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Vorwort

In jedem Menschen sind – neuere Forschungen und Beobachtungen machen es im höchsten Grade wahrscheinlich – männliche und weibliche Anlagen organisch verankert, die von den Drüsen mit innerer Sekretion, vor allem von den Geschlechtsdrüsen beherrscht und reguliert werden. Für den weiblichen Eierstock ist diese Zwitterhaftigkeit, diese Zweigeschlechtlichkeit, erwiesen die weibliche Keimdrüse birgt weibliche und männliche Hormone in sich. Vor kurzem konnte der Frauenarzt Prof. Straßmann eine junge Frau vorstellen, bei der sich plötzlich männliche Geschlechtsmerkmale zu entwickeln begannen. Bartwuchs im Gesicht, tiefe Stimme, Schrumpfung der Brüste. Doch als ein Geschwulst des Eierstocks durch Operation entfernt ward, bildeten sich all diese Merkmale zurück, und der Habitus der Frau wurde wieder, wie er war weiblich: Der Tumor hatte die an den Eierstock gebundene weibliche Keimtätigkeit geschädigt, den Einfluß der weiblichen Hormone so geschwächt, daß die männlichen das Übergewicht erlangten. Ähnliches bestätigten neuerlich Versuche Steinachs, der durch Röntgenbestrahlung der Eierstöcke bei Ratten und Meerschweinchen weibliche Tiere in männliche umwandeln konnte.

Sind also auch in den Menschen, im Weibe wie wahrscheinlich auch im Manne, doppelgeschlechtliche Keime vorhanden, so überwiegen eben im Manne die männlichen, im Weibe die weiblichen, und nur durch besondere Veranlagung und den Einfluß äußerer Verhältnisse kann es zu einer Unterdrückung der ursprünglichen und arteigentümlichen Anlage kommen.

Hörigkeit ist im Grunde eine weibliche Veranlagung. Sind auch, wie der Verfasser einleitend sagt, die Liebenden fast alle mehr oder weniger hörig, so ist doch beim Weibe eine gewisse Hörigkeit Norm, ihr Anpassungs-, ihr Anlehnungs-, ihr Unterwürfigkeitsbedürfnis ist ihre Natur. Der Mann ist kraft physischer und psychischer Veranlagung immer, dem Weibe gegenüber, Herrenmensch. Das sich anschmiegende, haltsuchende, sich unterwerfende Weib bleibt in seiner passiven Triebrichtung, wenn es hörig wird, in seiner Unterwürfigkeit ausartet; der an sich überlegene aktive Mann fällt aus der Richtung seines eigensten Wesens. Dem Weib wird immer eine größere organische Abhängigkeit vom Manne innewohnen, als umgekehrt. Die sexuelle Hörigkeit des Mannes ist etwas Unnatürliches, seiner Natur Fremdes, etwas Weibliches, Weibisches. Es gibt zwei Geschlechter, und es gibt keine Gleichheit der Geschlechter, trotz aller Gleichheitsbestrebungen, aller Anähnelungsversuche.

So etwa ist der Begriff der Hörigkeit zu fassen, und so wertet ihn auch der Verfasser. Wie er das aber tut, wie er die Hörigkeit kulturell und geschichtlich entwickelt, medizinisch, naturwissenschaftlich, philosophisch begründet, ist eine Kunst, die wohl nur die auf reichem Wissen fußende Phantasie eines Dichters meistern kann. Robert Heymann kann nicht nur packende Romane schreiben, er versteht auch, wie nur wenige, die große Kunst, Seelen zu zergliedern, die Verbindung zwischen Körper und Seele herzustellen, und bringt, wie ich schon aus manchem früheren Buche dieser Art weiß, für die Schilderung des Sexuallebens ein ungemein feines Einfühlungsvermögen, Verstehen und Verzeihen und eine Gestaltungskraft mit, die jedes dieser seiner Bücher zu einem Genuß macht.

»Eine Sittengeschichte der Liebeshörigkeit ist eine Sittengeschichte der Liebe,« sagt der Verfasser in der Einleitung, und so ist dieses Buch der sexuellen Hörigkeit in der Tat eine Geschichte der Liebe, des Eros, kein Buch für den, welcher Sensation und Sinnenkitzel sich erwartet, aber eine Arbeit, die, auf Wissen begründet, Wissen verbreitet, die anregend und belehrend in das Dunkel des Geschlechtslebens, das vielleicht nie ganz zu lüftende, hineinleuchtet, ein Führer in die Geheimnisse des Sexus, in die von allen Wundern des menschlichen Organismus wohl wunderbarste Stätte menschlichen Geschehens.

Ein hohes ethisches Empfinden durchzieht die Darstellung. Überall leuchtet das Bestreben durch, die Liebe aus der Niederung, in die sie allzu geschäftliche und geschäftige Erklärer hinabzerrten, wieder emporzuziehen und ihr den hohen Platz anzuweisen, den sie verdient, als Triebkraft menschlichen Handelns, als Leuchte und Freude im menschlichen Leben. Das Buch verdient, gelesen und beachtet zu werden.

San.-Rat Dr. Max Maschke (Berlin).

Die Untersuchung
A. Faivre


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