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IV.

Dem Justizrat Martin Moses galt schon am nächsten Tage des Büffels Besuch.

Zur Begleitung hatte er sich seine Frau Hulda auserkoren, von der er wußte, daß sie auf Moses stets einen wirksamen Eindruck als Fürbitterin ausübte …

Nach einem halbstündigen Spaziergange, währenddem sie kein überflüssiges Wort miteinander gesprochen hatten, standen beide Eheleute in der Potsdamer Straße vor der Tür des eleganten Hauses, in welchem der »stumme Moses« sein Bureau aus Gründen der Bequemlichkeit mit der Privatwohnung vereinigt hatte.

Dreimal klingelte Adam vergeblich im Vestibül nach dem Fahrstuhlführer, ohne daß der auf diese Aufforderung überhaupt nur sichtbar wurde … Durch ein Guckfensterchen hatte er Adam wohl mit Kennerblick gleich richtig eingeschätzt und hielt es entschieden für gescheiter, für diesen Besucher hübsch unsichtbar zu bleiben.

Und darum mußte sich Adam entschließen, wütend fauchend, die weichbelegten drei Treppen heraufzukraxeln. Fluchend stieg er voran.

Die Gattin folgte schweigsam dem asthmatisch Keuchenden, der auf jedem Treppenabsatz kurze Zeit rastend einhalten mußte.

Oben wurde beiden von einem jungen Schreiber geöffnet, der sie über den Vorplatz in die auch als Wartezimmer dienende Kanzlei führte.

Der nicht sehr große Raum war mit schon wartenden Mandanten des Anwalts voll besetzt, so daß der Schreiber für Frau Hulda seinen eigenen Stuhl hergab, während Adam zum Stehen verurteilt wurde.

»Ich bitte freundlichst sich etwas gedulden zu wollen. Hoffentlich wird bald Platz für Sie, Herr Uhlig,« begütigte der junge Mensch Adams ärgerlich vor sich hingebrummelte Flüche.

»Schon jut! Zustand von 'nem Rechtsanwalt! Zehn Zimmer und keine Schlafstelle,« gab er unwillig zurück und ließ sein Auge über die hohen, aktengefüllten Regale schweifen, die an den Wänden standen …

An manchen verlorenen Prozeß dachte er dabei, und innerlich wurde er ganz unwirsch gegen sich selbst …

In diesem Augenblick wurde die Nebentür geöffnet …

Der Justizrat hatte eine Konferenz beendet und ließ den von ihm Beratenen abtreten, um den nächsten Mandanten vorzulassen.

Ein kleiner untersetzter Mann, mit einem großen Kopf auf breiten Schultern, stand im Rahmen. Unter der hochgewölbten Stirn leuchteten seine großen Glotzaugen kurz auf, verzogen sich seine dicken buschigen Augenbrauen, als er Adams ansichtig wurde. Aber zunächst sprach er keinen Ton.

Unentschlossen zwirbelte er an seinem starken, roten Schnurrbart.

Dann fuhr er mit beiden Armen in der Luft herum und platzte endlich ganz gewunden heraus: »Nu, Herr Uhlig! Was tutt sich?«

Moses streckte Adam seine fleischige Rechte entgegen, deren kleinen Finger ein haselnußgroßer Brillant zierte. »Sie sehen – ich bin beschäftigt. – Ein kurzer Notariatsakt … Dauert nicht lange. Ah! Diener, Frau Uhlig,« wandte er sich noch schnell an Frau Hulda. Dann verschwand er wieder, nachdem er alle vier Wartenden auf einmal hereingebeten hatte.

»Gewiß 'ne Erbschaftssache?« fragte Adam den Schreiber neugierig aus.

»Jawohl, Herr Uhlig. Jeder der vier Leutchen da hat hunderttausend Emmchen geerbt,« war dessen Antwort, indem er nun auch ihm einen der leer gewordenen Stühle zuwies. Aber Adam wetterte, schwitzte und fluchte vor Neid …

Langsam beruhigte er sich wieder, schnauzte Frau Hulda noch einmal »E Leibgedinge« ins Gesicht, und plötzlich flüsterte er so leise als möglich: »Chananje muß ran! Er muß mir ran! Wir wer'n ihn schon rankriejen!« Dann machte er noch einen Gang durch das kleine Zimmer, setzte sich schließlich auf einen der frei gewordenen Plätze und brütete tiefsinnig wartend weitere Zukunftspläne aus.

Nach einer vollen Stunde erst war die notarielle Verhandlung beendet, und Adam durfte mit seiner Ehehälfte ins Allerheiligste vorstoßen.

Justizrat Moses saß in sich gekehrt an seinem breiten, mit prachtvollen Schnitzereien verzierten Eichentisch.

Der kleine Mann versank in dem übergroßen Raume, den Uhlig und seine Gattin jetzt betraten.

Eine Längs- und eine Breitseite des Sprechzimmers füllten zwei gleichfalls reich geschnitzte, bis zur Decke reichende Büchereien aus, deren einzelne Etagen mit unzähligen Werken aus der Wissenschaft und Weltliteratur – eng aneinander gepreßt – besetzt waren.

Adam fühlte ein inniges Wohlbehagen, als er in seinen Schaftstiefeln über den sammetweichen Smyrnateppich zu einem der hohen Lutherstühle trottete, die vor Moses' Schreibtisch standen.

Ruhig setzte er sich dem Justizrat gegenüber.

Und zunächst sprachen alle drei nichts.

Frau Hulda, die sich neben ihrem Gatten niedergelassen hatte, brach endlich das etwas peinliche Schweigen, als Moses immer weiter stumm blieb.

»Unser Emil hat gestern sein Examen bestanden. Wir sind so glücklich, Herr Justizrat! Endlich mal wieder ein bißchen Freude!«

»So! Hm! Das freut mich sehr! Ich gratuliere –« brachte der nach einer Pause gleichgültig heraus und setzte nachdenklich ein: »Nu, und was nu?« dazu, womit er: »Was wollen Sie von mir?« anzudeuten schien …

»Vorlaute Person!« schrie Adam, indem er seiner Gattin durch einen verstohlenen Fußtritt zu schweigen befahl. Dann wandte er sich hastig an Moses.

»Sie haben mir doch vor drei Wochen fest zujesagt, daß Sie meinem Jungen das kleine Zimmerchen hier nebenan überlassen wollen, Herr Justizrat!«

»Ich?« Moses machte ein langes Gesicht, bevor er weiter sprach: »Ja so! – Ich erinnere mich ganz dunkel.« Eine Wolke der Verlegenheit zog jetzt über sein glänzend fettes Gesicht. »Ich habe ja auch gewollt! Ich – sicher! – Aber meine Frau – Sie wissen doch, meine Frau ist 'n bißchen komisch. Sie ist dagegen – aus verschiedenen Gründen!«

»Aber lieber guter Herr Justizrat, Sie sind doch der Mann!« flehte Frau Hulda in einem Fisteltone drauf los, den sie für solche Situationen stets in Bereitschaft hatte. Eine Träne trat helfend in ihr Mutterauge dazu … Ihr Redestrom wurde jedoch von Adams noch etwas verstärktem Fußtritt unterbrochen, den sie fühlte.

»Sie haben's mir doch nun mal versprochen! Herr Justizrat, was man verspricht, muß man auch halten! Was weiß ihre Frau von früher, von den verjohrenen Jahren, von den verzehrten Zeiten? Wir wissen? Wir wissen gut! Und ob!« jammerte er immer lauter darauf los und stand auf. Mit einem Rundgang durch den saalartigen Raum ließ er seinen Gedanken ganz ungeniert freien Lauf: »Und wie Sie wohnen! Ihre Vorfahren haben in Karrewo nicht so jewohnt. E bißchen anders haben sie jewohnt! Was soll ich reden? Was soll ich tun? Es war ein Schiedchen-Unter!«

Das brachte Moses aus der Ruhe.

»Setzen Sie sich nur wieder, Herr Uhlig«, sagte er. Und erst als Adam dieser Aufforderung zögernd nachgekommen war, fuhr er fort: »Sie brauchen mich gar nicht zu erinnern! Ich weiß alles ganz allein. Schön ist das nicht, jedenfalls von Ihnen nicht! Ich weiß ganz gut, daß ich oft bei Ihnen plettgegessen habe. Und unterstützt haben Sie mich auch aus Legaten der Abraham-Uhlig-Stiftung … Das weiß ich. Ich bin nicht so vergeßlich! Sie brauchen es mir gar nicht vorzuhalten! Aber was hat das damit zu tun? – Meine Frau will nicht … Und jetzt steht mir meine Frau doch näher als Ihr Sohn, den ich gar nicht kenne. Als Kind habe ich ihn vielleicht mal in Karrewo gesehen! – Aber, wie gesagt, meine Frau will nicht. Sie braucht das Zimmer für die Französin! Für die Bonne meiner beiden Mädels! Die schläft jetzt drin!«

»Wozu brauchen Ihre Töchter eine Französin?! Sie sind selber doch auch groß und tüchtig geworden und haben keine Französin gehabt!« schrie Adam so laut, daß Frau Hulda schon ängstlich wurde.

»Die kann doch auf der Chaiselongue schlafen«, beugte sie versöhnlich vor. »Und die Chaiselongue wird morgens abgedeckt, wenn mein Sohn zur Sprechstunde kommt! Das geht doch sehr gut, liebster, bester Herr Justizrat!«

»Ich wer sehn! Ich wer nochmals mit meiner Frau sprechen«, salvierte sich Moses vor dem immer dringlicher werdenden Ton der Eheleute.

»Die paar Menschen, die vorläufig zu Emil kommen werden! Pah! Die meisten Sachen gehen doch schriftlich ein! Und das Zimmerchen brauchte er doch nur am Nachmittag!« bekräftigte Adam kriecherisch den guten Einfall seiner Frau.

»Ich wer sehn! Wie gesagt, meine Gattin hat das letzte Wort! Sie müssen wissen, daß es meiner Frau vor den Leuten nicht angenehm sein wird, wenn plötzlich noch ein neues Schild hier angemacht wird. Man weiß doch in der Gesellschaft und in Kollegenkreisen: Ich will mich von der Praxis zurückziehen … Und nu wird da plötzlich ein neues Schild angebracht, unten an der Haustür und oben auch! Das ist ihr unangenehm!« wehrte sich Moses immer noch.

»Sie haben's mir versprochen! Und ich halt' Sie beim Wort! Wird die Gesellschaft sich eben wundern. Laß sie sich wundern! Früher, vor jenen Jahren, haben Sie auch nicht nach ihrer Frau jefragt, als wir Ihnen –« gab Adam erst wieder dreister zur Antwort, während er bei den letzten Worten etwas verlegen wurde und den Schluß unausgesprochen ließ.

»Ich weiß alles noch ganz gut! Ich bin gar nicht vergeßlich! Ich war Ihnen bis dato auch nicht undankbar! – Das Leben ist abgeberlich, Herr Uhlig … Sie wissen doch, daß ich genug Gebühren in Ihren Sachen niedergeschlagen habe, in Zivil- und in Strafprozessen!« erwiderte Moses erregt.

»Kunststück! Weil bei mir nichts mehr zu holen war! Bis dahin habe ich jenau so jut jezahlt wie jeder beliebije andere! Mein Jeld ist doch auch kein Hühnermist jewesen. Sie ham immer janz schön jetrüffelte Kostenrechnungen jeschickt, Herr Justizrat!« marktete Adam frecher und aufdringlicher.

Und sonderbar! Diese fordernde Frechheit imponierte dem andern sichtlich. Er erhob sich lächelnd.

»Zeigen kann ich Ihnen ja zunächst mal das Zimmerchen! Natürlich unter Vorbehalt! Ohne mei Frau kann in der Sache gar nichts geschehen!« Damit schritt Moses über den Korridor. Ihm folgten die beiden Uhligs, Adam schon voll Siegesbewußtsein, Hulda noch zweifelnd …

Von der Diele aus öffnete Moses die Tür zu einem recht nett eingerichteten einfenstrigen Zimmer, das nach der Straßenfront gelegen war. Er ließ Adam und Hulda eintreten und sagte: »Für den Anfang ganz gut! Ich hab' noch e bißchen mießer angefangen, Herr Uhlig. Entsinnen Sie sich? In Schrimm!?« lachte der alte Herr gutmütig.

»Prachtvoll! Großartig!« schrie Frau Hulda exaltiert ein über das andere Mal. »Ist ihre Frau Gemahlin jetzt zu sprechen?«

»I wo! Gott bewahre!« Moses zog eine goldene Kapseluhr aus der Tasche.

»Sechs Uhr, da is sie noch eingeladen. – Zu einem Tee in der Bendlerstraße. Sie ist doch überall so sehr beliebt!« Denn wenn er von seiner Gattin sprach, konnte der Schweigsame vor Bewunderung sogar gesprächig werden …

»Also ich nehme Sie beim Wort! Heut' kauf ich noch en Schreibtisch. Das Bettstell nehmen Sie raus und stellen dafür 'ne Chaiselongue rein!« entschied Adam energisch …

»Der Kleiderschrank hier kann ja ruhig stehn bleiben, und der Waschtisch wird mit einem Vorhang verkleidet! So 'ne ganze Kleinigkeit!« pflichtete ihm Frau Hulda hingerissen bei.

Und Moses der Stumme sagte gar nichts dazu, als die zwei ohne weiteres über sein Eigentum verfügten.

Adam lachte laut und ordinär! –

»Die Heilung Polens,« sagte er dann witzig und wollte sich verabschieden.

Der Justizrat reichte ihm die Hand.

»Eh' ich's vergesse. – Sie schicken mir morgen Ihren Herrn Sohn! Ich muß mir die Hauptperson doch wenigstens vorher mal ansehn und meine Frau – auch! Und übermorgen haben Sie endgültigen Bescheid. Vorher bitte ich noch keinen Schreibtisch zu kaufen.«

»Den braucht der Emil doch sowieso!« meinte Frau Hulda. »Also adieu, Herr Justizrat. Und gefallen wird er Ihnen schon. Meine Kinder sind alle bildschön!«

»Gewiß! Auf Wiedersehen!« waren Moses' letzte Worte, um den ungebetenen Besuch endlich abzuwimmeln.


Beim Abstieg aber fluchte Adam bitter vor sich hin.

»Wozu braucht so e Kerl Seilschaften zu geben. In einem Stall is er aufjewachsen, hinterm Schanktisch! Und hier in Berlin spielt so was 'ne Rolle. So'n Schafsjesicht!«

»Die Hauptsache, daß wir'n Emil oben billig unterbringen,« suchte Frau Hulda seinen Weltschmerz zu bannen.

Und Adam feixte: »Chananje muß ran! Ich hab's doch gleich jesagt. Er muß ran! Und die Hauptsache ist, daß Peipe es fertig bringt, ihm einen Mandanten nach dem andern wegzufischen!«

»Emil wird schon machen,« tröstete Frau Hulda weiter. Aber Adam wurde bald wieder unwillig.

»Laß mich zufrieden! Peipe bleibt Peipe! Der wird's nicht schaffen. Der Schlemihl. Vergeblich ist alle meine Mühe!«

Und absichtlich schweigend legten beide den ganzen langen Heimweg zurück …

Es dunkelte bereits, als sie zu Hause ankamen.

Darum eilte Frau Hulda sofort in die Küche, um dem Mädchen rasch noch einige Weisungen für das frugale Abendessen zu erteilen …

Sie flitzte gerade schnell an Otto vorüber, der als einziger zu Hause war und eben neugierig auf den Korridor trat, um die kommenden Eltern über das Ergebnis ihrer Pilgerfahrt zu befragen.

»Peipe ist unterjebracht,« berichtete Adam hastig seinem Jüngsten. Dann setzte er noch voller Schadenfreude dazu: »Chananje wollte erst nicht. – Aber ich hab'n an die Wand jedrückt, den Geizhals. Morgen laß ich mir von Werner ein paar Hundert Mark jeben, damit man wenigstens die nötigsten Ausgaben bestreiten kann. Er braucht 'n Schreibtisch und 'ne Tischlampe fürs Elektrische. Dann Briefpapier, Aktendeckel und außerdem ein paar Jummistempel. Als sein Bureauvorsteher wer' ich mich vorn hinsetzen. Ich bin doch mit meiner Riesenprozeßpraxis ein halber Rechtsanwalt.«

»Du bist wohl ganz und gar manoli!« gab Otto heillos erschreckt zurück. Denn dieser ungewöhnliche Gedanke des Vaters trieb die Schamröte auf das bleiche Knabengesicht … Ottos heißes Bemühen, die traurigen Verhältnisse seiner Angehörigen mit allen Mitteln zu verschleiern, vor allen Uneingeweihten so geheim als möglich zu halten, schien durch die niedrige Maulwurfsarbeit des Alten jetzt vollkommen untergraben zu werden, der lachend antwortete: »Warum soll ich's nicht tun, Püdde? Die Leute kennen mich doch nich, die da zu einem jungen Anwalt kommen. Und ich leg' mir janz einfach einen andern Namen zu – wie die Komödianten … Einen Nomen belli –! – Hab' nur keine Angst, ich wer' meine Rolle als Linksanwalt schon janz jut spielen.«

»Du bist verdreht, aber ganz und gar!« wehrte ganz entsetzt der Sohn ab. »Emil wird froh sein, wenn er dich nur mehr zu den Mahlzeiten genießen muß, und ihm für die übrige Tageszeit dein holdseliger Anblick erspart bleibt. Ja, ja! Wenn du auch die Augen verdrehst! Es ist so. – Im übrigen hat er bereits gesagt, daß er eine Maschine einstellt und dazu eine Klapperschlange engagieren will.«

»Maschine einstellen, 'ne Klapperschlange engagieren!« gröhlte der Alte keuchend auf. »Wer soll denn den janzen Kitt bezahlen? Ihr seid verrückt! Mit eurer Verschwendungssucht! Mit eurem Größenwahnsinn! Ich halt' alles bescheiden zusammen! Und ihr wollt nicht eher ruhen, bis alles wieder rausjeworfen ist!« jammerte der Büffel zeternd.

»Wohin du es mit deiner falschen Bescheidenheit gebracht hast, zeigt doch der Augenschein zur Genüge! Was? Mit solchen kleinlichen Krämergedanken versuchst du es, jetzt wieder alles das einzubringen, was du längst im großen vergeudet hast, was dir nur so unter den Händen entglitten ist. Das sind doch deine bewährten ollen Lamellen! Nach einer verlorenen Garbe möchtest du dich bücken und sie meilenweit nach Hause schleppen –, die ganze volle Fuhre überläßt du aber seelenruhig dem heraufziehenden Unwetter, wenn es etwa zu spät für die Pferde geworden ist, sie noch vor Feierabend in die Scheune einzubringen! Wir Kinder kennen dich doch! Wir kennen doch deine Talente in dieser Beziehung noch von Karrewo her!« schrie ihm Otto frech ins Gesicht; denn er hatte sich innerlich allzusehr über des Vaters unmögliche Absichten ereifert.

Adam schwieg eine lange Zeit und brütete dumpf vor sich hin. Dann nahmen seine Fischaugen eine noch trübere Färbung an. Er fühlte sich von seinem eigenen Blut entwaffnet. Ganz resigniert gab er die weitere Fortsetzung des Wortkampfes nun auf.

»Macht meinetwejen, was ihr wollt! Ihr seid ja wie jesagt – von jeher überspannt. Diese Großmannssucht ist kompletter Wahnsinn. – Bei euch Kindern ist mein Latein zu Ende.«

Damit zog er sich geschlagen ins Schlafzimmer zurück. Unter Verzicht auf das Abendessen, deckte er sich allein sein Bett ab und legte sich rasch ausgekleidet hinein …

So lag er still und sinnend volle vier Stunden.

Und als dann endlich auch Frau Hulda sich auf leisen Sohlen in die Höhle des Löwen hineintastete, sah er sie mürrisch und gläsernen Blickes an und brummte nur noch grollend sein allabendliches: »Hulda, mach' Nacht!«


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