Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwanzigstes Kapitel.
Blinde Wut und Leid

Dan machte eine unruhige Bewegung und erwachte, ohne irgend welche Überraschung bei Ewans Anblick zu verraten.

»Ach! Bist du es, Ewan?« sagte er ruhig, halb schüchtern und halb verwirrt. »Weißt du, daß ich von dir geträumt habe – von dir und Mona?«

Ewan antwortete nicht. Weil der Schlaf etwas Heiliges und der Bruder und zugleich der Schatten des Todes ist, hatte er sein entsetzliches Vorhaben, so lange Dan schlafend zu seinen Füßen lag, vergessen; nun aber, da derselbe wieder erwachte, kehrte die arge Wut zurück.

»Ich träumte von Mutter Careys Küchlein – du erinnerst dich – als wir kleine Buben waren, weißt du noch? O, du kannst es doch nicht vergessen haben – das alte Ding, das ich in seinem Nest gerade unter Orris Head fing?«

Noch immer gab Ewan kein Zeichen, sondern blickte nur auf den auf seine Ellbogen sich stützenden Dan hinab. Dans Augen vermieden Ewans, doch fuhr er verwirrt fort –

»Mona konnte es nicht ertragen, es im Käfig zu sehen und wollte durchaus, ich sollte es zurückbringen. Erinnerst du dich nicht, wie ich nach dem Nest zurückkletterte und den Vogel wieder hineinsetzte? Ihr beide standet unten am Strande und bildetet Euch ganz fest ein, ich würde von Orris Head hinabstürzen, und Mona – Mona –«

Dan blickte von neuem Ewan ins Gesicht, und der Ausdruck des Abscheus auf demselben schien ihn zu verwirren; er bemühte sich jedoch, die Erzählung seines Traumes zu beenden und fuhr halb verstört fort.

»Meiner Treu! habe ich es doch alles so deutlich geträumt, als ob es gestern passiert sei, und den Kampf in der Luft und das Geschrei, als ich die alte Henne wieder in ihr Nest steckte. Die Jungen hatten sie ganz vergessen und warfen sie hinaus und peinigten sie fürchterlich und vertrieben sie – und dann saß das alte arme Tier allein und verlassen auf der Klippe da oben – und die kleine Mona weinte und weinte dort unten, und der Wind hatte ihr langes Haar erfaßt und wehte es ihr um das Gesicht und – und –«

Dan war auf die Füße gesprungen und hatte sich, während er mit der Geschichte seines Traumes fortfuhr, auf einen Stuhl gesetzt. Noch einmal streifte sein unsicherer Blick Ewans Gesicht und darauf brach er kurz ab.

»Mein Gott, was ist es?« rief er aus.

Ewan, in dessen Hirn tausend unbestimmte Vorspiegelungen durcheinander fluteten, hatte wenig von dem, was Dan gesagt hatte, gehört, dagegen war ihm seine verwirrte Art und Weise nicht entgangen, und er hatte die Geschichte dieses Traumes als einen schwachen Versuch angesehen, seine augenblickliche Verlegenheit zu verbergen.

»Was es bedeutet?« sagte er. »Es bedeutet, daß diese Insel nicht groß genug ist, uns beide, dich und mich zu halten.«

»Was?«

»Es bedeutet, daß du sie verlassen mußt.«

»Verlassen?«

»Ja – und zwar sofort.«

Im ersten Augenblick dachte Dan nur an seine Missetat vom Morgen, an das Töten der Ochsen bei dem Preispflügen, und gestand in einem demütigen, stotternden Tone äußerster Beschämung – und mit gesenktem Haupte ein, daß Ewan Grund habe, böse zu sein.

»Ich bin ein starrköpfiger Narr, ich weiß es, und meine Heftigkeit ist – nun – ist verdammenswert, das ist die Wahrheit; niemand aber leidet mehr unter ihr als ich, und wenn ich mich selbst hätte niederschlagen können, nachdem ich die Ochsen niedergehauen hatte, dann – Ewan, um der schönen alten Zeiten willen, wo wir so treue Freunde waren, du und ich und die kleine Mona mit ihren klaren Augen, Gott erhalte sie! –«

»Schere dich fort und laß dich nie bei ihr oder mir wieder sehen,« rief Ewan, mit dem Fuße stampfend.

Dan hielt inne, und es entstand eine peinliche Pause.

»Weshalb sollte ich mich fortscheren?« sagte Dan mit einem Versuch, seinen Gleichmut zu bewahren.

»Weil du ein Schuft bist – der elendeste Schuft auf Gottes Welt – der infamste Verräter – das bösartigste Ungeheuer –«

Dans sonnenverbranntes Gesicht erbleichte unter seiner dunklen Haut.

»Sachte, sachte, Mann, sachte, Bursche,« sagte er, augenscheinlich nach Selbstbeherrschung ringend und Ewans Strom von Vorwürfen unterbrechend.

»Du bist ein Schandfleck der Familie und ein verrufener Mensch. Nur der Ausschuß der Insel sind deine Freunde und Genossen.«

»Das ist wahr genug, Ewan,« sagte Dan, und der Kopf sank ihm, wie er mit auf die Knie gestützten Ellbogen dasaß, in die Hände.

»Was tust du überhaupt? Du trinkst, spielst, tobst, betrügst – ja –«

Dan erhob sich unsicher und machte ein paar Schritte im kleinen Raum auf und nieder, setzte sich wieder und vergrub wie vorher das Gesicht in die Hände.

»Ich bin ein leichtsinniger, eigenwilliger, toller Narr gewesen, Ewan, aber nichts Schlimmeres als das. Und wenn du mich sehen könntest, wie Gott mich sieht und wüßtest, wie ich für meine Torheiten leiden muß und wie ich sie, so leicht ich sie auch zu nehmen scheine, verfluche, und wie ich von einer zur andern getrieben werde, dann würdest du vielleicht – vielleicht – vielleicht Mitleid mit mir haben – ja, Mitleid.«

»Mitleid? Mitleid mit dir? Du, der du deinen Vater zugrunde gerichtet hast? Er ist die reine Ruine im Vergleich zu dem was er war, nachdem du sein Vermögen vergeudet und ihn an den Bettelstab gebracht und sein graues Haupt zum Gegenstand des Vorwurfs gemacht hast. ›Räumt erst in Eurem eigenen Hause auf,‹ das ist, was die Welt zu dem Gottesmanne sagt, dessen Sohn ein Kind des –«

»Halt ein!« rief Dan.

Er war mit geballter Faust, von der die Knöchel wie eiserne Schrauben heraustraten, auf die Füße gesprungen.

Ewan jedoch fuhr mit einem von seinem schwarzen Rock aschfarben abstechenden Gesicht fort.

»Dein Herz ist ebenso abgestorben wie deine Ehre. Und damit nicht genug, mußt du anderer Ehre auch noch besudeln.«

Bei diesen Worten gedachte Dan seiner gefälschten Unterschrift und der Strafe und Amtsentsetzung, denen er Ewan durch dieselbe ausgesetzt hatte.

»Schere dich fort,« rief Ewan von neuem, mit zitternder Hand auf die Türe weisend.

Dan erhob die Augen. »Und was, wenn ich mich weigere?« fragte er entschlossen.

»Dann mußt du die Folgen tragen.«

»Du meinst die Folgen jener – jener – jener Fälschung?«

Bei dieser Frage erkannte Ewan, welch eine Idee Dan vorschweben müsse, und daß er ihn für fähig halte, ihm mit der Strafe, für ein Unrecht, das er selbst auf sich genommen hatte, drohen zu wollen. »Gott im Himmel!« dachte er, »und einem so erbärmlichen Wicht habe ich alle diese Jahre meine Liebe geschenkt!«

»Ist das deine Anhänglichkeit?« sagte Dan mit verächtlichem Lippenkräuseln.

»Anhänglichkeit,« rief Ewan in glühendem Zorn. »Anhänglichkeit? Du sprichst zu mir von Anhänglichkeit – du, der du die Ehre meiner Schwester besudelt hast –«

»Mona!«

»Endlich ist es heraus, wenn auch das Wort mir die Zunge verbrennt. Schere dich fort von dieser Insel auf Nimmerwiederkehr und laß mich nie dein Angesicht wieder sehen!«

Dan sprang erstarrt auf die Füße. Einen Moment blickte er in betäubtem Schweigen ringsum und faßte wie seiner selbst nicht mächtig, mit der Hand an den Kopf.

»Das glaubst du?« fragte er im leisen Flüsterton.

»Leugne es nicht – zeige dich mir nicht auch noch als Lügner dazu,« sagte Ewan zornig; und fügte dann in einem andern Tone hinzu: »Sie hat es mir selbst eingestanden.«

»Sie dir eingestanden?«

»Ja, und ebensowohl habe ich das Zeugnis einer zweiten Person.«

»Das Zeugnis einer zweiten Person?«

Dan wiederholte halb verloren und bewußtlos Ewans Worte. Darauf ergoß sich Ewan in einer Flut heftiger Reden, die den Mann, der sie sprach nicht weniger schmerzten und verwundeten, als den Mann, an den sie gerichtet waren, und Dan hörte ihm wie im Traume zu.

Dann folgte Schweigen, und darauf sagte Ewan im Ton höchster Qual: »Dan, es gab eine Zeit, da ich dich trotz aller deiner Fehler liebte – ja, wenn ich mich auch schäme es einzugestehen, da es gegen Gottes eigenen Fingerzeig war, aber doch liebte ich dich, Dan. Jetzt aber laß uns für immer scheiden, und jeden seinen eigenen Weg gehen, und vielleicht, wenn wir auch nie das Unrecht, das du uns angetan hast, vergessen können, mögen wir doch freundlicher deiner gedenken, und die Zeit mag uns helfen dir zu vergeben.«

Dan aber war aus seiner Starrheit erwacht und brach los.

»Zum Teufel mit deiner Vergebung!« sagte er wütend, sich mit zusammengebissenen Zähnen und fest aufeinander gepreßten Lippen und glühenden Augen an Ewan wendend und auf ihn zuschreitend, bis sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen.

»Du meintest eben, daß diese Insel nicht Raum genug böte für dich und mich,« flüsterte er. »Du hast recht, aber ich will deine Worte ergänzen. Wenn du glaubst, was du sagtest – dann enthält die Welt nicht Raum genug für uns beide, und beim Himmel, ich will dir nicht widersprechen.«

»Das waren meine Gedanken ebenfalls,« sagte Ewan, und dann blickten sie einen Augenblick einander in die Augen, um ihre gegenseitige Absicht zu ergründen.

Die Spannung dieses Augenblickes wurde durch das Aufheben der Türklinke unterbrochen. Davy Fähl kam unter irgend einem Vorwand in die Hütte hereingeschlenkert. Er nahm seinen Militärgurt mit dem daran befestigten Dolch ab, und hing ihn an den langen rostigen Nagel einer in der Ecke stehenden Planke. Dann hob er von einem Haufen Binsengras am Boden einen Regenmantel auf und zog ihn an. Er wollte mit einem neugierigen Blick auf Dan und Ewan, die unter Auferlegung des größten Zwanges kein Wort in seiner Gegenwart äußerten, wieder hinausgehen, als sein Auge auf das einige Schritte von der Türe liegende Beil fiel. Er nahm es auf und trug es, »sonderbar, höchst sonderbar!« vor sich hinmurmelnd, hinaus.

Kaum hatte der Junge die Türklinge von außen fahren lassen, als Ewan den Militärgurt vom Nagel riß und ihn sich um die Taille band. Dan verstand ihn; er selbst hatte noch seinen Gürtel mit Dolch umgeschnallt. Es bedurfte nun keiner Hin- und Herrede – kein Wort der Erklärung mehr zwischen ihnen.

»Wir müssen den Jungen los werden,« sagte Dan.

Ewan nickte mit dem Kopfe. Es war ihm durch den Sinn gefahren, daß Mona, nachdem alles vorüber wäre, von dem Vorgefallenen hören möchte. Was sie zu tun vorhatten, war für ihre Ehre, oder für das was in der blinden Verkettung von Leidenschaft und Umständen ihm als ihre Ehre erschien. Wengleich sie sie beide bis dahin geliebt hatte, würde sie den, der mit dem Blut des andern an seinen Händen zurückkäme, verabscheuen.

»Sie darf es nie erfahren,« sagte er. »Schicke den Jungen fort. Und dann müssen wir an einen Ort gehen, wo wir unser Vorhaben ungestört ausführen können.«

Dan, der schweigend seinen Gedanken nachgehangen hatte, wollte an die Türe gehen, um Davy zu rufen, als der Junge mit einem Stück Treibholz für das Feuer wieder zurück kam. Sein Regenmantel war mit ein paar leichten Schneeflocken bedeckt.

»Geh nach den Schlachthöfen hinüber, Davy,« sagte Dan mit erzwungener Ruhe, »und sage Jemmy Curgy er solle die Ochsenhörner für mich aufbewahren.«

Davy blickte verloren auf und ließ seine Lippe hängen. »Als ob Ihr das nicht etwa Jemmy schon umständlich genug selbst gesagt hättet.«

»Wirklich, Davy?«

»Gewiß und wahrhaftig.«

»Dann laufe schnell hinüber und hole sie.«

Davy legte den Holzblock aufs Feuer mitten in die Flammen hinein, blickte beunruhigt auf Dan und Ewan und ging zögernd hinaus. Sein einfältiges Gesicht schaute mit einem verdutzten Ausdruck trübe darein.

Die Männer horchten, so lange sie durch das tiefe Grollen der See des Knaben Fußtritte auf dem Kiesufer hören konnten. Dann schritt Dan zur Türe und öffnete sie.

»Jetzt,« sagte er.

Es wurde nun schnell dunkel. Der Wind blies heftig in die Hütte herein. Dan trat mit Ewan hinaus.

Schweigend durchschritten sie den Pfad, der von der Bucht nach dem Bergrücken führte. Der über die See kommende Wind wirbelte den nun fallenden Schnee in der Luft umher und trieb ihn ihnen stellenweise ins Gesicht.

Ewan schritt wie ein zum Tode Verurteilter daher. Es waren ihm, unbewußt freilich, Zweifel aufgestiegen, aber auch wenn er die Wahrheit erkannt hätte, würde sein Gemüt sich ihr gegenüber verschlossen haben. Einmal jedoch, als Dan wie unschlüssig stehen zu bleiben und sein Gesicht ihm halb zuzuwenden schien, legte Ewan seiner Absicht eine falsche Bedeutung bei und dachte: »Jetzt wird er mich über das entsetzliche, obwaltende Mißverständnis aufklären.« Er brannte darauf, das erklärende Wort zu hören. Aber vergebens, Dan setzte, ohne sich umzuwenden oder eine Silbe zu äußern, seinen Weg fort. Endlich blieb er stehen und Ewan mit ihm. Sie hatten die Höhe von Orris Head erreicht.

Es war ein trüber, einsamer und verlassener Ort, von dem aus man auf eine weite Fläche Brachlandes, auf dem kein Haus sich erhob, kein Baum den purpurnen Ginster und die Riedgrasbüschel überschattete, hinausblickte. Der Himmel hing sehr niedrig darüber; die steilen roten Felsen mit ihren grünüberzogenen Riffen fielen jäh nach dem Kiesstrand und auf die mit Seetang überzogenen Schieferblöcke ab. Der Wellenschlag tönte als ein trübseliges Geräusch herauf, die Luft aber schien leer, und jeder Fußtritt auf dem weichen Torfboden klang nahe und gewaltig. Über ihren Häuptern ließen die Seevögel ihr wildes Geschrei ertönen, und weit draußen, wo Himmel und Erde in der zunehmenden Dunkelheit ineinander überzugehen schienen, sandten die an den nackten Felsen des Abhanges sich brechenden Wogen ein tiefes, heiseres, donnerähnliches Getöse herauf.

Dan warf Gürtel, Rock und Weste ab. Ewan folgte seinem Beispiel, und so standen diese beiden Männer, deren Seelen wie diejenigen Davids und Jonathans miteinander verwachsen gewesen waren, sich von Angesicht zu Angesicht im Schneetreiben gegenüber, Dan in seinem roten, Ewan in seinem weißen, oben am Halse offenen Hemde, beide bereit, die Hand gegen ihren liebsten Herzensbruder zu erheben. Da, plötzlich erscholl ganz aus ihrer Nähe ein erschreckter Schrei.

Es war Davy Fähls Stimme. Der Junge war nicht nach den Schlachthöfen gegangen. In der dunklen Ahnung, daß der Auftrag nur eine Ausflucht, und ein Unglück im Anzuge sei, hatte er sich in einiger Entfernung versteckt gehalten und gesehen, wie Dan und Ewan zusammen die Hütte verlassen hatten. Durch das Binsengras daherkriechend und teilweise durch das Schneetreiben vor ihren Blicken verborgen, war er den Männern bis auf Orris Head gefolgt. Darauf hatte er sich niedergeduckt. Seine Gedanken waren verwirrt, und er ahnte kaum, was sich vor seinen Augen abspielte, doch hielt er den Atem an und lauschte. Endlich, nachdem die Männer ihre Kleidungsstücke abgeworfen, dämmerte die Wahrheit in ihm auf, und obgleich er versuchte einen Ausruf zu unterdrücken, war seiner heiseren Kehle doch ein entsetzter Schrei entfahren.

Dan und Ewan sahen sich an, und jeder schien die Gedanken des anderen zu erraten. Im nächsten Augenblick, nach drei schnellen Schritten hielt Dan Davy bei den Schultern gepackt.

»Versprich,« sagte er, »daß du niemals wiedersagen willst, was du hier gesehen hast.«

Davy versuchte sich loszureißen, seine wilde Anstrengung war jedoch umsonst. Er fühlte sich wie in einem Schraubstock von Dans Griff umklammert.

»Laßt mich los, Herr Dan,« schluchzte der Knabe.

»Versprich, daß du den Mund halten willst,« sagte Dan, »versprich es, versprich es.«

»Laßt mich los, hört Ihr, laßt mich los,« rief der Junge mürrisch.

»Schweig still!« sagte Dan.

»Ich will nicht stillschweigen,« war die trotzige Antwort. »Zur Hilfe! Zur Hilfe! Zur Hilfe!« und der Junge schrie mit lauter Stimme.

»Halt den Mund, oder bei Gott –«

Dan hielt Davy mit einer seiner kraftvollen Hände beim Guernsey gepackt und erhob drohend die andere.

»Zur Hilfe! Zur Hilfe! Zur Hilfe!« schrie Davy noch lauter und versuchte noch krampfhafter sich loszureißen, bis seine ganze Kraft und sein Atem erschöpft waren; dann trat eine augenblickliche Pause ein.

Der verlassene Ort blieb ebenso verlassen wie vorher. Kein Lebenszeichen zeigte sich rings umher, kein antwortender Ruf ertönte.

»Es ist niemand hier, der dir helfen könnte,« sagte Dan. »Du sollst versprechen, zu niemandem, ob Mann, Weib oder Kind, von dem zu reden, was du gesehen hast.«

»Ich will es aber nicht versprechen, und ich will nicht still sein,« sagte der Junge beherzt. »Ihr wollt beide miteinander ringen, Ihr und Herr Ewan, und –«

Dan unterbrach ihn. »Höre zu, was ich dir sage, du wirst versprechen zu schweigen, wenn du noch eine Stunde länger am Leben bleiben willst.«

Davys Mut und Stimme kehrten ihm jedoch zurück.

»Was mache ich mir daraus – zur Hilfe! Zur Hilfe! Zur Hilfe!« schrie er.

Dan legte dem Jungen die Hand auf den Mund und schleifte ihn nach dem Abhang des Felsens. Unten starrte im zunehmenden Dunkel, zerklüftet, finster und verschwommen die Tiefe, und die Seevögel durchschossen, wie die Fledermäuse, die düstere Luft.

»Versteh mich,« sagte Dan, »du wirst uns schwören, niemals etwas von dem, was du heute abend gesehen hast, zu verraten, oder Gott sei dir gnädig.«

Der an Brust und Kehle gepackte Junge klammerte sich fest an den ihn haltenden Arm an und warf einen entsetzten Blick in die Finsternis unter sich. Er wehrte sich nicht länger. Sein Gesicht war jammervoll anzusehen.

»Ich kann es nicht versprechen,« sagte er mit einer einem Schrei gleichenden Stimme.

Nach dieser Antwort zog Dan den Burschen vom Rande der Klippe hinweg und lockerte seinen Griff. Er war verlegen und beschämt und fühlte sich sehr klein neben diesem halb blödsinnigen Fischerknaben.

Ewan hatte, während Dan Davy das Versprechen abringen wollte, als stummer Zuschauer dabei gestanden, nun aber trat er an Davy heran und sagte mit ruhiger Stimme:

»Davy, wenn du irgend jemand erzählen solltest, was du mit angesehen hast, wird es Dans ganzes Leben vernichten.«

»Dann mag er mich lieber in den Abgrund hinab werfen,« sagte Davy mit einem erstickten Schrei.

»Höre zu, Davy,« fuhr Ewan fort. »Du bist ein braver Junge, und ich weiß, was dir im Kopfe steckt, aber –«

»Warum wollt Ihr denn aber mit ihm ringen?« fuhr es heiser, während sein Blick sich verschleierte, aus Davys trockener Kehle heraus.

Ewan hielt inne. Sein halber Zorn war verraucht. Davys armer, beschränkter Kopf hatte eine Frage aufgeworfen, für die er keine Antwort fand.

»Davy, wenn du dein Versprechen nicht gibst, wirst du Dan zugrunde richten – ja, du wirst es sein, der ihn zugrunde richtet – du, vergiß das nicht. Es wird sein ganzes Leben vernichten, und meiner Schwester, meiner geliebten Schwester Mona wird es das Herz brechen.«

Darauf brach Davy vollständig zusammen, und dicke Tränen stiegen ihm in die Augen und liefen seine Wangen hinab.

»Ich verspreche es,« schluchzte er.

»Du bist 'n guter Junge! – Nun kannst du gehen.«

Davy wandte sich ab und ging fort, zuerst eiligen Schrittes, dann nach und nach langsamer werdend, darauf wieder laufend und von neuem zögernd.

Nun folgte ein sehr jammervoller Widerstreit der Gefühle. Selbst die Natur, die erbarmungslos auf den Menschen und seine gewaltigen kleinen Leidenschaften, die, wie laut sie ihre Stimmen auch immer erheben mögen, sie nie berühren, herabblickt – selbst die Natur spielte eine Rolle in dieser Tragödie.

Nachdem Davy Fähl fortgegangen war, standen Dan und Ewan sich von neuem von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Dan mit dem Rücken den Klippen, Ewan mit dem Gesicht der See zugekehrt. Dann ohne ein weiteres Wort bückten sich beide und hoben ihre Militärgürtel auf.

Die Schneeflocken hatten sich während der letzten paar Minuten verdichtet, nun aber schienen sie nachzulassen, und die Luft sich aufzuklären. Plötzlich spaltete, wie von einem Schwertstreich durchhauen, sich im Westen der Himmel, und unter einer dunklen Wolkenbank und über einer silbernen Wasserlinie brach die Sonne in roter und dunstiger Umrahmung und von horizontalen Strahlen umgeben, durch.

Ewan war gerade beschäftigt, den Gürtel um seine Taille zu schnüren, als urplötzlich die untergehende Sonne auf sie herabschien und ihm das Gebot: »Lasset die Sonne nicht über Euren Zorn untergehen,« ins Gedächtnis zurückrief. Wenn Gottes eigne Hand am Himmel sich gezeigt hätte, könnte es keinen größeren Eindruck auf Ewan ausgeübt haben. Seine Wut war schon halb verraucht, nun legte sie sich vollständig.

»Dan,« rief er, und seine Stimme schien ein Seufzer, »Dan, ich kann nicht mit dir ringen, Recht oder Unrecht, ich kann es nicht,« und damit warf er sich nieder, und die Tränen traten ihm in die Augen.

Dan, dem die Wut aus den Augen sprühte, lachte als Antwort laut und höhnisch auf. »Feigling,« rief er, »Feigling und Großsprecher!«

Diese Worte riefen alle bösen Leidenschaften aufs neue in Ewan wach, und er sprang auf die Füße.

»Das genügt,« sagte er; »die Gürtel – schnalle sie zusammen.«

Dan verstand Ewans Absicht. Im nächsten Augenblick war der Gürtel um Dans Taille mit demjenigen um Ewans Taille zusammengeschnallt, und beide Männer standen aneinander gefesselt da. Dann zogen sie die Dolche hervor, und ein entsetzliches Ringen, Brust an Brust, bis ihr Fleisch sich fast berührte, begann. Mit verschlungenen Schenkeln, die rechte Hand zum Stoß, die linke zum Schutz und zur Abwehr erhoben, schwankten sie und wanden sie sich hin und her. Was Dan an Kraft voraus hatte, machte Ewan an Wut wieder gut, es war ein wildes, entsetzliches Ringen. Dan mit dem Rücken den Klippen und Ewan mit dem Gesicht der See zugekehrt.

Einen Augenblick hatte Dan mit seiner großen Gestalt sich zum Stich über Ewans Schulter hinübergebeugt, und den andern Augenblick hatte Ewan mit seinem biegsamen Körper sich rückwärts gewunden und den Stich in seinem erhobenen Arm aufgefangen, aus dem sofort das Blut über dem Handgelenk hervorspritzte. Auf diese Weise ringend, hatten sie im Hin- und Herschwanken ihre Stellung vertauscht, und Ewans Rücken war jetzt dem Abhang und Dans Gesicht der See zugekehrt.

Es war ein entsetzliches, ein wildes Ringen. Die Sonne war untergegangen, die Kluft am Himmel hatte sich wieder geschlossen, dünne Schneeflocken begannen von neuem zu fallen, die Welt war in ihre düstere Stimmung zurückgesunken. Ein Sturmvogel erhob sich von der Klippe und umschwirrte, ein klägliches Geschrei ausstoßend, die Männer während des Ringens.

Auf und nieder, hin und her, in enger Umarmung zupackend, abwehrend und schwer nach Atem ringend, kämpften beide in tödlichem Hasse. Schließlich waren sie während ihres Ausweichens und Schwankens dem Abhange bis auf drei Meter nahegekommen, als Ewan, wie ein Ertrinkender nach Atem ringend, den Dolch in die Luft warf, und Dan mit der Spitze seines Dolches die sie aneinander fesselnden Gürtel aufschlitzte und sie gegenseitig voneinander befreite. Plötzlich von Dan losgelöst, lehnte Ewan sich schwer zurück und taumelte, durch sein eignes Gewicht gezogen, dem Abgrund zu.

Dan stand, während ein tiefes Stöhnen sich seiner Brust entrang, mit erhobener Hand wie erstarrt da. Wut und Schmerz waren während dieses entsetzlichen Momentes von ihm gewichen, und die Welt schien ausgelöscht für ihn. Als er wieder zu sich kam, fand er sich allein am Rande der Klippe stehend.

Die Uhr in der alten Kirche begann zu schlagen. Wie die Glocke auf der einsamen Höhe widerhallte! – Eins – zwei – drei – vier – fünf. Fünf Uhr! Ringsum herrschte Totenstille. Der Tag war vorüber. Der Schnee begann in dicken, großen Flocken zu fallen. Dan fühlte ihn sich schwer auf seine heißen Wangen und seinen bloßen Hals legen. Das Herz schien ihm in dem grausigen Schweigen rund umher stille zu stehen. Das Entsetzen betäubte ihn. »Was habe ich getan?« fragte er sich. Er konnte keinen Gedanken fassen und wanderte, seine Augen mit den Händen bedeckend, auf der Höhe der Klippe auf und ab, auf und ab. Dann blickte er in hilfloser, halber Bewußtlosigkeit auf die See hinaus und sah weit fort, etwa eine Seemeile entfernt, einen großen, dunklen Punkt sich gegen den finsteren Himmel abheben. Er erkannte ihn als ein Segel, das einem Logger angehören mußte, und ganz mechanisch versuchte er den Hauptmast von dem Besanmast, das Großsegel von dem Tollensegel zu unterscheiden und sich damit zu beschäftigen, ob das Boot seinen Lauf leewärts oder dem Kanal zu nähme.

Plötzlich schienen See und Himmel vor seinen Blicken zu verlöschen und seine Füße ihren Dienst zu versagen, so daß er, während dicke Schweißtropfen ihm vom Gesicht und Nacken rannen, in die Knie niedersinken mußte. Er wollte »Ewan! Ewan!« rufen, konnte aber keinen Ton aus seiner Kehle heraus bekommen. Sein Hals schien verdörrt, seine Zunge geschwollen und ihm am Gaumen zu kleben. Seine Lippen bewegten sich, ohne einen Laut hervorzubringen. Darauf erhob er sich und wurde der Welt rund um ihn her sich wieder bewußt, des Sturmvogels Schrei über seinem Haupte, des schrillen Heulens des durch den schneebedeckten Stechginster daherjagenden Windes und der aufwärts durch die Luft getragenen heiseren Stimme der See, deren gleichförmiger gegen den Strand gerichteter Wellenschlag den Boden unter ihm erschütterte. Hätte sich ihm den Moment irgend eine andere Naturerscheinung noch gezeigt, würde er vor Entsetzen haben aufschreien müssen.

An allen Gliedern zitternd, nahm er seinen Rock von der Erde auf und wandte sich dem Strande zu. Er war so schwach, daß er kaum durch den das kurze Gras jetzt völlig bedeckenden Schnee daherschreiten konnte. Als er das Ziel seiner Wanderung erreicht hatte, ging er nicht in die Hütte hinein, sondern über das Gerölle der Bucht zu. Seine blutunterlaufenen, ihm fast aus dem Kopf tretenden Augen blickten forschend von einer Seite zur anderen. Endlich zeigte sich ihm das Gesuchte, und nun, da er sich darüber beugte und es mit der Hand abreichen konnte, wagte er kaum, einen Blick auf dasselbe zu werfen.

Am Fuße eines zerklüfteten, schwer vom Abhang herabhängenden Felsens lag tot und kalt die Gestalt Ewan Mylreas. Außer einem Schnitt am linken Handgelenk und einem über der Wunde angesammelten Klümpchen geronnenen Blutes war kein Zeichen der Gewalt sichtbar. Das bleiche Angesicht hing tief über die Brust herab, als ob das Genick gebrochen sei. Andere Verletzungen durch den Fall waren nicht vorhanden. Der Körper lag auf dem Rücken ausgestreckt, der eine, der linke Arm, halb über der Stirne, und der andere, der rechte, mit seiner geöffneten Hand und willenlos gespreizten Fingern lose zur Seite.

Dan kniete neben der Leiche nieder, sein Herz war zu Eis erstarrt. Er versuchte zu beten, kein Gebet wollte ihm einfallen, ebensowenig konnte er weinen.

»Ewan! Ewan!« rief er endlich, und seine entsetzte Stimme umwehte wie das Lärmen des Sturmes den Leichnam.

»Ewan! Ewan!« rief er von neuem; jedoch nur die Stimme der See brach das darauf folgende Schweigen. Darauf sank sein Kopf auf die kalte Brust herab, und seine Arme umschlangen den leblosen Körper, und er flehte Gott an, sich seiner zu erbarmen und seine Hand zu erheben und ihn von hinnen zu nehmen.

Plötzlich sprang er auf, um, kaum wissend, was er tat, die Leiche mit ihrem ihm nach hinten über die Schulter fallenden Kopf und ihrem bleichen, in steinerner Starre dem dunklen Himmel zugewandten Angesicht in seine Arme aufzunehmen. Hiermit noch beschäftigt, blickte er zu dem Felsen hinauf und sah dort klar gegen die dunklen Klippen und den etwas helleren Himmel die Gestalt eines Menschen sich abheben.

Er schleppte sich fort, der Hütte zu. Er war so schwach, daß er sich kaum auf den Füßen zu halten vermochte, und als er den kleinen Schuppen am Ausgang der Bucht erreicht hatte, war er mehr tot als lebendig. Er legte den Körper auf das Strohlager, auf dem er selbst vor einer Stunde gelegen und geträumt hatte. Dann plötzlich fühlte er eine erbärmliche Art Schlauheit in sich aufsteigen, er ging nach der Türe zurück, um sie zu schließen und den langen, hölzernen Schieber in seine Haspe am Türpfosten zu schieben.

Kaum war er hiermit fertig, als er einen eiligen Fußtritt draußen auf dem Gerölle hörte. Im nächsten Augenblick wurde der Drücker aufgehoben und mit aller Macht an der Türe gerüttelt. Darauf erschallte ein Klopfen. Dan antwortete nicht, sondern stand mit verhaltenem Atem baumstill da. Ein abermaliges und erneutes Klopfen folgte, und darauf schlugen die leise gemurmelten Worte an sein Ohr –

»Wo mag er sein? Allmächtiger Gott! wo mag er sein?« Es war Davy Fähl. Ein neues, lauteres Klopfen erschallte, auf das abermals keine Antwort erfolgte.

»Herr Dan, Herr Dan, sie kommen; Herr Dan, allmächtiger Gott! –«

Davy lief geängstet vor der Türe hin und her. Dan versuchte zu überlegen, was richtiger wäre, Davy zu öffnen und zu hören, was er zu berichten habe, oder zu tun, als ob er nicht drinnen sei – als ein anderer Fußtritt über die Kieselsteine daher geschritten kam und seine Betrachtungen abschnitt.

»Habt Ihr Herrn Ewan – Pastor Ewan gesehen?«

Dan erkannte die Stimme; es war diejenige von Jarvis Kerrisch.

Davy antwortete nicht sofort.

»Habt Ihr ihn gesehen, wie?«

»Nein, Sir,« erwiderte Davy zögernd.

»Weshalb konntet Ihr das denn nicht gleich sagen? Es scheint sehr sonderbar. Die Leute behaupteten, er sei der Bucht zu gegangen. Es gibt keinen anderen Ausweg in dieser Richtung, wie?«

»Andern Ausweg – dieser Richtung? Ja, Sir,« sagte Davy stammelnd.

»Wo denn? Zeigt ihn mir.«

»Den Weg über die See, Sir.«

»Die See! Dummkopf! was tut Ihr hier?«

»Ich warte auf das Boot, Sir.«

»Was ist das für eine Hütte?«

Dan konnte deutlich wahrnehmen, wie diese Frage Davy in ein Fieber von Aufregung versetzte.

»O, nur ein Platz, um Netz- und Tauenden und so etwas Ähnliches aufzubewahren,« antwortete Davy eifrig.

Dan fühlte, wie Jarvis der Hütte zuschritt und durch das kleine Fenster in sie hineinzublicken versuchte.

»Haltet Ihr etwa ein Feuer, um Eure Netze und Taue zu wärmen?« fragte er mißtrauischen Tones.

Im nächsten Augenblick versuchte er die Türe zu öffnen. Dan stand hinter derselben. Der Schieber krachte in seiner Haspe; wenn derselbe nachgeben sollte, würden er und Jarvis sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.

»Sonderbar – dies alles scheint sehr sonderbar,« sagte der Mann draußen. »Ich hörte einen Schrei, als ich den Kamm entlang kam. Habt Ihr irgend etwas gehört?«

»Ich sage Euch ja, ich habe nichts gehört,« erwiderte Davy mürrisch.

Dan schwindelte es, und in seinem Versuch, sich an irgend einem Gegenstand festzuhalten, streifte seine Hand die Türe.

»Halt! Ich könnte darauf schwören, daß ich drinnen sich etwas bewegen hörte. Wer hat den Schlüssel zu dieser Hütte?«

»Schlüssel? Für so was gibt's keine Schlüssel.«

»Wie ist sie denn zugemacht? Von innen? Wartet, – laßt mich sehen.«

Ein Geräusch, wie wenn eine Hand über die Außenseite der Türe fuhr, wurde laut.

»Hat der Schnee das Schlüsselloch verstopft? oder gibt es überhaupt keines? Oder ist die Türe durch ein Vorlegeschloß geschlossen?«

Dan hatte seine Fassung mittlerweile wieder gewonnen. Er fühlte sich versucht, die Türe aufzureißen und griff an seine Seite nach dem Dolche, Gürtel und Dolch jedoch fehlten beide.

»Es ist höchst sonderbar,« sagte Jarvis, und dann schien er sich von der Türe abzuwenden und seinen Weg fortzusetzen.

»Ihr da!« rief er aus einer kleinen Entfernung zurück. »Wo ist der Mann, Dan – der Hauptmann?«

»Das weiß ich nicht,« sagte Davy entschlossen.

»Das ist eine Lüge, mein Junge.«

Dann verhallten des Mannes Fußtritte in dumpfen Schlägen auf den schneebedeckten Kieseln.

Nach einer langen Pause ertönte von neuem ein leises Klopfen; Davy war an die Türe zurückgeschlichen.

»Herr Dan,« flüsterte er atemlos.

Dan rührte sich nicht. Die Klinke wurde umsonst aufgehoben.

»Herr Dan, Herr Dan.« Das leise Klopfen wurde fortgesetzt.

Dan war seiner Stimme endlich wieder mächtig.

»Geh fort, Davy; geh fort,« sagte er heiser.

Es folgte eine kurze Pause und dann ertönte von draußen eine wie Schluchzen klingende Antwort.

»Ich gehe, Herr Dan.«

Darauf herrschte eine Totenstille. Eine halbe Stunde später schritt Dan Mylrea durch die Finsternis Ballamona zu. In seinem rastlosen Jammer ging er zu Mona. Der Schnee hatte zu fallen aufgehört, und in dem nachlassenden Sturm erschien der Himmel klarer, als er es bisher gewesen war. Als Dan an der alten Kirche vorüberging, konnte er gerade die Uhr erkennen. Der Schnee lag dicht auf ihrem Zifferblatt und hatte die Zeiger aufgehalten. Die Uhr stand still, gerade um fünf Uhr war sie stehen geblieben.

Der blinde Leidenschaften hervorrufende Zufall, wie er sich uns hier zeigt, ist überall wahrnehmbar, wo große Tragödien sich abspielen. Es ist nicht so sehr das Böse im Herzen des Menschen, als die tiefe Verkettung der Umstände, die ihn zum Verbrecher macht.


 << zurück weiter >>