Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

An Belinden

Im Jahre 1769 wurde der Verfasser an dem Stifte des h. Bonifacius und Mauritius in Halberstadt als Canonicus aufgenommen, und mußte, damit doch etwas von dem ehemahligen, unter den röm. katholischen Stiftsherren üblichen Noviziate beybehalten würde, zwey Nächte in der Kirche, oder vielmehr in der daran gebauten Capitel-Stube schlafen. Hier in der einsamen Zelle warf er auf das Papier, was die Laune des Augenblicks ihm eingab.

Es hörte diese Zelle
Noch nie der Liebe Gruß,
Und die geweihte Schwelle
Betrat kein schöner Fuß.

An öden Mauern gehen
Gespenster, blaß und stumm,
In sich gehüllt, und sehen
Nach mir sich warnend um.

Ach! aber ach! Belinde,
Dein Bildniß folgt mir nach,
Dein Bildniß, welche Sünde!
In's fromme Schlafgemach.

Statt heiliger Gesänge,
Statt Hymnen, tönet hier
Durch lange dunkle Gänge
Nur deine Stimme mir.

An jene Finsternisse
Denk' ich in dieser Nacht,
Als unsre letzten Küsse
Die Liebe selbst bewacht.

Der du den Tempel schützest,
Mit bischöflichem Stab
Hoch auf Altären sitzest,
Komm, Heiliger! Herab, Bonifacius ist eigentlich Stiftspatron; Mauritius nur der Heilige der Kirche, die sonst nicht zum Stifte gehörte.

Und strafe das Verbrechen
Getreuer Zärtlichkeit,
Wenn einen Kuß zu rächen
Dir Lieba nicht verbeut. Mit andern Frauenspersonen ließ Bonifacius sie aus Engelland kommen, um den Frauenklöstern vorzustehen. Man beschuldigt ihn einer allzugroßen Vertraulichkeit mit ihr.

O denke , welch ein Feuer
Im Busen dir gebrannt,
Als mit dem keuschen Schleyer
Die Nonne vor dir stand;

Als du den Schleyer küßtest,
Und an zu seufzen fingst,
Und für die Sünde büßtest,
Und wieder sie begingst!

Wie war sie deinen Blicken,
O wie so himmlisch schön,
Du wolltest, voll Entzücken,
Nach ihr noch sterbend seh'n;

Mit ihr zugleich verwesen,
An ihrer Seite ruhn; Er äußerte wirklich diesen Wunsch. S. den Willibaldus in vita Bonifacii, c. 7.
Was Lieba dir gewesen,
Ist mir Belinde nun.


 << zurück weiter >>