tage, nach den Sternen;
Und spielte Nachtigallen vor:
Die sollten nun, im höhern Chor,
Von ihm Gesänge lernen.

Ein andres Männchen, schwarz von Haar,
Von Gang und Rede munter,
Empfand – und mahlte, Paar bey Paar,
Die Wiesenblumen bunter;
Und pries den schöpferischen May;
Allein es ging, auf sein Geschrey,
Die Sonne plötzlich unter. ...

In Opern eilt die längste Nacht
Vorbey, wie schnelle Wetter.
Wohlan! der Morgen war erwacht;
Vergoldet Gras und Blätter;
Und zwischen Lorberhainen stand,
Erbaut vom alten Griechenland,
Ein Tempel aller Götter.

Voll Einfalt, trug das Pantheon
Die Bilder und Altäre
Der Götter eines Xenophon,
Zu Delphos und Cythere
Durch einen Phidias geweiht;
Umstrahlt von der Unsterblichkeit
Der Pindar' und Homere.

Den hohen Zevs, der Riesen schlägt,
Und vor dem Amor zittert;
Der sein ambrosisch Haar bewegt,
Und Berg und Meer erschüttert;
Gezähmt von Musen, neben ihm
Den Adler, der das Ungestüm
Entfernter Schlachten wittert.

Den Jugend athmenden Apoll,
Von Grazien geschmücket,
Der, seiner Götterfreuden voll,
Auf Schäferhütten blicket;
Der, ewig schön, mit starker Hand,
Die Leyer und den Bogen spannt,
Und sieget, und entzücket.

Die kleine Venus, die den Streit
Der Elemente störet –
Die, wenn sich der Olymp entzweyt,
Die Erde sich empöret –
Herab auf ihren Gürtel lacht,
Und zwischen Göttern Friede macht,
Und Menschen Weisheit lehret.

Den Weingott .... Aber Schlachtgesang,
Und kriegrisches Getümmel,
Und ungewohnter Harfenklang
Durchwanderte den Himmel.
Der Musen Tanze hörten auf,
Und Dichter liefen schon zu Hauf,
In drollichtem Gewimmel.

Da fuhr in meiner Dichter Haar
Ein Wirbelwind urplötzlich;
Ihm waren Bilder und Altar,
Und Lorber unverletzlich;
Doch Wolken überzogen ganz
Der Haine Grün, des Tempels Glanz,
Und donnerten entsetzlich.

Der Vorhang wich: man sah das Chor
Der Musen, ohne Schrecken,
Im Pantheon, mit leichtem Flor
Die Bildnisse bedecken.
Die Sänger gingen, ohne Hut,
Mit schweren Kränzen, wohlgemuth,
In kurzen Waffenröcken;

Und hießen Barden, Söhne Teuts,
Und schleppten große Lanzen
Umher, und übten sich bereits,
Im Harnische zu tanzen;
Verachteten den Lorberhain,
Und wollten, Tobros Werth zu seyn,
Nur Eichenwälder pflanzen.

Für Adelheid und Irmengard
Vertauschten sie die Nahmen
Der Mädchen, welche, weiß und zart,
Mit Sonnenschirmen kamen;
Sie rüsteten, in aller Eil,
Mit Schwert und Bogen, Spieß und Pfeil,
Die zephyrlichen Damen.

Die Barden fragten jeden Stern
Nach himmlischen Gestalten,
Und blickten nach dem Monde gern,
Ob Wölkchen ihn umwallten;
Sie sprachen mit Gespenstern viel,
Bis daß von ihrem Harfenspiel
Die Tannen wiederhallten.

Es waren Töne seltner Art,
Den Feind zu schlagen, mächtig;
Durch lange Verse wohlgepaart;
Ein wenig rauh, doch prächtig:
Walhalla, Thuisko, Wodan, Uhr:
In wenigen Gesängen nur
Den Musen unverdächtig. In Hermann's Schlacht, einem Bardiet, welches, als der Triumph unsrer Dichtkunst, jedem Deutschen heilig seyn muß; in den vortrefflichen Gesängen des Barden Rhingulph; in vielen des würdigen Denis, und vielleicht ein Paar andern.

Nun wollte man die Melodie
Der Musen selbst verdammen:
Da stürzte schnell, ich weist nicht wie,
Das Opernhaus zusammen.
Auf seine Trümmer setzte sich
Ein aufgedunsner Büsterich, Büster oder Büsterich war, nach der Meinung vieler Schriftsteller, ein Götze der alten Sachsen. Er soff in der Statue eines Knaben mit aufgeblasenen Backen, welche sich in der Universitäts-Bibliothek zu Leipzig befindet, abgebildet seyn. Die Benennung kommt ohne Zweifel von dem alten Worte busten, blasen, her.
Und hauchte Feuerflammen.


 << zurück weiter >>