Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIII
Vater und Sohn

In der nächsten Schwurgerichtsperiode, deren Sitzungen Anfang Oktober im Justizgebäude abgehalten wurden, sollte der Prozess Beck abgeurteilt werden.

Trotz seinem eifrigsten Bemühen war es Rudolph nicht gelungen, irgendwie neue Gesichtspunkte, die seinen Klienten zu entlasten vermocht hätten, ausfindig zu machen. Nach wie vor stand die Überzeugung bei ihm unerschütterlich fest, dass der Trödler Schimmel wenigstens Mitwisser des geschehenen Verbrechens sein und einen Meineid geschworen haben musste; aber die sowohl von dem Polizeikommissär Grösser wie auch von dessen Untergebenen fortgesetzt angestellten Beobachtungen hatten noch nicht das geringste Resultat ergeben.

Hedwig Beck benahm sich andauernd gefasster und ruhiger als Rudolph es anzunehmen gewagt hatte. Die Schicksalsschläge, welche das junge Mädchen in der letzten Zeit betroffen, hatten die ohnehin selbstständig veranlagte Natur Hedwigs völlig herangereift. Selten nur vergönnte sie ihrem Bräutigam einen kurzen Besuch, bei dem alsdann immer ihre Wirtin zugegen war. Sie schien die bittenden Blicke des jungen Rechtsanwaltes, nicht wahrzunehmen, mit gemessener Freundlichkeit bewillkommnete und verabschiedete sie ihn, mit fast unbewegten Gesichtszügen hörte sie seinen Bericht an, und ihre Stimme klang fast teilnahmslos, wenn sie über die Aussichten ihres Vaters in der bevorstehenden Schwurgerichtsverhandlung sprach. Erst wenn Rudolph gegangen war, überließ sich das junge Mädchen ihrem herben Schmerze, dann barg sie ihr brennendes Angesicht in den Händen und sandte stammelnde Gebete zum Himmel, sie zu erlösen von der übermächtigen Last, unter der ihr Herz zusammenzubrechen drohte.

Im Hause des Fabrikanten Wichern herrschte ebenfalls eine unerquickliche Stimmung, die ihre Wirkung selbst auf das sonst so glückliche Brautpaar erstreckte. Hugo von Engler schien in der letzten Zeit nicht mehr so ruhig und heiter zu sein wie seine Braut es bisher an ihm gewohnt gewesen war. Es hatte ihn eine seltsame nervöse Unruhe überkommen, er erschien häufig offenbar verstimmt und mit niedergeschlagenen Mienen bei seiner Braut, und seine üble Laune verstärkte sich noch, wenn Rudolph ihm wahrheitsgemäß berichten musste, dass der Erbschaftsprozess von seiner endlichen Erledigung weit entfernt und es gar nicht abzusehen sei, wer in diesem verwickelten Rechtsstreite schließlich siegen würde.

Vor allen Dingen aber war es das äußerst gespannte Verhältnis zwischen Vater und Sohn, welches die Stimmung in dem Hause des Fabrikanten niederdrückte. Die Befürchtungen des alten Herrn waren in vollem Umfange eingetroffen. Das Verbrechen in der Kochstraße, noch mehr aber die darauffolgende Verhaftung des früher so hochangesehenen Fabrikanten hatten geradezu Sensation in der Stadt erregt. Man sprach in allen Kreisen von nichts anderem, und an jedem Wirtshaustische konnte man über die bevorstehende Schwurgerichtsverhandlung und deren mutmaßlichen Ausgang eifrig verhandeln hören. Auch Andreas Wichern hatte seinen Freunden und Bekannten auf die Dauer nicht ausweichen können. Unter dem Deckmantel freundnachbarlicher Gesinnung und herzlicher Anteilnahme hatte man den ehrenstrengen und auf sein Ansehen peinlich stolzen Mann empfindlich zu verwunden gewusst. Es war deshalb wiederholt zu erregten Szenen zwischen Vater und Sohn gekommen.

Kein Wunder war es, dass unter solchen Umständen die Stirn des jungen Rechtsanwaltes sich immer mehr verdüsterte, denn wohin er auch schauen mochte, nirgends wollte sich ihm ein hoffnungsreicher Lichtblick offenbaren. Ein tückisches Geschick schien sich wider ihn verschworen zu haben. Er selbst musste notgedrungen die Sache Becks vor seinem eigenen Gewissen als verloren betrachten; mit der Verurteilung des unglücklichen Mannes fiel aber auch die letzte Hoffnung für Rudolph selbst, denn dieser kannte den Sinn seiner Braut zu genau, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass Hedwig bei ihren Ansichten verharren und durch kein Flehen und Bitten von denselben sich abbringen lassen würde.

Gesetzt aber den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass es ihm gelingen würde, Becks Freisprechung zu erzielen und damit dessen Tochter mit dem Gedanken an eine baldige Verbindung wieder zu befreunden, so stand doch immer ihrem zukünftigen Glück die Willensmeinung seines eigenen Vaters hindernd gegenüber. Rudolph war ein guter Sohn und beurteilte die strengen Charaktereigenschaften seines Vaters milde; er wusste ja nur zu gut, dass unter dessen rauher Außenseite ein treu liebendes, wohlmeinendes Herz für ihn schlug.

Der Gedanke, dass sein Sohn, der Träger seines makelreinen, hochangesehenen Namens, das Werk seines ganzen Lebens durch eine Heirat mit der Tochter eines Raubmörders beflecken und vernichten könnte, hatte etwas Entsetzliches für den alten Mann. Tag und Nacht ließen ihn die quälendsten Vorstellungen nicht zur Ruhe kommen. Mit nervöser Hast griff er jeden Morgen nach der Zeitung, zitternd vor Erregung durchflog er dieselbe, um zu sehen, ob nicht wieder etwas Neues über die Aufsehen erregende Angelegenheit darin stände.

Als dann eines Morgens in dem Blatte die Veröffentlichungen für die nächste Schwurgerichtssession erschienen und er den Namen seines früheren Freundes zwischen berufsmäßigen Verbrechern, die ebenfalls ihrer Aburteilung entgegenharrten, gedruckt sah, da überkam ihn ein verheerender Zorn, der ihm fast die ruhige Überlegung raubte. An diesem Tage hatte Rudolph einen harten Stand. Entmutigt und niedergeschlagen war er am Nachmittag aus der Stadt nach Hause gekommen, nachdem er vorher vergeblich versucht hatte, mit Hedwig zu sprechen. Die Wirtin hatte ihn mit der Versicherung abgewiesen, dass das junge Mädchen nicht zu Hause, sondern einige nötige Einkäufe zu besorgen gegangen sei.

Der alte Herr empfing seinen Sohn zitternd vor Erregung. An ein freundliches Wort zum Gruße dachten beide schon längst nicht mehr. Rudolph begnügte sich mit einem kurzen Gruße, dann wollte er an seinem Vater vorüber nach seinem Zimmer gehen. Aber der alte Herr vertrat ihm den Weg. »Also in zehn Tagen ist die Schwurgerichtsverhandlung«, begann er, und seine bebende Stimme verriet die Gereiztheit, die sein ganzes Wesen beherrschte. »Du, mein Sohn und Erbe, willst es wirklich zum Äußersten kommen lassen, willst das in Ehren grau gewordene Haar deines Vaters schänden, indem du die aussichtslose Verteidigung eines solchen Schurken übernimmst?«

Ein schmerzliches Zucken erschien um die Mundwinkel Rudolphs. »Vater«, bat er in eindringlichem Ton, »ich bin wirklich nicht in der Stimmung, dir jetzt Rede und Antwort zu stehen. Übrigens muss ich dir aufs neue versichern, dass deine Meinung eine irrtümliche ist. Ganz abgesehen von meinem Privatverhältnisse zu Beck und dessen Tochter, ist es meine Pflicht als Rechtsanwalt, dem nach meiner Überzeugung unschuldigen Mann beizuspringen. Ich würde mich einer großen Pflichtverletzung schuldig machen, wenn ich mich jetzt, dicht vor der Entscheidung, zurückziehen wollte, ganz abgesehen davon, dass schon mein Herz mir dies verbietet.«

Der alte Herr zuckte die Achseln, dann wandte er sich und ging heftig erregt im Zimmer auf und nieder. Plötzlich blieb er dicht vor seinem Sohn stehen. »Rudolph!« rief er mit immer wachsender Erbitterung. »Ich habe lange Nachsicht gehabt, weil ich weiß, dass dein Herz mit beteiligt ist, aber ich kann mir nicht denken, dass dir die Wahl schwer werden kann. Hier sind dein in Ehren graugewordener Vater, deine Schwester, dein eigenes Lebensglück, die Aussicht auf eine ehrenvolle Zukunft ,– und dies alles willst du opfern um eines Mädchens willen, das einen Raubmörder zum Vater hat, wegen eines Mädchens, das von dir selbst nichts mehr wissen will, weil sie klüger ist als du, weil sie einsieht, dass auf einer solchen Verbindung kein Segen ruhen kann? Geh, geh, ich muss an deinen gesunden Verstandeskräften zu zweifeln beginnen. Das nenne ich nicht mehr Liebe, das nenne ich verbohrte Hartnäckigkeit!«

»Vater, ich bedaure deine Worte, und du selbst wirst sie noch bedauern«, entgegnete Rudolph mit fester Stimme. »Ganz abgesehen von meiner Liebe zu Hedwig steht mein Vertrauen auf die Unschuld ihres Vaters unerschütterlich fest in meinem Herzen, und so sicher wie ich aller Welt ins Gesicht behaupten würde, sie lüge, falls man dich eines Verbrechens beschuldigen würde, so stolz stehe ich für deinen ehemaligen Freund ein und sage selbst dem eigenen Vater, der an die Schuld des Unglücklichen glaubt: du irrst dich, jener Mann ist unschuldig, und der Tag wird kommen, an dem du deine jetzige Ungerechtigkeit bereust!«

Hoch aufgerichtet, mit stolzer Entschlossenheit in den geistvollen Zügen, stand der junge Rechtsanwalt da. Aber dieser Anblick vermehrte nur noch die Gereiztheit des alten Herrn. Ein finsterer Entschluss zuckte plötzlich in seinen Augen auf. »Gut denn, gut ,–« stieß er hervor. »Geh du deinen Weg, mir aber musst du gestatten, dass ich den meinigen wandle, und damit Gott befohlen.« Mit diesen Worten wandte er sich um und verließ, ohne seinem Sohn noch einen Blick zu gönnen, das Gemach.

Schon eine Viertelstunde später trat er aus dem Hause und eilte durch die herabdunkelnde Nacht raschen Schrittes der inneren Stadt zu. Hedwig Beck erstaunte nicht wenig, als etwa um die achte Abendstunde ihr die Wirtin meldete, dass ein Herr sie in dringlicher Angelegenheit zu sprechen wünsche. Ihr Befremden wuchs noch und verwandelte sich in offenbares Erschrecken, als sie in dem bei ihr Eintretenden Rudolphs Vater erkannte. Eine jähe Blutwelle stieg ihr bis unter die Schläfe und sie schaute verwirrt vor sich nieder. Der alte Herr maß sie mit einem langen, forschenden Blicke, dann musterte er die einfache Einrichtung des Zimmers sowie das schlichte Kleid des verwirrt vor ihm stehenden jungen Mädchens. Fast war es, als ob auf seinen strengen Zügen eine mildere Herzensregung sich kundgeben wollte, als aber sein Blick auf den Goldreifen fiel, der den Ringfinger der linken Hand Hedwigs schmückte und von dem er wusste, dass er das Symbol des abgelegten Treueschwures seines eigenen Sohnes war, verhärteten sich seine Züge sofort wieder.

»Sie sehen mich in einer peinlichen Angelegenheit bei Ihnen erscheinen, Fräulein Beck«, begann er, die Einladung des jungen Mädchens, Platz zu nehmen, überhörend. »Ich will gleich vorausschicken, dass ich nicht im Auftrage meines Sohnes komme, ja, dass dieser nicht einmal weiß, dass ich zu Ihnen gegangen bin. Ich schicke ferner voraus, dass ich Sie nicht kränken und verletzen will, Sie scheinen mir im Gegenteil ein tüchtiges, braves Mädchen zu sein, das ich wegen des Unglückes, das ihr Vater über Sie gebracht hat, aufrichtig bedauere.«

»Aber ich bitte Sie, Herr Wichern, ich verstehe wirklich nicht ,–« unterbrach ihn Hedwig.

»Lassen Sie mich nur ausreden«, fuhr Wichern fort. »Mein Sohn betrachtet sich nach wie vor als Ihren Verlobten, obwohl er weiß, dass ich aus zwingenden, Ihnen jedenfalls bekannten Gründen meine erst erteilte väterliche Erlaubnis zurückziehen musste.«

Das junge Mädchen wurde plötzlich totenbleich im Gesicht. Ihre bis dahin erschreckt dareinschauenden Augen nahmen einen stolzen, selbstbewussten Blick an und sie richtete sich höher auf. »Noch verstehe ich Sie immer nicht recht, Herr Wichern«, sagte sie in leise erzitterndem Ton. »Sie wissen vermutlich, dass ich Rudolph ,– Ihrem Sohn«, verbesserte sie sich gleich darauf, »bereits in der Sterbestunde meiner seligen Mutter sein Wort zurückgegeben habe.«

»Jawohl, das weiß ich. Mein Sohn hat es mir selbst gesagt, aber er sagte mir auch, dass Sie auf sein Drängen und Bitten sich doch entschlossen haben, ihm eine ,– wie soll ich sagen ,– ihm eine gewisse Wartefrist zu stellen. Soviel ich weiß, knüpfte sich Ihre endliche Einwilligung an die Wiederherstellung der Ehre Ihres Vaters.«

Hedwig nickte. »Rudolph bat mich«, versetzte sie, »ich leugne nicht, dass ich ihn lieber habe wie mein eigenes Leben. Auch von ihm weiß ich, dass er alles für mich freudig hingeben würde, darum folgte ich seinen Bitten und willigte ein, obgleich ich kein gedeihliches Ende voraussehe.«

In den bis dahin gefurchten Gesichtszügen des alten Herrn leuchtete es jäh auf. »Das nenne ich ein Wort zur rechten Zeit. Freilich kann ein solches Verhältnis zu keinem gedeihlichen Ende führen. Lassen Sie mich offen reden, ich sehe, ich habe mich nicht getäuscht, Sie sind einem vernünftigen Worte zugänglich. Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, den ich in Ihrem Interesse herbeisehnen möchte, Ihr Vater wird freigesprochen, was folgt daraus? Man hat ihn mangelnder Beweise halber freigesprochen, der Verdacht bleibt aber als ein schmachvoller Fleck auf seiner Ehre Zeit seines Lebens haften ,– den wäscht keine Freisprechung mehr ab. Sie aber sind seine Tochter!«

»Herr Wichern ,–« stammelte das junge Mädchen, tödlich erblassend.

»Lassen Sie mich ausreden. Ich will Sie nicht kränken, ich spreche nur offen zu Ihnen. Sie sehen einen alten, verzweifelten Vater vor sich, der alle Gründe der Vernunft vergebens an seinen Sohn verschwendet hat und nun keinen anderen Ausweg mehr sieht als mit dem Mädchen, um dessen willen sein Sohn Vater, Ehre und Zukunft daran setzen will, sich auseinanderzusetzen.«

»Sie hätten sich diesen Gang ersparen können«, versetzte Hedwig mit tonloser Stimme, während sie den alten Herrn mit einem langen, stolzen Blicke maß. »Ich sagte Ihnen vorhin schon, dass ich mich nicht mehr als die Braut Ihres Herrn Sohnes betrachte. Es wäre nicht nötig gewesen, mir die heutige Demütigung zu bereiten ,– ich trage ohnehin schon schwer genug an meinem unverschuldeten Geschick.«

Andreas Wicherns Stirn rötete sich; die Worte des jungen Mädchens gingen ihm mehr zu Herzen als er sich selbst einzugestehen wagte. »Verstehen Sie mich nicht falsch, liebes Fräulein; ich bedauere herzlich Ihr Missgeschick, aber versetzen Sie sich in meine Lage. Ich bin in Ehren grau geworden, ich habe es zu etwas gebracht, man nennt meinen Namen mit Achtung, jeder Bürgersmann zieht respektvoll den Hut vor mir, und nun soll mit einem Male mein Sohn sich in blinder, unseliger Leidenschaft ,–«

»Kein Wort weiter, Herr Wichern, ich bitte Sie«, rief Hedwig, sich stolz in die Höhe richtend. »Alles das, was Sie mir sagen könnten, habe ich Ihrem Herrn Sohn bereits selbst gesagt; es ist nicht meine Schuld, dass er bei mir auszuharren beschlossen hat. Ich sage Ihnen nochmals, ich bin seine Braut nicht mehr!«

»Aber Sie tragen noch seinen Ring, das Unterpfand seines Treuschwures«, unterbrach sie Wichern zornig, dem die Erkenntnis über die unvorteilhafte Rolle, welche er in den Augen des jungen Mädchens spielen musste, plötzlich gekommen war.

Mit einem müden, glanzlosen Blicke sah Hedwig zu dem blinkenden Goldreifen an ihrem Finger herab, dann schien ein plötzlicher Schauer sie zu überkommen. Mit schnellem Entschlüsse streifte sie den Ring von der Hand und legte ihn vor sich auf den Tisch nieder. »Ich sage Ihnen nochmals, Herr Wichern, Sie hätten mir diese Demütigung ersparen können«, versetzte sie. »Um Ihres Sohnes willen, nicht meinetwegen, duldete ich scheinbar die Fortsetzung unserer Beziehungen. Gott allein weiß es, wie schwer ich gerungen habe die letzten Wochen über. Bitte, bringen Sie diesen Ring Ihrem Sohn, sagen Sie ihm, dass meine letzte Bitte an ihn ist, auch mich vergessen zu wollen. Sagen Sie ihm, dass ich nach Ihren heutigen Worten unter keinen Umständen, es sei denn, dass Sie selbst mich bäten, seine Frau werden könne, sagen Sie ihm auch noch, dass dieser Entschluss ein unabänderlicher ist, so wahr ich selbst dereinst selig zu werden hoffe.«

Die schlichte Seelengröße, die aus den Worten des jungen Mädchens sprach, verwirrte und beschämte Wichern wider seinen eigenen Willen. »Sie müssen doch selbst einsehen, dass ich nicht gut anders handeln konnte«, versetzte er verlegen, »aber wenn Sie wüssten, zu welcher Stätte des Unfriedens mein Haus geworden ist ,–«

»Ich bedauere Ihr Auftreten, aber es ist keine Entschuldigung nötig«, entgegnete Hedwig, ihn kurz unterbrechend. »Unsere Wege scheiden sich für immer. Sagen Sie Ihrem Sohn, dass ich ihm herzlich für alles danke, was er an meinem Vater und mir getan hat und was er Gutes für meinen Vater noch tun wird. Sagen Sie ihm aber auch, dass ich es als bittere, unverdiente Kränkung betrachten würde, wenn er nochmals versuchen sollte, sich mir zu nähern.«

Von Neuem deutete sie auf den Ring, und ihre Haltung war dabei so unnahbar stolz und zugleich entschieden, dass der alte Herr gänzlich verwirrt den Reifen wirklich an sich nahm und, nur noch einen flüchtigen Gruß vor sich hinmurmelnd, aus dem Zimmer ging. Es überkam ihn immer stärker das Bewusstsein, dass er, der an Ehren reiche und auf sein Ansehen so stolze Mann, sowohl in den Augen des jungen Mädchens als auch in den Augen seines eigenen Sohnes eine unwürdige Rolle gespielt hatte.

Was sollte er Rudolph sagen?


 << zurück weiter >>