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Sacher-Masoch

In der Literatur lebt Sacher-Masoch – von dessen schriftstellerischem Wirken sich das Wort, nicht aber erst der Begriff »Masochismus« ableitet als der typische Vertreter des Hörigen fort. Und seine »Wanda« wird wohl für immer das Vorbild des Vamp sein, der Herrin, Despotin schlechthin. Es gibt in der ganzen Literaturgeschichte, von den Nachahmern Sacher-Masochs abgesehen, keine stärkere Darstellung der Psyche des hörigen Mannes als in dem Roman: »Venus im Pelz«. Wir müssen aus diesem Roman einige Stellen hierhersetzen, denn nichts anderes vermöchte auch nur annähernd einen ähnlichen Begriff von dem maßlosen Unterwerfungsfanatismus des Mannes zu geben, wie diese einzigartige Schilderung:

»Ich trete ein, schließe und bleibe an der Tür stehen.

Wanda hat es sich bequem gemacht, sie sitzt im Negligé von weißer Mousseline und Spitzen auf einem kleinen, roten Samtdivan, die Füße auf einem Polster von gleichen Stoff und hat ihren Pelzmantel umgeworfen, denselben, indem sie mir zuerst als Göttin der Liebe erschien.

»El Suplemento«

Die gelben Lichter der Armleuchter, die auf dem Trumeau stehen, ihre Reflexe in dem großen Spiegel und die roten Flammen des Kaminfeuers spielen herrlich auf dem grünen Samt, dem dunklen Zobel des Mantels, auf der weißen glatt gespannten Haut und in dem roten, flammenden Haar der schönen Frau, welche mir ihr helles, aber kaltes Antlitz zukehrt, und ihre kalten, grünen Augen auf mir ruhen läßt.

»Ich bin mit dir zufrieden, Gregor,« begann sie.

Ich verneigte mich. »Komm näher.« Ich gehorchte.

»Noch näher,« sie blickte hinab und strich mit der Hand über den Zobel. »Venus im Pelz empfängt ihren Sklaven. Ich sehe, daß Sie doch mehr sind als ein gewöhnlicher Phantast. Sie bleiben mindestens hinter Ihren Träumen nicht zurück. Sie sind der Mann, was Sie sich auch einbilden mögen, und wäre es das Tollste, auszuführen. Ich gestehe, das gefällt mir, das imponiert mir. Es liegt Stärke darin, und nur die Stärke achtet man. Ich glaube sogar,

Der Marsch in die Tiefe
Asir

Sie würden in außergewöhnlichen Verhältnissen, in einer großen Zeit, das was Ihre Schwäche scheint, als eine wunderbare Kraft offenbaren. Unter den ersten Kaisern wären Sie ein Märtyrer, zur Zeit der Reformation ein Anabaptist, in der französischen Revolution einer jener begeisterten Girondisten geworden, die mit der Marseillaise auf den Lippen die Guillotine bestiegen. So aber sind Sie mein Sklave, mein –«

Sie sprang plötzlich auf, so daß der Pelz herabsank, und schlang die Arme mit sanfter Gewalt um meinen Hals.

»Mein geliebter Sklave, Severin, o! wie ich dich liebe, wie ich dich anbete, wie schmuck du in dem Krakauerkostüm aussiehst, aber du wirst heute Nacht frieren in dem elenden Zimmer da oben ohne Kamin, soll ich dir meinen Pelz geben, mein Herzchen, den großen da –«

Sie hob ihn rasch auf, warf ihn mir auf die Schultern und ehe ich mich versah, hatte sie mich vollständig eingewickelt.

»Ah! Wie gut das Pelzwerk dir zu Gesicht steht, deine noblen Züge treten erst recht hervor. Sobald du nicht mehr mein Sklave bist, wirst du einen Samtrock tragen mit Zobel, verstehst du, sonst ziehe ich nie mehr eine Pelzjacke an.«

Und wieder begann sie mich zu streicheln, zu küssen und zog mich endlich auf den kleinen Samtdivan nieder.

»Du gefällst dir, glaube ich, in dem Pelz,« sagte sie, »gib ihn mir; rasch, rasch; sonst verliere ich ganz das Gefühl meiner Würde.«

Ich legte den Pelz um sie, und Wanda schlüpfte mit dem rechten Arm in den Ärmel.

»So ist es auf dem Bilde von Tizian. Nun aber genug des Scherzes. Sieh doch nicht immer so unglücklich drein, das macht mich traurig, du bist ja vorläufig nur für die Welt mein Diener, mein Sklave bist du noch nicht, du hast den Vertrag noch nicht unterzeichnet, du bist noch frei, kannst mich jeden Augenblick verlassen. Du hast deine Rolle herrlich gespielt. Ich war entzückt, aber hast du es nicht schon satt, findest du mich nicht abscheulich?

Die Schüchterne

Nun, so sprich doch – ich befehle es dir.«

»Muß ich es dir gestehen, Wanda?« begann ich.

»Ja, du mußt.«

»Und wenn du es dann auch mißbrauchst,« fuhr ich fort, »ich bin verliebter als je in dich, und ich werde dich immer mehr, immer fanatischer verehren, anbeten, je mehr du mich mißhandelst, so wie du jetzt gegen mich warst, entzündest du mein Blut, berauschest du alle meine Sinne« – ich preßte sie an mich und hing einige Augenblicke an ihren feuchten Lippen –, »du schönes Weib,« rief ich dann, sie betrachtend, und riß in meinem Enthusiasmus den Zobelpelz von ihren Schultern und preßte meinen Mund auf ihren Nacken.

Venus im Pelz
R. v. Rziha

»Du liebst mich also, wenn ich grausam bin,« sprach Wanda. »Geh jetzt! – du langweilst mich – hörst du nicht –«

Sie gab mir eine Ohrfeige, daß es mir in dem Auge blitzte und im Ohr läutete.

»Hilf mir in meinen Pelz, Sklave.«

Ich half, so gut ich konnte.

»Wie ungeschickt,« rief sie, und kaum hatte sie ihn an, schlug sie mich wieder ins Gesicht. Ich fühlte es, wie ich mich entfärbte.

»Habe ich dir weh getan?« fragte sie und legte die Hand sanft auf mich.

»Nein, nein,« rief ich.

»Du darfst dich allerdings nicht beklagen, du willst es so. Nun, gib mir noch einen Kuß.«

Ich schlang die Arme um sie, und wie sie in dem großen, schweren Pelz an meiner Brust lag, hatte ich ein seltsames, beklemmendes Gefühl, wie wenn mich ein wildes Tier, eine Bärin, umarmen würde, und mir war es, als müßte ich jetzt ihre Krallen in meinem Fleisch fühlen. Aber für diesmal entließ mich die Bärin gnädig.

Die Brust von lachenden Hoffnungen erfüllt, stieg ich in mein elendes Bedientenzimmer und warf mich auf mein hartes Bett.

Aber dieses sonderbare Verhältnis zwischen »Venus im Pelz« und ihrem »Sklaven« ist nicht von ungefähr. Die Phantasie käme zu kurz, würde der Begriff des »Sklaven«, der auf Leben und Tod der Despotin preisgegeben, nicht bis zur Übersteigerung einer vertraglichen Bindung getrieben. In dem Roman Sacher-Masochs haben »Wanda« und »Severin« eine regelrechte Vereinbarung getroffen, die sie heute vielleicht mit einer amtlichen Stempelmarke versehen würden, um die Illusionen vollkommen zu gestalten. Dieser »Vertrag« lautet:

» Vertrag zwischen Frau Wanda von Dunajew und Herrn Severin von Kusiemski.

Herr Severin von Kusiemski hört mit dem heutigen Tage auf, der Bräutigam der Frau Wanda von Dunajew zu sein und verzichtet auf alle seine Rechte als Geliebter. Er verpflichtet sich dagegen mit seinem Ehrenwort als Mann und Edelmann, fortan der Sklave derselben zu sein, und zwar so lange sie ihm nicht selbst die Freiheit zurückgibt.

Er hat als Sklave der Frau von Dunajew den Namen Gregor zu führen, unbedingt jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, jedem ihrer Befehle zu gehorchen, seiner Herrin mit Unterwürfigkeit zu begegnen, jedes Zeichen ihrer Gunst als eine außerordentliche Gnade anzusehen.

Frau von Dunajew darf ihren Sklaven nicht allein bei dem geringsten Versehen oder Vergehen nach Gutdünken strafen, sondern sie hat auch das Recht, ihn nach Laune oder nur zu ihrem Zeitvertreib zu mißhandeln, wie es ihr eben gefällt, ja sogar zu töten, wenn es ihr beliebt, kurz, er ist ihr unbeschränktes Eigentum.

Sollte Frau von Dunajew ihrem Sklaven je die Freiheit schenken, so hat Herr Severin von Kusiemski alles, was er als Sklave erfahren oder erduldet, zu vergessen und nie und niemals, unter keinen Umständen und in keiner Weise an Rache oder Wiedervergeltung zu denken.

Frau von Dunajew verspricht dagegen, als seine Herrin so oft als möglich im Pelz zu erscheinen, besonders, wenn sie gegen ihren Sklaven grausam sein wird.«

Unter dem Vertrag stand das Datum des heutigen Tages.

Das zweite Dokument enthielt nur wenige Worte:

»Seit Jahren des Daseins und seiner Täuschungen überdrüssig, habe ich meinem wertlosen Leben freiwillig ein Ende gemacht!«

»Mich faßte ein tiefes Grauen, als ich zu Ende war, noch war Zeit, noch konnte ich zurück, aber der Wahnsinn der Leidenschaft, der Anblick des schönen Weibes, das aufgelöst an meiner Schulter lehnte, rissen mich fort.

»Dieses hier mußt du zuerst abschreiben, Severin,« sprach Wanda, auf das zweite Dokument deutend, »es muß vollkommen in deinen Schriftzügen abgefaßt sein, bei dem Vertrag ist das natürlich nicht nötig.«

Ich kopierte rasch die wenigen Zeilen, in denen ich mich als Selbstmörder bezeichnete, und gab sie Wanda. Sie las und legte sie dann lächelnd auf den Tisch.

»Nun, hast du den Mut, das zu unterzeichnen?« fragte sie, den Kopf neigend, mit einem feinen Lächeln.

Ich nahm die Feder.

»Laß mich zuerst,« sprach Wanda, »dir zittert die Hand, fürchtest du dich so sehr vor deinem Glück?«

Sie nahm den Vertrag und die Feder – ich blickte im Kampfe mit mir selbst einen Augenblick empor und jetzt erst fiel mir, wie auf vielen Gemälden italienischer und holländischer Schulen, der durchaus unhistorische Charakter des Deckengemäldes auf, der demselben ein seltsames, für mich geradezu unheimliches Gepräge gab. Dalila, eine üppige Dame mit flammendem roten Haar, liegt halb entkleidet in einem dunklen Pelzmantel auf einer roten Ottomane und beugt sich lächelnd zu Simson herab, den die Philister niedergeworfen und gebunden haben. Ihr Lächeln ist in seiner spöttischen Koketterie von wahrhaft infernalischer Grausamkeit, ihr Auge, halb geschlossen, begegnet jenem Simsons, das noch im letzten Blick mit wahnsinniger Liebe an dem ihren hängt, denn schon kniet einer der Feinde auf seiner Brust, bereit, ihm das glühende Eisen hineinzustoßen.

»So –« rief Wanda, »du bist ja ganz verloren, was hast du nur, es bleibt ja doch alles beim Alten, auch wenn du unterschrieben hast, kennst du mich denn noch immer nicht, Herzchen?«

Ich blickte in den Vertrag. Da stand in großen kühnen Zügen ihr Name. Noch einmal schaute ich in ihr zauberkräftiges Auge, dann nahm ich die Feder und unterschrieb rasch den Vertrag.

»Du hast gezittert,« sagte Wanda ruhig, »soll ich dir die Feder führen?«

Sie faßte in demselben Augenblick sanft meine Hand, und da stand mein Name auch schon auf dem zweiten Papier. Wanda sah beide Dokumente noch einmal an und schloß sie dann in den Tisch, welcher zu Häupten der Ottomane stand. »So – nun gib mir noch deinen Paß und dein Geld!«

Ich ziehe meine Brieftasche hervor und reiche sie ihr, sie blickt hinein, nickt und legt sie zu dem Übrigen, während ich vor ihr knie und mein Haupt in süßer Trunkenheit an ihrer Brust ruhen lasse –

Da stößt sie mich plötzlich mit dem Fuße von sich, springt auf und zieht die Glocke, auf deren Ton drei junge, schlanke Negerinnen, wie aus Ebenholz geschnitzt und ganz in roten Atlas gekleidet, hereintreten, und jede einen Strick in der Hand.

Jetzt begreife ich auf einmal meine Lage und will mich erheben, aber Wanda, welche hochaufgerichtet, ihr kaltes, schönes Antlitz mit den finsteren Brauen, den höhnischen Augen mir zugewendet, als Herrin gebietend vor mir steht, winkt mit der Hand, und ehe ich noch recht weiß, was mit mir geschieht, haben mich die Negerinnen zu Boden gerissen, mir Beine und Hände fest zusammengeschnürt und die Arme wie einem, der hingerichtet werden soll, auf den Rücken gebunden, so daß ich mich kaum bewegen kann.

»Gib mir die Peitsche, Haydée,« befiehlt Wanda mit unheimlicher Ruhe.

Die Negerin reicht sie kniend der Gebieterin.

»Und nimm mir den schweren Pelz ab,« fährt diese fort, »er behindert mich.«

Die Negerin gehorchte.

»Die Jacke dort,« befahl Wanda weiter.

Haydée brachte rasch die hermelinbesetzte Kazabaika, welche auf dem Bette lag, und Wanda schlüpfte mit zwei unnachahmlichen reizenden Bewegungen hinein.

»Bindet ihn an die Säule hier.«

Die Negerinnen heben mich auf, schlingen ein dickes Seil um meinen Leib und binden mich stehend an eine der massiven Säulen, welche den Himmel des breiten italienischen Bettes tragen.

Dann sind sie auf einmal verschwunden, wie wenn die Erde sie verschlungen hätte.

Wanda tritt rasch auf mich zu, das weiße Atlasgewand fließt ihr in langer Schleppe wie Silber, wie Mondlicht nach, ihre Haare lodern gleich Flammen auf dem weißen Pelz der Jacke. Jetzt steht sie vor mir, die linke Hand in die Seite gestemmt, in der Rechten die Peitsche, und stößt ein kurzes Lachen aus.«

Und so weiter. –

Auf diesen Typ der Wanda werden wir in einem späteren Band noch zurückkommen. Ein Wort noch über den seltsamen »Vertrag« in »Venus im Pelz«. Solche Verträge werden fast immer zwischen metatropistischen Liebespaaren geschlossen. Einen solchen erwähnt Hirschfeld:

»Ich bekenne mich hiermit, daß ich mich für alle Zeiten meiner Freiheit, meines Wollens begebe, um in Demut und Gehorsam meiner gnädigen Herrin zu dienen. Daß ich hinnehmen werde, was mir von ihrer Hand kommt, Strafe, Qual, Liebkosung und Glück. Völlig gebe ich mich ihr zu eigen. Sie kann mich schlagen, verschenken, verkaufen, ich gehöre ihr als ihr Geschöpf, über das sie zu bestimmen und zu verfügen hat.«

Man werfe nicht ein, es handle sich bei Sacher-Masoch um die erotischen Spielereien eines Literaten. Sacher-Masoch war Masochist. Dieses Schließen eines förmlichen Vertrages, und wäre er auch nur Rückversicherung gegen spätere Anklage, ist, wie gesagt, durchaus nicht selten. Es kommt häufig beim Typus des Sadisten vor, daß er – oder sie – eine schriftliche Bestätigung verlangt, daß die Behandlung, die der Partner erfährt, erwünscht ist.

Es gibt eben Menschen, die von der Erotik so vollkommen beherrscht werden, daß die Grenze der Erotomanie nicht mehr festzustellen ist. Am stärksten tritt das beim Masochisten hervor, der fast immer gleichzeitig – oft verkappter – Fetischist ist. So erzählt Brantôme, daß ein Prinz einen köstlichen Becher, von Benvenuto Cellini angefertigt, besessen habe, der mit Gruppen nach Aretino geziert war. Der Prinz stellte ihn mit Vorliebe auf die Tafel, wenn Damen zugegen waren, oder er bot ihnen öfter einen Trunk aus dem Pokal an. Philipp von Burgund soll »eine schöne nackte Venus aus Gold sein Eigen genannt haben, die den Tischwein in eine Kanne p ...« Auch aus den Brüsten eines jungen nackten Weibes perlte der Wein, und zwar aus der einen der rote, aus der andern der weiße. Ein kunstgewerbliches Meisterstück war auch der Holzschuherpokal, von Peter Flötner gefertigt und von dem bekannten Nürnberger Patrizier Holzschuher bei Trinkfesten verwandt. Ludwig XIV. bediente sich beim Spiel besonderer Karten, die mit Akten von Bestialität und obszönen Stellungen verschiedener Tiere geschmückt waren. Phallisch gezierte oder mit eindeutig erotischen Sprüchen geschmückte Geräte waren an der kleinbürgerlichen Tafel Mode.

Auch das ist Fetischismus, der natürlich beim Masochisten die ausschweifendsten Formen annimmt. Der Masochist will dienen, gedemütigt sein – und dies alles von dem Gegenstand seiner Liebe, seiner Verehrung. Der echte Masochist weiß seine krankhafte Liebe geschickt zu verbergen. Er gilt unter seinen Freunden, unter den Frauen meist als durchaus normal.

Aber seine Erotik zeigt schwere krankhafte Sonderheiten, die viel seltener ererbt als erworben sind.

Der Hahnrei
Ramberg


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