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Notizen über Leichenverwertung

Als ich vor kurzer Zeit einen Freund besuchte, der in einem sehr bekannten Lederhause in der Hauptstraße beschäftigt ist, wollte es mein gutes Glück, daß ich die Bekanntschaft eines jener Biedermänner machte, die der Schwarm von Reportern sind, – eines Mannes mit vielfältigen und abseitigen Erfahrungen. Dieser Herr war ein englischer Gerber, ein famoser alter Bursche mit einer prachtvollen Muskulatur; er hatte sich in früheren Jahren eines gutes Rufes als Boxer erfreut und wurde nicht müde, über die verschiedenen pugilistischen Stile zu sprechen, die für die berühmtesten Meister der Selbstverteidigungskunst charakteristisch sind. Während wir ihm zusahen, wie er mit außerordentlichem Geschick die mächtigen doppelgriffigen Messer handhabte, die der Gerber zum Glätten faseriger Hautabfälle verwendet, war es ganz natürlich, daß wir ihn nach diesen und jenen interessanten Dingen fragten, die sein Gewerbe berühren; und im Verlaufe des nun folgenden Gesprächs bemerkte er, daß das heikelste Stück Arbeit, das er jemals zu verrichten hatte, das Präparieren einer Menschenhaut gewesen sei. »Ich war ein ganz junger Mensch zu der Zeit,« erzählte er, »und übte mein Gewerbe bei Islington in London aus. Man brachte uns die Haut eines Mörders, die zu garem Leder verarbeitet werden sollte; und alle Burschen, die in dem Haus arbeiteten, rissen sich darum, mitzumachen, – nur um später einmal sagen zu können, sie hätten beim Gerben einer Menschenhaut mitgearbeitet. Es war eine große Haut, denn der Mörder war ein kräftiger Kerl gewesen; aber sie war nicht sehr stark und mußte sehr sorgfältig behandelt werden. Sie gab ein schönes weiches Leder, das eine ganz blasse Farbe hatte; ich glaube, ein Teil davon wurde dann zum Einbinden von Büchern verwendet. Die Ärzte hatten den Körper des Burschen mit Beschlag belegt; und, wenn ich mich recht erinnere, hatten einige von ihnen es sich in den Kopf gesetzt, die Haut gerben und ein paar medizinische Werke damit einbinden zu lassen. Aber die Sache passierte vor siebenunddreißig Jahren, und ich habe total vergessen, warum der Mann gehängt worden war. Natürlich war das Leder sehr dünn und zart; sogar im Bauchstück dünner als Schafshaut, – und das ist gerade das Stück, wo Menschenhaut am dicksten ist, müssen Sie wissen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie es zu etwas anderem als zu Bucheinbänden verwenden konnten, das heißt, wenn sie es nicht vorher zu Pergament umgearbeitet haben. Es war ganz weich und geschmeidig, als wir es fertig hatten.«

Diese kleine Begebenheit beschwor in unserer Erinnerung eine Fülle historischer Reminiszenzen herauf; es wird den Leser vielleicht interessieren, etwas über die verschiedenartigen Methoden zu erfahren, nach denen man seit den ältesten Zeiten die sterblichen Überreste der Menschen nutzbar gemacht hat. Sehr alt ist die frevelhafte Verwendung von Menschenhäuten durch Priester und Magier; und die scheue Verehrung, mit der die meisten alten Völker den Leichnam des Menschen umgaben, ließ sie natürlich die, welche seine Ruhe störten, mit abergläubischer Furcht ansehen. Diese Gefühle wurden bestärkt von den hierophantischen Zauberern und in neuerer Zeit von den Verkündigern der Schwarzen Kunst, die herausfanden, daß das Herumstöbern in stinkenden Beinhäusern ihnen noch mehr Möglichkeiten erschloß, Unwissenheit und Leichtgläubigkeit auszunützen. Die Ärzte wurden in früheren Zeiten halb und halb für Zauberer gehalten, weniger ihrer Heilkunst als ihrer anatomischen Studien wegen.

»Aus Menschenfett hab' ich Kerzen gemacht,
Der Küster ging mir zu Händen;
Hab' das Ungeborne in Flaschen gesetzt,
Hab' um Herzen und Lebern die Gräber verletzt;
Der Küster ging mir zu Händen.«

– sagt Southeys sterbender Arzt in The Surgeons Warning, einer schaurigen Ballade, deren Tenor ganz den Gefühlen entspricht, mit denen noch heute das Landvolk in manchen Gegenden der alten Welt die Mitglieder des Ärztestandes betrachtet. Aber vor allem hielt man den Zauberer des Mittelalters für den kundigen Meister aller teuflischen Künste, denen der menschliche Leichnam dienen kann. Er machte Pergament aus Menschenhaut und Federn aus den Nägeln Toter, magische Charaktere in dickem Blut zu schreiben. Wie es in der Ballade heißt:

»Und das Buch, das am Borde des Tisches lag,
Drin Agrippa selber gelesen am Tag,
Seine Seiten, sie waren von Menschenhaut,
Und die Lettern geschrieben mit Blut.«

Dieser Geist, der alles Tote mit Furcht und Aberglauben umgab, – was den Magiern ihr Handwerk so leicht machte, – er brachte auch grausame Eroberer auf den Gedanken, die Leichen ihrer Opfer zu schänden; und wir finden, daß die zügellosesten und gewalttätigsten Verbrecher gegen die Heiligkeit des Todes immer Eroberer waren. Ein berühmter Tatarenkhan ließ den Leichnam eines gefürchteten Feindes schinden und sich aus der Haut einen Sattel machen. Der Parther Sapor, der bei seinem Sieg über die römische Armee (im Jahre 260 n. Chr.) den Kaiser Valerianus gefangen genommen hatte, hielt ihn zwei Jahre lang in schimpflicher Knechtschaft und tat ihm alle Schmach und Schande an, die auf einen Menschen gehäuft werden kann. Nach dem Tode des unglücklichen Kaisers ließ Sapor dem Leichnam die Haut abziehen und sie kunstvoll ausstopfen – ein scheußliches Siegeszeichen, das viele Jahre lang in einem parthischen Tempel hing. Die Azteken hatten, wenn man Garcilusso de la Vega glauben darf, den Brauch, ihre Gefangenen zu schinden und ihre Haut auf Trommeln zu spannen, die vor der Schlacht mit Macht geschlagen wurden. Dem lag der Glaube zugrunde, die Verwandten der getöteten Gefangenen würden beim Erdonnern dieser schauerlichen Trommeln von Furcht gepackt in wilder Panik fliehen. Zu anderen Malen wurden die Häute der Geschundenen den großen Häuptlingen des Landes geschickt, die sich die blutigen Hüllen umwarfen und Abgaben heischend durch die Straßen zogen; das dauerte so lange, bis die Häute verfaulten und die Träger die Abgaben heiliger Bestimmung zuführten. Im Mittelalter sollen die Türken oft ihre Rundschilde mit Menschenhaut überzogen haben, da sie glaubten, die Schilde seien dann gegen Waffen gefeit; einige Rundschilde dieser Art waren vor Jahren in Bologna ausgestellt. Ein in Menschenhaut gebundenes Buch befindet sich, glauben wir, im Besitze eines Bostoner Herrn. Und bevor wir unsere Aufzeichnungen über die Verwendung von Menschenhaut abschließen, dürfen wir nicht vergessen, den Leser an jenes drollige Testament eines patriotischen Neuengländers zu erinnern (vor nicht langer Zeit war es in fast allen Tageszeitungen veröffentlicht worden), in dem sich eine Verfügung fand, daß seine Leiche geschunden und aus der Haut ein Trommelfell gemacht werden sollte; und darauf sollte an jedem vierten Juli bei Sonnenaufgang im Schatten des Bunker Hill-Denkmals der Yankee Doodle geschlagen werden. Ob die extravaganten Anordnungen dieses Testaments in irgendeinem Teil ausgeführt worden sind, konnten wir nicht in Erfahrung bringen.

Es gibt über jeden Zweifel erhabene Beweise dafür, daß das Fett oder Schmalz toter Menschen in einer ganz entsetzlichen Weise verwertet worden ist, sogar noch in der allerjüngsten Zeit; aber der Ursprung dieses Gebrauchs ist im grauen Altertum zu suchen. Erst vor wenigen Tagen erzählte uns ein Kollege von der Presse, mit dem ich mich über Kerzen aus Menschenfett unterhielt, ein merkwürdiges Erlebnis, das er zu North Vernon in Indiana hatte. Im vorigen Winter hatte er sich eines Nachts in einem kleinen Gasthof in dieser Stadt einquartiert; bevor er zu Bett ging, blieb er noch eine Weile unten in der Schankstube sitzen und wurde so Zeuge einer sonderbaren Unterhaltung zwischen einigen Kostgängern dieses Wirtshauses. Einer von ihnen, ein Hausierer, erzählte seinen Kumpanen, Einbrecher wären einmal in sein Haus eingedrungen, hätten alle Räume ausgeraubt, hätten in der Kammer, wo er mit seiner Frau schlief, sämtliche Schübe erbrochen, seine Kleidungsstücke in ein anderes Zimmer geschleppt, um dort die Taschen umzudrehen und auszuplündern, hätten sogar eine Uhr und einen Revolver unter dem Kopfkissen weggestohlen; sie hätten tatsächlich das ganze Haus systematisch und mit einer geradezu wissenschaftlichen Methodik ausgeräumt, und das alles, ohne daß jemand erwacht wäre. Da er von Natur einen sehr leichten Schlaf habe, sei die ganze Angelegenheit vollkommen rätselhaft, – er jedenfalls könne sie sich nicht erklären. Unter den Zuhörern befand sich ein polnischer Jude, der mit finsterem und widerwärtigem Lächeln einwarf, daß die Erklärung nicht so schwer zu finden sei, – die Räuber hätten gewiß Kerzen aus Leichenfett im Hause angezündet, und der betäubende Rauch dieser Hexenlichte hätte die Schläfer noch tiefer schlafen lassen. Niemand könne sich bewegen oder sprechen in einem Zimmer, in dem solche Kerzen gebrannt würden; aber der Jude kannte – angeblich – nicht das Rezept, nach dem diese Kerzen hergestellt werden.

Nun, so ein Rezept hat Grose gegeben; manche der Leser haben es vielleicht in den Anmerkungen zu Southey's Thalaba gefunden; es ist sehr merkwürdig, und zum Nutzen der Leser, die es noch nicht kennen, will ich es vollständig zitieren:

»Die Hand des Ruhmes«

»Nimm die Hand, die linke oder die rechte, eines Gehängten und an der Heerstraße zur Schau Gestellten; schlage sie in ein Stück von einem Leichentuch oder einem Sterbehemd ein, drücke sie darin gut aus, um auch die kleinste Menge Blutes herauszupressen, die etwa zurückgeblieben sein könnte; dann gib sie in ein irden Gefäß, schütte Zimatsalpeter, Salz und Pfeffer, alles fein zerrieben, darüber; lasse sie vierzehn Tage in diesem Gefäß; dann nimm sie heraus und setze sie der mittäglichen Sonne in den Hundstagen aus, bis sie trocken ist, und wenn die Sonne nicht ausreicht, stecke sie in einen Ofen, der mit Farn und Eisenkraut geheizt ist. Dann mache eine Art Kerze aus dem Fett eines Gehängten, Jungfernwachs und Sesam von Lappland. Die Hand des Ruhmes wird als Leuchter gebraucht, der die Kerze trägt, wenn sie angezündet ist. Ihre Eigenschaft aber besteht darin, daß, wohin immer dieses schreckliche Instrumentum von jemandem gebracht wird, jedermann, so davon angeschienen wird, allen Vermögens, sich zu bewegen, verlustig geht.«

Dieser Aberglaube soll in Spanien, Frankreich und Deutschland blühen. Aber wenn die Tür einer Wohnung, heißt es, mit einer Mixtur bestrichen wird, die »aus der Galle einer schwarzen Katze, dem Fett einer weißen Henne und dem Blut einer Schleiereule« bereitet ist, verliert die Kerze aus Leichenfett ihre Kraft. Der Geschichtsschreiber Torquemada berichtet, daß die mexikanischen Diebe einen ähnlichen Zauber auf ihren Einbruchsexpeditionen verwandten. Sie nahmen den linken Arm einer Frau, die in ihrem ersten Kindbett gestorben war, und schlugen damit einmal auf den Boden vor dem Hause, das zu berauben sie vorhatten, zweimal an das Tor und dreimal auf die Schwelle. Die Insassen der Wohnung sollten dadurch in Zauberschlaf versenkt werden. Salben aus Menschenfett waren den mittelalterlichen Meistern der Zauberkunst wohlbekannt.

Totenschädel sind zu allen Zeiten für die verschiedensten profanen Zwecke verwandt worden. Nach Hippokrates haben die wilden Skythen ihre Feinde nicht nur skalpiert, sie haben auch ihre Schädel zu Trinkgefäßen verwendet; und diese Gefäße waren nicht in Silber gefaßt wie Byrons berühmter Becher. Hauptsächlich aber wurden Schädel als Tempelschmuck und als Triumphzeichen bei Siegesfeiern gebraucht. Jeder Student der Geschichte weiß, wie Tamerlan den Weg seiner Eroberungszüge mit Schädelpyramiden markierte; wie er auf den Ruinen Bagdads einen Turm aus neunzigtausend Schädeln und in der Stadt Ispahan eine Pyramide aus siebzigtausend errichtete; und wie nach der Eroberung einer kleinen Stadt, die sich mit beispiellosem Mut verteidigt hatte, nicht genügend Köpfe da waren, um das scheußliche Siegesmonument bis zu seiner gewöhnlichen Höhe zu führen; – so daß man Lagen aus nassem Lehm zwischen die Reihen blutiger Schädel legen mußte. Der große Teocalli (oder Tempel) von Quetzalcoatl in Mexiko war in den Tagen der Aztekenherrlichkeit mit einem riesigen hölzernen Fachwerk geschmückt, in dem die Schädel der auf dem Altar des Kriegsgottes geschlachteten Opfer aufgereiht waren. Einer der spanischen Soldaten Cortez', der sich die Mühe genommen hatte, diese schrecklichen Trophäen abzuzählen, versicherte, daß es über hundertdreißigtausend gewesen seien. Einige monströse Gottheiten der Hindumythologie tragen Halsbänder aus Schädeln; und in vielen Tempeln Ozeaniens wurden die Schädel der Gefangenen, deren Fleisch ihren Überwindern ein Triumphmahl geliefert hatte, an den Altären der Kannibalengötter aufgehängt oder den grotesken und scheußlichen Götzenbildern zu Füßen gelegt. Die Aschantis nahmen die Schädel der geschlachteten Gefangenen, um die große Kriegstrommel des Stammes im Koomassee zu verzieren; als Sir Charles McCarthy, der unglückliche englische Offizier, der gelegentlich einer schlecht vorbereiteten und vom Unheil verfolgten Expedition gegen die Aschantis zu Grunde ging, zum Prahfluß aufbrach, sandte ihm der schwarze König Botschaft, er hoffe, bald sein Haupt an der großen Kriegstrommel der Aschantis aufzuhängen. Und als die englische Streitmacht massakriert war, wurde Sir Charles McCarthy' Herz von den wilden Eingeborenen verzehrt, seine Gebeine wurden nach Koomassee gebracht, und sein Kopf schmückte lange Zeit die große Trommel.

Menschenhirne wurden zu allen Zeiten von Kannibalen als große Delikatesse geschätzt; aber sie wurden auch anders verwertet. Aus einer sehr merkwürdigen und seltsamen irischen Geschichte, die mir durch einen glücklichen Zufall in die Hände geriet, erfahren wir, daß im Altertum manche Häuptlinge der keltischen Stämme aus den Gehirnen ihrer Feinde tatsächlich furchtbare Angriffswaffen machten. Die Gehirne wurden durch einen eigentümlichen Prozeß, der ohne Formveränderung petrifizierte, hart wie Kalkstein gemacht; die so präparierten Hirnknäuel wurden an starken Lederriemen befestigt und mit tödlicher Wirkung als Wurfgeschosse verwandt. Das Gemetzel, welches die wilden Irenhäuptlinge mit diesen Hirnschleudern anrichteten, schildert die erwähnte Sagenchronik mit grausamer Lebendigkeit.

Menschenknochen aber müssen weitaus öfter zur Verfertigung tödlicher Waffen gedient haben als Menschenhirne. Ob Schenkelknochen je zu Keulen verarbeitet worden sind, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden; aber es erscheint nicht sehr wahrscheinlich, daß irgendein Teil des menschlichen Knochengerüsts stark und schwer genug ist, Zwecke dieser Art zu erfüllen, besonders im Wettbewerb mit kräftigerem und dauerhafterem Material. Als Speerspitzen jedoch und Widerhakenträger an Pfeilen werden Menschenknochen von wilden Stämmen häufig verwendet. Vor einigen Jahren wurden mir in einer Privatsammlung in Bangor, North Wales, einige schön gearbeitete Lanzen und Wurfspeere von verschiedenen Südseeinseln gezeigt, die zum Teil (so wurde ich belehrt) mit Widerhaken aus Splittern von Menschenknochen versehen waren. Diese Splitter waren kunstvoll mit dem Schnitzmesser hergerichtet, und auf beiden Seiten waren mit Sorgfalt Widerhäkchen wie Zähne einer winzigen Säge herausgefeilt. Eine sechzehn Fuß lange Lanze war eines der interessantesten Stücke in der Sammlung. Sie hatte einen langen Schaft aus elastischem schwarzem Holz, poliert wie Ebenholz, und in der Länge eines Fußes von der Spitze an war sie vierkantig, um vier Reihen von Widerhaken Raum zu geben. Nicht weniger als hundert Widerhaken, größtenteils aus Haifischzähnen, waren mit starken Schnüren daran befestigt; und der lange gezackte Knochensplitter, der die Spitze der schrecklichen Waffe bildete, stammte von einem Menschenopfer. Schnitzereien aus Menschenknochen sind, soviel ich weiß, öfters in Museen ausgestellt gewesen.

Aber nicht nur von Wilden allein wurden Menschenknochen zu Geräten aller Art verarbeitet. Die Geschicklichkeit der Kapuzinermönche in dieser unheimlichen Kunst ist wohlbekannt. Fast jeder belesene Mensch weiß etwas von dem Kloster bei Palermo, wo alle Leichname der toten Mitglieder des Kapuzinerordens mit Kutte, Kapuze und Kordel in Nischen stehen; wo gewisse Kammern mit gespenstischen Gebilden aus Knochen und Schädeln geschmückt, und wo viele Möbelstücke, Tische, Sessel und Stühle, aus Bruchstücken von Skeletten verfertigt sind.

Die Knochen in der Schlacht erschlagener Soldaten dienten oft pietätlosen Bauern zum Düngen ihrer Felder oder zu anderen profanen Zwecken. Man sagt das auch von den Gebeinen der Teutonen, die im Kampf gegen die Legionen des Marius fielen, in der Gegend, wo heute Aix in der Provence liegt; und nach Ampère sind noch bis jetzt Spuren dieses ungeheueren Gemetzels zu sehen. Der Ort hieß jahrelang Fäulnisstätte, und der Name des Fleckens La Pourrière ist angeblich verdorben aus la pourriture (Fäulnis). Es heißt auch, daß die Knochenreste der 140 000 Cimbern, die auf den Raudianischen Gefilden, in der Nähe des heutigen Verciale in Piemont, erschlagen wurden, lange zur Einzäunung von Gehöften genommen wurden.

Der unerhörteste und weitaus schrecklichste Gebrauch aber, der je von Skeletten gemacht wurde, ist die Herstellung menschlicher Nahrung. Das berühmteste überlieferte Beispiel dieses ghulischen Kannibalismus bietet, glaube ich, die Geschichte der sechsten Belagerung von Paris, nach der Ermordung Heinrichs IV. durch einen Mönch, der sich in die Reihen der Belagerer eingeschlichen hatte. Der Kampf wurde mit all dem Fanatismus und all der Wildheit geführt, die einem Religionskrieg eigentümlich sind; die Belagerung zog sich fünf Jahre lang hin, und Tausende und aber Tausende der Einwohner von Paris wurden von der Hungersnot dahingerafft. Heinrich von Navarra schnitt schließlich der unglücklichen Stadt auch die letzte Zufuhr durch vollständige Einkreisung ab; aber der Fanatismus der katholischen Liga zog die Belagerung in die Länge, auch als jeder Widerstand schon längst aussichtslos geworden war. Baumrinde, Gras, Tierfelle, Ratten und sogar Leder von alten Schuhen wurden zu phantastischen Preisen verkauft und von den verhungernden Belagerten gierig verschlungen. Alle Greuel der letzten Tage Jerusalems spielten sich noch einmal ab. Wie in den Tagen des Titus fraßen Mütter das Fleisch ihrer Kinder; die Leichen auf den Straßen wurden von der Menge der Dahinsiechenden, die in ihrem wütenden Hunger zu Hyänen wurden, zerrissen und verschlungen; und Wölfe strichen auf den öffentlichen Wegen der Stadt umher. Da riet der spanische Gesandte der Liga, man sollte die Gebeine der Toten in den öffentlichen Friedhöfen ausgraben, zu Knochenmehl vermahlen und damit Brot backen. Die Gräber gaben ihre Toten her, der Friede der Ruhestätten wurde entweiht, und die Würmer wurden ihrer Nahrung beraubt. Man buk das schreckliche Brot, verteilte es, und hastig wurde es verschlungen; aber alle, die davon aßen, wurden von fremdartigen und scheußlichen Krankheiten befallen, von denen man vorher nie etwas gehört hatte, und die kein Arzt heilen konnte.

Diese Art der Verwendung von Menschenknochen erinnert an einen Brauch gewisser Indianerstämme in Peru und in Guatemala; wenn sie die Leiber ihrer Kaziken auf einem Scheiterhaufen verbrannt haben, vermischen sie die heilige Asche mit Wasser und trinken sie. An Beispielen, daß treue Witwen die Asche ihrer toten Gatten trinken, fehlt es in der Geschichte nicht. Pulverisierte Schädel wurden im Mittelalter von Ärzten als Medikamente verordnet. In derselben Sammlung merkwürdiger Geheimmittel lesen wir, daß »die Knochen eines jungen Mannes, der noch nicht länger als ein Jahr tot ist« als Wundermedizin empfohlen werden.

Alles das bringt uns natürlich auf das uralte Thema des Kannibalismus, in dem Knochen, Blut, Hirn und Mark eine große Rolle spielen. Wir wissen nichts Zuverlässiges über die Anthropophagen der Antike, über die Menschen, denen der Kopf unterhalb der Schultern hervorwuchs, und über die menschenfressenden Ungeheuer der Mythologie. Aber jeder Schuljunge hat etwas über den Kannibalismus der Kariben und über die Anthropophagen der Südseeinseln gelesen; über die Unmenschen, die den Kapitän Cook fraßen, weil er einen schimpflichen Mangel an Ehrerbietung gegen ihre Götzen zur Schau getragen hatte, und über die wilden Fidschiinsulaner, die einen Katalog aus Steinreihen über die Opfer führen, deren Fleisch sie verzehrt haben. Ein kürzlich heimgekehrter Reisender erzählt, ein junger Häuptling habe ihm eine kolossale Reihe riesiger Steine gezeigt und ihm dazu gesagt, daß sein Vater so viel Menschen gegessen habe, als Steine in der Reihe seien; darauf machte sich der Reisende die Mühe, die Steine zu zählen, und fand ihrer mehr als fünfhundert. Viele berühmte Kannibalenhäuptlinge von den Fidschiinseln sind an Krankheiten gestorben, die sie sich durch den Genuß von Menschenfleisch zugezogen haben sollen; dieses ist, wie alle Kannibalen übereinstimmend aussagen, im Geschmack gutem Schweinefleisch sehr ähnlich, hat aber böse Wirkungen auf den Verdauungsapparat zur Folge. Im ersten Band seines Werks über den » Ursprung der Religionen« nennt Baring-Gould, wenn ich mich recht erinnere, den Kannibalismus ein notwendiges Übel. Er behauptet – und belegt es auch mit wissenschaftlich guten Gründen –, daß der Mensch von Natur aus ein Fleischfresser sei, und da auf den Südseeinseln Säugetiere nicht heimisch seien – auch das Schwein ist ja erst eingeführt worden –, hätte das Aussterben der eingeborenen Rassen nur durch den Kannibalismus verhindert werden können. Das klingt sehr schön, aber andere Autoren von großem Ansehen führen die zahllosen scheußlichen und unheilbaren Krankheiten, von denen die heute lebenden Rassen heimgesucht werden, auf den Genuß von Menschenfleisch zurück. Aber wenn auch in einzelnen Fällen der Kannibalismus sehr widerwärtige Begleiterscheinungen im Gefolge hatte, so muß doch anerkannt werden, daß in der Mehrzahl der Fälle die Menschenfresser der Südseeinseln bei ihrer unheimlichen Diät sehr wohl gediehen. Die Einwohner Tahitis, Neuseelands, Tongas, der Fidschiinseln, Neukaledoniens und andere Stämme sind wegen der Schönheit ihres Körperbaus bekannt; und Lepra und Aussatz, die unter einigen der ozeanischen Rassen herrschen, sind nicht auf den Kannibalismus zurückzuführen – im Gegenteil, diese Krankheiten haben sich weiter ausgebreitet und sind gefährlicher geworden in den Gegenden, in welchen die Zivilisation den Kannibalismus ausgerottet hat. Bei manchen afrikanischen Menschenfresserstämmen, bei denen Menschenfleisch angeblich in Fleischerläden verkauft wird, scheinen Aussatz und die anderen seltsamen Krankheiten ähnlicher Art völlig unbekannt zu sein. Der Brauch, Menschenfleisch zu essen, ist nicht ausschließlich ein barbarischer – im buchstäblichen Sinne des Wortes –, denn ein so hochkultiviertes Volk wie die Azteken scheinen ihm angehangen zu haben. Teile von den Leibern ihrer geopferten Gefangenen wurden immer unter hierophantischen Zeremonien und Feierlichkeiten von den Verehrern Quetzalcoatls verzehrt. Die mexikanischen Priester pflegten auch zu gewissen Anlässen einen Teig aus Maismehl und Menschenblut zu einem Götzenbild zu kneten, das zu essen ein Opferritus war – etwa in der Art der römisch-katholischen Kommunion. Die Herzen von Opfern wurden oft von den Priestern gegessen, die sie, noch schlagend, aus der Brust der Gefangenen rissen. Beispiele von Kannibalismus in noch höher zivilisierten Gemeinschaften sind nicht unbekannt, auch in neuerer Zeit; gewöhnlich hat er seinen Ursprung im Ausbruch von Geisteskrankheiten; manchmal ist er auf eine monströse Neugier zurückzuführen, wie in dem Fall des englischen Studenten, der von einer Leiche im Seziersaal sich ein Stück Fleisch abschnitt, es kochte und aß.

Erzwungener Kannibalismus wurde im Mittelalter gern als Tortur verhängt. Als Georg Dozsa, der Anführer der ungarischen Bauernrevolte gegen die magyarischen Magnaten, besiegt und gefangen genommen war, wurde ihm laut ordentlichem Urteil das Fleisch mit rotglühenden Zangen von den Knochen gerissen; und viele seiner Anhänger, denen man vorsätzlich einige Tage lang keine Nahrung verabreicht hatte, wurden gezwungen, davon zu essen. Es gibt in der Geschichte noch viel entsetzlichere Fälle von aufgezwungenem Kannibalismus – so wurden zum Beispiel Gefangene durch die Folter dazu gepreßt, Stücke ihres eigenen Fleisches zu essen. In einem sehr gescheiten Artikel im Cornhill wird erzählt, daß noch vor zweihundert Jahren ein königlich englischer Arzt den Kannibalismus empfahl. In den Werken dieses Arztes findet sich ein Rezept für eine »Mumienessenz«, die aus dem Lendenfleisch »eines gesunden Jünglings, der um die Mitte des August eines natürlichen Todes gestorben ist«, bereitet werden soll; diese »Mumienessenz« mußte mit Weingeist und Salz gegessen werden; noch ein Rezept ist da für eine famose tonische Medizin, zu bereiten aus dem Blut eines Jünglings, der im Frühjahr gestorben ist.

Die Sitte, Tiere mit Menschenfleisch zu füttern, war im Altertum sehr verbreitet – wir brauchen uns nicht mit Erzählungen aufzuhalten über die Art, wie die wilden Tiere in den römischen Amphitheatern ernährt wurden. Aber eine Caligula-Anekdote, die wir den kaiserlichen Geschichtschreibern verdanken, wird in diesem Zusammenhang vielleicht interessieren. Die für die öffentlichen Spiele gehaltenen wilden Tiere mußten aus irgendeinem Anlaß Futter haben, und der Kaiser wurde pflichtgemäß davon in Kenntnis gesetzt. Er besichtigte gleich die benachbarten Gefängnisse und ordnete an, die Gefangenen draußen antreten zu lassen. Zwei kahlköpfige Männer standen in der Reihe. Das Scheusal rief: »Abzählen, von dem Kahlkopf da bis zu dem dort!« und alle, die in diesem Abschnitt des Jammerzuges standen, wurden in der Arena den hungrigen Löwen und Leoparden als lebendiges Futter vorgeworfen. Dabei waren die wenigsten dieser Leute durch ein Gericht verurteilt, sie warteten auf die Untersuchung ihrer geringfügigen Vergehen.

Die klassische Mythologie erzählt uns von einem König, der seine Pferde mit Menschenfleisch fütterte, und es gibt Berichte über teuflische Radschas, die ihre Elefanten zum Fressen von Menschenfleisch abrichteten. Bei den Azteken gab man die Leichen der in den Teocallis Geopferten, nachdem die Häute abgezogen und die Leckerbissen beiseite gelegt waren, wilden Tieren zum Fraß, die innerhalb der Tempeleinfriedungen gehalten wurden. Bernal Diaz behauptet, daß die Mexikaner nicht nur Panther und andere wilde Tiere mit den Überbleibseln fütterten, sondern auch Schlangen, »die am Schwanz etwas hatten, was ein Geräusch wie Mohrenklappern erzeugte«, und deren Zischen »einen an die Hölle denken machte«. Diese Bestien und Reptile scheinen zu ähnlichen Zwecken in der Nähe der Teocallis gehalten worden zu sein wie bei uns die Schweine in den Schlächtereien.

Unter allen Gewalttätern, die jemals gelebt haben, war es wohl Tamerlan, der die grauenhafteste und unnatürlichste Verachtung des Menschenleibes zeigte. Von seinen Schädelpyramiden und Türmen ist bereits berichtet worden; aber es scheint, daß er gelegentlich die Monotonie seines architektonischen Stils durch andere Grausamkeiten variierte. Als seine unzählbaren Horden die Provinz Khorassan erobert hatten, wurde die Besatzung der rebellischen Stadt Sebsewar – nach einigen zweitausend, nach anderen zehntausend Mann – auf eine ganz außergewöhnliche und scheußliche Weise hingerichtet. Die Gefangenen wurden an Händen und Füßen gefesselt, und ihre lebendigen Körper auf der Stelle mit Mörtel zu einer Mauer verbunden, wie man beim Bauen Stein mit Stein verkittet. In der Geschichte der Ordensritter findet sich ein Bericht über eine lebende Brücke, oder besser einen Damm aus Menschenleibern, der auf eine nicht weniger schreckliche Art errichtet ward als die grausigen Wälle Tamerlans – mit dem Unterschied freilich, daß es sich in diesem Falle um eine freiwillige Aufopferung handelte. Während der Belagerung von Akkon, das die Johanniter (kurz vor ihrer Vertreibung aus Palästina) gegen die Sarazenen verteidigten, hatten die Angreifer eines Tages eine Bresche in die Mauer gelegt; aber der Hagel der von den Wällen geschleuderten Wurfgeschosse machte es nahezu unmöglich, den tiefen Graben davor auszufüllen. In diesem entscheidenden Augenblick, heißt es, stürzte eine Schar fanatischer Moslems, gehorsam ihrem Führer, in den gähnenden Abgrund – ein Heer von Curtiussen – und über diesen Weg aus lebendigem Fleisch und Gebein gingen die Angreifer zum Sturme vor. Aber diese Anekdote ist ebensowenig wahrscheinlich wie die bekannte Geschichte von den Kreuzfahrern, die nach der Erstürmung Jerusalems bis an das Zaumzeug ihrer Pferde im Blute ritten.

Menschenblut ist auf die verschiedensten und merkwürdigsten Arten verwandt worden – wilde Seeräuber färbten sich die Kleider damit, um sich so ein furchterweckendes Aussehen zu geben, öfters wurde es getrunken, ja, auch von Bädern in Menschenblut wird erzählt. Bei den antiken Zauberriten waren Tränke aus Menschenblut nichts Seltenes. Die vielen Geschichten, die über den Kannibalismus der Sansculotten in der großen französischen Revolution im Umlauf sind, enthalten einige interessante Beispiele von Bluttrinken – so unter anderem die Erzählung von einer jungen Dame, die das Leben ihres Vaters rettete, indem sie ein Glas »Aristokratenblut« trank. Allgemein bekannt ist die Geschichte von der Rache der Königin Thomyris. Das widernatürlichste aller menschlichen Scheusale, Gilles de Retz, soll sich gelegentlich an Bädern in Menschenblut erlabt haben. De Retz, der im fünfzehnten Jahrhundert seine gute Zeit erlebte, wurde 1440 hingerichtet. Er war ein reicher und mächtiger Edelmann, hatte unter der Jungfrau von Orleans gekämpft, der Krönung Karls II. beigewohnt und war für seine Kriegsdienste mit dem Marschallstab belohnt worden. Die fürchterlichen Verbrechen, welche er beging, hatten zum großen Teil ihre Ursache in seinem Glauben an Zauberei; aber einige seiner Scheußlichkeiten konnten nicht einmal auf diese jämmerliche Entschuldigung Anspruch machen. Man wurde aufmerksam, als Landleute aus der Umgebung seines Schlosses, in der Gegend von Nantes, Klagen laut werden ließen; die Bauern, denen von Zeit zu Zeit Kinder geraubt wurden, hatten den Verdacht, daß de Retz bei diesen Entführungen seine Hand im Spiele habe. Eine Untersuchung der Kellergewölbe im Schlosse hatte das Ergebnis, daß man verbrannte Knochen von nicht weniger als hundertundvierzig Kindern fand, die von ihm, wie er später gestand, zu Tode gemartert worden waren, grausam, mit unnatürlicher Wollust und unter Greueln, die sich jeder Schilderung entziehen. In Anbetracht seines hohen Ranges wurde die vom Gesetz vorgesehene Todesart, das Verbrennen am Pfahle, für ihn abgeändert in den Tod durch Erdrosseln, und sein Leichnam erhielt ein ehrenvolles Begräbnis. Wie unsere modernen Verbrecher verlieh de Retz dem festen Glauben Ausdruck, daß er in die ewige Seligkeit eingehen werde.

In dieser kleinen Studie über Schändung des menschlichen Körpers darf nicht zu erwähnen verabsäumt werden, daß die Türken während der Belagerung von Malta häufig Gefangene enthaupteten und ihre Schädel aus Kanonen in die Stadt schossen; auch nicht, daß La Valette, der Großmeister der Malteserritter, dieses Kompliment erwiderte, indem er seine Kanonen mit den Köpfen einiger gefangenen Moslems lud.

Es ist kaum nötig, in diesem Zusammenhang über den abergläubischen Unfug zu berichten, der mit Kindernetzhäutchen getrieben wird (die übrigens öfters in den Inseratenspalten der London Times zum Verkauf angeboten werden); oder über die pietätlose Verwendung von menschlichem Haar und Zähnen in neuester Zeit – im Friseurgewerbe und in der Zahnheilkunde. Erwähnenswert aber ist, daß im Altertum vielfach Bogensehnen aus Menschenhaar geflochten wurden; und in der skandinavischen Mythologie sind manche merkwürdigen Sagen enthalten, in denen die Finger- und Zehennägel Toter eine Rolle spielen. Die ältere Edda lehrte: wenn Ragnarök, die furchtbare Götterdämmerung, kommt, wenn die Ungeheuer sich losreißen, wenn die erdumspannende Schlange aus der See emportaucht; wenn –

Die Steinberge stürzen,
Hel schlingt die Menschen,
Es straucheln die Riesinnen;
Der Himmel birst;

– dann wird von Norden her das Gespensterschiff Naglfar herabsegeln, gesteuert von dem Riesen Hrym und bemannt von den Ungeheuern Hrymthyrsar. Die See wird so hoch gehen, daß nur ein Zauberschiff auf ihr schwimmen kann; und das Schiff Naglfar wird ein Zauberschiff sein, ganz und gar aus den Nägeln toter Menschen gemacht. Da die Ankunft von Naglfar den Äsirgöttern Unheil verkündet, war es lange ein religiöser Brauch der Norsen, sich die Nägel ganz kurz zu schneiden, um möglichst wenig Material zum Bau des Zauberschiffes beizutragen und auf diese Weise sein Erscheinen hinauszuschieben.

Die albernste Profanierung des menschlichen Leichnams bringt vielleicht die moderne Verwendung der ägyptischen Mumien als Feuerholz zuwege. Die armen Mumien sollen gut brennen, wohl weil sie durch und durch trocken und von den Einbalsamierern mit harzhaltigen Substanzen imprägniert sind. Die Kreaturen aber, die es wagen, die Mumien auf ihren Feuerplätzen zu verbrennen, müssen sehr skeptisch über die eigene Zukunft denken.

Von der Herstellung von Möbelstücken aus Skeletten ist schon gesprochen worden, aber es muß noch auf die unheimliche Kunst eines italienischen Erfinders aufmerksam gemacht werden, der erst vor wenigen Jahren vorschlug, Tischplatten, Waschtischtafeln usw. aus Menschenfleisch zu fabrizieren, und der auch tatsächlich Muster für diesen Gewerbezweig ausstellte. Der Mann scheint ein Verfahren entdeckt zu haben, durch welches Körper auf eine Weise versteinert werden können, daß das Fleisch eine schöne Politur annimmt; er stellte kleine, aus Eingeweiden gemachte Tische aus, die so poliert waren, daß man die Windungen, ja sogar die Struktur der Eingeweide sehen konnte. Wenigstens erzählt man sich das. Der Erfinder schlug vor, die Leichen großer Männer auszusuchen, sie zu versteinern, zu polieren, auf Piedestale zu stellen und so einen Zweig der Bildhauerei aus dem Markt zu drängen. Es heißt, daß die Regierung sich weigerte, ihn zu unterstützen und ihm die verlangten Privilegien und Patente zu gewähren; daß er vor Kummer starb, und daß sein Geheimnis mit ihm dahinging. Aber vielleicht ist die ganze Geschichte nur eine gute Ente.

Es ist allgemein bekannt, daß Studenten der Medizin nicht den geringsten Respekt vor der Heiligkeit des Grabes und des ewigen Schlafes haben; daß sie nie zögern, wenn es gilt, ein Grab zu plündern; daß sie bis zu 45 Dollars für Leichen zahlen, die ihnen von gewerbsmäßigen Ghuls gebracht werden; daß sie sich in ihren Sezierräumen oft damit unterhalten, einander Stücke von Leichen an den Kopf zu werfen, und daß die allerjüngsten Knochensäger einen grinsenden Totenschädel oder ein phantastisches Skelett in ihren privaten Studierzimmern haben. Aber es ist vielleicht weniger bekannt, daß das Reinigen, Bleichen und Herrichten von Skeletten für medizinische Museen ein selbständiges Gewerbe ist, mit dem in manchen Städten ein schönes Stück Geld verdient wird. Wenn die Knochen mit dem Seziermesser vollständig von Fleisch gesäubert sind, werden sie in einen großen Kessel geworfen und darin zehn bis zwölf Stunden lang gekocht. Dieser Prozeß entfernt beträchtliche Mengen von Fett und Fleisch, an die das Messer nicht heran konnte; aber die Knochen sind noch keineswegs fertig für die Gelenkverbindung. Sie würden in kurzer Zeit ganz entsetzlich zu riechen anfangen. Das Kochen kann die Fette und Öle, welche die Knochengewebe selbst durchdringen, nicht vollständig herausziehen. Deshalb wird das gekochte Skelett, Glied für Glied, in ein großes Faß oder einen großen Bottich gelegt, darüber wird so viel Wasser gegossen, daß alles bedeckt ist, und dann wird das Ganze gut zugedeckt. So läßt man die Knochen eine Zeit, die je nachdem sechs Monate bis ein Jahr dauert, weichen. Dieser Prozeß wird »Mazerieren« genannt, und gewöhnlich genügt er, um auch das letzte Partikelchen Fett aus dem Skelett zu ziehen. Die Dauer der Mazeration scheint sehr vom Alter der Knochen abzuhängen; die von jungen Personen, insbesondere von Frauen und Kindern, erfordern ein sechs Monate langes Mazerieren, die von alten Leuten aber sind oft sehr fetthaltig und brauchen viel länger. Wenn die sechs Monate oder das Jahr um sind, werden die Knochen aus den Fässern genommen. Sie sind dann schwarz wie Kohle und mit einer öligen und rußartigen Ablagerung bedeckt, die durch den Mazerationsprozeß extrahiert ist. Sie wird durch Scheuern mit einer feinen Bürste entfernt, und die Knochen werden zum Bleichen in die Sonne gelegt. Zuerst schmutzig gelb, werden sie allmählich weiß; dann sind sie fertig zum Verbinden und werden mit Drähten aneinander befestigt.


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