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An Gleim

Du winkest mir vom Helicon,
Von jenen schattenreichen Höhen,
Die deinen Freund Anacreon,
Und dich im ew'gen Lorber sehen?
Du willst, ich soll auf Wegen gehen,
Noch deutschen Sängern nicht bekannt,
Die ungesucht Chapelle fand?
In seinen Hain soll ich mich wagen?
Wo Liebesgötter schalkhaft ihn
Umhüpfen, sich einander jagen,
Ihm mit possierlichem Bemüh'n
Erfrischend Eis zum Weine tragen,
Und selbst von seinem Weine glüh'n;
Wo Lauben, welche nie verblüh'n,
Ein ihm getreues Chor empfingen;
Wo den vertrauten Bachaumont,
Wo ihren Liebling Pavillon,
Die Scherze Hand in Hand umringen,
Und bey der Huldgöttinn Bouillon
La Fare noch und Chaulieu singen.
O heil'ger, schauervoller Hain,
Verehrungswerthe, große Nahmen!
Ich, Freund, ich soll ihr Schüler seyn?
Umsonst wünsch' ich, sie nachzuahmen,
Sie, die von Vorurtheilen frey,
Der einzigen Natur getreu,
Zu Lust und Liedern sich verbanden,
Im Epicur den Weisen fanden,
Und, geitzig auf die schnelle Zeit,
Im Tempel halbe Tage zechten,
Und lachend, ohne Bitterkeit,
Sich an dem Schwarm der Thoren rächten;
Die, durch Geschäfte nie gestört,
In ihrer frohen Muße blieben,
Mehr liebenswürdig, als gelehrt,
Für Mädchen nur und Freunde schrieben;
Und, wenn sie gleich nicht Wochen lang
Bey dem, was ihre Muse sang,
Von künft'gem Ruhme voll, verweilten,
Und jedes Liedchen mühsam feilten,
Doch in der Dichter erstem Rang,
Bey schimmernder Pokale Klang,
Der Ewigkeit entgegen eilten.

Freund, ihrer Lieder Harmonie,
Soll immer meinen Geist entzücken,
In trüben Tagen mich beglücken,
Mich Weisheit lehren sollen sie.
Wenn Gresset, statt der Lorberblätter,
Mit Rosen seine Schläfe ziert, les roses sont ses lauriers.
Im Wagen kleiner Liebesgötter
Die Tugend uns entgegen führt, la vertu dans le char des amours.
Und fern von weiten Marmorgängen,
Wo Schmeichler sich mit Thoren drängen,
Den Ton der Hoheit, Loin – – des hauts tons de la grandeur. den Pallast, Gresset.
Und schwere gold'ne Ketten haßt:
Dann folg' ich unter seine Linden
Dem Sänger, dort das Glück zu finden,
Das auf dem sichern Rasen thront,
Selbst herrscht, und keinem Fürsten frohnt.

Allein, o Freund, ihm nachzusingen,
Tief in das Heiligthum zu dringen,
Wo Priester mit geweihter Hand
Den Grazien ihr Opfer bringen,
Dieß hat kein Gott mir zuerkannt!
Ich will, von dir allein genannt,
Im Thal des Helicons mich freuen,
Und da geheimen Weihrauch streuen,
Und da der Freundschaft Glück erhöh'n.
O, schöner ist kein Glück auf Erden,
Als das, vom Gleim geliebt zu werden:
Der Nachruhm selbst ist nicht so schön!


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