Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die farbige Frau

Fraglos ist es masochistische Schwäche, die Männer an farbige Frauen bindet – wenn eine solche Bindung eintritt. Die schwarze Tänzerin Josephine Baker übte jedenfalls auf die weißen Männer einen seltsamen Einfluß aus, der mit ihren künstlerischen Darbietungen nicht ohne weiteres erklärt ist.

In der Rassenfrage spielt die Hörigkeit eine große Rolle. So stand in Harlem vor dem Schnellrichter ein seltsames Paar. Harlem ist das Negerghetto New Yorks. Und im allgemeinen macht der hundertprozentige amerikanische Richter nicht viel Umstände, wenn auch die neue Generation der Farbigen ausgezeichnete Rechtsanwälte in die Schranken schickt.

Im Falle Betty Moor war aber die Sachlage höchst verwickelt. Denn der Mitschuldige Bettys war ein Weißer, ein angesehener Kaufmann aus Brooklyn. Aber man wußte ihn aus wohlerwogenen Gründen der peinlichen Verhandlung fernzuhalten. Denn wie kann ein hundertprozentiger Amerikaner neben einer Farbigen auf der Anklagebank sitzen!

Betty Moor hatte ein großes Verbrechen begangen: sie liebte einen Weißen, einen von denen, die das trostlose häßliche Harlem für eine Vergnügungsstätte halten, die sich von den schmalen, engen Straßen besondere Sensationen versprechen ... Dieser Mann hatte nun auf einem seiner nächtlichen Streifzüge die schöne Betty entdeckt, die als Tänzerin bei einer Negertruppe auftrat. Leider vergaß er aber, daß er bereits einer weißen Mabel gehörte, die sich inzwischen in einem schönen Landhaus bei Brooklyn die Augen ausweinte. Denn der Sünder, dessen Name nicht genannt wird, konnte sich von seiner seltsamen tropischen Liebe nicht mehr trennen.

Die Freunde mußten allein zurückfahren, und er tauchte als Namenloser im Negerviertel von New York unter. Und da man in Amerika keine polizeilichen Anmeldungen kennt, ging die Sache lange Zeit gut.

Betty Moor hatte nun einen Mann. Einen, um den sie alle Nachbarinnen beneideten. Und es fehlte nichts mehr zu dem jungen Glück als – ein Kind. Bettys Lebenswunsch war ein Kind mit blondem Haar und blauen Augen. Eines, das keine bläulichen Monde unter den zarten Fingernägeln hat ... Betty kannte sich aus!

Eines Tages sah sie das Ideal ihrer Wünsche schlafend und rosig in einem Kinderwagen liegen, während »Mammy« im Laden ihre Einkäufe machte.

Das Modell
Faivre

Betty Moor beugte sich über das blonde Lockenköpfchen ... und ihre braunen Hände griffen hastig zu.

Sie wurde plötzlich in das Paradies ihrer Wünsche versetzt. In einer billigen Straße bezog sie mit ihrer »Familie« eine kleine Wohnung. Und der Geliebte, der im Glauben war, »Baby« sei Bettys eigenes Kind, sorgte für seine Lieben, so gut er konnte. Er hatte in den wenigen Wochen seines Glücks seine Familie vergessen, sein hübsches Haus in Brooklyn und das staubige Büro in der City. Er kaufte für seine Frau und das Kind morgens Milch ein und hängte behutsam Babys hübsche, lustige Windeln zum Trocknen auf. Er war besorgt, wenn Betty mit dem Kinde zum Arzt mußte. Denn Betty war eine sorgsame Mutter, und der sieben Wochen alte Liebling gedieh unter dieser Pflege so prächtig, daß die Nachbarn gern von dem jungen Glück sprachen. Zu gern ...

Die Frau, die jeden Mann fesselt
Pathé International Corperation

Der Fremde fühlte sich aber in der Rolle des »daddy« so wohl, daß es ihm niemals einfiel, einmal nach seinem Wagen zu sehen, der in einer Garage vor Harlem auf seinen wunderlichen Besitzer wartete ...

Der aber wusch Windeln, kochte Milch und liebte Betty Moore. Baby mußte täglich gewogen werden, Baby bekam innerhalb drei Wochen eine märchenhafte neue Ausstattung. Und Betty entwickelte eine beängstigende Mutterliebe, so daß sich der junge Ehemann oft zurückgesetzt fühlte ...

Inzwischen irrte eine verzweifelte Mutter in den Straßen und Parks von New York umher. Und eine verlassene, verbitterte Frau verbrachte ungezählte Abende in banger Einsamkeit.

Tüchtige Detektive, die an einen Freitod des jungen Mannes nicht glaubten, fanden die Spur, die nach Harlem führte. In Harlem bestehen keine Aussichten, jemanden zu finden. Aber der schöne weiße Mann, die farbige geschwätzige Mammy und das blondlockige Baby waren schon Anlaß genug, ein wenig reichlich zu klatschen. Und so fand man die kleine Familie. Der mitschuldige Ehemann widersetzte sich jeder Trennung, wurde aber doch dazu gezwungen. Er war der schwarzen Betty Moor vollständig hörig gewesen.

*

Die Südafrikaner machen in solchen Fällen kurzen Prozeß. Einem Bericht des Natal Mercury entnehmen wir folgende Geschichte, die T. K. Fodor in der W. a. A. erzählt:

»Pretoria (Reuter). – Bartholomeus Hendrikus Schonken, ein bekannter Farmer, ehemaliges Mitglied des Transvaaler Landtags, der kürzlich der Vergewaltigung einer jungen Eingeborenen schuldig gesprochen wurde, ist nun vom Richter Krause zu drei Jahren Deportation auf die landwirtschaftliche Kolonie in Batacia-ansport verurteilt worden.«

Der Richter brachte folgende Urteilsbegründung vor:

»Die Jury sprach Sie schuldig, weil Sie gegen den Artikel 21 des Gesetzes aus dem Jahre 1916 verstoßen haben: Sie haben mit einem Eingeborenenmädchen unter 16 Jahren geschlechtlichen Verkehr gehabt. (Das neue Gesetz vom Jahre 1927 bestraft jedweden Geschlechtsverkehr zwischen Andersfarbigen mit Gefängnis bis zu fünf Jahren.)

In den letzten Jahren sind Sie wegen ähnlicher Vergehen – ähnlich insofern, als Sie einen fremden Besitz unerlaubterweise betraten in der Absicht, mit einem Eingeborenenmädchen geschlechtlich zu verkehren – vor Gericht gestanden.

Ich komme daher zu der Ansicht, daß Sie für die Eingeborenenfrauen eine Vorliebe haben, daß Sie also sexuell nicht normal sind.

Der Zweck unserer Gesetze ist, die Mischung der zwei Rassen, der Weißen und der Schwarzen zu verhindern. Wir wünschen dieses Land als ein Land des weißen Mannes zu erhalten (dieses Land, in dem es viermal weniger Weiße als Schwarze gibt!), und deswegen hat die Gesetzgebung bestimmt, daß jeder Weiße, der eine Verbindung mit einer Eingeborenen eingeht, eine Gefahr für die Allgemeinheit und deswegen zu bestrafen ist. Ich glaube, daß Sie nach Ihrer Freilassung von Ihrer Schwäche geheilt sind und wieder ein nützliches Mitglied der Gesellschaft werden.«

*

Wir wollen noch einen Fall aufrollen, der sich unlängst in der Nähe von Grahamstown ereignete. Ein Weißer stand auf der Anklagebank wegen seiner Beziehungen zu einer Eingeborenen. Auch die Frau wurde angeklagt, weil sie die Beziehungen duldete. Das Urteil des Richters: Der Weiße wurde (bedingt) zu sechs Monaten Gefängnis bei harter Arbeit, die Frau aber zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt (ohne Aufschub!).

Allerdings ist in den afrikanischen Kolonien folgende Warnung bekannt: »Geschlechtsverkehr mit einer Schwarzen wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft.«

*

Die Geschichte des männlichen Masochismus ist nicht nur eine wissenschaftliche Angelegenheit. Der masochistische Mann ist der ewig dürstende Adam, suchend sein eigenes Ich im Wesen des Weibes – auch ihm gelten Ferdinands Worte in »Kabale und Liebe«:

»Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammnis geflochten – Auge in Auge wurzelnd – Haare zu Berge stehend gegen Haare – auch unser hohles Wimmern in Eins geschmolzen – und jetzt zu wiederholen meine Zärtlichkeiten, und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwüre – Gott! Gott! Die Vermählung ist fürchterlich – aber ewig!«

»Commercial Art«
Plakat, C. Gesmar


 << zurück