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Subhadra

O Du kreolisches Zuckerrohr, von alters her verwandt den zuckerhaltigen Gräsern des fernsten Indiens, hast Du keine buddhistische Erinnerungen an eine Präexistenz? Denn aus einem Rohr Dir gleich entsprang, vor vielen Kalpas, der Erste dieses erlauchten Stammes von Königen, die Suryavansa genannt wurden, – die Sonnentsprossenen, – deren Geschlecht auch die Mutter Buddhas entstammte … Dies nun ist die Legende, die in dem fünften Kiouen des Fu-pen-hing-sti-King erzählt ist; sie enthält 7978 Worte im Chinesischen, – die Kosten, sie in gutes Holz zu schneiden, betrugen 3487 Taels …

… Als Mahakusa, der letzte König aus Makadevas Stamm, der zu Mithila regierte, die Narrheit aller Lust und die Eitelkeit allen Scheines erkannt hatte, übergab er den Thron an seine Minister – denn er hatte keine Nachkommenschaft – und ward Einsiedler. Und in der Wildnis sich bergend, übte er eifrig die acht Mittel, die der Weg zur Nirvikalpaka-Betrachtung sind; sogar das Atmen versagte er sich, – so daß er die fünf übernatürlichen Kräfte bekam und ein Rishi wurde. Nachdem er viele Jahre in der Einsamkeit gelebt hatte, verließen ihn nach und nach Stimme, Gesicht und Gehör und alle Sinne seines Leibes, – so daß er den Adlern des Himmels und dem wilden Getier des Dschungels nicht als ein Mensch, sondern als ein lebloses Bildnis erschien, weiß von Alter, wie die Bildsäulen vergessener Götter vom Staub der Jahrhunderte ergrauen. Aber in der stummen und bewegungslosen Fleischstatue leuchtete heller denn ein Stern die Flamme geistigen Wissens, – die Erkenntnis des » Einen Dinges«.

Da nun seine früheren Jünger alt geworden waren und sich mit diesem und jenem zu versehen begehrten, was nur in großer Ferne erhältlich war, fürchteten sie, daß in ihrer Abwesenheit der heilige Rishi noch einmal aus seinem geistigen Schlaf erwachen könnte, bevor er in den überirdischen Himmel einging, – und daß die wilden Vögel und Tiere ihn verschlängen, wenn sie ihn sich bewegen sähen. Deshalb verfertigten sie einen großen, mit den weichesten Gräsern ausgefütterten Korb, setzten den Rishi hinein und hingen ihn an einen nahen Baum, wie eine Puppe, die am Silber ihrer eigenen Seide hängt. Dann gingen sie alle weg. Aber wehe! Während sie fort waren, kam ein Jäger auf seiner Wanderung mitten in die Einsamkeit, und da er den Korb von weitem gleich einem großen weißen Vogel schweben sah, durchschoß er, was er in seiner Torheit für einen Vogel hielt, mit dem Pfeil. So entfloh nun des Rishis Seele aus seinem Leibe; und seine Getreuen fanden ihn bei ihrer Rückkehr tot. Von jeder Seite des Korbes träufelte langsam ein Blutstropfen herab und fiel zu Boden, und die kleinen Flecken auf dem Grün glichen Rubinen. Dann errichteten die Jünger einen Scheiterhaufen und verbrannten den heiligen Leib, daß seine Elemente schneller sich den Elementen des Alls vereinten, – dem Licht der Sonne, dem Blau des Himmels, dem Smaragd der Pflanzen, dem Duft der Blumen, den kleinen Wellen der Gewässer und dem Atem der Bergwinde.

 

Als aber der Sommer süß war vom Dufte der Madhavikablumen, und die Luft erfüllt war vom balsamischen Hauch der Malkas; – als die Wasser warm wurden wie Fleisch, und die Luft wie eine Harfe erzitterte unter dem Gesumm der unzähligen Bienen; als die Schlangen ihre Löcher in den wohlriechenden Sandoribäumen verließen, um in runden Guirlanden an den Zweigen zu hängen, – um diese Zeit gewahrten die Jünger etwas Wunderbares. Denn der vom Blut des heiligen Königs benetzten Erde entsprangen zwei wundersame Rohrschößlinge, erst grün wie Smaragd, dann rosa, tiefer werdend bis zur Farbe geküßter Lippen. Schlank wie die Palmen wuchsen sie, anmutig wie die tanzenden Mädchen der Stadt Hastinapoura, – der Stadt des weißen Elefanten, und ihre schlanken Stengel begannen seltsam zu schwellen.

… Und alsbald zeichneten sich in dem einen der Triebe die Linien eines schönen Leibes ab, eines Mädchenleibes – im Stengel entstanden wie ein Schmetterling in seiner Puppe; allein ihre Schenkel und ihre Füße waren gekreuzt wie die der Jungfrauen im Tempeltanz, und ihre Hände über ihr erhoben wie im Tanze Ekatali. Auch in dem anderen Rohr erschien ein schöner Leib, eine Knabengestalt, ähnlich im Stengel stehend … Und während noch alle sich verwunderten, brachte die Sonne die schwellenden Rohre zum Bersten, und ein Mädchen und ein Knabe traten aus den Hüllen, goldfarben, unvergleichlich an Anmut und Zierlichkeit der Glieder … So nannten sie den Knaben Suryavansa und das Mädchen Subhadra; und da sie sie für die Kinder des Rishi-Königs hielten (sahen sie doch, daß sie seinem heiligen Blute entsprossen waren), setzten sie sie auf den Thron von Mithila.

Für Suryavansa hatten sie hundert schöne Frauen gesucht und gefunden; aber keine von ihnen liebte er wie Subhadra, die in einem seine Zwillingsschwester war, durch den Sonnengott Surya, und seine erste Königin. Wie man nie der Süße reinen Honigs satt wird, konnte er nie der Lippen Subhadras satt werden; und wie man des sanften Glanzes der Juwelen nimmer müde wird, so konnte er nie lange genug in Subhadras Augen sehen … So hieß sie ihn, seine anderen Frauen wegzuschicken und mit ihr allein zu leben – gegen die Gewohnheit der Könige vor ihm, und zum großen Erstaunen seiner Minister. Aber er sagte ihnen, daß einer von Subhadras Küssen mehr wert sei denn das Gold für hunderttausend Elefanten.


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