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Fünfzehntes Kapitel

Bevor Kamp an die Bahn ging, um den Kommissar und Elma abzuholen, machte er noch einen Rundgang durch das Haus und den Garten. Die versteckten Hefte wagte er nicht anzurühren, obwohl der Rand des einen zwischen seinen Kollegheften etwas hervorragte. Ihm war, als müßte er durch die leiseste Berührung mit den Schriftstücken die Aufmerksamkeit des Kommissars auf sie lenken.

Draußen war ein wunderbarer Frühlingstag. Kamp genoß die warme Sonne, die noch nie in diesem Jahre so geschienen hatte. Zu seinen Füßen rieselten kleine Bäche über den Weg. Am Fluß blühten die Weidenkätzchen, die Knospen der Blätter sprangen an Bäumen und Büschen auf. Ganz langsam ging er die Anhöhe zum Bahnhof hinan, überschaute mit gerührter Freude das Dorf mit den beiden kleinen Kirchen. Ein sonntägliches Gefühl überkam ihn. Wie schön konnte die Welt sein! Die Menschen aber mordeten oder ließen sich ermorden, was keine kleinere Schuld schien.

Fräulein Diepenbroich war nicht mit dem Zug gekommen. Der Kommissar hatte am Bahnhof in München vergeblich nach ihr Ausschau gehalten und geglaubt, daß sie schon draußen wäre. Kamp war besorgt. Wer weiß, was alles nach dem gestrigen Tag mit ihr passiert sein mochte? Das beste zu glauben war noch, daß sie erschöpft war und nicht aufstehen konnte.

»Schade!« sagte Leuthold. »Aber wir brauchen sie ja auch nicht so notwendig.« Der begleitende Wachtmeister Neumann sprach nach seiner Gewohnheit kein Wort.

Auf dem Wege zur Villa berichtete Kamp von seiner Durchsuchung des Schreibtisches. Er stellte es so dar, als wenn er zuerst die Spuren des versuchten Einbruchs an dem Schloß entdeckt und dann die Schublade vollends geöffnet hatte. Leuthold schien an Kamps selbständigem Eingreifen keinen Anstoß zu nehmen.

»Haben Sie etwas gefunden?«

Der Student erstattete Bericht. Die Briefe hätten nichts Neues ergeben, aber ein Tagebuch wäre interessant, weil Werneuchen darin fast so etwas wie eine Prophezeiung seiner Ermordung mit einer Reihe näherer Umstände gegeben hätte. Den Packer Bensch habe er, die Tat vorwegnehmend, als Täter bezeichnet und als Grund die wahrscheinlich irrtümliche Annahme seiner Mitwisserschaft an einem Vergehen oder Verbrechen.

Während Kamp von dem Tagebuch erzählte, sah er den Kommissar von der Seite an. Natürlich wollte er ihn auf eine ganz bestimmte Fährte bringen. Wenn er dann Werneuchens Aufzeichnungen las, mußte er seinen Verdacht gegen Berdelow bestätigt finden. Kamp wußte noch nichts von den Vorgängen des gestrigen Abends in der Fabrik.

»Wir werden sehen!« sagte Leuthold kurz. Kamp schien es fast, als hätte der Kommissar gegen ihn selbst einen bestimmten Verdacht. Aber er konnte sich täuschen. Vielleicht war es nur Müdigkeit oder schlechte Laune, was ihn so kurz angebunden sein ließ.

»Insofern ist etwas Neues eingetreten,« fuhr Kamp in seinem Bericht fort, »als verschiedene Leute im Dorf in jenem Unbekannten, der am Freitag hier war, mit Bestimmtheit den Packer Bensch wiedererkannt haben wollen.«

»So!« sagte Leuthold nur kurz. Auf einmal sah er den Studenten scharf an und fragte: »Wo haben Sie den gestrigen Abend verbracht?« Die Abwesenheit Elmas schien ihn zu irritieren.

Kamp berichtete von dem Zusammensein in der Weinstube. Es wurde ihm klar, daß der Kommissar ihn und Elma hatte beobachten lassen.

»Fräulein Diepenbroich ist ein hübsches Mädchen. Sind Sie befreundet mit ihr?«

»Ja, ich mag sie sehr gern«, gestand er. Es war ihm ein innerer Genuß, diese Worte zu sagen.

»Stehen Sie nicht dadurch in einem gewissen Gegensatz zu Herrn Werneuchen?«

Also hatte der Beobachter offenbar gestern einiges von dem Gespräch aufgefangen, das er mit Elma geführt hatte. Kamp konnte nicht verhindern, daß er rot wurde. Aber er beeilte sich, zu versichern, daß das bestimmt nicht der Fall wäre. Eigentlich mochte er ja Elma auch erst seit gestern abend »sehr gern«, und erst in dem gleichen Augenblick hatten auch die Haßregungen gegen Werneuchen eingesetzt. Er fühlte sich auf eine ganz eigentümliche Weise in seinen innersten Empfindungen ertappt. Was gingen den Kommissar seine Gefühle für Elma an.

»Offenbar haben Sie mich mißverstanden«, sagte er. »Ich hege für Fräulein Diepenbroich lediglich freundschaftliche Gefühle, und auch diese beruhen gerade auf der Verlobung der Dame mit meinem besten Freunde.«

Leuthold nickte kurz, und sie gingen schweigend weiter, Neumann immer einen halben Schritt hinter ihnen. Es war Kamp unangenehm. Er hatte eine Empfindung, als wenn es diesem Menschen gegeben wäre, aus Rückenbewegungen die Wahrheit herauszulesen. Aber wahrscheinlich waren sie alle nur nervös von dem gestrigen Tag.

Als sie sich dem Hause näherten, stand Auguste schon mit nassen Augen in der Gartentür. Daß nun wirklich die Polizei in das Haus ihres Herrn eintreten durfte, regte sie schrecklich auf. Sie konnte kaum anders denken, als daß sie nun mitverhaftet würde, und hatte sich ihr bestes Kleid angezogen.

Der Kommissar bat sie zu ihrem Erstaunen in höflichem Ton, mit dem Wachtmeister durch das Haus zu gehen. Neumann sollte das Haus von oben bis unten durchsuchen, den Boden nicht vergessen und auch in die Öfen hineinschauen. Ebenso sollte er durch den Garten gehen und auf eventuelle Fußspuren achten. Man stieße manchmal auf die seltsamsten Entdeckungen.

Wieder schien es Kamp, als wäre der Kommissar übermäßig eitel. Diese Anweisungen hätte er ebensogut dem Wachtmeister auf der Eisenbahn geben können. Er wollte offenbar dem Außenstehenden durch seine Umsicht imponieren. Sie gingen in das Arbeitszimmer, Neumann begann seinen Rundgang, wobei ihn die Köchin scheu, einige Schritte hinter ihm, begleitete. Der Student überlegte sich, ob er nicht darauf aufmerksam machen sollte, daß die Sachen im Wohnzimmer ihm gehörten, fürchtete aber, gerade dadurch die Aufmerksamkeit auf die versteckten Schriftstücke zu lenken. Er schwieg also, fand es aber in dem Augenblick dumm, die Sachen nicht besser versteckt zu haben. Inzwischen überlegte er sich eine Ausrede für den Fall, daß die Briefe und Tagebücher bei ihm gefunden würden. Er fand aber nichts Plausibles. Vielleicht konnte man noch am besten sagen, daß Werneuchen ihm vor seiner Abreise die Sachen zum Lesen gegeben hätte. Er hätte sie dann unter seine Kolleghefte gesteckt und dort vollkommen vergessen. Das war nicht gerade sehr einleuchtend, aber immerhin eine Ausrede, die man ihm glauben mußte. Gerdas Stellung würde allerdings in diesem Falle nicht gerade verbessert.

Während diese Gedanken durch sein Gehirn schossen, erklärte er dem Kommissar, in welchem Zustand er das Schloß gefunden hatte. Leuthold hielt es nicht für ausgeschlossen, daß Bensch die Schublade bereits geöffnet und einige Briefe herausgenommen hätte. Vielleicht wollte er das Schloß wieder in Ordnung bringen, als Kamps Eintritt ihn daran verhinderte.

»Halten Sie es für ausgeschlossen, daß aus diesem Schreibtisch etwas Belastendes entfernt worden ist?«

»Ja, so ziemlich!« antwortete Kamp, wurde aber wieder rot. »Bensch wird vermutlich mehr nach dem Scheck als nach Briefen gesucht haben.«

Unterdessen durchflog Leuthold den Inhalt der Schublade. Manchmal schwieg er ganze Minuten, in denen er aufmerksam las. Dann begann er, ruckweise und immer wieder sich unterbrechend, von den Ergebnissen des gestrigen Abends und der Nacht zu berichten. Kamp atmete auf. Es war ihm der Beweis, daß er nicht im geringsten Verdacht stand. Diese Tatsache nahm ihn so sehr gefangen, daß er zunächst kaum zuhörte, was Leuthold zu erzählen hatte. Erst allmählich wurde seine Aufmerksamkeit gefesselt. Es war gut, daß der Kommissar immer wieder mitten im Satz aufhörte, wenn ihm bei seiner Lektüre etwas auffiel und sein Interesse erregte. So hatte der Student Zeit, sich zu sammeln und sich ein Bild von den Vorgängen zu machen.

Natürlich stand die Verhaftung Berdelows obenan. Man hatte ihn bei seiner Mutter in Bogenhausen angetroffen. Er war völlig überrascht gewesen, hatte einen furchtbaren Krach geschlagen, mit dem Ministerium gedroht und geschworen, daß er mit Werneuchen nicht das geringste zu tun hätte. Aber Leuthold zweifelte nicht mehr an seiner Schuld oder doch Mitschuld. Das Verhalten der Sekretärin wäre fast so gut wie ein schlüssiger Beweis.

»Das ist eine freche Person!« berichtete er. »Ein weibliches Gegenstück zu Bensch. Läßt die sich in unserem Polizeiauto ein Stück mitfahren, und wir Idioten tun ihr noch den Gefallen, sie bis zum Nationaltheater mitzunehmen. Sie täuschte uns vor, eine Tanzverabredung ins ›Grüne Schiff‹ zu haben. Dabei wollte sie sich nur aus dem Staube machen. Nicht einmal mehr nach Hause ist sie in der Nacht gekommen. Heidi auf und davon! Natürlich hat sie mit Berdelow unter einer Decke gesteckt. Heute früh konnten wir gerade noch feststellen, daß sie schon einmal wegen Diebstahls herangekommen und aus Mangel an Beweisen freigesprochen ist. Was sagen Sie dazu?«

»Natürlich ist es Berdelow gewesen!« sagte Kamp.

»Wissen Sie, die Fabrik ist überhaupt anscheinend eine Räuberhöhle. Da ist jetzt ein Herr Bötticher engagiert worden. Natürlich auch gegen eine Kaution von einigen tausend Mark. Vielleicht hätte man dem auch den Garaus in den nächsten Tagen gemacht. Der ahnt noch nichts von seinem Glück!«

Es war wirklich unglaublich, was die Polizei alles in der einen Nacht vollführt hatte. Man hatte sich bei der Zeitung nach der zweiten Anzeige erkundigt, auf die Werneuchen sich ebenfalls gemeldet hatte. Aber über diese Anzeige war nichts zu ermitteln gewesen, weder wer sie aufgegeben, noch wer die Offerte abgeholt hatte. Ferner hatte man mit dem Finanzamt verhandelt. Es war eine anonyme Anzeige eingelaufen, auf die man an sich nicht einmal besonderes Gewicht legte. Herr Werneuchen war als Zeuge für Steuerhinterziehungen der Firma im allgemeinen genannt worden. Ein besonderer Fall war nicht angegeben.

»Sonderbar, wie das manchmal so kommt. Gerade diese Anzeige hat uns auf die richtige Spur gebracht, obwohl fast nichts dahinter zu stecken scheint. Aber Herr Berdelow muß doch wohl einen Riesenschrecken bekommen haben. Seine Geschäftsbücher werden zur Zeit geprüft. Er wird schon Steuern hinterzogen haben. Das tun sie ja alle. Bei solchen Gelegenheiten kommt immer etwas heraus. Nun, wir werden ja sehen.«

Man hatte noch viel mehr in der Nacht getan. Man hatte zum Beispiel herausbekommen, daß ein Direktor Goldschmidt aus Hamburg in der Nacht von Donnerstag zu Freitag in dem »Grünen Baum« in Regensburg wohnte. Am Donnerstagabend saß dieser Direktor mit Herrn Werneuchen im Restaurant zusammen und unterhandelte mit ihm. Der Ober besann sich genau auf die beiden. Der Direktor Goldschmidt war ein kleines sächselndes Männchen gewesen. Gegen zehn oder elf Uhr war er auf sein Zimmer gegangen, während der andere Herr – also Werneuchen – das Lokal verließ. Auch darauf, daß der eine Herr einen Brief geschrieben hatte, besann man sich.

»Werneuchen ist also offenbar auf dem Wege zwischen dem ›Grünen Baum‹ und dem Parkhotel, wo er sich ein Zimmer bestellt hatte, ermordet worden. Wie das mitten auf der Straße möglich war, ist mir unerfindlich. Aber gerade das ist ein Beweis, daß man ihn noch irgendwo anders hingelockt hat. Denn in diesen Straßen kann niemand ermordet werden!«

Zur Zeit stellte die Polizei in Hamburg alle Direktoren Namens Goldschmidt fest. Aber das wäre wohl ein hoffnungsloses Beginnen, weil es sich doch offenbar um einen angenommenen Namen handelte.

Jedesmal, wenn der Kommissar eine Pause machte, suchte Kamp seine Gedanken zu sammeln. Klang die Annahme der Polizei wahrscheinlich? Ja! mußte er gestehen. Das hatte alles Hand und Fuß. Das Belastendste war die Sekretärin Berdelows, die sich ganz ohne Grund plötzlich aus dem Staube gemacht hatte. Natürlich steckte sie mit ihrem Prinzipal unter einer Decke! Ohne Mitwisser konnte Berdelow gar nicht handeln. Die Sekretärin hatte gemerkt, daß man ihnen auf der Fährte war, und war entwischt, solange sie für ihre Person noch die Möglichkeit dazu hatte. Hätte Berdelows Mutter einen Telephonanschluß gehabt, würde sie ihn natürlich noch gewarnt haben. So mußte sie sich darauf beschränken, sich selbst zu retten.

»Wissen Sie,« fing Leuthold wieder an, »wer der Mann war, der dieses Fräulein Liedtke noch so spät auf dem Büro anrief? Das war niemand anders als der vorgebliche Direktor Goldschmidt! Wenn man das gewußt hätte, wo der an der Quasselstrippe hing, das wäre eine Sache gewesen! Aber so läuft er jetzt noch frei in der Welt herum. Wahrscheinlich mit Fräulein Liedtke zusammen!«

Auch das leuchtete Kamp ein. Natürlich hatte Berdelow seine Mitwisser und Gehilfen. Die Sekretärin war vielleicht die gefährlichste von allen. Einen weiblichen Bensch nannte der Kommissar sie. Bensch selbst war wohl jener sagenhafte Direktor Erkner, und der »Direktor Goldschmidt« war der vierte im Bunde.

Am frühen Morgen hatte man überdies die Angestellten der Firma Berdelow & Hahn vernommen, aber ihre Aussagen hatten nichts Wesentliches ergeben. Im allgemeinen traten sie für ihren Chef ein und bezweifelten die Möglichkeit von Unregelmäßigkeiten. Daß Herr Berdelow bei einem Verbrechen seine Hände im Spiele haben sollte, hielten sie sämtlich für ausgeschlossen. Aber die Tatsachen schienen bisher das Gegenteil zu beweisen.

»Ich teile Ihnen das alles mit, Herr Kamp, weil Sie naturgemäß das größte Interesse an dem Fall nehmen. Sie dürfen natürlich zu niemandem davon sprechen. Ich halte es aber für gut, daß Sie völlig im Bilde sind.«

In diesem Augenblick trat Wachtmeister Neumann zur Tür herein und fragte, ob die Sachen im Wohnzimmer Herrn Kamp gehörten.

»Jawohl! Es sind meine Sachen.«

»Alle?« fragte der Beamte noch einmal zurück.

»Jawohl, alle!« gab Kamp zur Antwort.

Neumann verschwand wieder. Der Student fühlte sein Herz gegen die Brust schlagen. Er besann sich auf seine zurechtgelegte Ausrede. Jeden Augenblick mußte jetzt der Wachtmeister ins Zimmer treten und ihm die Schriftstücke unter die Augen halten. Kamp zählte langsam bis zwanzig. Als er diese Zahl erreicht hatte, atmete er auf. Die Gefahr war vorüber. Neumann war wohl schon in einem anderen Zimmer.

Der Kommissar las gerade das Heft durch, in dem Werneuchen seine Erlebnisse mit Bensch niedergelegt hatte.

»Sehr interessant!« sagte er schließlich. »Wirklich, sehr interessant. Sogar der Kriminalist kann daraus noch lernen. Dieser Gedanke, daß man ermordet werden kann, weil man im Verdacht steht, Mitwisser eines Geheimnisses zu sein, ohne daß man es doch ist, ist neu. Man muß sich das für die Zukunft merken. Hier allerdings liegt der Fall anders.«

Wachtmeister Neumann trat ins Zimmer und meldete, daß er mit der Durchsuchung des Hauses fertig wäre und nichts Verdächtiges gefunden hätte.

»Ich danke Ihnen«, sagte Leuthold und fuhr in seiner Auseinandersetzung fort, während Kamp eine Last vom Herzen fiel.

»Hier allerdings liegt der Fall ganz anders. Ich nehme jetzt nicht mehr an, daß die Sache mit dem Finanzamt bei Berdelow das treibende Motiv gewesen ist. Es war nur das auslösende Moment. Alle Angestellten der Firma haben ausgesagt, daß die Geschäfte denkbar schlecht gingen. Es handelte sich wahrscheinlich in erster Linie um Werneuchens Geld. Man wollte wohl überhaupt einer ganzen Reihe von Menschen, die sich auf den ausgeschriebenen Posten meldeten, ihre Gelder abnehmen. Es war wohl nicht einmal so sehr auf Mord als auf Betrug abgesehen. Herr Werneuchen war als erster herangekommen. Seine Ermordung hat sich dann ganz zwangsläufig ergeben. Davon bin ich jetzt überzeugt. Vielleicht hat dieser Bensch mit der Ermordung Werneuchens sogar seinen Auftrag überschritten. Wahrscheinlich sollte er ihm nur das Geld abnehmen. Kompliziert wurde die Sache dadurch, daß Werneuchen das Geld nicht bei sich hatte. Aber das schlimmste war vielleicht der Umstand, daß Bensch Herrn Werneuchen bekannt war. Vielleicht – ich nehme es so an – hat Bensch gar nicht gewußt, daß es sich um seinen alten Bekannten handelte. Auf einmal steht er ihm in einem stillen Winkel gegenüber. Sie erkennen sich. Denken Sie sich diesen Augenblick, meine Herren!

Ich habe jetzt das Tagebuch Herrn Werneuchens gelesen und glaube, ihn einigermaßen beurteilen zu können. Bensch war für ihn das feindliche Prinzip seines Lebens. Er dachte eigentlich immer an diesen Bensch. Auf einmal steht der Kerl vor ihm. Stellen Sie sich das Entsetzen Werneuchens vor! Er will schreien, sich vielleicht auf den Boden werfen, entfliehen. Es ist zu spät. In dieser Situation wirft sich der Kerl über ihn und tötet ihn. Er mußte ihn töten!«

»Um Gottes willen! Hören Sie auf!« schrie Kamp entsetzt. Das Bild stand furchtbar vor ihm. Er sah in einer dunklen Straßenecke den Freund auf Bensch starren, der aus dem Dunkel auf ihn zutraf. Das war der Augenblick, vor dem sich Ernst Alexander sein Leben lang gefürchtet hatte. Genau auf diese Weise hatte er immer gefürchtet, ermordet zu werden, und genau so war es jetzt gekommen. Der Student hielt die Hände vors Gesicht und stöhnte laut auf.

»Nein, nein!« schrie er. »Das ist zu furchtbar! Das kann nicht sein!«

»Doch!« sagte der Kommissar ernst. »So ist es gewesen. Und vielleicht hat erst die furchtbare Angst Werneuchens den Packer gezwungen, ihn zu ermorden. Denken Sie an das Tagebuch!«

Kamp konnte keine Antwort geben. Wie es auch alles zusammenhängen mochte, so war es gewesen! Leuthold hatte recht.


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