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6.

Am anderen Morgen wurde Beck in einem Wagen, von Schutzleuten überwacht, nach der Villa des Barons v. Engler gebracht.

Beim Aussteigen blickte Beck rückwärts. Es gelang ihm, die Hinterseite des Hauses, das er bisher bewohnt hatte, mit seinen Blicken zu streifen. In seiner Wohnung standen die Fenster offen, die weißen Gardinen wurden vom Winde hin und her gezerrt. Thränen verdunkelten seinen Blick. Jetzt, wo er nur wenige Schritte von seinen Lieben entfernt war, schien er wieder die furchtbare Schwere seines Schicksals zu begreifen.

Die neben ihm gehenden Schutzleute führten ihn durch den Hofeingang der Villa die Treppe hinauf.

Der Untersuchungsrichter und sein Schreiber schritten voran.

In dem Wohnzimmer des ermordeten Fräuleins war nach den ergangenen Anordnungen Alles unverändert geblieben. Die Leiche befand sich in derselben Lage, welche ihr der Arzt bei seiner gestrigen Untersuchung gegeben hatte.

Auf einen Wink des Untersuchungsrichters führten die Schutzleute den Verhafteten bis dicht an die Leiche heran.

»Karl Beck,« sagte der Untersuchungsrichter in feierlich ernstem Tone, »wenn Sie den Muth dazu haben, schauen Sie diese Frau an!«

Der Blick des Mechanikers richtete sich auf das verzerrte Todtenangesicht der Ermordeten.

»Erkennen Sie diese Person?« fragte Alberti wieder.

»Jawohl,« entgegnete der Mechaniker »Es ist der Leichnam des Fräuleins v. Gerstenberg.«

«Wollen Sie bekennen, daß Sie in näheren Beziehungen zu der Todten gestanden haben?«

»Nein! Die Dame dankte kaum auf meinen Gruß. Sie war sehr stolz und ich stand in keinerlei Beziehungen zu ihr!«

Der Untersuchungsrichter wollte noch weitere Fragen stellen, aber da fiel ihm Beck hastig in's Wort. »Hören Sie auf, mich mit unnöthigen Fragen zu quälen. Meine Hände sind rein, und mein Gewissen ist ruhig! Ich weiß, Sie glauben mir doch nicht, darum werde ich Ihnen auch nicht mehr antworten!«

In der That hüllte sich Beck von diesem Augenblicke an in undurchdringliches Schweigen. Er hatte das Haupt auf die Brust herabgeneigt und schien die Fragen, welche der Untersuchungsrichter noch an ihn stellte, nicht einmal zu hören.

Dieser gab es bald auf, gegen diese Art von Widerstand zu kämpfen.

Auf seinen Wink verließ der traurige Zug das Wohnzimmer der ermordeten Dora; von Neuem hatten die Schutzleute Beck beim Arme ergriffen.

Der Untersuchungsrichter schritt voran, blieb aber inmitten des Verbindungsganges stehen. Auf seinen Befehl hatte der Diener wieder eine Lampe herbeigebracht.

»Legen Sie Ihre linke Hand auf diese Spur,« befahl der Untersuchungsrichter dem inzwischen herangekommenen Gefangenen.

Dieser gehorchte stillschweigend Der ebenfalls anwesende Polizeikommissär legte prüfend die Handfläche Beck's auf der vorgefundenen blutigen Spur zurecht. Alsbald malte sich eine lebhafte Enttäuschung in seinen Gesichtszügen.

»Die Handfläche des Gefangenen ist eine viel breitere, die Fingerlänge dagegen eine kürzere,« meinte er dann in gedämpftem Tone zu dem Untersuchungsrichter. »Eine besonders feingeschnittene Hand muß es sein, die sich hier ausgeprägt hat.«

Alberti nickte gedankenvoll mit dem Kopfe. Dann wendete er sich an die Schutzleute. »Führen Sie den Gefangenen in das Schlafzimmer des Barons.«

Der unerträgliche Geruch des vergossenen Blutes verbreitete sich schon in unangenehmer Weise vor dem Schlafzimmer des Barons. Der Leichnam hatte noch dieselbe Haltung, in der er seine letzten Athemzüge gethan.

Beck, zum zweiten Male vor solch' einen grausigen Anblick gestellt, fühlte, wie seine Nerven erzitterten; dennoch aber blieb er anscheinend ruhig und unberührt durch den Anblick.

»Angeklagter,« fragte der Untersuchungsrichter, »kennen Sie Ihr zweites Opfer wieder?«

Bett gab keine Antwort. »Sie schweigen?« fuhr Alberti fort. »Sie beharren auf Ihrem Entschlusse, Stillschweigen beobachten zu wollen?«

Beck nickte bestätigend mit dem Kopfe.

»Sei es!« fuhr der Beamte mit erhobener Stimme fort. »Ich kann Sie nicht zum Reden zwingen, aber es ist leicht, den Grund Ihres Schweigens zu errathen.«

Wenige Minuten später saß Beck wieder zwischen den Schutzleuten im rasch dahinrollenden Wagen. Jetzt bog derselbe in die Straße ein, in der Beck bis zu seiner Verhaftung gewohnt hatte, da stießen plötzlich seine Lippen einen erstickten Schrei ans. Ein furchtbares Zittern erschütterte seinen Leib. Erloschenen Blickes starrte er ans dem Wagenfenster.

Ein Leichenwagen stand vor der Thür seines Hauses, soeben trug man einen einfachen schwarzen Sarg heraus, der reich mit Blumen umkränzt war. Gleich darauf trat, völlig schwarz gekleidet, mit verweinten Augen seine Tochter in Begleitung eines hochgewachsenen jungen Mannes aus dem Hause.

»Laßt mich – laßt mich!« schrie Beck wild auf. »Laßt mich –– es ist mein Weib – mein süßes, holdes Käthchen!« schluchzte er mit gebrochener Stimme.

Aber die Schutzleute hielten ihn gewaltsam auf seinem Sitze fest.



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